Der Eroberer Eine poetische Phantasie in fünf Kaprizzen. Aus alten Urkunden mit neuen Anmerkungen - Weidmann, Paul - kostenlos E-Book

Der Eroberer Eine poetische Phantasie in fünf Kaprizzen. Aus alten Urkunden mit neuen Anmerkungen E-Book

Paul, Weidmann

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The Project Gutenberg EBook of Der Eroberer, by Paul WeidmannThis eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and mostother parts of the world at no cost and with almost no restrictionswhatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms ofthe Project Gutenberg License included with this eBook or online atwww.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll haveto check the laws of the country where you are located before using this ebook.Title: Der Eroberer       Eine poetische Phantasie in fünf Kaprizzen. Aus alten              Urkunden mit neuen AnmerkungenAuthor: Paul WeidmannRelease Date: September 17, 2015 [EBook #49998]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER EROBERER ***Produced by Jana Srna, Norbert H. Langkau, Jens Sadowski,and the Online Distributed Proofreading Team athttp://www.pgdp.net.

DerEroberer,

Eine poetische PhantasieIn fünf Kaprizzen.

Ausalten Urkunden mit neuen Anmerkungen.

Terruit urbem, terruit Gentes.

Horat.

Wien und Leipzig, in der Buchhandlung der Gelehrten, 1786.

Zueignungsschrift.An einen König der Antipoden

Seit den uralten Zeiten des furchtbaren Tearkon[1], der die Säulen Herkules aus Bescheidenheit nicht überschrit, fand sich, unter Eurer Majestät preiswürdigsten Ahnen zum Wohlseyn der Erde durch eine besondere Gnade des Himmels kein Eroberer. Eure Majestät treten mit einer so rühmlichen Menschenliebe, und mit einer so edlen Mäßigung in die Fußstapfen ihrer friedsamen Ahnen, daß Sie vielleicht der einzige König sind, der den Titel eines Helden für den liebenswürdigen Namen eines Vaters des Vaterlands, und eines Menschenfreundes verkaufet. Eure Majestät sind also der einzige Monarch, dem ich mein Buch schiksam zueignen kann, denn jedem andern würde es eine Satyre scheinen, wie jene Zueignungsschrift eines Franzosen dem römischen Pabste[2].

Wenn Eure Majestät, wie einige Reisende behaupten, auch ein Beschützer der deutschen Musen sind, welches die Fürsten selten wagen; so sind Sie ein wahrer Antipode von unserm gelehrten Europa, und ein Antipode aller Könige. Ich sage nicht mehr zum Ruhme Eurer Majestät, weil ausserordentliche Tugenden durch Stillschweigen am besten gepriesen werden. Nur gewöhnliche Könige werden gelobt, damit sie einige Tage länger leben.

Ich lege Eurer Majestät mit warmer Empfindung der hohen Bewunderung mein Buch ehrerbietig zu Füssen, weil einige Meere und einige tausend Meilen mir das Vergnügen rauben, mich ihrem Throne persönlich zu nähern u. s. w.

Vorrede des Dichters.

Die Musik ist die Mutter der Poesie; alle Eigenschaften erbt also diese liebenswürdige Tochter. Warum sollte sie die sinnreichste Gabe die Phantasie entbehren? Sollte die Dichtkunst nicht eben die harmonischen Freyheiten geniessen, da sich der spielende Tonkünstler frey seiner willkührlichen Laune überläßt, und in ein bewunderungwürdiges Chaos aller Tonarten sich verwickelt? Von einem taumelnden Wirbeltanze hüpft er zu einer melancholischen Arie; ehe er sie noch zu Stande bringt, schleicht er tändelnd zum neckischen Rundliedchen, artet rasch in ein heulendes Ungewitter aus, und donnert blutige Schlachten. Diese zerstreute Begeisterung ist oft den horchenden Ohren ein seltnes unerwartetes Vergnügen, und man hört manchen Künstler lieber phantasiren, als ein regelmäßiges Concert spielen; die Ursach ist, weil der kühne, und mannichfaltige Wechsel der Gedanken, und die verwägnen Uebergänge die Zuhörer reizen, hinreissen, erschüttern.

Lasset uns versuchen, welchen Eindruck eine poetische Phantasie auf das menschliche Herz machen wird. Vielleicht bringt die scheinbare Unordnung, die doch heimlich Ordnung und Verbindung hat, das neue Gewühl gedrängter Ideen, eben die gute Wirkung in dem Gemüthe der Leser hervor.

Es ist wahr, der Gleis ist unbetreten; ich kann meinen dreisten Versuch weder mit alten noch neuen Schriftstellern vor dem strengen Richterstuhle der gelehrten Welt rechtfertigen; aber mit ihrer gütigen Erlaubniß meine hochschätzbarsten Herren Kunstrichter und Richterinnen, müssen wir denn ewig so knechtisch unser Gehirn in Fässeln legen, daß wir nicht einmal einen Schrit ohne Leitbande wie die Kinder wagen dürfen, und bey jeder launichten Streiferey vor dem Hohngelächter zittern müssen?

Was da immer im Areopagus über mich verhängt ist, fühle ich doch, daß mein Kopf in einer so freyen Stimmung ist, in welcher er zu einer Phantasie gleichsam durch ein Instinkt gezogen wird; und weil oft vom Erfolge das Lob oder der Tadel einer Unternehmung abhanget, und Kolumbus vor der Reise verspottet, nach der Rückkehr gepriesen wird; so lassen wir der Zeit über, ob Dank oder Verachtung meine Arbeit belohnet. Meine Rechtfertigung bey der Nachwelt sey, daß die holden Musen sich allezeit schwesterlich die Hände reichen.

Anhang des Kommentars.

Da doch jeder Bajazzo mit einem komischen Kniks hervortrit, und Miene macht, dem hochgeneigten Publikum etwas sagen zu wollen, ohne Ihm etwas zu sagen; so soll auch mein kleiner Apendix in Ehrfurcht seinen Bückling machen. Ich habe viele gelehrte Vorgänger, und Wegweiser, die mehr Bogen Anmerkungen schreiben, als ihr Buch Blätter und Seiten hat. Ich will mein kleines Aemtchen sehr sittsam verwalten, und nur zu Zeiten dem Leser in die Ohren lispeln, damit er nicht vergißt, daß ich auch zugegen bin. Ich könnte zwar meine Wenigkeit schimmern lassen, aber oft vermuthe ich höchst wahrscheinlich, daß meine Leser mehr Einsicht haben, als ich, oder ich verstehe selbsten den Grundtext nicht klar genug, und dann schweige ich aus Bescheidenheit. Nemo ultra posse tenetur! Ein wahrer Kommentar erklärt nur das, was jedermann weiß.

PrologIn Knittelversen.

Ihr Herren klug und Jungfraun schön,

Ich bring kein Mährlein auf die Scen.

Ich sag nicht blosse Narrenpossen,

Wie mancher schon hat ausgegossen.

Ich will Geschichten offenbarn,

Und dabey nicht der Wahrheit sparn.

Wenns Euch will also wohl behagen,

Will ich jetzt kurz und rund aussagen,

Wie Eduard der König groß

Erobert manche Stadt und Schloß.

Die Welt hat er für sich erhalten,

Damit zu schalten und zu walten.

Es zeigt sich, wie die Majestat

Oft manniglich gefochten hat.

Wie er so vielmal hat gerungen,

Und Land und Leut hat eingeschlungen:

Man sieht auch, daß sein Widerpart

Erträget viel, und leidet hart.

Ihr könnt Euch selbsten leicht gedenken,

Das viele saure Herzenskränken,

Das jeder Fürst erlitten hett,

Der sich auf seinem Todesbett

Sein Haab und Gut müsst nehmen lassen.

Ich will dieß alles hübsch verfassen.

Man hebt den König nicht hervor.

Bald ist er schwärzer als ein Mohr.

Man zeigt Euch alle seine Mängel;

Oft ist er weisser als ein Engel.

Von Nachbarn will er einen Theil;

Doch ihnen ist ihr Land nicht feil.

Da kommen sie dann stracks gelaufen,

Den Sieg mit Grimmen zu erschnaufen.

Er aber streckt die Klauen weit,

Und macht mit ihnen tapfren Streit.

Doch wie auch insgemein die Güter

Zu endern pflegen die Gemüther;

Wuxt ihm auch durch den Schatzgewinn

Gar bald sein Muth und hoher Sinn;

Man mußte seinen stolzen Willen

Ohn alle Widerred erfüllen;

Und er vergaß, wies denn geschicht,

Auch alsobalden seiner Pflicht;

Hub an selbst Freunde zu verachten,

Und nach der Tyranney zu trachten.

Sein hart und übermüthigs Herz

Glaubt nur der Krieg sey blosser Scherz;

Hat also Menschen viel getödtet,

Und Völker viel ins Joch gekettet.

Doch hungert ihn beständig sehr,

Und hett noch gern gegessen mehr,

Allein er starb durch Weibertücke,

Und so knackt endlich seine Brücke.

Da ihn der Tod erhascht beym Bein,

Ward er so still als wie ein Stein.

Er hatte stäts ein starkes Herze;

Doch trieb er mit den Jungfern Scherze;

Veracht den Himmel in der Noth,

Fürcht nicht den Teufel nicht den Tod.

Am Schluß bereut er seine Sünden,

Das könnt ihr in dem Büchlein finden.

Nehmt selber jetzt den Augenschein,

Was da für Ding enthalten seyn.

Die Kindheit Eduards.Erste Kaprizze[3].

Einleitung.

Unter den grossen und kleinen Königen, welche alle Länder der vier bekannten Welttheile als eine natürliche Erbschaft großmüthig unter einander vertheilen, lebte Jakob der Friedsame. Sein Reich war so groß, daß er es übersehen konnte, um alle seine Unterthanen zu beglücken. Das Volk und der Monarch wünschte zu ihrer Glückseligkeit nur noch einen Thronerben. Die Königin näherte sich eben dem glücklichen Zeitpunkt ihrer ersten Entbindung.

Monolog.

König Jakob, indem er aus dem Schlafgemach der Königin trit.

So wahr ich König bin! Mein Sohn soll nicht Alexander, nicht Cäsar, nicht Sesostris heissen! — Schenkt mir die Königin eine Tochter; so mag sie ihr einen schicksamen Namen beylegen; aber der Name eines Sohnes ist mir als Vater und König nicht so gleichgültig. Es liegt oft im Namen gleichsam eine Weissagung. Wie soll ich also diesen sehnlich gewünschten Gast nennen? — Hahaha! Was dem guten Weibe beyfällt, Alexander. Hahaha! — Eh soll er mir Nero und Attila, wo nicht gar Kartusch heissen! So weiß die Welt, was sie von ihm erwarten soll. Gesetzt ich gebe dem Kinde den Namen Adam — Nein! Dieser Name ist mit schwarzen Gedanken vom Fluche der Erde verknüpft. Adam war der erste Ehrgeizige! — Ich wünschte einen gutherzigen lächelnden Namen — Willhelm — Pfui! So heißt mein unruhiger Nachbar! — Eduard, Ha! Das Wort klingt sanft. Eduard, ja Eduard soll mein geliebter Sohn genannt werden.

Dialog.

König Jakob, Alsin, hernach ein Höfling.

Jakob. Was bringt mein getreuer Alsin.

Alsin. Einen freudigen Glückwunsch! Die Königin wird Eure Majestät bald mit dem schönsten Ehrennamen Vater begrüßen.

Jakob. Dank dir, mein Freund!

Alsin. Betrachten Eure Majestät das seltsame Nordlicht! Ich staunte schon einige Stunden über diese wunderbare Lufterscheinung. Das Volk zieht große Vorbedeutungen daraus, und ein Schwärmer rief in meiner Gegenwart: Es wird ein zweyter Alexander gebohren! Der Pöbel bleibt immer Pöbel.

Jakob. Lassen wir die Narren reden! Nun, was bringst du so eilends?

Der Höfling. Es lebe der König und sein Thronerbe! Ein Prinz hat das Licht erblickt.

Jakob. Die Mutter hat ihn gebohren, und ich habe ihn getauft. Es lebe Eduard! — Alsin, das ist ein froher Tag für mich, und wenn der Himmel unsern guten Willen segnet, ein froher Tag für mein Volk! — Laßt uns den Säugling küssen!

Geburts-Ode.

Strophe.

Fürstenkind, sey mir gegrüßt! Lächle Gebährerinn,

Hofnungen blühen der Welt schon in dem Säuglinge.

Parze beginne für ihn einen unsterblichen

Faden! Reife heran zu den Erwartungen

Zärtlicher Eltern du Trost, und du Glückseligkeit

Neuer Geschlechter, die dich Völker beglücken sehn.

Jauchzet dem fürstlichen Gast, ruft ihn zur Herrlichkeit!

Gütiger Himmel, bist du sehnlichen Wünschen hold;

O so gieß Segen herab; Weisheit und Tugenden

Schmücken den Prinzen, der würdig zum Throne reift;

Nicht der Krone bedarf, sondern die Krone ziert.

Antistrophe.

Musen begeistert mich izt! Goldenes Saitenspiel,

Das in dem Lorbeerhain hängt, töne heut lieblicher;

Sing ein unsterbliches Lied; preise den Jubeltag!

Hier keimt ein Zweig hervor, der einst die Wolken küßt.

Unter dem Schatten ruht einst sicher der Wanderer,

Und sein lechzender Mund kostet die süsse Frucht.

Wenn der Donner ertönt, und das Gewitter dräut,

Strecket der gütige Baum liebreich die Wipfeln aus,

Nimmt die Heerden in Schutz, schläfert die Hirten ein.

O du wohlthätiger Baum, wachse zum Segen auf;

Sey von Völkern verehrt, und angebetet stäts!

Epod.

Darf ich die süssen Ahndungen meines Herzens ergiessen?

Weissagt mein frohes Gefühl?

Seh ich die rühmliche Wiege von jenem vergötterten Helden?

Welche Schlange bekriegt

Den vom unschuldigen Schlummer gewiegten Säugling? Erwache!

Rettet das Götterkind! Eilt!

Tilget den zischenden Wurm! Doch welch Erstaunen befällt mich!

Welche Tapferkeit blüht!

Unüberwindliche Riesenstärke beseelt die Arme,

Und der Heldensohn ringt;

Säuglingshände zermalmen die giftaushauchende Schlange.

So siegt in Windeln Alcid!

Feenmährchen.

Kaum war die Geburt des Erbprinzen eines grossen Königreichs in der neugierigen Feenwelt durch den Ruf ausposaunet; so eilten alle Feen diesen durchlauchtigen Gast zu bewillkommen, und nach Gewohnheit des wunderlichen Feenreiches mit allen Gaben zu verherrlichen. Die Thore und die Plätze der Hauptstadt wurden zu enge, alle Drachenwägen und magischen Reisekarren der Feen zu beherbergen. Alle Gattungen der vierfüßigen, zweybeinigen, und kriechenden Thiere bevölkerten die jauchzende Residenz. Drachen, Skorpionen, Basilisken, Eidexen, und tausend Insekten krochen auf den Dächern des königlichen Pallastes, und verfinsterten das Tageslicht.

Die Feen nach der löblichen Gewohnheit unserer alltäglichen Weiber machten rings um die goldene Wiege des Kronprinzen einen so entsezlichen Chor, daß der Säugling vom festen Schlaf erwachte, und seine Gönnerinnen mit einem Zettergeschrey begrüßte. Zehen Kinderammen wurden gelegentlich gehörlos, und zum Glück für die Unterthanen dieses Reichs erschien der König zu spät, sonst wäre er nach dem Modebeyspiel vieler Grossen taub geworden. Die Königinn der Feen, die grosse und weise Rokatania begann eben ihre Rede, nachdem sie das Geheule ihrer beredten Schwestern gemildert hatte, und rief mit Begeisterung: Junger Prinz sey ein Held!

Um des Himmels willen! Madame, unterbrach sie hastig der schnaubende König, halten Sie ein; machen Sie aus dem Kinde, was Sie wollen, nur keinen Helden! Was soll ich mit einem tolldreisten Thronfolger machen, der nichts an seinem Orte läßt, den jeder Nagel an der Wand irrt, wenn er ihn nicht nach seinem Eigensinne ordnet? Frau Fee nehmen Sie den Jungen, ziehen Sie ihn! Seine Mutter kann mit ihrem Schooßhunde spielen. Aber bewahren Sie mich und mein Land vor der leidigen Seuche des Heroismus! Wer das Kriegsgeräusche liebt, findet leicht eine Trommel. In meinem Lande würde der Bursche noch in der Wiege zum Alexander. Ich war auch so ein kleiner Nickel, gleich kamen ein Dutzend einladende Klopffechter, denen der Kopf wirbelte, und wollten mich ohne Gnade zum Erzhelden machen; aber ich liebte den Frieden. Freylich schreibt von mir kein Dichter, und die Geschichte pranget nicht mit meinen unsterblichen Thaten; aber meine Unterthanen sind glücklich. Ihr König hat keine blutige Lorbeern; aber ein gutes väterliches Herz, das sie liebt. Jeder Strassenräuber, wenn ihn das Glück ein bischen begünstiget, kann ein Held, ein Eroberer seyn; aber zu einem guten Hirten, zu einem menschenfreundlichen Landesvater gehört mehr. Es ist leicht mit einer halben Million Soldaten die Erde zu zerstöhren, und Menschen zu schinden; aber hart ein Volk zu beglücken. Das merken Sie sich Frau Feenköniginn, und Sie alle meine verehrungswürdigen Damen, wenn Sie wieder einen Königssohn segnen; so machen Sie ihn ja zu keinem Henker und berühmten Taugenichts! So sprach dieser biedere Antiheld.

Rokatania, und die andern Feen berathschlagten sich eine Weile, und fanden die Gründe des Vaters sehr klug. Endlich nahm die weise Sapilinia, eine alte Exköniginn der Feen das Wort: Ich finde in meinen Büchern ein einziges Mittel zur Entheldung des Prinzen, indem man nämlich seinen Charakter von Jugend auf durch eine ausserordentliche Erziehung gänzlich vom Geräusche der Waffen entfernet: denn hört er vor funfzehn Jahren eine Kriegstrompete; so ist alle Vorsorge vergebens. Ich will gern die mühsame Arbeit seiner Erziehung auf mich lasten. Ich bestimme ihm auch aus seiner Nation den weisen Alsin zum Lehrmeister, und werde beide an einen wunderbaren Ort versetzen, da soll der Prinz von allen gewöhnlichen Menschen entfernt erzogen werden. Ihre Rede fand Beyfall.

Der König umarmte seinen Thronerben, und die Königinn zerfloß bey der Trennung in Zähren. Der weise Alsin ward gerufen, und die Exköniginn der Feen, er, und das Kind wurden plötzlich auf einem Feenwagen von sechs spanischen Fliegen in die Luft getragen. Sie durchstreiften Länder und Städte, bis sie die gewünschten Gestade der Einbildung erreichten.

Sie betraten glücklich die fruchtbare Landschaft Dramaturgia. Die Hauptstadt Tragödianopel ist sehr antik und majestätisch gebaut. Ihr Stifter war König Thespis. Die Könige Sophokles und Euripides haben sie sehr erweitert, und die Bürgermeister Shakesspear, und Lopez de Vega haben sie fast zum Ungeheuer gemacht. Die Inwohner gehen auf hohen Kothurnen, belasten ihre Häupter mit Federbüschen, und reden meistens in Versen. Zum Zeichen ihrer beständigen Traurigkeit und ihrer nieversiegenden Thränen tragen sie weisse Schnupftücher in den Händen. Sie üben sich den ganzen Tag auf halsbrechende Fälle, tödtliche Sprünge, und Stürze. Sie fallen auf offenem Markte plözlich zur Erde, um ihre ausserordentliche Kunst im Halsbrechen zu zeigen. Ihre Geberden sind riesenmäßig, ihr Gang hochtrabend, und ihr Ton brüllend. Alle Minuten sieht man blutige Schlachten. Sie erwürgen einander, und stechen sich zum Zeitvertreibe todt. Diese melancholische Stadt ist sehr entvölkert.

Unsere Wanderer enteilten diesem Schauplatze des Schreckens, der mit Schedeln und Menschenknochen gepflastert war, und erreichten die anmuthige Stadt Komödienburg. Ein lautes Gelächter, und ein rauschendes Geklatsche schallte ihnen schon beym Stadttore entgegen. Die Kuppler hielten Wache. Alle Gattungen Narren und Gaukler machten auf den Plätzen ihre seltsamen Grimassen. Die Notarien liefen sich ausser Athem in allen Gässen Heurathsverträge zu schliessen. Tausend kleine Liebesränke wurden überall gespielt, und erzählt.

Sie verliessen auch diesen lachenden Auffenthalt, und kamen in die weitschichtige Landschaft Epopea. Sie ist fast von Menschen verlassen, und wird wechselsweis von alten Göttern und Göttinnen, und bald von Engeln und Teufeln bewohnet. Sie eilten zur berühmten Stadt Operania; sie ist in zwey Theile getheilet, wovon einer der Komische, der andere der Tragische genennt wird. Die Musik ist hier die Seele aller Handlungen. Man ißt, trinkt, schläft, geht, sitzt, ficht, liebt und stirbt hier mit Singen.

Sie durchzogen nur flüchtig einige berühmten Städte, als die Philosophenburg, wo lauter Weltweise wohnen; Dogmatianopel, der Wohnsitz der Lehrer, und Redner. Endlich erreichten sie das fruchtbare und niedliche Arkadien. Diese lächelnde Gegend wählte die Fee zum Wohnsitz für den weisen Alsin und seinen Zögling. Auf ihren Wink thürmte sich ein artiges Landhäuschen mit allen Geräthschaften. Alle Bewohner dieser glücklichen Fluren begrüssten ihre willkommenen Gäste. Die Fee verließ den gesegneten Aufenthalt, wo durch die Anstalten des weisen Alsin und seines liebenswürdigen Schülers die goldenen Zeiten aufblühten.

Eduard wuchs unter den sanften Einflüssen eines wohlthätigen Himmelsstriches. Der Weltweise erhob sein Gemüth unter jugendlichen Spielen zur Tugend und Weisheit, und die unschuldigen Schäfersitten veredelten sein Herz. Eduard wählte sich hier den Schäfernamen Tityrus, und war von allen Gespielen und Gespielinnen geliebt. Funfzehn Sommer schlichen wie lächelnde Frühlingstage hin. Izt näherte sich der traurige Zeitpunkt, der seinen Charakter zu andern Beschäftigungen entwickelte.

Oridia, eine schwarze neidische Fee kochte in ihrem Busen einen alten Groll wider die wohlthätige Fee, und wollte das schönste Werk der Unschuld zerstören. Sie warf durch einen Sturm Kriegsleute an die glücklichen Gestade dieser seligen Insel, und diese Räuber entführten die schönste Schäferinn.

Ekloge.

Tityrus, Koridon, Tyrsis.

Korid.

Laß uns O ländliche Flöte mänalische Lieder beginnen!

Rufet ihr zärtlichen Töne die reizende Daphne zurücke!

Wer wird im lächelnden Frühling die Felder mit Blumen besäen;

Wer die Gestade der Ströme mit grünenden Schatten umgeben,

Wenn die göttliche Daphne das Antlitz den Schäfern entziehet?

Traure mein Tityrus, weine mit mir, bis wir sie begrüssen.

Laß uns mit ländlicher Flöte mänalische Lieder beginnen!

Tityr.

Alles besieget die mächtige Liebe; wir weichen der Liebe!

Nicht so begierig umflattern die Bienen die duftenden Blumen;

Nicht so hastig besuchen die Lämmer die lockende Quelle,

Als ich mit Sehnsucht die labenden Blicke der Daphne verschlinge.

Schon der Gedanke, sie wiederzusehen, begeistert den Busen.

Wie sind die Fluren so blühend, die meine Geliebte bewohnet!

Blüten enteilen den Zweigen, und Knospen entwickeln sich früher;

Veilchen und Rosen im bunten Gedränge belasten die Felder.

Angenehm säuselt der Zephyr durch dickbelaubte Gebüsche,

Und die Nachtigall wirbelt mit Anmuth die zaubernden Lieder.

Herrlicher pranget mit goldenen Stralen die wärmende Sonne.

Feyerlich horchet die ganze Natur beym süssen Gesange,

Das die liebliche Lippe der Daphne harmonisch beginnet.

Aber ach! Lange schon missen wir alle das siegende Mädchen.

Seitdem hat sich für mich die ländliche Gegend verändert.

Fürchterlich rauschen die schwankenden Eschen im traurigen Haine;

Mich beschleicht kein erquickender Schlummer auf öden Gefilden.

Stechende Bremsen zischen um mich, und Eulen verscheuchen

Durch weissagende Töne die Ruhe vom stürmischen Busen.

Träume, mein Koridon, schreckliche Träume durchschaudern die Seele.

Dräuende Wunder erschüttern die Augen. Bald schmettert der Donner

Wipfel der Bäume; bald schwärmen Irrlichter im dämmernden Thale;

Aechzende Winde durchbrüllen die Fluren, und schreyende Dohlen

Flattern beständig über mein Haupt; mein ahnender Busen

Sieht mit Zittern den nahen Gefahren, O Bruder, entgegen.

Alles trauert und seufzet; die fröliche Gegend entschlummert.

Rufet ihr zärtlichen Lieder die reizende Daphne zurücke!

Wer kann sie lieben wie ich, wer kann sie so feurig besingen?

Korid.

Nur ich mache die Liebe dir streitig, und setze dir Wetten.

Drey der weissesten Lämmer bestimm’ ich zum Preise des Sieges.

Meine Heerde will ich verspielen, um dich zu besiegen.

Laß uns arkadische Lieder mit ländlicher Flöte beginnen!

Nicht so lieblich schimmert das Morgenroth auf den Gebirgen,

Als die keuscheste Wange der Daphne die Rosen bemalen;

Nicht so labet der himmlische Thau die durstigen Pflanzen,

Als ein Lächeln von ihr die gierigen Augen ergötzet.

Immer erneuert mein treues Gedächtniß die selige Stunde,

In der ich sie das erstemal sah. Wir feyerten damals

Heilige Feste der glücklichsten Aerndte; die Mädchen erschienen

Wie die Nymphen mit Blumen geschmücket in festlicher Kleidung

Meine bezaubernde Daphne besiegte sie alle mit Reizen.

Wie die Sonne die Sterne verfinstert, so glänzte nur Daphne.

Tityr.

Süß und zärtlich hast du gesungen, einschläfernd dem Ohre!

Aber du sangst nur die Reize des Körpers; ich schildre die Seele.

Und ich will auch vom Tage der frohen Erscheinung beginnen.

Keine so heitre Frühlingsnacht kömmt nicht wieder zur Erde.

Angenehm leuchtete damals der Mond durch stille Gebüsche,

Als der Silberton einer erquickenden Stimme mich reizte.

Ich fand ein Mädchen im Schatten gegossen; ich sank ihr zu Füssen.

Göttliches Kind, du hast mich bezaubert! Die Töne sind süsser

Als der kühlende Trunk im heissesten Sommer dem Wandrer,

Und erquickender als der liebliche Schlummer dem Müden.

Aber ein ängstliches Winseln zerstörte die zärtlichste Rede.

Wie ein Pfeil schoß Daphne hinzu, die Ursach zu forschen.

Sie fand ein gebährendes Weib im tödlichen Kampfe.

O wie entwickelte sich die reizende Tugend der Schönen!

Welche Menschlichkeit, welche Gefühle des edelsten Schmerzens

Strahlten auf dem thränenden Auge der gütigen Daphne!

Ihre gastfreundliche Liebe beseelte die himmlischen Thaten;

Ihre Schönheit bezaubert, doch ihre Sanftmuth vollendet

Ihre verherrlichten Siege! Sie bleibet beständig mein Abgott.

Korid.

Du hast zwar dem Herzen gesungen, doch Tityrus, meine

Bessern Gesänge weichen nicht deinem erhabenen Liede.

Dort kömmt Tyrsis, wir wollen ihn beyde zum Richter erwählen.

Aber wie weinerlich scheint mir sein Antlitz! Was quält dich O Tyrsis?

Tyrs.

Soll ich wohl lächeln, wann unsere Hütten die Zierde verlieren?

O die ganze betrübte Natur scheint mit mir zu trauren!

Uns hat der Tod die reizendste Schäferin grausam entrissen!

Ihr erblasset? O weinet mit mir, denn Daphne verdient es!

Tityr.

Du hast die Wurzeln des Lebens mit tödtlichem Beile gebrochen;

Daphne verweile, dein Tityrus folgt dir mit hastigen Schritten!

Korid.

Sag uns die Ursach von ihrer Entfernung, und auch von dem Tode.

Tyrs.

Häßliche Krieger beschlichen zur Nachtzeit die sichersten Hütten,

Raubten gewaltsam, und schleppten die Mädchen zur schwarzen Entehrung.

Umsonst folgten die Räuber der flüchtigen Daphne, sie stürzte

In die schäumenden Fluten, und ward von den Wellen verschlungen.

Tityr.

Nicht mehr will ich die Fluren betreten; ich fliehe die Haine.

O lebet wohl, ihr schattigten Wälder, ihr schönen Gefilde,

Ihr quellvollen Gebirge lebt wohl! Lebt wohl ihr Bewohner

Seliger Hütten! Ich scheide von euch mit dieser Umarmung.

Theuerste Brüder, lebt wohl! Ich lasse zum späten Gedächtniß

Diese Flöte zurück, die oft mit schmachtenden Liedern

Diese Gegend erfüllte. Lebt wohl ihr silbernen Bäche,

Nicht mehr wird mich an euren Gestaden ein Schlummer beschleichen!

O freundschaftliches Grab empfange den traurigsten Hirten.

Ich will die seligen Schatten der göttlichen Daphne begrüssen.

Pflanzet, O Brüder, der zärtlichsten Liebe zwey Myrthen zum Denkmaal!

Schreibt auf die grünende Rinde die Worte des sterbenden Freundes:

Tityrus liebte die Daphne mit mehr als irdischer Liebe;

Sie war sein Leben, sein Licht, er eilte mit ihr zu erblassen!

Tyrs.

Wie beklag’ ich den Tityrus! Koridon, suche die Freunde,

Sag den harrenden Schäfern die traurigste Liebesgeschichte.

Eilet gesättigte Lämmer, der Abendstern ruft uns zur Hütte.

Idylle.

Alsin, Tityrus.

Alsin. Mein theurer Sohn, ich habe dich behorcht. Gerecht sind deine Thränen; aber mäßige deine Betrübniß. Setze dich zu mir unter diese Eiche, und höre mich aufmerksam. Die Liebe ist eine edle Leidenschaft; sie vergrössert die Herzen. Aus diesem Grunde billigte ich bisher stillschweigend deine Zärtlichkeit. Doch es nähern sich izt die entscheidenden Tage, in welchen erhabnere Pflichten dich rufen. Du bist nicht zur Weide gebohren. Tityrus erkenne dich selbst! — Du bist Eduard, der Thronerbe Jakobs; dessen Geschichte ich dir oft erzählte. Du solst ein Volk glücklich machen!

Tityr. Mein Vater, welche Räthsel —

Alsin. Folge mir! Wir werden auf ewig diese Hütte verlassen. Willst du?

Tityr. O diese Gegend ist mir izt verhaßt!

Alsin. Der Himmel bedient sich solcher Zufälle, unsern Willen zu seinen Absichten zu lenken. Der Aufenthalt des Friedens, der dir sonst so theuer war, ist dir lästig geworden. Wohlan, wir werden grosse bevölkerte Städte sehen. Mein Freund, das Geräusche ganzer Nationen wird dich betäuben. Noch ein Wort, ehe wir gehen. Was ist die Pflicht eines guten Hirten?

Tityr. Seine anvertraute Heerde auf fetten Auen zu weiden, und sie vor den gewaltsamen Anfällen der Raubthiere wachsam zu schützen.

Alsin. Dieß ist auch das Bild eines guten Königs! — Ein Fürst muß sein Volk beglücken und beschützen. Schwöre mir unter diesem gestirnten Himmel, daß dieses dein ewiges Geschäfte seyn soll!

Tityr. Ich schwöre beym Himmel!

Alsin. Die Menschen werden verschieden regieret. Ich will erst deine Begriffe erweitern.

Dogmatische Poesie.Ein Gesang.

Muse, besinge die rühmliche Staatskunst der Weltenbeherrscher;

Zeig die erhabnen Gesetze, womit sie die Erde beglücken!

Denn die Glückseligkeit jeder Gesellschaft bleibt die Säule

Niemals erschütterter Throne, und ewigblühender Länder.

Selbst die Thiere durch edles Instinkt erwählen sich Häupter,

Und die honigzeugenden Bienen leben monarchisch,

Aristokratisch die Kraniche, die demokratische Herrschaft

Scheint den Ameisen selbst von der Natur zur Richtschnur gegeben.

Diese drey Gattungen dienen dem Menschengeschlechtern zur Regel.

Einige wählen sich einen zum Fürsten, doch herrscht er despotisch;

So wird der Monarch ein Tyrann, das Scheusal der Erde!

Diese Gefahr zu vermeiden bestimmen die Völker den Adel

Zur Handhabung der Landesgesetze; auch dieses zeugt Uebel,

Denn der Stolz so vieler Gebieter verscheuchet die Freyen.

Diese gesellen sich brüderlich in dem Staat der Republik.

Einige mischen aus dreyen Gestalten die glücklichste Herrschaft.

Doch die Monarchie bleibet die Thätigste jeder Regierung.

Persien hat die wichtige Frage mit Weisheit entschieden,

Und die Meinung Darius besiegte die klugen Gefährten.

Aechte Gesetze müssen dem Volk und dem Lande behagen.

Wie ein Baumeister die Plane nur nach der Lage bezeichnet;

So sey bey neuen Gesetzen die Zone, die Sitte des Volkes,

Und der Charakter der Nation mit Vorsicht geprüfet.

Selbst die Regierungsart soll die Verfassung des Landes bestimmen.

Durch die Mittel, durch die wir entstehn, sind wir auch erhalten!

Ist ein Staat kriegerisch; so verderbt ihn ein ewiger Friede.

Doch den Handelstaat tilget die Flamme verderblicher Kriege.

Kriege heissen gerecht, wenn die Nothwendigkeit streitet.

Liebst du den Frieden; so mußt du dich immer zum Kriege bereiten!

Dieses war der geheiligte Grundsatz der siegenden Römer.

Ist ein mächtiger Staat mit vielen Provinzen verbunden,

König, so zittere nicht vor seiner gewaltigen Grösse,

Er faßt in sich die häufigen Mittel sich groß zu erhalten.

Vielleicht machen kleinere Länder mehr glückliche Bürger,

Denn der Körper der Staaten ist wie der Körper des Menschen;

Jener ist nicht der stärkste zu heissen, der alles verschlinget;

Der lebt mit blühender Kraft, der mäßige Speisen verdauet.

Ein unübersehbares Reich ist schwer zu erhalten.

Suchet die Menschen in nährenden Staaten geschikt zu vertheilen;

Lernet die vollblütigen Adern mit Weisheit zu leeren;

Mit Pflanzstädten muß man bevölkerte Länder entlasten.

Setze dem Wachsthum ein Maaß, damit du dein Erbtheil erhaltest.

Suche Monarch, nur das zu beglücken, was du schon besitzest;

Sey nicht lüstern nach neuer Eroberung; fodre nicht alte

Langvergessene Rechte von deinen friedliebenden Nachbarn.

Dieser Eigennutz reisset Verträge, zerstöret das Wohlseyn;

Mit unersättlicher Habsucht verscheuchst du die Bundesgenossen.

Fliehet ihr Hirten, die Staatenverbesserer, die euch betrügen!

In der Monarchie lassen sich Fehler der Fürsten verbessern.

In der Regierung des Volkes fällt der Staat mit den Gesetzen.

Weh dem unglücklichen Reiche, wo der unbändige Wille

Eines grausamen Despoten die Landesgesetze beweiset!

Gold ist das reineste Blut der Reiche; doch setzt es in Umfluß;

Dadurch blühet der Handel, und glücklich ernährt sich der Bürger.

Weiser Minister, sey wie ein Steuermann immer in Arbeit!

Sieh, wie er spähet, die Winde belauschet, und Stürme voraussieht.

Bald spannt er Segel, bald zieht er sie ein, bald ändert er Flaggen;

So mußt du mit forschendem Blicke die Welt übersehen.

Du must wissen, was war, was ist, was eilet zu kommen.

Der Ostracismus entehret, und stürzet die Demokratien.

Die Republik ist zu langsam zu grossen Geschäften.

Die Regierung der Edlen befürchtet die Grossen und Kleinen;

Eifersüchtig auf ihre Verfassung wird sie oft tyrannisch.

Die Monarchie gleichet der weisen Regierung der Gottheit,

Und die Monarchen sollen dem göttlichen Meister sich nähern.

Suchet, O Fürsten, nicht Schätze wie Midas, begehret vom Himmel

Wie einst Salomon Weisheit, denn Weisheit beglücket die Staaten.

Selig die Länder, die Weise regieren, sie schmücken die Krone!

O wie soll ich genug die Güte den Grossen empfehlen?

Sie ist die Seele der Staatskunst, der Schmuck und die Säule des Thrones.

Völker vergöttert den gütigen Fürsten, der Stunden beweinet,

Die er nicht mit erquickenden Thaten der Menschheit bezeichnet!

Wie viel dankende Thränen fliessen noch auf die Gebeine

Gütiger Hirten! Sie sind auf der Erde das Ebenbild Gottes,

Und man heißt sie die reizende Wollust des Menschengeschlechtes.

Du bist zwar mächtig Monarch, doch setze der Eigenmacht Schranken;

Schäme dich nicht, dich unter die weisen Gesetze zu schmiegen.

Ehre das Recht der Natur, der Völker, des heiligen Tempels.

Du bist zwar frey von menschlichen Richtern, doch Gott wird dich richten;

Früh oder spät wird dich die Geissel der Vorsicht bestrafen.

Ihr seyd nicht Herren, O Fürsten, des Lebens, der Güter der Bürger;

Diese Maxime schändet die Throne, brandmarket die Menschheit!

Nur die Verbrecher könnt ihr des Lebens, der Güter berauben.

Ihr sollt wie liebende Väter die zärtlichen Kinder beschützen,

Und mit segnender Lippe den Söhnen die Erbschaft vertheilen.

Geheime Nachrichten.

König Jakob ward vom Schlage gerührt, und starb eh er seinen Sohn umarmen konnte. Die Königinn bemächtigte sich mit ihren Ministern der Regierung während der Minderjährigkeit ihres Sohnes, und Alsin, der diese Zeit zum Nutzen des jungen Prinzen verwenden wollte, führte ihn auf Reisen. Eduard lernte unter seiner weisen Anführung die Sitten der Völker, und die Geschichte der Künste und Wissenschaften. Bey seiner Zurückkunft übernahm er das Staatsruder.

Einige glaubwürdige Zeitgenossen erzählen diese Geschichte mit folgenden veränderten Umständen. Unter der Herrschaft Jakobs blühten die Länder; aber so glücklich seine Staaten waren, so unglücklich lebte er in seiner eignen Familie. Emilie seine Gattin ergab sich gänzlich den Ausschweifungen der Liebe; unter unzählbaren Buhlern, die heimlich und öffentlich ihren prächtigen Hofstaat vermehrten, war Feranson der Glücklichste, und erhielt sich in ihrer Gunst so lange sie herrschte. Der gütige Jakob war zu liebreich, zu nachsichtig gegen die Fehler seiner Gattin. Feranson nützte diese natürliche Gutherzigkeit, flößte in das Herz der Königinn seinen unbeschränkten Ehrgeiz, und entwarf ihr einen schwarzen Plan, der dem Besten der Könige durch ein schleichendes Gift die Tage verkürzte. Da er den Erbprinzen aus eben den Absichten haßte, entfernte ihn die Königinn unter dem Vorwand einer schwächlichen Gesundheit vom Hofe; oder wie andere Biographen schreiben, Alsin ein wahrer Patriot, der die Lage der Sachen kannte, und wohl einsah, daß dem Reichserben das Schiksal des Vaters bedrohte, entwich heimlich mit diesem kostbaren Pfande. Gewiß ist, daß Eduard erst sechs Jahre nach dem Tode seines Vaters herrschte. Er fand das Reich in einem betrübten Zustande. Die Königinn überließ sich ganz der Wollust. Ihr Günstling sammelte Schätze. Alles haßte und verabscheuete diesen Minister einer schwelgerischen Fürstinn. Die schlauen Nachbarn bedienten sich dieser günstigen Gelegenheit, und rissen an sich, was ihnen gefiel. Sie erkauften den Feranson, der den Krieg aus Zagheit haßte. Er verhandelte die wichtigsten Würden, gab sie Schmeichlern, Schwelgern, und wollüstigen Hofschranzen, und genoß in Ruhe die Früchte seiner Laster. Izt erschien Eduard. Die Rechtschaffenen fielen ihm zu. In wenig Tagen gewann alles eine andere Gestalt. Der Günstling Feranson entfloh mit seinen Schätzen zu den Feinden. Die Königinn entfernte sich in eine Provinz. Eduard bestieg den Thron, und jagte die Schmarutzer vom Hofe. Jeder Tag seiner Herrschaft ward durch wichtige Zufälle merkwürdig.

Scene bey Hof.

Eduard, Alsin.

Alsin. Mein Eduard, izt bist du König!

Edu. Durch dich! — Du bist mein Vater, mein Freund, mein Führer. Verlaß mich nicht, damit ich nicht unter der Last einer Krone zu Boden sinke. Sag, wie soll ich die Verräther behandeln?

Alsin. Nach deinem Herzen! — Izt will ich die Früchte meiner Lehren einärndten. Hör eine Fabel, und dann handle!

Fabel.Der Donner und der Thau.