Der Frack des Hornisten - Hans Werner Karch - E-Book

Der Frack des Hornisten E-Book

Hans Werner Karch

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Beschreibung

"Der Frack des Hornisten" umfasst eine Sammlung verschiedener Geschichten, die sich fast ausschließlich mit dem Zusammenleben der Menschen beschäftigen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 80

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Hans Werner Karch

Der Frack des Hornistenund andere Geschichten

© 2020 Hans Werner Karch

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

978-3-347-03753-3 (Paperback)

978-3-347-03754-0 (Hardcover)

978-3-347-03755-7 (E-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

Vorwort

Der Frack des Hornisten

Veronikas Traum

Bühnenzauber

Der Streit am Totenbett

Immer Mokkatorte

Yasemine

Der große Schweiger

Hannibal

Der Notariatsakt

Das Wartehäuschen

Über den Autor

Bisher erschienen:

Es tut einer viel, der wenig tut,aber das tut, was er tun muss.Es tut einer nichts, der viel tut,aber nicht das, was er tun muss.

Don Bosco(1815 - 1888)

Vorwort

Der Romancier Hans Werner Karch beweist mit diesem Bändchen voller Kurzgeschichten, dass er durchaus auch eine Sympathie für andere literarische Formate hat.

Die Kurzgeschichte ist so etwas wie die kleine Schwester des Romans, die aber ganz anders behandelt werden will, soll sie ihren Charme und ihre Schönheit zur Entfaltung bringen. Ob das dem Autor gelungen ist, entscheidet letztendlich der Leser. Feststellen wird er auf jeden Fall, dass so gut wie keine der vorliegenden 10 Geschichten den Arzt verleugnen kann, als der er in seinem langjährigen Berufsleben tätig war.

Das Helfen und Heilen scheint zu seiner DNA zu gehören. Hat er als praktizierender Arzt, als Internist, sich vornehmlich um die Erkrankungen des Körpers seiner Patienten gekümmert, widmet er sich nun in seinem Ruhestand als Autor vor allem den seelischen Wunden seiner Protagonisten. Er weiß natürlich um die engen Zusammenhänge zwischen Körper und Seele. Was der Seele angetan wird, lässt den Körper nicht unberührt. Manchmal ist es ein ungnädiges Schicksal, manchmal auch nur ein Missverständnis, worunter viele Seelen leiden, häufiger aber sind es die Bosheiten der Mitmenschen, ihre Arroganz, ihre Gier, ihre Verächtlichmachungen.

Hans Werner Karchs therapeutische Maßnahmen als Autor bestehen darin, mittels einer Pointen starken „Lösung“ die Verursacher dieser Kränkungen von ihrem hohen Ross zu stoßen und den Gekränkten und vom Schicksal Gebeutelten wieder auf die Beine zu helfen.

Die Geschichten, die er erzählt, sind Geschichten aus dem wahren Leben, mitunter auch aus dem eigenen, also alle der Wirklichkeit abgeschaut und abgelauscht, wenn auch zumeist satirisch zugespitzt mit einer Prise Phantasie und viel Esprit.

April 2020 U.E.

Der Frack des Hornisten

 

Zur Freude über das bestandene Vorexamen, das bei den Medizinern als das Physikum bezeichnet wird, gesellt sich auch bei Johannes Baumeister der Wermutstropfen hinzu, den viele Studenten in dieser Zeit schlucken müssen: die Wohnungssuche. Wobei schon das Wort Wohnung eine an sich unhaltbare Übertreibung darstellt. Nach sechs Semestern muss er aufgrund der Statuten sein geliebtes Studentenwohnheim verlassen. Ein zusätzliches Wohnsemester kann man ihm nicht gewähren. So streng sind die Bräuche. Bei der jetzt anstehenden Wohnungssuche geht es, offen gesagt, um eine neue Schlafstätte. Große Ansprüche stellt er nicht. Eine irgendwie geartete, zumindest bewohnbare Behausung würde er akzeptieren. Auf der Suche danach präsentiert man ihm oftmals völlig geschmack- und stillos eingerichtete wilde Verschläge, die angereichert sind mit einem Mobiliar, das man ohne große Mühe haufenweise auf Sperrmüllhalden finden kann. Vor diesem Problem steht er wie viele seiner Kommilitonen auch. Hin und wieder treffen sie sich in der Mensa und tauschen sich über ihre Erfahrungen aus, die sie bei ihren Streifzügen durch die Stadt auf der Suche nach einer Wohnung machen. Es ist haarsträubend, was man da alles zu hören bekommt. Viele sehen sich daher schon als mögliche Obdachlose oder Dauergäste in Jugendherbergen oder sonstigen Einrichtungen. Jeder dieser angehenden Mediziner sucht die Nähe zur Klinik. Das ist ein begehrtes Areal, aber der Markt an Studentenbuden im Umkreis von einem Kilometer ist wie leergefegt. Folglich muss man ziemlich schnell die Vorstellung aufgeben, in Kliniknähe wohnen zu können.

Erst durch einen Freund erfährt er von einer Wohngemeinschaft, kurz WG genannt, in der noch ein freier Platz zu vergeben sei. Sich eine Wohnung zu teilen mit fremden Typen unterschiedlichster Art ist zwar nicht das, was er sich eigentlich vorgestellt hat. Aber notgedrungen nimmt er die Chance wahr und hat das Glück, unter den zahlreichen Bewerbern ausgewählt zu werden. Schon bald muss er zugeben, dass seine Mitbewohner total in Ordnung sind und seine Vorbehalte völlig unbegründet waren. Aber trotzdem beschäftigt ihn immer wieder der Gedanke, sich irgendwann eine andere Bleibe zu suchen, eine Bleibe nur für ihn allein.

Um schneller die Klinik zu erreichen und weniger zeitaufwendig eine neue Zimmersuche zu starten, fasst er eines Tages den Entschluss: „Ein Fahrrad muss her!“ Nach intensiver Suche findet er dann in der Tageszeitung eine Anzeige, dass ein Fahrrad abzugeben sei. Die angegebene Adresse führt ihn am nächsten Tag in eine kleine Seitenstraße in der Neustadt. Voll froher Erwartung läutet er an der Tür des Hauses, wo das Fahrrad zu finden sei. Hinter der mit grauenhaften Schnitzereien verzierten, doppelflügeligen Abschlusstür hört er den schwerfällig schlurfenden Gang einer sich nähernden Person.

„Bin ich hier eigentlich richtig?“, schießt es ihm durch den Kopf. Rasch wirft er noch einmal einen Blick auf das Türschild oberhalb der Klingel. Kein Zweifel. M. Wagner. Die Adresse stimmt. Aber wieso soll diese Person M. Wagner ein Fahrrad besitzen, wo sie sich nach seinen Mutmaßungen in einem schlechten Gesundheitszustand befindet, zudem in einem Altbau im dritten Stock wohnt, wo es offenbar nicht einmal einen Aufzug gibt? Für einen kurzen Moment kommt ihm der Gedanke, das ganze Vorhaben abzubrechen, noch bevor die Tür sich öffnet. Enttäuschungen hatte er bei der Zimmersuche in den letzten Monaten genug erlebt. Auf eine zusätzliche Frustration hat er nun wirklich keinen Bock mehr. Aber dann hält ihn doch die Neugier, was es wohl mit der Person M. Wagner und dem Fahrrad auf sich haben könnte, davon ab, sich so schnell wie möglich wieder aus dem Staub zu machen.

Voller Ungeduld steht er auf der ziemlich abgetretenen Fußmatte, die schon fast eine Einheit mit seinen Sohlen bildet, und wartet auf das typische Geräusch, das man kennt, wenn ein Schlüssel im Schlüsselloch verschwindet. Doch vergeblich. Dafür wird ein Fenster am Standflügel der Tür geöffnet, und hinter den geschwungenen Eisenstäben, die Teile einer floralen Schmiedekunst sind, kann er das Gesicht einer älteren Frau erkennen. Ihr runder Kopf erscheint etwas aufgedunsen und die tiefrote Gesichtsfarbe geht schon fast in ein bedrohlich wirkendes Blau über. Durch das schlohweiße, halblange Haar verstärkt sich der Kontrast noch mehr.

Schwer atmend fragt die Frau: „Guten Morgen, junger Mann. Sie wünschen?“ Johannes, zwar innerlich schon vorbereitet auf solch eine Frage, antwortet fast schon stotternd: „Guten Morgen, Frau Wagner. Mein Name ist Johannes Baumeister. Ich bin Student und komme wegen des Fahrrades, das Sie inseriert hatten.“ „Ach, wie schön. Kommen Sie doch herein, dann können wir das gerne genauer besprechen. Auf dem Flur will ich so etwas nicht abhandeln.“

Jetzt wird die schwere Eichentür von innen mehrfach entriegelt, und das metallische Geräusch des Schlüssels im Türschloss ist für ihn die Einladung, die Wohnung zu betreten. Im Flur steht ihm jetzt eine, wie er schätzt, vielleicht siebzig Jahre alte Frau gegenüber. Sie ist leicht nach vorn übergebeugt und stützt sich auf einen Stock. Über einem dünnen hellblauen Pullover trägt sie einen langen Kittel, der durch sein seltsames Farbmuster eher einen traurigen als lockeren Eindruck macht. Es ist diese Art Kleidung, die Johannes Baumeister in vielen Häusern sah, in denen er sich nach einer Studentenbude erkundigt hatte. Diese Frauen, denen er an der gleichen Art Kleidung ansieht, dass sie über keinen großen Geldbeutel verfügen, waren ihm gegenüber aber durchweg nett, manche sogar mütterlich. Frau Wagner kann er sofort in diese Kategorie einordnen. Unter dem langen Kittel vermag er nur das untere Drittel der Unterschenkel zu erkennen. Die Beine sind massiv angeschwollen und bläulich verfärbt. Vereinzelt zeigen sich kleinere offene Wunden. Aber Johannes will nicht so intensiv und auffällig hinsehen.

„Wenn sie merkt, dass ich Medizinstudent bin, ist der Tag hier gelaufen“, sagt er sich. In den Anfangssemestern seines Studiums war es ihm noch ganz angenehm, wenn sich auf Studentenfeten hauptsächlich die Frauenwelt gerne mit Medizinstudenten unterhielt. So war ihm allein schon aufgrund dieser Tatsache ein Teil der Aufmerksamkeit sicher. Was sollte man denn schon mit einem Diplom-Mathematiker oder einem Jura-Studenten Aufregendes bereden? Da waren die Mediziner schon interessanter, zumal ja fast jeder irgendein Zipperlein hat, das er gerne vortrug, mit dem man aber seinen Hausarzt nicht belästigen wollte. Von Semester zu Semester empfand er dieses Interesse all jener eingebildeten Kranken, wie er öfter bemerkte, zunehmend als Belästigung. Und so kam es, dass er sich fortan so selten wie möglich, als Mediziner zu erkennen gibt.

Hier aber sieht er sich einer wirklich kranken Frau gegenüber, der er auf keinen Fall seine medizinische Beinahe-Kompetenz vorenthalten will. Fast schon ungeduldig wartet er auf die obligatorische Frage, was er eigentlich studiere.

Aber die Frage kommt nicht.

„Vielleicht kommt sie ja später“ sagt sich Johannes Baumeister.

Mittlerweile hat man im Wohnzimmer Platz genommen. Frau Wagner besteht darauf, dass er unbedingt einen Kaffee mit ihr trinken müsse, denn sie habe noch eine große Überraschung für ihn. Jetzt erst bemerkt Johannes, dass die vorhin noch Halbtote ihn nun mit großen und interessierten Augen ansieht und auffällig lange von Kopf bis Fuß mustert. Die zuvor bestandene Lethargie und Kraftlosigkeit sind abgelöst durch eine Aktivität und Vitalität, die er nicht für möglich gehalten hätte.

Das Wohnzimmer ist nahezu überfüllt von Trödel unterschiedlicher Stilrichtungen, und dieser Krempel findet durch eine unbeschreibliche Unordnung noch seine Vollendung. Johannes traut sich nicht, seinen Blick schweifen zu lassen. Die Situation ist ihm schlichtweg peinlich, obwohl er ja überhaupt nichts dazu beigetragen hat.