Der Duft von Karamell - Siri Mitchell - E-Book

Der Duft von Karamell E-Book

Siri Mitchell

4,9

Beschreibung

Lucy Kendall kehrt nach einer Europareise nach Hause zurück und erlebt eine böse Überraschung: Ihr Vater ist erkrankt und mit der Bonbonfabrik ihrer Familie ging es während ihrer Abwesenheit bergab. Lucy hat nur noch ein Ziel: Sie wird eine neue Süßigkeit erfinden und den Betrieb wieder zum Erfolg führen. Doch die Konkurrenz hat mit dem charmanten Charlie Clark einen sehr zielstrebigen Mitarbeiter eingstellt. Und was passiert, wenn plötzlich Gefühle ins Spiel kommen?

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Der SCM-Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

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ISBN 978-3-7751-7232-5 (E-Book)ISBN 978-3-7751-5565-6 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:Satz & Medien Wieser, Stolberg

© der deutschen Ausgabe 2014SCM Hänssler im SCM-Verlag GmbH & Co. KG · 71088 HolzgerlingenInternet: www.scm-haenssler.de · E-Mail: [email protected]

Originally published in English under the title: UnrivaledCopyright © 2013 by Siri L. MitchellPublished by Bethany House, a division of Baker Publishing Group,Grand Rapids, Michigan, 49516, U.S.A.Cover art used by permission of Bethany House Publishers.All rights reserved.

Übersetzung: SuNSiDe, ReutlingenUmschlaggestaltung: OHAWerbeagentur GmbH, Grabs, Schweiz;www.oha-werbeagentur.chTitelbild: Mike Habermann, PhotographySatz: Satz & Medien Wieser, Stolberg

Für meinen Süßen

Inhalt

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Nachwort der Verfasserin

Dank

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

1

September 1910St. Louis, Missouri

Lucy

Bald, bald, bald, dachte ich im Takt der Pferdehufe. Ich schaute aus dem Fenster, während die Kutsche durch mein geliebtes St. Louis rumpelte, vorbei am Cave Ballroom, dem großen Bau der Morgens Brothers mit seinen hohen, rotbraunen Fenstern und den Ford-Werken. Und dann die vielen Schuh- und Stiefelläden! Durch das Fenster auf der anderen Seite hätte ich einen Blick auf den St. Louis Club erhaschen können.

Ein Werbeplakat für Royal Taffy stach mir ins Auge: Mach der Königin deines Herzens ein königliches Geschenk. Am Rand des Plakats wiederholte sich sehr hübsch das freche Rot der länglichen Verpackung. Es war schon die dritte Plakattafel, die ich sah, während wir durch die Olive Street fuhren. Ich fragte mich, wie viele wohl insgesamt in der Stadt hingen. Und ich fragte mich auch, warum ich nirgendwo eine Werbung für Fancy Crunch, die Süßigkeit, die mein Vater herstellte, entdecken konnte.

Die Kutsche hielt mit einem Ruck an. Du meine Güte, mittlerweile sah man aber sehr viel mehr Autos als vor knapp einem Jahr, als ich nach Europa abgereist war! Diese Vehikel waren wirklich eine Plage.

Und die Hitze! Ich hatte ganz vergessen, wie feuchtheiß es in Missouri war. Mein weißer Seidenkragen klebte mir am Hals, obwohl er nach der neuesten Mode offen gearbeitet war, und meine dunkelblaue Bluse hatte bestimmt schon feuchte Flecken auf dem Rücken. Neugierig rutschte ich auf dem Sitz etwas weiter nach vorn. Die Straßenbahnen und Autos glitten an uns vorbei – sie erinnerten mich an die Schiffe, die ich auf dem Mittelmeer gesehen hatte.

Männer und Frauen strebten eilig die Straße hinauf und hinunter, vorbei an von Markisen beschatteten Schaufenstern. Mir fiel auf, wie groß die Gebäude alle waren, und Stolz wallte in mir auf: Neben meiner wunderschönen Geburtsstadt konnte nicht einmal Europa mit all seiner Pracht bestehen.

Ich hatte schon überlegt, ob mir meine Heimat jetzt, nach meiner Rückkehr, vielleicht langweilig und provinziell vorkommen würde, ob sie irgendwie kleiner wirken würde nach all dem Glanz, den ich gesehen, und den berühmten Orten, die ich in der Alten Welt besucht hatte. Doch das Gegenteil war der Fall. Meine geliebte, teure Heimat! Ich hätte am liebsten alles umarmt, einfach alles. Es gab Dutzende Dinge, die zu tun ich kaum abwarten konnte, und Hunderte, von denen ich erzählen wollte: von der Linzer Torte, die ich in Österreich gegessen, von den Gletschern, die ich in der Schweiz gesehen, und von dem Kaffee, den ich in den kleinen Bars in Italien getrunken hatte.

Bald, bald, bald.

Ich war um die halbe Welt gereist, doch diese letzte Fahrt vom Bahnhof bis zu meinem Elternhaus schien kein Ende nehmen zu wollen.

Ich schaute auf die Zeitung, die ich in der Hand hielt und vor Ungeduld beinahe zu einem Strick zusammengedreht hatte, und beschloss, wenigstens so zu tun, als würde ich geduldig warten. Es war eine Ausgabe der Chicago Tribune, die irgendjemand im Zug liegen gelassen hatte. Eine Schlagzeile in Fettdruck sprang mir ins Auge: Verdächtiger im South-Side-Mordfall verhaftet. In dem Artikel darunter hieß es: Ein zweiundzwanzigjähriges Mitglied eines der berüchtigten Clubs in South Side wurde kürzlich verhaftet. Der Mann wird des Mordes an Micky Callahan verdächtigt. Wie furchtbar!

Meine Augen wanderten von dem Artikel zu dem Bild des abgebrühten Verbrechers, der mich mit seinen Knopfaugen anstarrte. Ich schauderte. Hoffentlich sperrten sie ihn für lange, lange Zeit ins Gefängnis! Dann faltete ich die Zeitung wieder zusammen und legte meine Hände darauf.

Auf der Bank mir gegenüber wechselten meine Tante und mein Onkel einen Blick. Ich hatte mich in Europa an diese Blicke gewöhnt, ja mehr noch, ich hatte mich sogar an den Austausch von Zärtlichkeiten zwischen den beiden gewöhnt. Ich konnte nur hoffen, dass mir eines Tages eine ebenso liebevolle Ehe beschieden sein würde wie diesen beiden.

Noch vier Blocks.

Noch drei Blocks.

Da war es! Das anmutig geschwungene, auf beiden Seiten mit hohen Säulen bewehrte Tor, das Vandeventer Place vor der Außenwelt schützte. Ich kannte jedes Blütenblatt der Metallblumen, die sich an dem Eisengitter emporrankten. Als die Räder der Kutsche über die Torschwelle auf die glatten Granitplatten rollten, hörte endlich das knochenbrecherische Rütteln auf, das uns bis hierher geplagt hatte. Mein Herz hüpfte vor Freude, als es das Plätschern des Springbrunnens auf der anderen Seite vernahm, und beim Anblick der Statue, die ihn schmückte, traten mir Tränen in die Augen. Leda und der Schwan. Und – da! Der alte Mr Carleton saß noch immer in dem gleichen Schaukelstuhl auf seiner Veranda und überwachte das Stutzen seiner Rosen. Ich musste grinsen und winkte ihm übermütig mit dem Taschentuch zu.

»Vielleicht solltest du dich lieber wieder richtig hinsetzen, Liebes.« Trotz der Zurechtweisung, die ihre Worte enthielten, lächelte meine Tante mich an. Auf der ganzen Reise hatte sie mein Betragen immer wieder auf diese Weise korrigiert. Und sie hatte recht damit; vielleicht sollte ich mich wirklich ordentlich hinsetzen. Vater und Mutter sollten schließlich nicht denken, dass meine Manieren in Europa gelitten hätten.

Ich konnte es kaum erwarten, sie zu sehen!

Doch sosehr ich mich freute, der Gedanke an meinen Vater löste plötzlich Schuldgefühle in mir aus. Er hatte mir erlaubt, meine Tante und meinen Onkel auf ihrer Reise zu begleiten, weil er hoffte, dass ich als eine Lady zurückkommen würde. Eine Lady brach nicht in Begeisterungsstürme aus, wedelte nicht mit Taschentüchern herum und vor allem trat sie nicht in das Geschäft ihres Vaters ein.

Auch dann nicht, wenn es als Kind ihr höchstes Glück gewesen war, mit ihm am Herd zu stehen, sich neue Süßigkeiten auszudenken und sich dabei den Erfolg auszumalen, den die Leckerei ihnen bescheren würde.

Wie lange hatten wir auf diesen Erfolg gewartet …

Doch jetzt war ich in Europa gewesen. Ich hatte die Herrlichkeiten dieses Kontinents gesehen und hatte unzählige europäische Süßigkeiten gekostet. Dabei war mein Entschluss, in das Geschäft meines Vaters einzutreten, immer unumstößlicher geworden. Schließlich hatte ich mir einen Plan ausgedacht. Ich würde meinen Vater an all meinen Entdeckungen teilhaben lassen. Ich hatte Etiketten von Pralinenschachteln und anderen Verpackungen gesammelt und in mein Album geklebt, um sie ihm zu zeigen. Und natürlich hatte ich ihm auch ein paar ganz besondere Leckereien mitgebracht. Das würde ich als Allererstes tun: ihm meine Schätze zu kosten geben. Und dann würde ich ihn überreden, eine neue Artikelgruppe in unser City-Confectionery-Sortiment aufzunehmen: europäische Premium-Süßwaren. »Was meint ihr, wie viele neue Süßigkeiten hat Vater sich ausgedacht, während ich fort war?«

»Nun …« Meine Tante wandte unbehaglich den Blick ab und schien leicht die Lippen zusammenzupressen. »Ich weiß nicht, aber … Lucy, mein Liebling? Es gibt da etwas, das du wissen solltest.« Sie schaute wieder meinen Onkel an.

Da war es, am Ende der Auffahrt: unser Haus, mein geliebtes Zuhause. Das Haus, das mein Großvater erbaut hatte, mit seinem Giebeldach und dem Säulenvorbau. Es bedurfte meines letzten Quäntchens Selbstbeherrschung, um nicht aus der Kutsche zu springen und die Stufen hinaufzurennen.

»Lucy!«

Ich straffte die Schultern und hob die Hand, um meinen neuen Strohhut zurechtzurücken. Der kleine Schmuck aus Straußenfedern schwankte leicht, als ich den Kopf wieder sinken ließ und die Hände erneut gesittet in meinem Schoß faltete. »Ja, Tante?«

»Wir müssen dir etwas … äh …«

Mein Onkel räusperte sich. »Deinem Vater ist etwas zugestoßen.«

Die letzten Meter schienen eine Ewigkeit zu dauern. Der Kutscher musste mir beim Aussteigen geholfen haben, denn plötzlich stand ich im Haus in unserer Eingangshalle und dann lag ich auch schon in den Armen meiner Mutter. »Papa …?«

»Er ruht.«

»Darf ich ihn sehen?«

»Nicht jetzt. Lass ihn lieber schlafen. Vielleicht morgen …«

Ich sah unseren alten, vertrauten Garderobenständer und roch den Duft der Hefebrötchen, die Mrs Hughes zum Abendessen gebacken hatte. Doch ich hörte weder die raschen Schritte meines Vaters noch spürte ich seine warme, feste Umarmung, die ich so sehr liebte. Obwohl meine Handflächen eben noch in meinen neuen Kalbslederhandschuhen geschwitzt hatten, waren meine Hände jetzt plötzlich kalt wie Eis. Ich raffte meinen Rock zusammen und stellte einen Fuß auf die Treppe, die nach oben führte. »Ich schaue nur ganz kurz nach ihm. Er wird mich gar nicht hören, ich passe auf, dass ich ihn nicht aufwecke.«

Doch meine Tante legte mir einen Arm um die Schultern und schob mich mit sanfter Gewalt in Richtung Salon. »Ich versichere dir, dass dein Vater Fortschritte macht. Sein Zustand ist stabil.«

Warum unternahm denn niemand etwas? Wie konnten sie alle so ruhig bleiben? »Aber – was ist denn überhaupt passiert?«

»Er hatte einen Anfall. Einen Herzanfall.«

Ich riss mich von meiner Tante los, doch meine Mutter legte erneut die Arme um mich. Sie duckte sich unter meinen Hutrand und küsste mich auf die Wange. »Es ist nicht schlimmer geworden. Und wir dürfen nicht vergessen, dass es erst drei Monate her ist.«

Drei Monate! Das bedeutete – ich überlegte, wo ich im Juni gewesen war. Ich hatte eine Skizze der Berner Alpen angefertigt und war in der Schweiz auf einem Boot über den Thuner See gefahren. »Ihr hättet es mir sagen müssen! Warum habt ihr es mir nicht gesagt?«

Mutter rückte meinen Hut zurecht. »Wir wollten dich nicht beunruhigen. Und außerdem hättest du sowieso nichts tun können.«

Tante Margaret tätschelte mir den Arm. Dann nahm sie meine Hand und zog mich endgültig in den Salon hinein.

Ich schnappte vor Überraschung nach Luft. Sie hatten den Raum renovieren lassen. Fort waren das schimmernde, melassebraune Holz und die kirschrote Tapete. Die Einrichtung war jetzt cremeweiß und die Wände zeigten ein ganz besonderes, zartes Hellgrün. Es sah so … schlicht aus. Und blass. »Warum habt ihr es streichen lassen?«

Mutter blinzelte und schaute sich im Salon um. »Ich finde es sehr hübsch. Und gestrichene Möbel brauchen nicht poliert zu werden. Das spart so viel Zeit, dass ich eines der Mädchen entlassen konnte.«

Sie hatte eines der Mädchen entlassen? »Wen?«

Meine Tante hatte inzwischen einfach weitergeredet. »Und weißt du nicht mehr, Lucy? Wir waren damals gerade in Interlaken. Wir hätten nach Frankreich zurückfahren müssen und versuchen, von dort aus die Überfahrt zu buchen. Es wäre alles viel zu mühselig gewesen.«

Sie hatten es mir nicht gesagt, weil es unbequem gewesen wäre?

Sie drückte meinen Arm. »Es hätte dir die ganze Reise verdorben. Und dir völlig sinnlose Anstrengungen auferlegt.«

Die Reise verdorben? Anstrengungen? Völlig sinnlos? »Ich bin kein Kind mehr!« Ich blinzelte die Tränen zurück, die mir die Sicht zu nehmen drohten. »Ich bin kein Kind mehr. Es wäre mir sehr viel lieber gewesen, wenn ich Bescheid gewusst hätte.«

»Jetzt komm erst einmal her.« Mutter zog mich aufs Sofa. Wir setzten uns. Die Sprungfedern protestierten quietschend. Dann kam auch schon Mrs Hughes mit einem Teetablett herein. Meine Mutter schenkte uns ein und reichte erst meiner Tante und meinem Onkel und dann auch mir eine Tasse. Sich selbst schenkte sie zuletzt ein, ließ ihre Tasse jedoch auf der Untertasse stehen. »Erzähl mir von deiner Reise. Ich bin schon so gespannt! Erzähl mir einfach alles.«

Mutter wollte wahrscheinlich ermutigend klingen, doch die Angst in ihren Augen strafte ihre Worte Lügen. Ich sah keine Gemeinsamkeit mehr zwischen der Mutter, die ich vor einem Jahr hier zurückgelassen hatte, und der Frau, die jetzt vor mir saß, mit dem Grau, das sich wie Staub über ihr Haar gelegt hatte, und der fleckigen Schürze, die sie über Bluse und Rock trug. Sie sah abgehärmt, müde und erschöpft aus.

Tante Margaret und Onkel Fred saßen uns gegenüber in zueinanderpassenden Lehnstühlen. Alle schauten mich an, als könnten sie es nicht erwarten, dass ich loslegte, doch meine ganze Aufregung und Freude über meine Reise waren verschwunden. Wie hatte ich unzählige Museen besuchen, wie über die Possen der Guignol-Handpuppen in den Tuilerien-Gärten lachen können – wie hatte ich mich überhaupt freuen können, während mein Papa von seinem Herzen im Stich gelassen wurde?

Ich nippte an meinem Tee, dann stellte ich die Tasse wieder zurück auf die Untertasse. »Ich … ich weiß nicht … wo ich anfangen soll …«

Meine Tante setzte ebenfalls ihre Tasse ab und lächelte mit hochgezogenen Brauen, so wie sie es getan hatte, als ich in einem Restaurant in Athen Tintenfisch bestellt hatte. Ich hatte nicht gewusst, dass er mitsamt den vielen Armen und winzigen Tentakeln serviert wurde. »Vielleicht fange ich an, dann kannst du erst einmal deine Gedanken ordnen.«

Ja. Genau das brauchte ich. Die Möglichkeit, meine Gedanken zu ordnen.

Sie erzählte Mutter von München und Florenz. Von der neuen Bergbahn zur Jungfrau hinauf. Und dann sprachen sie darüber, wann genau sie und mein Onkel nach Denver weiterfahren würden, wo sie lebten.

Plötzlich hielt sie inne und lächelte mich an. »Du musst sehr müde sein, meine Liebe, aber erzähl doch deiner Mutter noch von dem Besuch bei der Schneiderin in Paris.«

Meine Mutter.

Plötzlich erschien mir die ganze Reise so unsinnig, so grausam. Wie musste meine Mutter sich gefühlt haben, als Vater einen Herzanfall hatte, während ich auf der anderen Seite der Weltkugel in seliger Ahnungslosigkeit über Prachtstraßen flanierte? Welches Recht hatte ich gehabt, mich zu amüsieren, während sie hier ganz allein mit Vaters Krankheit fertig werden musste? »Tut mir leid, ich glaube, ich brauche noch einen Moment.« Ich stand auf und verließ das Zimmer. Es kostete mich meine ganze Selbstbeherrschung, nicht zu rennen. Ich ging nach oben, mit ruhigen, gleichmäßigen Schritten.

In meinem Zimmer nahm ich den Hut ab. Da ich den Hutnadelhalter nicht finden konnte, steckte ich die Nadel einfach in die Krempe. Ich zog meine Handschuhe aus, einen nach dem anderen, und legte sie zusammen, so wie der Handschuhmacher in Florenz es mir gezeigt hatte. Und dann warf ich mich aufs Bett und weinte wie das Kind, das ich, wie ich soeben erkannt hatte, nicht mehr war.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

2

Charlie

»Charlie Clarke!« Ich hörte, wie der Aufseher seinen Schlagstock laut klappernd über die Gitterstäbe der Zellentüren zog, an denen er entlangging. Der Widerhall seiner schweren Schritte dröhnte durch den Gang.

Ich schloss die Hand um einen Gitterstab. »Hier. Hier bin ich.« Jedenfalls war ich das gewesen, als ich das letzte Mal nachgesehen hatte: in einer Gefängniszelle in South Side, Chicago. Ich wollte, ich könnte sagen, dass es das erste Mal war.

Die Schritte hielten inne, der Aufseher schaute mich durch die Gitterstäbe an. Er zog einen Schlüssel aus seiner Tasche und fummelte am Schloss herum. »Du wirst gesucht.«

Das war mir nicht neu. Sonst wäre ich ja wohl kaum verhaftet worden. Ich wurde gesucht wegen Mordes an Micky Callahan, mit dem ich nicht das Geringste zu tun hatte. Doch den Cops war das egal. Ich gehörte zum selben Club wie Manny White, der im Gegensatz zu mir sehr wohl etwas mit diesem Mord zu tun, ja der ihn sogar geplant hatte – und das genügte ihnen. Ich wusste, dass sie mir nicht beweisen konnten, dass ich es getan hatte, und dass Manny mich irgendwann hier rausholen würde, ich hatte nur nicht gedacht, dass er es so schnell schaffen würde.

Ich streifte meine Hosenträger über die Schultern und setzte meine Melone auf. Dann nahm ich meinen Mantel, holte meinen Gummikragen aus der Tasche und knöpfte ihn an.

Der Cop hatte währenddessen die Tür geöffnet und schlug ungeduldig mit seinem Schlagstock gegen das Gitter. »Wirdʼs bald? Oder willst du noch länger bleiben?«

»Bin schon fertig.« Manny war sehr penibel, was Kleidung betraf. Es war nicht ratsam, ihm ohne Kragen unter die Augen zu treten. Meine Schuhe hätten dringend geputzt werden müssen, aber das würde er mir hoffentlich nachsehen. Immerhin hatte ich ihm einen Gefallen getan. Ich hatte mich festnehmen lassen, damit er abhauen konnte.

Ich pfiff Bill Bailey, während ich hinter dem Cop herging. Doch meine gute Laune verflüchtigte sich schlagartig, als der Aufseher die Tür am Ende des Gangs aufschloss. In diesem Moment erblickte ich nämlich den Ehrenwerten Andy.

Den gewaltigen Körper in einen der wackligen Gefängnisstühle gezwängt, starrte er mich über den langen, zerkratzten Holztisch an. Dann warf er dem Wärter, der hinter mir stand, einen Blick zu. »Ich mach das schon, Gordy.«

Der Aufseher nickte und verschwand. Ich war beinahe versucht, ihm nachzulaufen und zu betteln, dass er mich wieder in die Zelle brachte, aber ich war zweiundzwanzig und damit aus dem Alter heraus, in dem man um etwas bettelte. Normalerweise genügte es, mein Grübchen-Lächeln aufzusetzen, und ich bekam, was ich wollte. Wenn nicht, dann tat die wohlplatzierte Faust ein Übriges.

Der Ehrenwerte Andy deutete auf den Stuhl ihm gegenüber.

»Ich stehe lieber.«

»Wie du willst.«

Er war zwanzig Jahre älter als ich, aber gute fünfundzwanzig Zentimeter kleiner und gebaut wie ein Profiboxer. Genau das war er auch gewesen, bevor er fromm geworden war. Jetzt sprach er nur noch mit leiser Stimme und schleppte immer einen albernen großen Spazierstock mit, wo er auch hinging. Der Ehrenwerte Andy war der einzige Cop, den Manny White nicht kaufen konnte.

Er sah mich mit Augen an, die tief in meine Seele zu blicken schienen. »Willst du mir erzählen, was passiert ist?«

»Nein.« Manny war mit ein paar der Jungs zu Micky Callahan gegangen. Sie hatten ihn mit hinausgenommen in eine stille Gasse und verdroschen, und dann war Manny mit seinen Nagelschuhen auf ihn draufgesprungen. In diesem Moment kam ich dazu. Ich hatte meine Runden gedreht, rein beruflich, und Plakate mit der Ankündigung eines Boxkampfs aufgehängt, und betrat ausgerechnet in diesem Moment jene Gasse. Doch es gab nichts, was ich dem Ehrenwerten Andy erzählen wollte über einen Mann, der so schrecklich gestorben war. Mir wurde jetzt noch schlecht, wenn ich daran dachte. Und noch schlechter, wenn ich daran dachte, dass ich mit Micky aufgewachsen war.

Andy kaute auf seinem Schnurrbart herum und betrachtete mich nachdenklich. Dann faltete er seine Hände und legte sie auf den Tisch. »Du bist ein guter Junge, Charlie …«

»Ich bin kein Junge mehr, Andy.«

»Das hier passt nicht zu dir.«

»Ich bin, wie ich bin.« Ich war dem Club beigetreten, weil ich keine andere Wahl hatte. Um in der South Side Geschäfte zu machen, waren gewisse Voraussetzungen nötig. Wenn ich Manny für die Plakatbestellungen, die ich erhielt, bezahlen musste, dann war das eben der Preis dafür, hier arbeiten zu dürfen. Jedenfalls verhinderte ich damit, dass mir das Gleiche passierte wie Micky.

»Deine Vergangenheit ist nicht so wichtig wie deine Zukunft. Wusstest du das? Du kannst nicht mehr ändern, was du gewesen bist, aber du kannst bestimmen, wer du sein wirst.«

Das hatte ich schon oft gehört. Sehr oft. Zu oft. So oft, dass es mich nervös machte.

»Wusstest du, dass Gott …«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott mit jemandem wie mir irgendetwas zu tun haben will.«

»Ah!« Ein Glitzern trat in seine Augen, während er sich vorbeugte. »Genau da irrst du dich! Trotz allem, was du getan hast, bist du seiner Liebe genauso würdig wie …«

»Wenn du nur gekommen bist, um mir eine Predigt zu halten, gehe ich lieber wieder zurück in die Zelle.«

Er seufzte. »Na gut. Aber ich soll dir sagen, dass deine Mutter sich Sorgen um dich macht.«

Musste er jetzt auch noch meine Mutter ins Spiel bringen? »Ich bin anständig ihr gegenüber. Sie hat sich nie beklagt.«

»Es ist ja nicht so, dass sie nicht zu schätzen wüsste, was du geleistet hast.«

»Ich habe dafür gesorgt, dass wir ein Dach über dem Kopf haben, oder?« Das war mein Hauptziel gewesen. Und ich hatte es für uns alle getan: für meine Schwester, meine Mutter und mich.

»Ich glaube, es ist mehr das Wie als das Was, das ihr Sorgen macht.«

»Und das willst du mir also unter die Nase reiben, Andy? Bist du deshalb gekommen?«

»Ich bin gekommen, weil ich das alles satthabe. Du gehörst nicht hierher. Deshalb … habe ich für dich unterschrieben. Sie haben dich zu meinem Mündel gemacht.«

Wie bitte? »Ich bin über das Alter hinaus, in dem ich einen Vormund brauche.« Und vor allem wollte ich nicht ausgerechnet ihn als Bürgen haben.

»Dann betrachte mich doch einfach als jemanden, der Interesse an deiner Zukunft hat.«

»Die übergeben mich also deiner Obhut?«

»Genau.«

»Hab ich auch was dabei zu sagen?« Ich konnte mir nichts Schlimmeres vorstellen, als in Andys Schuld zu stehen.

»Klar. Du kannst hierbleiben und deiner Mutter das Herz brechen. Wäre dir das lieber?«

»Nein.« Das Herz meiner Mutter war bereits gebrochen. Es war immer und immer wieder gebrochen worden. Er kannte meinen wunden Punkt, und das nützte er jetzt aus.

»Wenn du also mit meinen Bedingungen einverstanden bist, hole ich dich hier raus.«

»Was für Bedingungen?«

Er lächelte. Dann setzte er seine Mütze auf und erhob sich. »Die sage ich dir, wenn sie dich mir übergeben haben. Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es noch zum Abendessen nach Hause zu deiner Mutter. Dann reden wir.«

Zuhause war zwar besser als das Gefängnis, aber seine Gesellschaft war es nicht. Wir waren gut miteinander ausgekommen, meine Mutter und ich, bis Andy sich in sie verguckt hatte. Das wäre nicht schlimm gewesen, wenn sie seine Gefühle nicht erwidert hätte. Sie war müde und ausgelaugt gewesen, bis Andy aufgetaucht war, dann blühte sie mit einem Mal auf wie eine Blume in der Sonne.

Ich hatte nichts gegen ihn … nur gegen die Tatsache, dass er dauernd an Orten war, wo er nichts zu suchen hatte. Und dass er sich in Dinge einmischte, die ihn nichts angingen.

»Folgendes.« Wir saßen zusammen am Tisch und er nahm die Hand meiner Mutter.

Sie sah ihn an und errötete.

»Ich habe deine Mutter sehr gern, mein Sohn.«

Sohn. Das gefiel mir gar nicht. Ich hatte mich daran gewöhnt, keinen Vater zu haben, und legte nicht den geringsten Wert darauf, jetzt noch einen zu bekommen. Aber anscheinend hatte meine Mutter Andy ebenfalls ins Herz geschlossen. Um des lieben Friedens willen – und um nicht zurück ins Gefängnis zu müssen – setzte ich also mein freundlichstes Lächeln auf. »Ich nehme an, über deine Absichten brauche ich mir keine Sorgen zu machen.«

»Ich lüge nicht, wenn ich sage: Es sind die allerehrenwertesten.«

Etwas anderes hätte ich auch nicht von ihm erwartet. Er war einer der besten und lästigsten Cops von ganz Chicago. Ständig ging er einem auf die Nerven mit Fragen nach dem Geschäft und steckte seine Nase in Dinge, die ihn nichts angingen.

»Wir möchten aber trotzdem etwas mit dir besprechen.«

Wir?

Mutter kaute auf ihrer Unterlippe herum.

Der Cop räusperte sich.

Hoffentlich kam jetzt nicht das, was ich befürchtete. Ich hatte zwar damit gerechnet, dass er ihr eines Tages einen Heiratsantrag machen würde, aber ich war alles andere als glücklich darüber – und das ging mir noch stärker gegen den Strich. Doch wenn das Glück meiner Mutter nun mal davon abhing, dass ich ihr meinen Segen gab, würde ich nach Kräften versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass ich mich darüber freute. Ich lächelte wieder, diesmal mit Grübchen. »Falls du mich fragen willst, ob du sie heiraten darfst – ich habe keine Einwände.« Es entsprach ganz bestimmt niemandes Vorstellung von Glück, ständig am schlüpfrigen Rand der Armut in einem Haus zu wohnen, das jeden Moment über einem einzustürzen drohte. Ich hatte größere Pläne – und Träume für uns alle. In erster Linie aber für mich. Doch man brauchte Geld, um es in dieser Welt zu etwas zu bringen, und Geld gehörte zu den Dingen, die bei uns immer Mangelware waren.

Mutter errötete noch heftiger, doch dann beugte sie sich zu mir herüber und küsste mich auf die Wange. »Gott segne dich, Charlie. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass er es tut. Aber wir wollten eigentlich über etwas ganz anderes mit dir reden.«

Der Ehrenwerte Andy räusperte sich abermals. »Du weißt, dass ich Polizist bin, mein Sohn.«

»Ja.« Jeder wusste, dass er Polizist war, und insbesondere ich wurde jeden einzelnen Tag gnadenlos damit konfrontiert.

»Das könnte die Sache etwas verkomplizieren.«

Mir verging das Lächeln. »Verkomplizieren für dich – meinst du das?«

»Und auch für dich.«

Ich blickte von meiner Mutter zu ihm, während ich über seine Antwort nachdachte. Aus dieser Perspektive hatte ich es noch gar nicht gesehen, doch es war nicht von der Hand zu weisen. Andy war nicht käuflich. Und da er nicht käuflich war, musste er jederzeit damit rechnen, die Folgen dafür tragen zu müssen. Wenn ich je in eine Situation geriet, in der man von mir verlangte, ihn zu verraten … Ich blickte zu meiner Mutter hinüber.

Sie sah mir direkt in die Augen, was sie gewöhnlich vermied, wenn ich oder jemand anders auf meine Mitgliedschaft im Club zu sprechen kam. »Ich bin dir dankbar für alles, was du für mich getan hast, Charlie. Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin für das Geld, das du nach Hause bringst, dafür, wie du für deine Schwester sorgst oder wie du das Haus instand hältst. Aber ich glaube, es wird Zeit, darüber nachzudenken …«

»Lass uns ehrlich sein, Sohn. Du musst dir andere Freunde suchen.«

Als Vorbedingung für meine Mitgliedschaft im Club hatte Manny von mir verlangt, gelegentlich etwas für ihn zu erledigen. Ich sollte dafür sorgen, dass seine alten Freunde zufrieden waren, und ihm helfen, neue zu gewinnen. Ich war gut darin, Freundschaften zu schließen. Ich war auch gut darin, Geld einzutreiben und abzuliefern. Und ich hatte nichts dagegen, hin und wieder eine oder zwei Nächte im Gefängnis zu verbringen und damit anderen dieses Schicksal zu ersparen. Anders als die meisten Leute dachten, hatte ich nie mit irgendwelchen Schießereien zu tun und brach auch niemandem die Kniescheibe. Dafür hatte Manny andere Leute. »Was … was wollt ihr denn von mir?« Ich machte mir keine Illusionen über mich. Ich hatte nur zwei Talente: mein gewandtes Auftreten und mein gewinnendes Lächeln. Weitere Fähigkeiten besaß ich nicht. Außer vielleicht beim Pokern. Dann hatte ich noch ein ganz gutes Ohr für Ragtime und auf dem Tanzboden machte ich auch keine schlechte Figur – was mir wiederum half, Freundschaften zu schließen. Und das half mir beim Verkauf von Werbeplakaten und beim Eintreiben und Abliefern von Mannys Geld.

»Wir möchten dich bitten, eine andere Arbeit in Erwägung zu ziehen.« Mutter griff nach Andys Hand. »Ich will, dass du etwas aus dir machst, Charlie.«

»Etwas Ehrenwertes.« Der Ehrenwerte Andy warf mir einen Blick zu, der mir zeigte, dass er mehr wusste, als ich angenommen hatte. »Das ist eine meiner Bedingungen.«

»Ihr wollt, dass ich … ja, was soll ich denn eurer Ansicht nach tun? Soll ich irgendwo im Büro arbeiten?« Insgeheim beneidete ich all die ehrlichen Männer, über die ich mich lustig zu machen pflegte. Die, die jeden Tag neun Stunden auf einem Stuhl saßen und dann mit reinem Gewissen nach Hause zum Essen gingen. Ich war noch nie stolz auf Mannys Geschäftsmethoden gewesen, aber die persönlichen Ansichten und das, was man anderen gegenüber äußerte, waren zwei völlig verschiedene Dinge, und ich dankte es weder meiner Mutter noch Andy, dass sie mir das Gefühl gaben, ein zweitklassiger Gangster zu sein.

»Ich habe mir erlaubt, an deinen Vater zu schreiben. Er hätte eine Stellung für dich.«

»Du hast – warte mal – was?« Mein Vater? Mein Vater, der uns im Stich gelassen hatte, als ich sieben war? Mein Vater, der seine Frau und seine Kinder einfach sitzen gelassen hatte? Der meine Mutter nicht nur verlassen, sondern ihr dann auch noch die öffentliche Schmach angetan hatte, sich scheiden zu lassen?

Davor hatte er uns von einer Stadt in die andere geschleppt, wild entschlossen, erfolgreich zu werden, ganz gleich, was für einen Blödsinn er gerade zu verkaufen versuchte. Als ich klein war, hatten wir zwar kein Brot und keine Milch im Haus, dafür aber dutzendweise Schnürsenkel und Uhrentaschen und Flaschen mit Haarwasser.

Ich wollte damals die Schule sausen lassen, doch davon hatte meine Mutter nichts hören wollen. Sie sorgte dafür, dass ich durchhielt … und ich sorgte dafür, dass ich nach dem Unterricht so schnell wie möglich vom Schulhof kam. Ein paar Jahre lang verkaufte ich als Zeitungsjunge Zeitungen, dann arbeitete ich als Laufjunge für einen Drucker. Auf diese Weise hatte ich mich allmählich hochgearbeitet. Jetzt nahm ich Aufträge für die Verteilung und das Ankleben von Werbeplakaten in ganz South Side an.

Meine Mutter presste die Lippen zusammen. »Dein Vater hat dir eine Stellung angeboten.«

»Als was? Soll ich Federreiniger verkaufen?«

»Er hat es weit gebracht. Er besitzt jetzt eine Firma. Eine richtige Fabrik.«

Eine Firma? Mein Vater besaß eine Firma, während wir immer noch jeden Penny dreimal umdrehen mussten? »Schön für ihn.«

Andy drückte ihre Hand. »Wir wollen, dass du sein Angebot annimmst. Das ist ebenfalls eine meiner Bedingungen.«

»Wo ist diese Firma? Hier?«

»In St. Louis.« Die zarte Röte war aus Mutters Gesicht gewichen; jetzt sahen ihre blauen Augen wieder erschöpft und traurig aus.

Andy lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Es ist eine einmalige Chance, die du unserer Ansicht nach ergreifen solltest.«

Klar, dass er es so sah. Dann hatte er meine Mutter ganz für sich allein. »Ist es … in seiner Fabrik?«

Meine Mutter zuckte die Achseln. »Es ist eine Stellung. Eine respektable … und du bist schon immer nach deinem Vater gekommen.«

Ich hatte meinen Vater mein ganzes Leben lang gehasst, doch ich konnte nicht leugnen, dass meine braunen Augen und mein dunkles Haar nichts von der sanften, blonden Schönheit meiner Mutter erkennen ließen.

»Du hast eine Begabung, Charlie. Eine ganz seltene und besondere Gabe. Du erreichst die Menschen, sie hören auf dich. Du kannst sie zu allem bewegen. Aber du solltest diese Gabe nutzen, um anderen zu helfen, und nicht, um ihnen zu schaden.«

»Ich habe noch nie jemandem geschadet.« Einige von den anderen hatten Dinge getan, derentwegen ich mich schämen würde, noch einen Fuß in eine Kirche zu setzen, aber so weit war ich nie gegangen. Nicht, dass ich Zeit gehabt hätte, in Kirchenbänken herumzulungern.

»Aber hast du jemals jemandem geholfen? Außer mir? Irgendjemandem, der es verdient hätte?«

Hier in South Side hatte man nicht viele Möglichkeiten. Ich war ziemlich sicher, dass mir nie etwas Respektableres angeboten werden würde als der Job, den mein Vater mir vorschlug. Auch, wenn es Fabrikarbeit war. »Wenn ich schon arbeite, kann es genauso gut eine ehrliche Arbeit sein, das willst du doch sagen?«

Sie sah mich einfach nur unverwandt an.

Ich zuckte die Achseln und versuchte, mir nicht zu sehr anmerken zu lassen, wie weh es mir tat, dass sie mich los sein wollten. »Ich kannʼs ja mal versuchen. So schlimm wirdʼs auch wieder nicht sein.«

Sie lächelte, dann schlug sie die Hand vor den Mund und fing an zu weinen. »Danke.«

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3

Lucy

Ich erwachte davon, dass meine Mutter mir sanft übers Haar strich, und nahm den Arm von den Augen, damit ich sie sehen konnte. »Wird er wieder gesund?«

Sie hörte einen Moment mit dem Streicheln auf. »Ich weiß es nicht. Das kann man im Moment noch nicht sagen.«

»Warum ist es passiert?«

Sie nahm die Hand von meinem Kopf und legte sie an ihren Hals.

Ich setzte mich auf. »Mutter?«

Sie seufzte und schüttelte den Kopf. »Es lag daran, dass er besessen ist von den Süßigkeiten. Er hat eine so große Begabung, hätte so viel erreichen können. Er hätte … Salben herstellen können. Oder Gesichtscremes. Oder meinetwegen auch Gebäck. Warum konnten wir keine Bäckerei aufmachen?«

Doch sosehr meine Mutter es sich auch wünschte, mein Vater hätte nie etwas anderes als Süßigkeiten kreieren können. Für etwas anderes war er nicht geschaffen. Royal Taffy, sein größter Erfolg, hatte ihm alles bedeutet … bis man ihm die Firma und das Recht, dieses Produkt herzustellen, genommen hatte. Er hatte zwar eine neue Süßwarenfirma gegründet und sich neue Süßigkeiten ausgedacht, doch den Erfolg von Royal Taffy hatte er nie wieder erreicht.

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