Der Fluch der sechs Prinzessinnen (Band 5): Märchenkrone - Regina Meißner - E-Book

Der Fluch der sechs Prinzessinnen (Band 5): Märchenkrone E-Book

Regina Meißner

0,0

Beschreibung

Einst belegte eine böse Hexe sechs Prinzessinnen mit einem Fluch, den sie nur durch das Lösen eines Rätsels zu brechen vermochten. Nun endlich wähnen sich die Schwestern in Sicherheit und feiern zusammen das Fest der Liebe. Aber ausgerechnet am Weihnachtsabend holen die Schatten der Vergangenheit sie wieder ein. Denn die jüngste Prinzessin Valyra findet unter dem Tannenbaum ein Geschenk, das ihre Welt erneut in Dunkelheit stürzt: ein Nussknacker, der zum Leben erwacht.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 615

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Titel

Informationen zum Buch

Impressum

Widmung

Kapitel 1 - Tatjana

Kapitel 2 - Estelle

Kapitel 3 - Arabella

Kapitel 4 - Valyra

Kapitel 5 - Tatjana

Kapitel 6 - Estelle

Kapitel 7 - Arabella

Kapitel 8 - Valyra

Kapitel 9 - Tatjana

Kapitel 10 - Estelle

Kapitel 11 - Arabella

Kapitel 12 - Valyra

Kapitel 13 - Tatjana

Kapitel 14 - Estelle

Kapitel 15 - Arabella

Kapitel 16 - Valyra

Kapitel 17 - Tatjana

Kapitel 18 - Estelle

Kapitel 19 - Arabella

Kapitel 20 - Valyra

Kapitel 21 - Tatjana

Kapitel 22 - Estelle

Kapitel 23 - Arabella

Kapitel 24 - Tatjana

Kapitel 25 - Valyra

Kapitel 26 - Penelopé

Kapitel 27 - Tatjana

Kapitel 28 - Estelle

Kapitel 29 - Arabella

Kapitel 30 - Penelopé

Kapitel 31 - Estelle

Kapitel 32 - Tatjana

Kapitel 33 - Estelle

Kapitel 34 - Valyra

Kapitel 35 - Arabella

Epilog

Dank

 

Regina Meissner

 

 

Der Fluch der sechs Prinzessinnen

Band 5: Märchenkrone

 

 

Märchen

 

 

Der Fluch der sechs Prinzessinnen (Band 5): Märchenkrone

Einst belegte eine böse Hexe sechs Prinzessinnen mit einem Fluch, den sie nur durch das Lösen eines Rätsels zu brechen vermochten. Nun endlich wähnen sich die Schwestern in Sicherheit und feiern zusammen das Fest der Liebe. Aber ausgerechnet am Weihnachtsabend holen die Schatten der Vergangenheit sie wieder ein. Denn die jüngste Prinzessin Valyra findet unter dem Tannenbaum ein Geschenk, das ihre Welt erneut in Dunkelheit stürzt: ein Nussknacker, der zum Leben erwacht.

 

 

 

 

Die Autorin

Regina Meißner wurde am 30.03.1993 in einer Kleinstadt in Hessen geboren, in der sie noch heute lebt. Als Autorin für Fantasy und Contemporary hat sie bereits viele Romane veröffentlicht. Weitere Projekte befinden sich in Arbeit.

Regina Meißner hat Englisch und Deutsch auf Lehramt in Gießen studiert. In ihrer Freizeit liebt sie neben dem Schreiben das Lesen und ihren Dackel Frodo.

 

 

www.sternensand-verlag.ch

[email protected]

 

1. Auflage, Dezember 2019

© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2019

Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski

Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Martina König

Korrektorat Druckfahne: Sternensand Verlag GmbH |Jennifer Papendick

Illustration S. 250, 356, 511: Melis Art

Satz: Sternensand Verlag GmbH

 

 

ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-104-8

ISBN (epub): 978-3-03896-105-5

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

Für alle

Märchenliebhaber,

Fluchbrecher,

Hexentöter,

Prinzessinnen

und Prinzen

 

Für dich

Kapitel 1 - Tatjana

 

Sie hatte gedacht, die schlimmste Zeit ihres Lebens läge hinter ihr, doch der Blick auf den hölzernen Sarg vor ihr bewies das Gegenteil. Tatjana ballte die Hände zu Fäusten und rang nach Luft, weil ihre Kehle so eng war, dass sie ihr das Atmen erschwerte.

Der Himmel über ihr war ein Gemisch aus dunklen Wolken und schwarzen Schlieren. Es regnete wie aus Strömen, und das, obwohl in Brahmenien die Sonne an über dreihundertfünfzig Tagen im Jahr schien. Dennoch glaubte Tatjana, dass das Wetter sich ihrem Innenleben anpasste. Dass es all die Trauer zeigte, die in ihr hauste, die sie aber nicht ihren Schwestern zeigen wollte.

Unruhig huschte ihr Blick nach links. Sie sah Valyra, deren Beine so stark zitterten, dass sie sich kaum aufrecht halten konnte, und Estelle, die sie festzuhalten versuchte, aber von ihren eigenen Gefühlen überwältigt wurde. Neben ihnen stand Arabella, die die Beerdigung allein verkraften musste. Denn der Mann, der sie festhalten und trösten sollte, hielt sich im Verborgenen, war ein Teil des einfachen Volkes, stand neben Mägden und Knechten dort, wo der Wald anfing. Arabella hielt den Kopf gesenkt, sodass man ihr Gesicht nicht sehen konnte, aber Tatjana wusste zu gut, wie sie sich fühlte, wütete es in ihrem eigenen Herzen doch nicht anders.

Aus den Augenwinkeln sah sie ihren Vater, den König über Brahmenien, der nur noch ein Schatten seiner selbst war. Er kauerte auf einem Stuhl direkt vor dem Sarg und weinte bitterlich. Sein Schluchzen drang Tatjana durch Mark und Bein. Nie zuvor hatte sie ihn so leiden gesehen – nicht einmal, als ihre Mutter gestorben war. Mühsam kämpfte die Prinzessin gegen die Tränen an, die sich in ihren Augen sammelten.

Hatte sie in letzter Zeit nicht genug geweint? Waren der Tränen nicht genügend geflossen?

Entschieden reckte sie das Kinn und straffte die Schultern. Dann sah sie, dass Estelle ihr die Hand reichte, gefolgt von einem aufmunternden, Mut machenden Blick. Und obwohl Tatjana es hasste, sich Schwäche einzugestehen, griff sie danach und schenkte ihrer älteren Schwester ein scheues Lächeln.

Wie verändert sie aussah! Wie verändert sie alle aussahen! Das waren nicht sie – die gekrümmten Gestalten in den schwarzen Roben, die ihren Gesichtern jegliche Farbe raubten und ihre Herzen verschlossen. Vor allem Valyra, die es immer geliebt hatte, sich in den hellsten Tönen zu kleiden, erkannte Tatjana kaum wieder. Ihre Haare waren in den letzten Wochen zwar etwas gewachsen, aber reichten ihr immer noch kaum über die Schultern. Der neue Schnitt, gepaart mit dem dunklen Gewand, ließ sie älter wirken. Nach ihrer jüngsten Schwester suchte Tatjana vergebens.

»Dies gehört zu den Momenten, die ich nie erleben wollte«, flüsterte Estelle. Um ihre Mundwinkel zuckte es und Tränen liefen ihre Wangen hinab. »Ich habe gehofft, dass wir erst voneinander Abschied nehmen müssen, wenn wir alt und grau sind und Enkelkinder haben.«

Das Lachen, das sich aus ihrer Kehle löste, war ein trauriges Echo.

Tatjana starrte auf den Sarg aus Eichenholz, in den Blumen eingraviert waren. Zusammen mit Estelle hatte sie ihn ausgesucht und obwohl seitdem erst wenige Tage vergangen waren, kam es ihr wie eine Ewigkeit vor. Das alles kam ihr wie eine Ewigkeit vor.

Würde sie je aus diesem Albtraum erwachen, in den sich ihr Leben verwandelt hatte? Ein Teil von ihr wollte wütend werden, schreien und toben, mit dem Fuß auf den Boden stampfen und ihren Hass in die Welt schreien. Aber der Teil, der in den letzten Wochen kontinuierlich gewachsen war, ließ sie verstummen. Nachdenklich sein. All ihre Worte verlieren.

Sechs Männer, die in den Diensten ihres Vaters standen, hatten den Sarg an seinen Griffen angehoben und gaben einander ein stummes Kommando, um ihn in die Erde zu lassen. Tatjanas Hände begannen zu zittern, weswegen sie sie in ihren Manteltaschen versteckte. Dass das Leben nicht gerecht war, hatte sie mehr als einmal schmerzlich lernen müssen.

Ihr Herz brach, als sie sah, wie ihr Vater seine Hand nach dem Sarg ausstreckte, so als wolle er seine Tochter nicht gehen lassen. Ein stummer Schrei verließ seine Lippen, er verlor den Halt, sackte vom Stuhl und fiel auf den Boden, der von Erde und Schlamm bedeckt war.

»Papa!«, schrie Valyra und löste sich aus Estelles Umklammerung. Mit unsicheren Schritten hastete sie auf ihn zu und schlang die Arme um seinen knochigen Körper. Vergeblich versuchte sie, ihn aufzurichten.

Tatjana wollte ihr zu Hilfe eilen, aber ihre Beine schienen mit dem Boden verwachsen zu sein. Glücklicherweise tat Ayden, Estelles Verlobter, das, zu dem sie nicht imstande war. Binnen weniger Sekunden war er bei dem König, umfasste seine Hüfte und zerrte ihn nach oben. Da der Vater der Prinzessinnen nicht in der Lage war, sich festzuhalten, schlang Ayden seinen Arm um seine Schultern.

Arabella stob nach vorn und hielt ihn ebenfalls fest. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin der König die Schultern hochzog und bedauernd den Kopf schüttelte. Tatjana zwang sich, den Blick von ihm abzuwenden. Stattdessen sah sie wieder den Sarg an, der in die Erde gelassen worden war. Auf einer Erhebung lagen vier Rosen – je eine für die Schwestern, die sie Genevieve mit in den Tod geben sollten. Estelle wartete auf ihr Zeichen, dann griff sie nach der ersten Blume, stellte sich vor das offene Grab und seufzte.

Tatjana konnte das, was sie ihrer toten Schwester mit auf den Weg gab, nur bruchstückhaft verstehen, ohnehin griff sie selbst nach ihrer Rose. Mit vor Schmerz verzogenem Gesicht sah sie auf die Blume hinab, die trotz der Trauer, die wie ein dunkler Schleier über Brahmenien lag, mit voller Kraft blühte. Mit den Fingern spielte sie an ihren Blättern herum, dann trat sie ebenfalls auf den Sarg zu. Tatjana wusste, dass sie nun im Zentrum der Aufmerksamkeit stand und alle Augen auf sie gerichtet waren. Dennoch schaffte sie es, die Anwesenden auszublenden und sich voll und ganz auf ihre Schwester zu konzentrieren.

»Ginny«, flüsterte sie und merkte, wie sich ihr Herz öffnete und eine Welle des Schmerzes freiließ. Wütend biss sie sich auf die Lippe. Gewiss würde sie nicht vor versammelter Menge zu weinen anfangen. Stattdessen öffnete sie eine andere Kammer in ihrem Inneren: die Wut.

Tatjana presste ihre Füße fest in den Boden und atmete tief durch. »Ich werde dich rächen, Genevieve«, sprach sie mit sicherer Stimme. Es war kein Wunsch, sondern ein Versprechen. »Ich werde das Monster finden und Rania für alles bezahlen lassen, was sie uns angetan hat.«

Hass durchströmte sie wie eine Flamme. Tatjana hob den Kopf und warf die Rose auf den Sarg. Sie sah, wie Arabella auf das Grab zukam. Wenig später folgte Valyra, die ein Lied für Genevieve sang.

Penelopé fehlte. Sie fehlte so sehr, dass es Tatjana war, als hätte sie nicht nur eine Schwester, sondern gleich zwei verloren. Doch Penelopé war in Prunaea, in einem Palast aus Eis, an der Seite eines Mannes, den sie aus ganzem Herzen liebte und für den sie ihre Familie hinter sich gelassen hatte. Und obwohl Tatjana sie vermisste, konnte sie ihr ihre Entscheidung nicht übel nehmen, denn sie war frei in dem, was sie tat.

Sie wünschte nur, dass es eine Möglichkeit gäbe, Kontakt zu ihr aufzunehmen und sie darüber in Kenntnis zu setzen, dass ihre Zwillingsschwester es nicht geschafft hatte. Der Gedanke an die letzten Wochen verdunkelte Tatjanas Blick. Nur am Rande bekam sie mit, dass die Schwestern sich um sie scharten und sich bei den Händen nahmen. Wie eine Mauer standen sie vor dem Grab.

Ein Geistlicher trat auf das Erdloch zu. Es war derselbe Mann, der auch ihre Mutter beerdigt hatte. Dass er derjenige sein würde, der Genevieve auf ihrem letzten Weg begleitete … mit diesem Gedanken hatte Tatjana nie auch nur gespielt. Sie schluckte gegen den Kloß in ihrem Hals an.

Mevis, der Geistliche, trug einen langen dunkelbraunen Umhang und einen Hut aus schwarzem Leder. In seiner Hand hielt er ein Blatt Pergamentpapier, das er jedoch zusammenfaltete und in seiner Manteltasche verschwinden ließ, bevor er sich an die Anwesenden wandte. Dadurch, dass es so leise war, klang sein Räuspern unangenehm laut.

»Nur Gott allein weiß, wie lange unsere Leben dauern werden. Wie viele Tage, Wochen und Jahre uns zustehen und wann es bereit ist, das Irdische zu verlassen. Prinzessin Genevieve war nur siebzehn Jahre alt, aber auf sie wartet ein Leben in der Ewigkeit. Gott im Himmel hat beschlossen, sie zu sich zu nehmen. Sein Wille ist geschehen.«

Während der Geistliche sprach und ab und an das Gesicht verzog, um die Bedeutung seiner Worte zu vertiefen, merkte Tatjana, wie der Hass in ihr grenzenlos wurde. Sie empfand Hass auf Rania, auf den ungerechten Tod ihrer Schwester, auf das Schicksal ihrer Familie … und auf diesen aufgeblasenen Pfarrer, der nicht im Entferntesten nachvollziehen konnte, was sie alle empfanden, und sich nicht einmal mit Genevieves Leben beschäftigt hatte.

Er wusste nicht, wie ihr Lachen klang, wenn sie einen Witz endlich verstanden hatte. Er wusste nicht, wie sie sich anfühlte, wie sie roch, welche Wörter sie benutzte, wenn sie sich gewählt ausdrücken wollte. Er war nicht dabei gewesen, als sie aufgewachsen war, als sie ein buntes Schaukelpferd zu ihrem vierten Geburtstag und schließlich eine Puppe zu ihrem achten bekommen hatte. Er wusste nicht, wie sehr sie gelitten hatte. Für ihn war sie nur ein totes Mädchen, das es zu beerdigen galt … und genau das tat er.

Und während er über Gottes Plan für Genevieves Leben nachdachte und über die Ewigkeit sprach, musste Tatjana an den Moment denken, in dem Genevieve nach Brahmenien zurückgekehrt war. Es hatte sich viele Wochen nach Arabellas und Valyras Heimkehr ereignet und ein bisschen hatte Tatjana schon damit gerechnet, sie nie wiederzusehen. Umso größer war die Freude gewesen, als sie plötzlich im Ballsaal gestanden hatte – schmutzig und verwirrt, aber mit einem Lächeln auf den Lippen. In diesem Moment hatte Tatjana echte Freude verspürt und auch jetzt musste sie noch lächeln, wenn sie darüber nachdachte.

Ginny hatte ihr die ganze Geschichte erzählt … ihr und den Schwestern. Sie wussten, in welcher kalten Welt sie gelandet war, und wurden auch in ihr dunkelstes Geheimnis eingeweiht. Seit ihrer frühen Kindheit war die Schwester in der Lage gewesen, Magie zu wirken. Ihre Mutter, die die weißen Zaubersprüche ebenfalls beherrscht hatte, hatte sich für ein Mädchen entscheiden sollen, welches der Magie fähig sein sollte, aber Genevieve war daran beinahe zugrunde gegangen. Es hatte viele Jahre gedauert, um sich mit ihrem Potenzial abzufinden.

Von Genevieve hatte Tatjana auch erfahren, wie es Penelopé ergangen war. Dass sie glücklich und am Leben war, die Schwestern aber wahrscheinlich nie mehr wiedersehen würde, weil Prunaea, das Land aus Schnee und Eis, in einer anderen Dimension lag, die sie nicht würden erreichen können.

Genevieve hatte ihr von ihrem Abenteuer erzählt und von dem Moment, in dem sie Rania auf ihrem Rückweg nach Brahmenien in einem unterirdischen Keller getroffen hatte. Der Prinzessin war es nicht gelungen, ihr Rätsel zu erfüllen, denn das bestand darin, den Schneekönig zu töten, in den sich ihre Zwillingsschwester verliebt hatte. Stattdessen hatte Penelopé den Bann gebrochen, doch an ihrer Stelle war Genevieve nach Brahmenien zurückgekehrt.

Doch da jeder Fluch individuell war und man niemals zwei miteinander vergleichen konnte, hatte Ranias dunkle Macht eine Möglichkeit gefunden, in Genevieve einzudringen. Tatjanas Schwester hatte sich nicht mehr daran erinnert, was in dem unterirdischen Keller geschehen war – sie wusste nur, dass sie auf Rania getroffen und es zu einer Art Kampf gekommen war.

Als Genevieve im Ballsaal von Brahmenien aufgetaucht war, hatte sie Schürfwunden und Prellungen aufgewiesen. Ihre rechte Hand war verletzt gewesen und sie hatte gehinkt, doch all diese Verletzungen konnten behandelt und versorgt werden. Das wahre Problem hatte sich in ihrem Inneren befunden, auch wenn das zunächst niemand geahnt hatte.

Tatjana erinnerte sich daran, wie froh sie gewesen war, ihre Schwester wiederzusehen, und dass sie zum ersten Mal wieder daran geglaubt hatte, dass alles gut werden würde. Genevieve war zurück … und mit ihrer Hilfe würden sie es schaffen. Für ein paar Tage war das Glück nach Brahmenien zurückgekehrt, denn ein Großteil der Schwestern war wieder vereint und Penelopé ging es an Kjells Seite gut.

Tatjana beobachtete, wie ihr Vater nach einer Schaufel griff und Erde über den Sarg ihrer Schwester schüttete. Sein Gesicht war eingefallen und von unzähligen Falten gezeichnet. Wann war aus ihm ein alter Mann geworden?

Der Geistliche beendete seine nichtssagende Rede und sprach ein Gebet, das Tatjana aus ihrer Kindheit kannte. Und obwohl sie den Wortlaut auswendig wusste, konnte sie sich nicht auf ihn konzentrieren, weil ihre Gedanken erneut abschweiften.

Die Schatten, die Genevieves Verfall angekündigt hatten, waren zunächst überschaubar gewesen. Die Prinzessin war von Albträumen heimgesucht worden und hatte nur schwer einschlafen können. Manchmal war sie des Nachts durch das Schloss gewandert und hatte keine Ruhe gefunden.

Tatjana hatte sich als Vertraute angeboten und war ihr eine treue Zuhörerin gewesen, doch das, was Genevieve herumgetrieben hatte, schien tiefer zu gehen. Immer wieder hatte sie von etwas Dunklem gesprochen, das sich in ihrer Seele festgesetzt hatte. Etwas Dunklem, das sie nach und nach aufgefressen hatte. Tatjana war sich sicher gewesen, dass die Zeit es wiedergutmachen würde, so wie sie es für gewöhnlich tat. Aber Genevieves Zustand hatte sich zunehmend verschlechtert.

Mit einem Schaudern erinnerte Tatjana sich an die Nacht, in der sie ihre Schwester nackt und schamlos vor deren Bett gefunden hatte, Schaum vor dem Mund und ein wahnsinniges Lächeln auf den Lippen. Sie hatte Wörter in einer Sprache geschrien, die niemand verstand, und sich mit einem Messer die Arme aufgeschlitzt.

Mit Müh und Not hatte Tatjana es geschafft, sie zu beruhigen, aber solche Anfälle sollten keine Seltenheit bleiben und irgendwann waren die Momente, in denen Genevieve bei Verstand war, immer weniger geworden. Langsam, aber sicher hatte sie ihre Menschlichkeit verloren, sich in ein wildes Tier verwandelt, das kein Gewissen mehr besaß, sondern nur auf seine Triebe hörte.

Tatjanas Gesicht wurde eine starre Maske, während sie an ihre eigene Hilflosigkeit zurückdachte. Als ihr Vater so verzweifelt gewesen war, dass er mit dem Gedanken gespielt hatte, Genevieve in eine Klinik zu bringen, wo ihr zwar auch nicht geholfen werden konnte, sie aber immerhin eingesperrt wurde und keine Gefahr mehr für ihr Umfeld darstellte. Tatjana hatte sich jedoch dagegen gesträubt und war stattdessen mit Arabella nach Avena gereist, um die weisen Frauen zu befragen. Genevieves Zustand musste etwas mit der Magie in ihrem Inneren zu tun haben – und mit der Zusammenkunft mit Rania im unterirdischen Keller.

Eine der weisen Frauen war mit den Schwestern nach Brahmenien zurückgekehrt und hatte sich in das Zimmer gewagt, in dem Genevieve gefangen gehalten wurde. Es war längst zu gefährlich geworden, sie frei herumlaufen zu lassen. Erst wenige Tage zuvor hatte sie einem Diener aufgelauert und war kurz davor gewesen, ihm mit einem Skalpell die Kehle durchzuschneiden. Ayden hatte sie in letzter Sekunde gefunden und sie von hinten überwältigt. Seitdem war Genevieve in ihrem Schlafzimmer eingesperrt worden, das man bis auf das Bett ausgeräumt hatte, damit sie niemandem – und auch nicht sich selbst – Schaden zufügen konnte.

Der Plan hatte jedoch seine Schwächen gehabt und die Wunden, die sich die Prinzessin selbst zufügte, waren immer tiefer und grausamer geworden. Hinzu kam, dass sie sich jedes Kleid, das man ihr mühsam anzog, vom Leib riss.

In guten Stunden hatte sie bewegungslos auf ihrem Bett gelegen und geschlafen. In schlechten war sie durch das Zimmer getigert und hatte nur darauf gewartet, dass jemand ihre Ruhe störte, damit sie ihn überwältigen konnte.

Die weise Frau aus Avena hatte die magischen Schwingungen bereits gespürt, bevor sie das Schloss betreten hatte. Es musste dringend etwas getan werden, denn im Volk waren die ersten Gerüchte gestreut worden und ein Knecht hatte berichtet, dass er Genevieve vor ein paar Tagen unbekleidet an ihrem Fenster hatte stehen sehen, ein wahnsinniges Lächeln auf den Lippen.

Tatjana hatte all ihre Hoffnungen in die weise Frau gesetzt, aber in Wahrheit hatte sie bereits geahnt, dass sie zu spät nach Hilfe gesucht hatte. Dennoch hatte sie mit bangem Herzen vor Genevieves Zimmertür gewartet, bis die alte Dame zu ihr getreten war und bedauernd den Kopf geschüttelt hatte. Sie hatte die dunkle Magie in Genevieves Herzen erkannt, die von einer mächtigen Magierin dort platziert worden war und nach und nach ihren Verstand und schließlich auch ihre Gutmütigkeit auffraß. Der Prozess war nicht aufzuhalten, höchstens zu verlangsamen gewesen, aber da Tatjana gesehen hatte, wie sehr Genevieve unter ihrer eigenen Wesensveränderung litt, hatte sie sich dagegen entschieden.

Die weise Frau aus Avena hatte ihr einen Trank gegeben, den sie Genevieve unter das Essen mischen sollten und der sie für eine Weile ruhiger gestimmt hatte. Aber auch das war nur ein Tropfen, wo ein Ozean nötig gewesen wäre.

Tatjana hatte gewusst, dass die Zeit zum Abschied gekommen war und die dunkle Welle Genevieves Körper immer mehr besetzen würde, bis sie nicht mehr dagegen ankämpfen konnte. Sie hatte ihre Schwestern und ihren Vater um sich geschart, um ihnen die traurige Kunde zu überbringen. Und auch wenn sie dagegen angekämpft hatte, merkte sie, wie sich ihr Herz verhärtete und einen Teil der Freude für immer verschlang.

In der Nacht hatte sie gebetet, dass es schnell ging. Dass sie Genevieves Schreien und die animalischen Laute nicht mehr hören müsste und sie endlich von ihrem Leid erlöst werden würde. Und dann war der letzte Tag gekommen … und auf einmal war alles wie immer gewesen.

Tatjana hatte mit ihren Schwestern beim Frühstück gesessen. Arabella hatte schon seit Tagen nichts mehr gegessen und auch den anderen Prinzessinnen war es zunehmend schwerer gefallen, Nahrung herunterzubekommen. Der Vater hatte das Bett noch nicht verlassen.

Als die Türen sich geöffnet hatten, hatte Tatjana mit einem Pagen gerechnet, der Neuigkeiten brachte. Mit einer Gesellschafterin, die sie über den weiteren Tagesablauf informierte, oder mit Ayden, der das Frühstück immer wieder verschlief. Aber sie hatte nicht mit Genevieve gerechnet, die – gehüllt in das Lieblingskleid ihrer toten Mutter – im Türrahmen gestanden und sie sanft angelächelt hatte. Tiefe Furchen hatten sich über ihr schönes Gesicht gezogen und dadurch, dass sie schon lange nichts mehr essen konnte, war sie nur noch Haut und Knochen gewesen. Aber dort hatte sie gestanden, aufrecht und gesund, und hatte sie mit einem Blick angeschaut, der Tatjana das Herz gebrochen hatte.

Wie im Delirium hatte sie beobachtet, wie ihre Schwestern vom Tisch aufgestanden waren, auf Genevieve zuliefen, schrien und sie umarmten. Wie sie geglaubt hatten, dass endlich alles gut geworden und Ginny wieder gesund war. Doch Tatjana hatte ihr weiterhin in die grünen Augen geschaut, in denen ein einziges Wort übermächtig gewesen war: Abschied.

Und so war es auch gekommen. Denn dieser Tag hatte keinen Neuanfang dargestellt und noch weniger eine plötzliche Genesung, sondern einzig und allein den Anfang vom Ende. Genevieve hatte erzählt, dass die Mutter der Prinzessinnen, die ehemalige Königin über Brahmenien, sie in der Nacht besucht und ihr einen letzten guten Tag geschenkt hatte. Einen letzten Tag, an dem sie frei und glücklich sein durfte, bevor die dunkle Wolke sie für immer verschlingen und ihre unsterbliche Seele die menschliche Welt verlassen würde.

Genevieve hatte geweint, als sie den Schwestern die Wahrheit unterbreitet hatte, dennoch war sie Tatjana nie stärker vorgekommen als in diesem Moment. Sie hatte ihr Schicksal akzeptiert, gewusst, dass ihr Tod unausweichlich war, und es dennoch geschafft, zu lächeln. Die letzten Stunden zu genießen und dann alles, was ihr jemals etwas bedeutet hatte, hinter sich zu lassen.

Ihre Mutter hatte den Prinzessinnen einen letzten guten Tag geschenkt. Und Tatjana hatte sie dafür gehasst.

Wie hätte sie Genevieve jemals gehen lassen sollen, wenn sie wieder daran erinnert wurde, wie wundervoll sie war? Wenn sie ihr Lachen hörte, ihre smaragdgrünen Augen blitzten und der Duft aus Rosen und Lebendigkeit sie wie eine zweite Haut umgab? Wie hätte sie Auf Wiedersehen sagen können, wenn ihre Schwester doch gesund und kräftig war?

In den letzten Wochen hatte Tatjana sich an das unmenschliche Wesen in der Dunkelheit seines Schlafzimmers gewöhnt und gedanklich ihre Schwester schon zu Grabe getragen. Aber nun war sie wieder da gewesen – lebendig und in voller Blüte – und das hatte Tatjana beinahe umgebracht.

Wie durch die Augen einer anderen hatte sie zugesehen, wie die Schwestern miteinander lachten, einen Spaziergang unternahmen und von ihren Flüchen und Erlebnissen erzählten. Und sosehr sie auch versucht hatte, sich auf diesen letzten guten Tag zu konzentrieren, hatte sie den Blick nicht von Ginny lassen können. Von ihrem schlanken Gesicht, dem gelockten roten Haar und der Tatsache, dass sie bald tot und kalt unter der Erde liegen würde.

 

Tatjana nahm Hunderte Beileidsbekundungen entgegen, von Personen, die sie nie im Leben gesehen hatte und die sie mit dunkler Miene anschauten. Immer wieder streckte sie ihnen ihre rechte Hand entgegen, wiederholt bedankte sie sich für die Anteilnahme. Wie durch einen dichten Schleier zog der Rest der Beerdigung an ihr vorbei. Sie fühlte sich zwar körperlich anwesend, aber bekam nichts von alldem wirklich mit.

Wie schaffte es Estelle, selbst in einer solchen Situation eine gute Figur abzugeben? Sogar Valyra riss sich zusammen und sprach ein paar Takte mit einer älteren Frau, die Tatjana aus ihrer Kindheit kannte, verwandtschaftlich aber nicht zuordnen konnte. Einzig und allein Arabella hatte den Schauplatz bereits verlassen und war hinter den Bäumen verschwunden, wo Jorin auf sie wartete.

Für Tatjana selbst gab es keinen Menschen, der ihr Trost spenden konnte, aber sie redete sich ein, dass sie das auch nicht brauchte. Bisher hatte sie jeden Schicksalsschlag überstanden und auch aus diesem Loch würde sie irgendwann wieder klettern. Doch eine Sache gab es, die ihr helfen konnte und die ihr Herz zum Schlagen brachte.

Sie vergewisserte sich, dass Estelle und Valyra sich um ihren Vater kümmerten, dann zog sie sich die Kapuze ihres Mantels tiefer ins Gesicht und ließ den Friedhof mit schnellen Schritten hinter sich. Ihr Ziel waren die großen Stallungen, in denen ihre Stute Landorsa bereits auf sie wartete. Das Reiten war das Einzige, das ihr half, das Durcheinander in ihrem Inneren zu ordnen und sie klarer denken zu lassen.

Es war ihr gleichgültig, dass es immer noch wie aus Strömen regnete und der Boden rutschig war. In dem Moment, in dem sie die Stute gesattelt hatte und auf ihrem breiten Rücken saß, konnte sie wieder atmen.

Und während Tatjana über weite Felder ritt und der Regen ihr hart ins Gesicht peitschte, erlaubte sie sich seit Ewigkeiten wieder den Gedanken an Lucien.

Kapitel 2 - Estelle

 

Drei Monate später

 

Am Tag, als er ihr den Antrag gemacht hatte, hatte sie sich noch einmal von Neuem in ihn verliebt. Die Art und Weise, wie er auf die Knie gesunken war, ein schüchternes Lächeln im Gesicht, den Anflug von Angst in den Augen, hatte ihr den Atem geraubt. Noch bevor er Zeit gehabt hatte, ihr den Ring zu präsentieren und seine Frage zu Ende zu formulieren, war sie ihm um den Hals gefallen und hatte ihm ihr Ja unter Tränen zugesichert. Und auch heute konnte Estelle sich an dem roségoldenen Ring nicht sattsehen, der ihren Finger zierte und von Anfang an perfekt gepasst hatte.

Mutig hob sie den Blick und betrachtete sich im Silberglas des Wandspiegels. Das Hochzeitskleid ihrer Mutter hatte von der Schneiderin an der Hüfte enger genäht werden müssen, weil Estelle in den letzten Monaten einiges an Gewicht verloren hatte. Aber nun schmiegte sich das weiße Gewand wie eine zweite Haut an ihren Körper.

Insgeheim war es immer Estelles Traum gewesen, im Kleid ihrer Mutter vor den Altar zu treten, doch sie hatte sich nicht getraut, den Wunsch zu äußern, bis ihr Vater selbst auf die Idee gekommen war und es ihr als Geschenk überreicht hatte. Das Kleid reichte ihr nur bis kurz unter die Knie und hätte damals für einen Skandal gesorgt, wenn nicht alle von der Schönheit ihrer Mutter so blind geworden wären, dass sie die bösen Gedanken vergessen hatten.

Estelle drehte sich einmal um die eigene Achse. Die Ärmel des Kleides waren aus Spitze geschnitten und bedeckten ihre Arme bis zur Hälfte. Besonders gefiel Estelle der runde Ausschnitt, der die Kette mit dem Saphir gut zur Geltung brachte. Ihre langen blonden Haare waren über Nacht geflochten worden, sodass sie in Locken über ihre Schultern hinabfielen.

Eine feine Röte bedeckte ihre Wangen, die der Aufregung geschuldet war. Schon seit Tagen hatte sie nicht mehr richtig schlafen können, jeder Gedanke galt der bevorstehenden Hochzeit. Und obwohl sie glücklicher nicht hätte sein können, endlich auch offiziell zu Ayden zu gehören, trübte ein Schatten ihr Gemüt. Ein Schatten, der den Namen der Zwillinge trug. Genevieves Tod lag nun etwa drei Monate zurück und Penelopé hatte sie seit dem Fluch nur noch in der Scheinwelt und dann gar nicht mehr gesehen. Wie gern hätte sie im Kreis all ihrer Schwestern geheiratet, aber der war mit ihr auf vier Personen zusammengeschrumpft.

»Genau dieses Gesicht möchte ich heute nicht sehen!«, sagte Arabella, die durch die Tür gestürmt kam und einen Strauß frischer Veilchen in der rechten Hand hielt. Lächelnd reichte sie ihn Estelle. »Ich habe dir doch schon einmal gesagt, dass dir dieses grüblerische Gesicht nicht steht«, meinte sie und zwinkerte ihrer Schwester zu.

Diese seufzte, nickte aber. »Ich habe mich lediglich in Gedanken verloren, das ist alles«, beschwichtigte sie Arabella und schaute auf den Strauß Veilchen hinab, der die Freude in ihrem Herzen wieder wachsen ließ.

»Na bitte, geht doch«, kommentierte Arabella ihr Lächeln und knuffte ihr in die Wange. Sie trug eines der drei Brautjungfernkleider, die extra für diesen Tag gefertigt worden waren. Es berührte knapp den Boden und war in lindgrünem Stoff genäht worden. Tatjana würde in Lila erscheinen und Valyra in Gelb.

»Bist du aufgeregt?«, fragte Arabella und sah Estelle neugierig an.

»Aufgeregt, weil Ayden mich heiraten möchte? Weil wir endlich zusammenleben werden und er mich zu seiner Frau erklärt? Nein, gar nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich bin aufgeregt, weil das ganze Land anwesend sein wird. Weil ich es lange Zeit nicht mehr gewohnt war, in der Öffentlichkeit zu stehen, und mich erst wieder an die Aufmerksamkeit gewöhnen muss. Und ich bin aufgeregt, weil eines Tages all das hier … ganz Brahmenien … mir gehören wird und ich darüber herrschen werde.« Sie schluckte und umklammerte die Veilchen fester.

Arabella strich ihr beruhigend über die Schulter. »Wenn jemand das kann, dann du, Estelle«, sprach sie ihr gut zu. Nicht der Hauch eines Zweifels schwang in ihrer Stimme mit. »Tatjana wäre viel zu selbstverliebt für diese Aufgabe, ich zu romantisch und gefühlsgeleitet und Valyra würde die Erfahrung fehlen. Penny … nun ja, die regiert ja bereits über ein Reich, da würde ein zweites sie nur überfordern.« Arabella lachte, was kleine Fältchen um ihre Augen legte.

Von jetzt auf gleich war es Estelle leichter ums Herz. Langsam kehrte die Normalität nach Brahmenien zurück. Die dunklen Schatten schienen der Vergangenheit anzugehören und machten einer Sonne Platz, die mit jedem Tag intensiver schien. Zwar hatten alle noch mit Genevieves Tod zu kämpfen, aber auch das wurde mit der Zeit besser.

Von Rania fehlte nach wie vor jede Spur und wenn Estelle ehrlich mit sich selbst war, wollte sie es genau so haben. All der Schrecken, all die Angst und die vielen Zweifel sollten ein Ende haben. Mit dieser Hochzeit und dem Versprechen, das sie und Ayden einander gaben, wollten sie einen Neuanfang starten und in eine hellere Zukunft blicken.

Estelle wäre nie bereit, Rania zu verzeihen, aber sie war dankbar für die Zeit, in der sie sich nicht mit ihr auseinandersetzen musste. Sie hoffte, dass der Fluch und all der Schrecken, der mit ihm verbunden gewesen war, endlich der Vergangenheit angehörten. Vielleicht war es naiv, so zu denken, aber sie wollte all die Dunkelheit endlich hinter sich lassen.

»Bist du bereit?«, fragte Arabella und lächelte ihre Schwester breit an.

Estelle warf ihrem Spiegelbild einen letzten Blick zu, dann nickte sie.

»Sehr gut.«

Arabella drehte sich um und öffnete die Tür. Neugierig lugte Estelle durch den Spalt und sah Tatjana und Valyra, die im Flur auf sie warteten. Ihr erster Gedanke war traurig, belief sich darauf, dass nur noch vier von ihnen übrig waren, doch schon der zweite schaffte es, die düsteren Wolken zu verbannen.

Heute war ihre Hochzeit. Der Tag, von dem sie geträumt hatte, seit sie ein kleines Mädchen war. Unzählige Male waren ihre Puppen in die Rolle der Braut geschlüpft, heute würde sie selbst eine sein. Ein tiefes Gefühl der Freude durchströmte sie.

»Ihr seht wunderschön aus«, flüsterte sie und betrachtete ihre beiden jüngeren Schwestern.

»An dich reichen wir nicht im Entferntesten heran«, lachte Tatjana. »Aber wir sollten uns beeilen, alle warten schon auf dich.«

Es war der Kommentar ihrer Schwester, der sie nervös werden ließ. War wirklich das ganze Land gekommen, um ihrer Vermählung beizuwohnen? Einer Vermählung, die so ungewöhnlich war, weil sie zwischen einer Prinzessin und einem Jäger vollzogen wurde.

Anfangs hatte Estelle Angst gehabt, dass das Volk Ayden an ihrer Seite nicht akzeptieren würde, aber dadurch, dass der König selbst sich für ihn als seinen zukünftigen Schwiegersohn entschieden hatte, waren auch die einfachen Bürger auf seiner Seite. Ein paar gab es sicherlich, die der Heirat skeptisch gegenüberstanden, aber vor allem die Frauen waren begeistert von der Tatsache, dass wahre Liebe allen Hindernissen trotzte und über gesellschaftliche Unterschiede triumphierte.

Estelle warf einen Seitenblick auf Arabella, die an ihrem Kleid zupfte, das um die Hüfte Falten geschlagen hatte. Sie hatte sich oft gefragt, ob ihre Schwester neidisch auf ihr Glück war, gehörte ihr Herz ebenfalls jemandem aus dem einfachen Volk. Leider war Jorin aber kein Jäger wie Ayden und genoss durch seine Anstellung als Stallbursche wenig bis gar kein Ansehen. Es wäre schwer, den König von Brahmenien davon zu überzeugen, dass er eine gute Partie für Arabella darstellte. Ihm fehlten nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch Erfahrung und gute Manieren. Er würde lange brauchen, um sich am Hof zu orientieren und in die Etikette Brahmeniens hineinzuwachsen.

Und dennoch glaubte Estelle mittlerweile daran, dass das, was Arabella und Jorin teilten, echt war. Sie hatte in die Augen ihrer Schwester geblickt und sich von ihr jeden Zweifel vertreiben lassen.

»Ich bin bereit«, sagte Estelle und straffte die Schultern.

Ihre Schwestern lächelten sie an und gingen vor ihr die Treppe hinab. Die Zeremonie sah vor, dass Ayden bereits auf sie wartete und ihre Ankunft von den anderen Prinzessinnen, den Brautjungfern, eingeleitet wurde.

Tatjana führte den Reigen an, Arabella folgte ihr und den Schluss markierte die jüngste Prinzessin. Mit jedem Schritt wuchs die Aufregung, die sich in Estelle festgesetzt hatte. Mit jedem Schritt näherten sie sich dem großen Plateau, auf dem die Hochzeit stattfinden sollte. Vor allem Ayden war es gewesen, der unter freiem Himmel heiraten wollte, weil die Natur weiterhin einen Teil von ihm darstellte. Nach einigem Überlegen hatte man sich für einen weitläufigen Platz im Wüstengebiet von Brahmenien entschieden. Estelle wollte die Sonne auf ihrer Haut spüren, wenn sie Ayden das Jawort gab. Es war eine ungewöhnliche Hochzeit, in mehr als einer Hinsicht. Aber es war genau die Hochzeit, die sie haben wollte.

Als Estelle den riesigen Platz erblickte, den man für diesen besonderen Tag mit Säulen und Marmorstatuen dekoriert hatte, um die sich Efeu schlang, schlug ihr Herz schneller. Nie zuvor hatte sie so viele Menschen auf einmal gesehen, nie zuvor hatte sie geahnt, dass das Volk von Brahmenien so groß war. Alle Bürger waren eingeladen worden und sollten der Zeremonie beiwohnen. Ihr Vater hatte ihnen dafür freie Stunden eingeräumt. Nach der offiziellen Trauung würde die Feier im kleinen Rahmen im Palast weitergehen.

Estelles Kehle wurde trocken, als sie den ersten Schritt auf den roten Teppich setzte, der den Weg bis zum Altar markierte. Die Bewohner Brahmeniens hatten sich links und rechts von ihr versammelt, riefen ihr zu, lächelten sie an und warfen abwechselnd Zucker und getrocknete Blumen in die Luft – was der Tradition nach Glück bringen sollte. Etwa auf halber Höhe blieb Estelle stehen. Ihre Schwestern gingen weiter zum Altar und stellten sich auf die linke Seite.

Mit gemischten Gefühlen suchte Estelle die Menge ab. Schon immer war es ihr Traum gewesen, sich von ihrem Vater zum Altar führen zu lassen, aber es war noch immer nicht sicher, ob er es schaffen würde. Der Tod seiner Tochter hatte ihn sowohl körperlich als auch seelisch sehr getroffen. Die meiste Zeit verbrachte er im Rollstuhl und wurde herumgefahren. Und dennoch hatte er ihr versprochen, heute sein Bestes zu geben.

Mit klopfendem Herzen nahm Estelle wahr, wie sich die Menge teilte. Flavio, der Diener ihres Vaters, schob den Rollstuhl, in dem der König saß. Obwohl er klein und gebrechlich aussah, stand in seinen Augen die Entschlossenheit, nach der Estelle suchte. Ihr Vater trug einen roten Anzug aus Brokat, der mit goldenen Knöpfen und Stickereien verziert war. In der rechten Hand hielt er den Stock, auf den er sich stützte.

Unter einem Ächzen und mit Flavios Hilfe schaffte er es, aufzustehen, und lächelte triumphierend, als er sicher stand. Der Diener wollte ihn weiterhin stützen, aber der König schüttelte entschieden den Kopf. Bis zu Estelle waren es nur wenige Schritte, aber diese meisterte er mit Bravour.

Der ältesten Prinzessin traten Tränen in die Augen, als sie ihren Vater sah. Es war kein Geheimnis, dass er nicht mehr lange leben würde – dennoch wollte sie sich nicht mit seinem Tod beschäftigen, solange er am Leben war.

»Du siehst wunderschön aus, meine Kleine«, hauchte er und strich ihr mit zitternden Fingern über die Wange. »Als hätte ein Maler ein Kunstwerk angefertigt.«

Der Kloß in Estelles Kehle wurde immer größer. Sie griff nach dem Arm des Königs und drehte sich dem Altar zu. Letztlich konnte sie nicht sagen, wer wen führte und wer wem eine Stütze war, aber das Glück, dass ihr Vater es geschafft hatte, überdeckte alle dunklen Gedanken.

Flavio ging hinter den beiden und half dem König in den Rollstuhl, als dieser seine Tochter ihrem zukünftigen Gemahl übergeben hatte.

Und auf einmal stand Estelle vor ihm und die Welt schrumpfte auf ein Minimum zusammen. Auf einmal gab es die Hochzeitsgäste nicht mehr, sondern nur noch sie beide, Ayden und Estelle. Der Jäger griff nach ihren Händen, platzierte sie vor seiner Brust und hauchte einen Kuss darauf. Seine Unterlippe zitterte kaum merklich. Offensichtlich war Estelle nicht die Einzige, die mit der Aufregung zu kämpfen hatte.

»Meine wunderschöne Frau«, flüsterte er und ein Blick in seine Augen machte ihr einmal mehr klar, wieso sie sich in ihn verliebt hatte. Sie war seiner Großmut verfallen, seiner Güte, seinem Verständnis. Sie war süchtig nach der Art und Weise, wie er sie binnen Sekunden glücklich machen konnte.

»Ich habe oft von diesem Tag geträumt«, sagte er so leise, dass es einzig und allein für sie bestimmt war. »Aber bis zum heutigen Tag habe ich gezweifelt, dass es sich wirklich zutragen könnte. Dass wir wirklich …«

»Ich weiß, was du meinst«, unterbrach Estelle ihn sanft. »Aber all das … die Menschen, die Zeremonie … wir beide … all das ist echt.«

Sie lächelte ihn glücklich an.

Ayden trug einen maßgeschneiderten Anzug aus feinem grauen Stoff. In seiner Jacketttasche steckte eine rosa Nelke. Zur Feier des Tages hatte er sich seinen Bart abrasiert, sah gepflegt und gediegen aus.

Er streckte Estelle die Hand entgegen, dann drehten sie sich dem großen weißen Altar zu, hinter dem ein freundlicher Geistlicher stand.

Estelle glaubte, innerlich zerspringen zu müssen. Unzählige Reize prasselten gleichzeitig auf sie ein. Sie fühlte die Blicke der Anwesenden auf sich, all die Erwartungen, die sie in sie setzten. Sie glaubte, ihren Vater zu sehen, der ihr schwach zuwinkte. Doch vor allem spürte sie Aydens Hand, die ihre umschloss.

»Meine lieben Anwesenden, Adelige wie Bürger«, begann der Pfarrer und schaute sich in der Menge um. Sein Kopf war beinahe kahl und er trug eine kreisrunde Brille, um besser sehen zu können. Es war nicht derselbe Mann, der auf Ginnys Beerdigung gesprochen hatte, und darüber war Estelle froh. »Wir haben uns heute hier versammelt, um ein Paar zu verheiraten, das nach Umwegen ins Glück gefunden hat und seine Liebe durch diese Hochzeit krönen möchte.« Er räusperte sich. »Prinzessin Estelle wird einmal die Königin über unser stolzes Land sein und seit einer Weile kennen wir auch den Mann, der an ihrer Seite regieren wird.«

Estelle merkte, wie Aydens Handfläche immer nasser wurde. Mut machend sah sie ihn von der Seite an. Ihr fiel es schwer, sich auf die Worte des Pfarrers zu konzentrieren, wenn sie den Jäger ansah. Aber war es nicht schon immer so gewesen? Wenn ihr Blick sich in seinem Gesicht verlor, gab es nichts mehr als sie beide.

Ich liebe dich, dachte sie. Ich liebe dich mehr, als ich je einen anderen Menschen geliebt habe. Du hast mir meine Hoffnung wiedergegeben und mich ermutigt, meine Träume wahr werden zu lassen.

Ihre Hand zitterte, als er ihr das Eheversprechen gab. Und als er ihr den goldenen Ring an den Finger steckte, bebte auch seine.

»Ich will dich lieben und ehren«, sagte er mit zitternder Stimme und wagte es kaum, sie dabei anzusehen. Nie zuvor hatte sie ihn so unsicher erlebt. So schüchtern und gehemmt. »Ich will dein Anker sein, wenn die See stürmisch wird, und dein Kompass, wenn du vom rechten Weg abgekommen bist. Deine starke Schulter, an der du dich anlehnen kannst, wenn du Halt brauchst. Mit diesem Versprechen gebe ich dir alles von mir. Ich offenbare mich dir ganz und nichts soll je zwischen uns stehen.«

Er holte tief Luft. Schweißperlen prangten auf seiner Stirn.

»Ich will an deiner Seite weilen«, sagte Estelle, als es Zeit für ihren Teil des Eheversprechens war. Zunächst war ihre Stimme brüchig und unsicher, doch gewann an Kraft, je länger sie sprach. »Ich verspreche, bei dir zu bleiben, wenn die Zeiten dunkel werden. In Gesundheit wie Krankheit, stillen wie lauten Momenten. Mit diesem Gelübde gehöre ich zu dir und du zu mir.«

Estelle schluckte. Ihr Herz schlug in einem wilden Stakkato. Aus feuchten Augen sah sie Ayden an, dann wandte sie ihren Blick dem Pfarrer zu, der sie mild anlächelte.

»Kraft des mir von Gott verliehenen Amtes erkläre ich Euch zu Mann und Frau«, verkündete er mit fester Stimme. »Ihr dürft die Braut nun küssen.«

Estelles ganzer Körper stand in Flammen, als Ayden einen Schritt auf sie zutrat. Noch immer hielt er ihre Hand fest in seiner und strich über den Ehering, der sich perfekt um ihren schlanken Finger schlang.

Nichts an seinem Kuss war sanft. Nichts war vorsichtig oder dem Anlass angemessen. Estelle hatte mit einem leichten Streifen ihrer Lippen gerechnet, einem Vorantasten, einem Hauch. Doch Ayden küsste sie mit voller Leidenschaft, drängend und wild – so als wäre dies kein offizielles Ereignis, sondern der Moment, den sie später im Schlafzimmer teilen würden. Es lag so viel Feuer in der Berührung seiner Lippen, so viel Inbrunst und Überzeugung.

Estelle war es, als hätte er all die Monate nur auf diesen einen Kuss gewartet. Und obwohl sie von ihrer Gesellschafterin gelernt hatte, dass man sich vor dem Altar zurückhalten musste, und auch ihre Eltern trotz großer Gefühle nicht anders damit umgegangen waren, gab sie sich seinem Kuss voll und ganz hin.

Sie hörte die Anwesenden seufzen und klatschen, jubeln und lachen – aber alles, was ihr in diesem Augenblick wichtig war, war sein Atem an ihrer Haut. Seine Finger, die sich dicht in ihr Haar gruben, und seine Lippen, die mit ihren zu verschmelzen schienen. Sie hätte nichts dagegen, wenn dieser Kuss niemals enden würde.

 

Die Nacht war eingekehrt, als sich die Hochzeitsgesellschaft auflöste. Nach der offiziellen Zeremonie, bei der das gemeine Volk hatte anwesend sein dürfen, gab es eine Tanzveranstaltung in kleinerem Rahmen, die sich auf andere Adlige und Freunde der Königsfamilie beschränkte.

Insgeheim hatte Estelle sich schon Wochen zuvor auf ihren Hochzeitstanz gefreut, auch wenn sie mitbekam, wie schwer Ayden sich mit den Schritten tat und wie oft er aufgeben wollte. Sie musste zugeben, dass sie sich keinen einfachen Tanz ausgesucht hatte und durchaus etwas Rhythmusgefühl erforderlich war. Deswegen rechnete sie es Ayden umso höher an, dass er sein Bestes gab und schließlich auch auf dem Parkett eine gute Figur machte.

Zu sanfter Geigenmusik tanzten sie viele Stunden lang, bevor die Tafel vorbereitet und das Hochzeitsmahl aufgetragen wurde. Die höfische Bäckerin war mit der Erstellung der Torte beauftragt worden und hatte sich in mehr als einer Hinsicht selbst übertroffen. Das Kunstwerk war fünfstöckig, erstrahlte in einem zarten Rosaton und bestand aus der süßesten Creme, die Estelle je gegessen hatte. Obwohl die Torte gigantisch war, überlebte sie nicht länger als zwei Stunden.

Ihr Vater war mittlerweile zu Bett gegangen und auch ihre Schwestern verabschiedeten sich nach und nach. Der Tag war bereits fortgeschritten und Estelle wusste, dass sie ihr und Ayden nun etwas Zeit allein geben wollten.

Sie saß ihm gegenüber im Salon; das Kerzenlicht auf dem Tisch zeichnete seine Züge weich und das Feuer, das trotz ausreichender Wärme im Kamin flackerte, sorgte für eine heimelige Atmosphäre. Der Raum barg gerade so viel Licht, dass Estelle Ayden erkennen konnte. Vor ihm stand ein halb volles Glas Wein, um das er seine Hände schlang. Eine feine Röte hatte sich auf seinen Wangen breitgemacht und obwohl er schweigsam war, wusste Estelle, dass das Glück auch in seinem Herzen Einzug gehalten hatte. Über den Tisch hinweg griff sie nach seiner Hand, woraufhin er den Blick hob.

»Woran denkst du, Ayden?«, fragte sie sanft und legte den Kopf schief.

Er sah sie aus verliebten Augen an. »Ich habe an Talario gedacht und an den Moment, in dem ich erfahren habe, dass du eine Prinzessin bist. Damals ist die ganze Welt für mich zusammengebrochen. Ich hatte längst Gefühle für dich und wusste, dass ich dich niemals bekommen würde.« Er seufzte, aber seine Augen waren klar.

Estelle nickte. Für sie hatten die Unterschiede der beiden noch nie eine Rolle gespielt, aber Ayden wäre fast daran zerbrochen.

»Und jetzt sitze ich hier«, fuhr er fort und machte eine ausschweifende Handbewegung. »Hier in Brahmenien, am Königsschloss, der schönsten Frau der Welt gegenüber, die darüber hinaus nun auch meine Frau ist.« Er schüttelte den Kopf, als könne er sein Glück nicht fassen. »Und ich warte dauernd auf den Moment, in dem ich in meinem kalten Bett aufwache und mich auf den Weg begebe, um für meinen König einen Vogel zu schießen.« Er lachte kehlig.

»Nicht immer müssen wir aufwachen«, wusste Estelle und drückte seine Hand. »Manchmal ist das Leben selbst das schönste Märchen.«

Er tauschte einen innigen Blick mit ihr, dann räusperte er sich und schob den Stuhl nach hinten. Ayden stand auf und kam mit geschmeidigen Bewegungen um den Tisch herum, wo er Estelle seine Hand reichte. »Wollen wir nach oben gehen?«, fragte er sie und obgleich es sich um eine einfache Frage handelte, wusste sie doch, was dahintersteckte.

Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrem Körper aus, welches bis in ihre Zehenspitzen drang. Estelle nickte und griff nach seiner Hand. Ayden blies die Kerze aus, die auf dem Tisch stand, dann begab sich das junge Paar auf leisen Sohlen in die nächsthöhere Etage, in der sich Estelles Schlafzimmer befand.

Bisher hatte sie die Nächte allein verbracht, aber das bedeutete nicht, dass sie auch in ihren Träumen einsam gewesen war. Insgeheim hatte sie auf diesen Moment hingefiebert, auch wenn die Nervosität von Sekunde zu Sekunde mehr wurde und gipfelte, als Ayden die Tür zu ihrem Gemach öffnete und sie von einem Meer aus Kerzen begrüßt wurden. Sie standen nicht nur auf den Tischen und Schränkchen, sondern bedeckten sogar einen Teil des Bodens, wo sie ein Herz formten.

»Da hat es jemand gut mit uns gemeint«, kommentierte Ayden und lächelte Estelle an. Er wartete darauf, dass die Prinzessin den Raum betrat, und schloss die Tür hinter ihnen.

Estelles Blick glitt auf ihr Bett, das frisch überzogen war und auf dem unzählige Rosenblätter lagen. Ein sanfter Geruch lag in der Luft, der sie an das Parfüm erinnerte, das ihre Mutter zu besonderen Anlässen aufgetragen hatte.

Unverrichteter Dinge blieb sie auf dem fliederfarbenen Teppich stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie sah, wie Ayden aus seinen Schuhen glitt, und tat es ihm gleich. Anschließend drehte er sich zu ihr um und trat auf sie zu.

Die Art und Weise, wie seine Finger über ihre Arme glitten, rief ein Schaudern in ihr wach. Zärtlich strich Ayden Estelle eine Strähne ihres lockigen Haars aus dem Gesicht und machte noch einen Schritt auf sie zu, sodass die Distanz zwischen ihnen vollkommen verschwand.

»Du gleichst einem Engel«, flüsterte er. »Du bist die Erfüllung all meiner Träume und ich kann es kaum glauben, dass wir nun hier sind.«

Estelle schluckte, als sie sah, wie Ayden die goldenen Knöpfe seines Hemdes löste und aus den aufwendig gestalteten Ärmeln schlüpfte. Dutzende Male hatte sie sich den Moment ausgemalt, in dem sie ihn zum ersten Mal sehen würde – ganz ohne Kleidung. Sie hatte von seinem Körper geträumt und von der Art und Weise, wie er sich anfühlen würde.

Durch die Jagd und die vielen Stunden, die Ayden unter freiem Himmel verbracht hatte, war seine Haut braun gebrannt, die Schultern breit, die Brust definiert und stark. Eine lange gezackte Narbe zog sich hinunter zu seinem Bauchnabel, doch sorgte nicht dafür, dass Estelle ihn weniger schön fand. Ganz im Gegenteil: Es steigerte nur die Erregung, die sie tief in ihrem Körper und zwischen ihren Beinen empfand.

Ayden ließ ihren Blick nicht eine Sekunde lang los, fesselte sie mit seiner Präsenz. Langsam schlüpfte er aus seiner Anzughose und streifte die Strümpfe ab, bis er nur in Unterwäsche vor Estelle stand.

Weil die Prinzessin in mehr als einer Hinsicht unerfahren war, hatte sie sich auf diese Nacht vorbereiten wollen. Doch die Lehrbücher, die in Brahmeniens Bibliothek zu finden waren, stellten keine Hilfe dar und machten ihr, was die körperliche Komponente betraf, eher Angst. Deswegen hatte sie das Gespräch mit ihrer Schwester Tatjana gesucht, die zwar jünger als sie war, aber sehr viel mehr Erfahrung gesammelt hatte, als Estelle es sich vorstellen konnte. Für Tatjana war die körperliche Dimension von Liebe nichts Neues, viele Male hatte sie ihre Weiblichkeit mit dem anderen Geschlecht geteilt. Für sie waren die Erwartungen, die mit der Nacht der Nächte zusammenhingen, Humbug.

»Du wirst merken, dass gar nichts dabei ist. Lass dich nicht unter Druck setzen. Es ist etwas ganz Natürliches und genau so wird es sich anfühlen«, waren ihre Worte gewesen.

Und Estelle versuchte, sich daran zu halten. Aber als ihr Blick auf Ayden fiel, der mittlerweile gänzlich unbekleidet vor ihr stand, drohte die Nervosität sie von innen zu zerfressen. Gleichzeitig fühlte sie ein Brennen zwischen ihren Schenkeln, das noch nie so stark gewesen war.

»Hab keine Angst«, flüsterte Ayden und griff nach ihrer Hand.

Sanft liebkosten seine Lippen ihr Gesicht, bis Estelles Körper sich entspannt hatte. Sie spürte, wie Ayden seine Hände um ihre Taille schlang und nach den weißen Bändern griff, die ihr Hochzeitskleid im Rücken zusammenhielten. Mit geschickten Bewegungen löste er die Knoten und lockerte die Korsage. Ungelenk stieg Estelle aus dem Kleid und zog die dünne Strumpfhose über ihre Beine.

Ihr Herz war kurz davor zu kollabieren. Nur in Unterwäsche stand sie vor ihm. Beinahe hätte sie sich ausgeliefert und entblößt gefühlt, wäre da nicht sein Blick, der ihren Körper wie eine Kostbarkeit ansah. Wären da nicht seine Finger, die langsam über ihren Bauch glitten und ihre Haut zum Brennen brachten.

In jedem wachen und schlafenden Moment hatte Estelle sich nach seinen Küssen verzehrt. Doch auf einmal merkte sie, dass sie mehr wollte. Mutig griff sie nach Aydens Hand und zog ihn auf ihr Bett. Dutzende Rosenblätter segelten zu Boden, als Estelle sich auf die Decke legte. Eine Gänsehaut überzog ihren gesamten Körper, ihr Kopf war so voll von Gefühlen, dass ihr das Denken schwerfiel.

Ayden bedeckte ihren Bauch mit sanften Küssen, zog eine Linie bis hoch zu ihrem Hals. Das Stöhnen, das sich in Estelles Kehle bildete, konnte sie nicht zurückhalten. Laut und ungehemmt kam es über ihre Lippen.

»Du bist die schönste Frau, die ich kenne«, raunte er ihr ins Ohr. »Alles an dir ist vollkommen.«

Vorsichtig umschlang Ayden Estelles Rücken und öffnete ihr Bustier mit einer einzigen Handbewegung.

»Liebe mich«, flüsterte sie. »Liebe mich, wie nie ein Mann seine Frau geliebt hat.«

Flink zog sie sich die weiße Spitzenunterwäsche aus, bis nicht ein Zentimeter an ihr mehr bedeckt war. Doch anstatt sich zu schämen, genoss sie es. Genoss es, wie er sie mit seinen gierigen Blicken maß und welche Freude er an ihrem Körper empfand. Genoss seine Berührungen, die weit über Küsse hinausgingen.

»Du bist schöner, als jeder Traum es mir je hätte erzählen können. Schöner als die Sonne selbst. Und mit jedem Tag liebe ich dich ein bisschen mehr.«

Estelle wurde von einer Welle der Erregung erfasst. Ein Seufzen drang über ihre Lippen. Sie wollte ihm nahe sein. Näher als je zuvor. Wollte seine Brust an ihrer spüren und sich endlich mit ihm vereinen.

»Ich bin die Deine«, flüsterte sie. »Von jetzt an und für immer.«

Das Lächeln, das sich auf seinen Lippen ausbreitete, vertrieb auch den letzten Teil ihrer Nervosität. Und dann lernte sie, dass Tatjana eben nicht immer recht hatte, sondern dass das, was sie und Ayden teilten, sehr wohl etwas Besonderes darstellte. Es war all die Erwartungen wert, die im Voraus daran gesetzt worden waren.

Und als er sich mit ihr vereinte, drang ihr Name wie ein Geheimnis über seine Lippen und sie spürte, was es hieß, wahrhaftig geliebt zu werden.

Kapitel 3 - Arabella

 

Weihnachten

 

Sie trug einen langen braunen Mantel, dessen Kapuze sie sich so tief ins Gesicht gezogen hatte, dass man es kaum erkennen konnte. Arabella wusste, dass das, was sie tat, gefährlich war und sie eine Strafe zu erwarten hatte, wenn sie erwischt wurde, aber ihr Herz schlug ihren Verstand mit Leichtigkeit.

Mit gesenktem Kopf schlich sie durch die Gassen Brahmeniens und durchquerte das kleine Dorf, in dem sich Jorins Zuhause befand. In einer unbeobachteten Sekunde hatte sie Kleidung aus dem Schrank ihrer ehemaligen Zofe gestohlen und abgetragene Schuhe gefunden. Schmuck trug sie keinen, sie hatte ihr Gesicht von Puder und Wimperntusche befreit. Und das, obwohl ihr nur gut zwei Stunden Zeit blieben, bis das Weihnachtsfest offiziell begann und sie im Schloss erwartet wurde.

Dennoch konnte sie es sich nicht nehmen lassen, ihn zu besuchen. Seit Jorin sie aus dem Turm und aus Ranias Fängen befreit hatte, wollte sie keinen Tag mehr ohne ihn verbringen.

Arabellas Herz klopfte jedes Mal, wenn ein Mensch an ihr vorbeiging. Da der Heilige Abend allerdings kurz bevorstand, waren nicht mehr viele Bürger unterwegs. Dennoch hielt sie den Blick starr auf den Boden gerichtet und betrachtete ihre Füße dabei, wie sie immer schneller wurden.

Bis zu Jorins Hütte war es nicht mehr weit, nur noch wenige Meter trennten sie. Das Zimmer, das er sein Eigen nannte, war klein geschnitten und nicht mehr als eine heruntergekommene Kammer. Dennoch schaffte er es manchmal nur schwer, die monatliche Miete aufzubringen, vor allem weil er darauf bestand, Geld für eine gemeinsame Zukunft mit der Prinzessin zurückzulegen.

Arabella hatte ihm dutzendfach angeboten, den Betrag zu übernehmen und ihm auch in anderen Lebenslagen finanziell auszuhelfen, aber Jorin bestand darauf, seine Existenz selbst zu bestreiten. Wie, so fragte er sie oft, sollte er für sie beide sorgen können, wenn er nicht einmal sich durchbringen konnte?

Als Arabella das Haus erreicht hatte, in dem Jorin das untere Zimmer bewohnte, atmete sie tief durch. Im Gegensatz zum Palast, der um diese Zeit aufwendig geschmückt und mit allerlei Schnickschnack verziert war, lag Jorins Hütte kahl da. Beinahe so, als wäre Weihnachten nur den reichen Menschen vorbehalten.

Arabella warf einen Blick über die Schulter, wartete, bis ein alter Mann, der nach einem Bier zu viel roch, an ihr vorbeigeschlurft war, und hob die Hand, um an Jorins Tür zu klopfen.

Hinter seinem Fenster brannte Licht. Er hatte, ebenso wie ein Großteil des gemeinen Volkes, am heutigen Abend freibekommen und musste nicht seiner Arbeit nachgehen. Wahrscheinlich würde er Weihnachten mit seiner Schwester feiern, aber genaue Pläne kannte Arabella nicht.

Sie klopfte noch einmal und endlich hörte sie, wie im Inneren der Hütte ein Stuhl zurückgeschoben wurde. Schritte erklangen, dann knarrte das Holz. Verwundert streckte Jorin den Kopf zur Tür heraus. Sein Stirnrunzeln wurde tiefer, als er die weibliche Gestalt vor dem Haus erkannte. Erst als Arabella den Kopf hob und ihn anlächelte, lichteten sich seine Züge.

»Was machst du hier?«, flüsterte er und sah sich in der Gasse um.

»Keine Angst«, beruhigte Arabella ihn. »Wir sind allein.« Sie streckte ihre Hand nach seinem Gesicht aus, um die Augenklappe, die verrutscht war, an Ort und Stelle zu schieben.

»Wieso bist du hier?«, flüsterte Jorin.

»Willst du mich nicht hereinbitten?« Sie schmunzelte.

»Doch, natürlich.«

Verlegen vergrub er seine Hände in den Hosentaschen. Offensichtlich hatte er es nicht für nötig gehalten, seine Kleidung für das bevorstehende Weihnachtsfest zu wechseln, und auch seine Haare standen in alle Richtungen ab. Doch das störte Arabella nicht.

Weil er sie noch immer überrascht anschaute und keine Anstalten machte, sie vorbeizulassen, stieß sie ihn sanft zur Seite und ging in das kleine Zimmer, das er bewohnte.

Die Prinzessin war erst ein Mal hier gewesen. Normalerweise fanden ihre Treffen in den Stallungen oder an verborgenen Orten in der Nähe des Schlosses statt. Es geziemte sich nicht für eine Adlige, sich am frühen Abend in die Stadt zu begeben, um einen Stallburschen zu besuchen. Vor allem nicht, wenn sie Gefühle für ihn hegte.

Neugierig sah Arabella sich in der Kammer um, die nicht viel mehr als eine Pritsche mit einer Decke, einen Kleiderschrank, eine Schüssel zum Waschen und einen Tisch beherbergte. Obwohl Jorin nicht viel sein Eigen nannte, sah es dennoch schrecklich unordentlich aus. Kleidung türmte sich auf dem Boden, ein einzelner Schuh lugte unter der Pritsche hervor und auf dem Tisch stand eine Tasse, in der sich ein brauner Rand gebildet hatte, was Arabella erkannte, als sie sich darüber beugte.

»Hätte ich gewusst, dass du kommst, hätte ich auf jeden Fall aufgeräumt«, sagte Jorin und räusperte sich verhalten. Er schloss die Tür, ging zum Tisch und ließ die Tasse verschwinden.

Arabella löste den Knoten ihrer Kapuze und legte den Umhang auf sein Bett. »Ich habe nicht viel Zeit«, machte sie ihm klar und trat auf ihn zu. »Unsere Feier beginnt in weniger als zwei Stunden und bis dahin muss ich umgezogen und hergerichtet sein. Dennoch wollte ich dich unbedingt sehen.«

Ihre Stimme wurde klein und unsicher.

Jorin schaute verliebt auf sie hinab und hauchte ihr einen Kuss auf die warmen Lippen. »Ich habe mir gewünscht, dass du vorbeikommst«, flüsterte er und strich über ihre Wange. »Aber wirklich daran geglaubt habe ich nicht.«

»Es war auch bis zum letzten Moment nicht sicher, ob ich es schaffe«, erzählte Arabella ihm. »Es gab wahnsinnig viel vorzubereiten und Valyra wollte unbedingt, dass ich mit ihr den Baum schmücke. Schließlich habe ich mich in einer ruhigen Sekunde davongestohlen. Tatjana hat es bemerkt und ich musste ihr versprechen, dass ich rechtzeitig wieder da bin.«

»Was hast du überhaupt an?«, erkundigte Jorin sich, dem das einfache braune Kleid aufgefallen war, das an der Taille Falten schlug. »Ist das jetzt Mode in Brahmenien?«

Die Prinzessin kicherte. »Nicht dass ich wüsste. Ich wollte nicht erkannt werden und habe mich deswegen so unauffällig wie möglich gekleidet.«

Kritisch sah Jorin sie an. Kein Wunder, schließlich hatte er sie in den letzten Monaten nur in prächtigen Gewändern und mit ordentlich zurechtgelegten Haaren erlebt. Aber in seinen Augen erkannte Arabella jenes Feuer, das nur für sie brannte und das auch nicht erlöschen würde, wenn ihre Erscheinung der einer Bettlerin glich.

»Ich hatte Angst, dass du diesen Abend allein verbringen musst«, flüsterte Arabella. Sie ging zu ihrem Mantel, der auf Jorins Bett lag, und holte ein längliches Geschenk in rotem Papier aus der Tasche, das eine gelbe Schleife zierte. »Es ist nicht viel, aber ich wollte es dir unbedingt schenken«, flüsterte sie. Scheu streckte sie Jorin das Päckchen entgegen, der große Augen machte.

»Für mich?«, fragte er überflüssigerweise und löste die Schleife.

Gespannt nahm Arabella wahr, wie er das Papier entfaltete und das kleine Büchlein musterte, das zum Vorschein kam.

»Abenteuergeschichten aus Candem«, las er den Titel vor.

Arabella nickte. »Ich hoffe, dass es dir gefällt. Du hast in letzter Zeit so oft davon gesprochen, wie gern du dich mal wieder in eine gute Geschichte fallen lassen würdest. Als ich das Buch gefunden habe, musste ich sofort an dich denken.«

Ihr Herz schlug schneller, als Jorin das Buch öffnete und zu lächeln begann. Sein Onkel war es damals gewesen, der ihm das Lesen beigebracht hatte. Andächtig fuhr er mit dem Finger über die Seiten, so als wären die Abenteuergeschichten sein kostbarster Besitz.

»Ich selbst habe es noch nicht gelesen«, erklärte die Prinzessin und hob das Geschenkpapier auf, das auf den Boden gefallen war. »Aber du musst mir unbedingt davon erzählen, wenn du es getan hast.«

»Das werde ich«, versprach Jorin ihr. »Und wer weiß, vielleicht können wir es sogar gemeinsam lesen.«

Eine stille Bitte schwang in seinen Worten mit, die Arabella gleichzeitig glücklich und traurig stimmte. Sie wusste, wie sehr Jorin es sich wünschte, dass sie endlich das Gespräch mit dem König suchte und ihn über ihre Gefühle zu seinem Stallburschen unterrichtete.

Jorin verglich sich mit Ayden, durch dessen Adern ebenfalls kein blaues Blut floss. Nun war er der Mann der künftigen Königin und musste seine Liebe zu ihr nicht mehr verstecken. Estelles Vater hatte das Glück der beiden gesegnet und war froh, Ayden an seinem Hof zu haben

Was Jorin aber nicht verstand, waren die himmelweiten gesellschaftlichen Unterschiede, die zwischen den beiden bestanden. Ayden war der beste Jäger seines Landes gewesen und pflegte eine innige und lange Beziehung zu seinem Monarchen. Er verdiente genug Geld, um eine Familie zu ernähren, und kleidete sich angemessen. Jorin selbst hatte so wenig, dass er oft hungrig ins Bett gehen musste. Sein Hemd war schmutzig, die Hose durchlöchert; und auch wenn seine Gegenwart Arabella mehr wert war als der gesamte Besitz ihres Vaters, bedeutete dies nicht, dass der König es genauso sah.