Der Frauenversteher - Jürgen Schmieder - E-Book

Der Frauenversteher E-Book

Jürgen Schmieder

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Beschreibung

Ein mutiges Selbstexperiment – vom Ganzkörper-Waxing bis zum Multitasking

Jürgen Schmieder hat vierzig Tage nicht gelogen, mehr als fünfzig Diäten probiert, sämtliche Weltreligionen auf ihren Erlösungsgrad getestet und sich eisern an alle deutschen Gesetze gehalten, was dazu führte, dass er sogar seine eigene Ehefrau anzeigte. Als Wiedergutmachung durfte sie deshalb das Thema seines neuesten Selbstversuchs auswählen. »Finde heraus, wie es sich anfühlt, eine Frau zu sein«, forderte sie.

Also simulierte er Menstruation und Wehen, unterzog sich einem Ganzkörper-Waxing, ließ sich in einer Bar von Frauen anmachen, war auf einer Schönheitsfarm, quetschte sich in enge Kleider, um auf einer Party bewundert zu werden und dort über die Gäste zu lästern, putzte nach weiblichen Vorstellungen die Wohnung, übte sich in Multitasking und plante zur Krönung wie eine Frau eine Hochzeit. Dabei lernte er viel über Frauen – aber auch über sich und seine Geschlechtsgenossen. Ein amüsantes Buch voller verblüffender Einsichten.

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Seitenzahl: 262

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Ein Mann – eine Mission: »Finde heraus, wie es sich anfühlt, eine Frau zu sein!« Jürgen Schmieder, US-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, der mit seiner Familie bei Los Angeles lebt, hat sich bereits einigen Selbstversuchen unterzogen – er hat vierzig Tage lang nicht gelogen, fünfzig verschiedene Diäten ausprobiert und sich an alle deutschen Gesetze gehalten –, doch diesmal geht es um nicht weniger als: alles. Was muss ein Mann tun, um ansatzweise nachvollziehen zu können, wie Frauen ticken? Um den weiblichen Code zu entschlüsseln, unterzieht sich der Autor einem Ganzkörper-Waxing, lässt sich in einer Cougar-Bar von deutlich älteren Frauen anmachen, geht im Internet auf Schnäppchenjagd, lästert wie eine Frau, streitet wie eine Frau, treibt Sport wie eine Frau, übt sich im Multitasking, liest Frauenromane und begibt sich in einen Wellnesstempel. Als er eine Hochzeit wie eine Frau planen soll und mithilfe von Hormonen und Stromstößen Menstruation und Wehen simuliert, wird klar, dass Männer niemals ganz verstehen werden, was es bedeutet, eine Frau zu sein. Doch allein der Versuch ist faszinierend und lehrreich und zeigt, dass sich mit weitaus weniger schmerzhaften Mitteln so mancher Graben im Geschlechterkonflikt überwinden lässt.

Ein witzig-charmantes Experiment, das mit heftigem Augenzwinkern und ernstem Anliegen gängige Rollenklischees unserer Zeit entlarvt. Ein Buch für Männer und Frauen. Schlagfertig, tabulos, hintergründig.

Jürgen Schmieder, Jahrgang 1979, ist US-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Los Angeles. Er schreibt regelmäßig über Kultur, Wirtschaft und Sport und hat als Experte für Selbstversuche schon die Bestseller Du sollst nicht lügen! und Mit einem Bein im Knast veröffentlicht.

Jürgen Schmieder

Der Frauenversteher

Ein unerschrockener Selbstversuch

C. Bertelsmann

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1. Auflage

Copyright © 2016 beim C. Bertelsmann Verlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung und -illustration: © FAVORITBUERO, München

Illustration: © Hanni Schmieder

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-19830-5V002www.cbertelsmann.de

Für meinen Sohn Finn – in der Hoffnung, dass er dieses Buch niemals braucht

Inhalt

Prolog

Kapitel 1 – Anmelden auf der Venus

Kapitel 2 – Verführung in der Bar

Kapitel 3 – An der Grenze

Kapitel 4 – In der Wohnung

Kapitel 5 – Tage wie diese

Kapitel 6 – Komplimente und Sexismus

Kapitel 7 – Haarige Zeiten

Kapitel 8 – Folge dem Trend

Kapitel 9 – Zahltag

Kapitel 10 – Emotionale Enthemmung

Kapitel 11 – Im Wellnesstempel

Kapitel 12 – Der Kampf ums Badezimmer

Kapitel 13 – Schnäppchenjagd

Kapitel 14 – Die Sache mit den Schuhen

Kapitel 15 – Auf einer Hochzeit

Kapitel 16 – Lästern lernen

Kapitel 17 – Streiten wie eine Frau

Kapitel 18 – Fünfzig Schatten der Hölle

Kapitel 19 – Die Geburt der Venus

Kapitel 20 – Multitasking

Kapitel 21 – Die Sache mit dem Einkaufen

Kapitel 22 – »Fühle wie eine Frau!«

Kapitel 23 – Von Futterneid und anderen Dingen

Kapitel 24 – Nun lach doch mal!

Kapitel 25 – Frauen und Fußball

Kapitel 26 – Das Männer-Frauen-Haus

Kapitel 27 – Fitness mit Schlumpfine

Kapitel 28 – Das richtige Geschenk

Kapitel 29 – Im Frau-Zeit-Kontinuum

Kapitel 30 – Der Frauenversteher

Nachwort

Bei den Geschichten in diesem Buch handelt es sich um wahre Begebenheiten. Weil einem das Gedächtnis bisweilen verrückte Streiche spielt, habe ich diese Erlebnisse so aufgeschrieben, wie ich mich daran erinnere – und nicht so, wie sie tatsächlich passiert sind.

Es soll keineswegs der Versuch sein, mich über Freunde, Feinde und Exfreundinnen lustig zu machen – auch wenn mir dieser Gedanke hin und wieder in den Sinn gekommen ist. Sollten Sie also denken, Sie sind gemeint, dann darf ich Ihnen versichern: Sie sind es nicht.

Prolog

»Nein. Nein, nein. Nein, nein, nein. Oh Gott: Nein!«

Das ist die Reaktion meiner Frau auf meine Kleiderwahl für diesen Abend, die sie für einen textilen Offenbarungseid hält. Sie erklärt mir nicht, was genau ihr nicht gefällt oder warum, doch siebenmal »Nein« und das Anflehen des Allmächtigen ist eine eindeutige Reaktion. Ganz ehrlich: Ich habe keine Ahnung, was sie von mir will – so wie ich selten Ahnung davon habe, was Frauen von mir wollen.

Der Dresscode für diesen Abend lautet Cocktail Attire – ich habe im Benimmbuch nachgesehen und kann an meinem Outfit keinen Fehler erkennen: eine graue Stoffhose ohne Löcher. Ein schwarzes Hemd, das nicht in die Hose gestopft ist. Ein blaues Jackett, auf dessen rechtem Ärmel handschriftlich ein Rezept für einen Whisky-Cocktail vermerkt ist. Ein paar Accessoires wie eine Halskette mit Bärenzahn und Lederarmbänder, dazu Star-Wars-Sneakers. Ich finde das alles ziemlich elegant und interpretiere es auch als lakonischen Kommentar zu der Veranstaltung, die wir besuchen werden. Vor allem aber finde ich es: bequem.

Wir sind eingeladen auf eine Feier, auf der Geld für die Grundschule unseres Sohnes gesammelt wird. Das bedeutet, dass sich die Eltern betrinken und danach immense Summen bezahlen sollen für Sachen, die andere Eltern organisiert haben: Kunstwerke, Eintrittskarten für Popkonzerte und Sportereignisse, seltene Weine, Urlaubsreisen. Solche Sachen eben. Es ist ein gesellschaftliches Ereignis in unserer kleinen Stadt in der Nähe von L.A., wo wir seit knapp drei Jahren leben. Es geht auch darum, sich möglichst fehlerfrei zu präsentieren und anschließend über die kleinen Fehler der anderen zu lästern. Da ich gerne lästere und außerdem viele meiner Freunde anwesend sein werden, freue ich mich auf diese Veranstaltung.

Es gab zudem Gerüchte, dass Whisky-Cocktails fließen werden wie Wasser (deshalb das Jackett), dass eine Karte für die Star-Wars-Premiere versteigert wird (die Sneakers) und dass die Verpflegung vom besten Steakhouse der Stadt (Hemd nicht in der Hose) geliefert wird. Dünn sein kann sich niemals so gut anfühlen, wie ein Stück Fleisch vom Spieß dieses Grillmeisters schmeckt. Ich finde mein Outfit stilvoll, präsentabel und passend.

»Nein. Nein, nein. Nein, nein, nein. Oh Gott: Nein!«

Hanni trägt ein hautenges Kleid, das als kurzes Blaues durchgeht. Durch die Schuhe, die sie trägt, wächst sie innerhalb weniger Sekunden um sechs Zentimeter, ihre Brüste wachsen durch den BH um eine Körbchengröße. Sie macht das nicht wegen mir, sagt sie. Sie macht das nicht wegen der anderen Gäste, sagt sie. Sie macht das für sich selbst, sagt sie. Sie fühlt sich sexy, sie fühlt sich schön.

Ich würde am liebsten die Polizei rufen, weil es verboten sein muss, derart gut auszusehen. Ich finde meine Frau aber auch dann hinreißend, wenn sie verschwitzt vom Sport zurückkommt, abends im Schluffi-Schlafanzug ins Bett gekrochen kommt oder mich morgens mit verwuschelten Haaren angähnt. Es gehört zu den Ungerechtigkeiten der Natur, dass Frauen durchschnittlich mindestens zwei Attraktivitätsstufen über Männern stehen – den Spruch »Was will so eine tolle Frau mit einem wie ihm?« habe ich ungefähr zehntausendmal in meinem Leben gehört, umgekehrt noch nie.

Aber, und das ist meine Frage, fühlt sie sich auch wohl?

»Nein. Nein, nein. Nein, nein, nein. Oh Gott: Nein!«

Sie könne kaum atmen, die Füße würden schon jetzt schmerzen, und sie wisse nicht, ob sie tatsächlich den ganzen Abend den Bauch einziehen könne. Sie sagt, dass sie in diesem Outfit ungefähr vier bis sieben Stunden existieren könne, dann würden entweder Fußkrämpfe oder Ohnmacht einsetzen. Ich solle sie bestenfalls vor dem Einsetzen einer der beiden Varianten nach Hause bringen.

Ich habe das nie wirklich verstanden, warum jemand derart leidet, nur um sich hübsch zu fühlen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich betrachte im Spiegel auch gerne einen Mann, der einigermaßen präsentabel aussieht. Ich freue mich, wenn mir jemand zuzwinkert oder hinterhersieht. Ich fühle mich geschmeichelt, wenn mir jemand mitteilt, dass ich gut aussehe – mittlerweile auch dann, wenn es mit dem Zusatz »für dein Alter« versehen ist.

Was ich nicht kapiere: Warum leidet ein Mensch freiwillig auf einer Veranstaltung, die doch der Erheiterung dienen soll?

Ich will es dennoch versuchen, weil ich optisch nicht vier Stufen unter Hanni stehen möchte an diesem Abend. Ich überlasse ihr deshalb die Wahl meiner Kleidung. Nein, ich werde nicht in High Heels und Abendkleid auf diese Party gehen. Aber es gibt ja andere Möglichkeiten. Weg mit der Hose, dem Hemd und den Sneakers – nun wird tief im Kleiderschrank gegraben. Ganz tief.

Ich bekomme von meiner Frau eine schwarze Stoffhose überreicht, die ich mir vor ungefähr sieben Jahren gekauft habe. Sie sitzt immer noch, wenn ich aufrecht stehe, den Bauch einziehe und die Luft anhalte. Sitzen wird an diesem Abend also keine Option sein. Sie gibt mir ein Hemd, das aufgrund des Baucheinziehens und Luftanhaltens perfekt passt, mir jedoch in Kombination aus geschlossenem Knopf und streng gebundener Krawatte die Luft abschnürt. Ich bekomme bei jedem Atemzug ungefähr fünfunddreißig Prozent der Luft, die ich normalerweise einatme.

Das alles wäre in Ordnung, würden da nicht die schwarzen Schuhe stehen, vor denen ich ungefähr so viel Angst habe wie vor Altersarmut und Spinnen. Sie sehen edel aus, führen aber bei zu langem Tragen zu heftigen Schmerzen – nicht nur an den Füßen, sondern auch im Rücken. Die Dinger sind das Gegenteil dieser MBT-Gesundheitsschuhe. Ich muss mich alle dreißig Minuten hinsetzen, wenn ich diese Schuhe trage. Nur: Hinsetzen ist nicht erlaubt an diesem Abend, in dieser Hose und in diesem Hemd.

Meine Frau sagt: »Ja. Ja, ja. Ja, ja, ja. Oh Gott: Ja!«

Ich denke: »Nein. Nein, nein. Nein, nein, nein. Oh Gott: Nein!«

Ich traue mich nicht, einen kompletten Luftzug zu mir zu nehmen. Ich verweigere die Aufnahme des köstlichen Rindfleisches, auf dem gewöhnlich mein Name vermerkt ist, weil ich Angst vor einem Eklat durch geplatzte Hose oder aufgerissenes Hemd habe. Ich trinke nichts, was in irgendeiner Form für Blähungen sorgen könnte. Auf der Tanzfläche bewege ich mich so, wie meine Frau seit Jahren fordert, dass sich ein Mann mit meiner Grobmotorik bewegen sollte: Wippen von einem Bein auf das andere und reduziertes Wackeln mit angewinkelten Armen.

Aber: Ich bekomme Komplimente, die nicht so dahingesagt sind, sondern wie ehrliche Anerkennung klingen. Eine Freundin fragt: »Gehst du ins Fitnessstudio in letzter Zeit? Du hast total abgenommen!« Eine andere sagt: »Ihr zwei seht zum Anbeißen aus – ich würde euch glatt mit nach Hause nehmen.« Ein Mann im Schottenrock nickt mir anerkennend zu und drückt damit aus: Jawohl, das rockt! So viele Komplimente habe ich in den vergangenen zwölf Monaten zusammen nicht bekommen wie an diesem Abend. Die Frau, die uns mit nach Hause nehmen wollte, sagt kurz vor dem Ende der Party noch einmal: »Sexy!«

Das ist der Augenblick, in dem wir nach Hause gehen – nicht nur wegen dieser offensiven Aufforderung, sondern auch deshalb, weil bei Hanni nun doch Krämpfe und Atemnot einsetzen.

Wir wanken und watscheln nach Hause, beide befreit von den Schuhen, doch noch immer gefangen in Kleid und Hose. Wir stützen einander und müssen wirken wie zwei Amateursportler, die gerade aufgrund einer verlorenen Wette einen Marathon absolviert haben und sich die letzten beiden Kilometer gegenseitig ins Ziel schleppen. Zu Hause fallen wir aufs Bett, meine Füße schmerzen, mein Rücken tut weh – und der Alkohol entfaltet jetzt erst seine Wirkung, da ich wieder komplett einatmen darf.

Aber ich fühle mich gut. Hübsch. Attraktiv. Sexy. So wie meine Frau, die sich langsam aus ihrem Kleid schält, sich die Füße massiert und mir mitteilt, dass sie nun nicht mehr viel zu sagen gedenkt außer: »Ja. Ja, ja. Ja, ja, ja. Oh Gott: Ja!«

Ich habe verstanden.

Kapitel 1

Anmelden auf der Venus

Ich habe verstanden.

Das ist der wichtigste Satz dieses Projekts, das mit einer harmlosen Aussage in einer Talkshow begonnen hat: »Bei einer Diskussion will meine Frau nicht meine Meinung hören – sondern ihre eigene in einer tieferen Stimme.« Meine Frau allerdings fand diesen Satz ungefähr so lustig, als hätte ich ihr die Unterhose bis zu den Achseln hinaufgezogen.

Ich habe in meinem Leben nun schon ein paar Projekte absolviert: Ich habe vierzig Tage lang nicht gelogen, ich habe fünfzig verschiedene Diäten probiert, ich habe sämtliche Religionen der Welt auf Brauchbarkeit und Erlösungsgrad getestet und mich an alle Gesetze gehalten, die es in Deutschland gibt. Ich habe das freiwillig gemacht, weshalb die Vollzähligkeit der Tassen in meinem Schrank von mittlerweile sehr vielen Menschen angezweifelt wird.

Meine Frau jedoch war stets zur Teilnahme gezwungen und musste dabei bisweilen leiden wie ein Pinguin in der Sauna. Wer sagt seiner Frau schon, dass sie einen dicken Hintern hat? Wer will sie dazu verführen, es doch mal mit Voodoo und Satanismus zu versuchen? Wer zeigt sie wegen Ruhestörung an? Hanni hat eine Liste erstellt, auf welche Weise ich sie nun bereits öffentlich beleidigt habe, nur um die Verkäufe meiner Bücher zu steigern. Darauf unter anderem vermerkt: die Größe ihres Hinterns, die Größe ihres Gehirns, ihre Größe insgesamt. Ihre Fähigkeiten als Köchin, als Martial-Arts-Kämpferin, als Sportlerin überhaupt. Und nun kommt noch Kritik an ihrer Diskussionsstrategie hinzu.

Meine Frau beweist seit zehn Jahren – so lange sind wir bereits verheiratet –, dass sie hier die Märtyrerin ist. Ich stehe deshalb tief in ihrer Schuld. Ich stecke nicht nur knöcheltief drin, sondern bis zum Kinn, weil sie mich nicht nur während der Selbstversuche ertragen muss, sondern auch an allen anderen Tagen. Die Aussage in dieser Talkshow ist eine prächtige Arschbombe in das Fass, das nun nicht überläuft, sondern explodiert.

Ich habe ihr deshalb versprochen, dass sie den nächsten Selbstversuch wählen darf und ich genau das Projekt absolviere, das sie sich aussucht. Ohne Widerworte.

Finde heraus, wie es sich anfühlt, eine Frau zu sein.

Sie sagte: »Du sollst keine Frau sein oder als Frau leben – das ist völliger Quatsch. Du bist nun mal ein Mann, und das lässt sich nicht ändern. Lässt sich vielleicht schon, muss aber nicht sein. Mir würde schon reichen, wenn du Frauen verstehst.«

Ich soll Frauen verstehen.

Dazu fällt mir ein Witz ein: Ein Mann geht am Strand spazieren. Er findet im Sand eine alte, kostbar aussehende Flasche aus Kristall. Neugierig öffnet er sie, es erscheint ein riesiger Kerl mit einem Turban. »Du hast mich gerufen? Ich bin der Flaschengeist, und du hast jetzt einen Wunsch frei!«

Der Mann überlegt: »Ich wollte immer schon mal nach Amerika. Aber ich habe Flugangst und werde auch leicht seekrank. Am liebsten würde ich mit dem Auto fahren. Ich wünsche mir eine Brücke über den Atlantik!«

Der Geist sagt: »Bist du verrückt? Weißt du, wie lang so eine Brücke ist? Und wie viele Betonpfeiler man dafür braucht? Und wie hoch diese Pfeiler sein müssen? Der Ozean ist bis zu viertausend Meter tief! Wir müssten außerdem alle paar Hundert Kilometer eine Tankstelle errichten, da kein Auto eine solche Strecke ohne Auftanken zurücklegen kann. Außerdem gibt das Ärger mit Greenpeace. Hast du nicht was anderes?«

Der Mann: »Weißt du, wenn Frauen mir etwas erzählen, kann ich nie einen Zusammenhang erkennen. Und sie erwarten Dinge von mir, in denen ich keinen Sinn sehe. Mein Wunsch ist, die Frauen endlich verstehen zu können.«

Der Geist: »Diese Brücke: zweispurig oder vierspurig?«

Ich soll nun also möglichst oft sagen: Ich habe verstanden.

Das Problem ist zunächst, dass ich zu Beginn noch nicht einmal weiß, was es da überhaupt zu verstehen gibt. Mir wird seit Jahren wie vielen anderen Menschen eingeredet, dass Frauen von der Venus seien und Männer vom Mars – zwei grundverschiedene Spezies also, die einander keinesfalls verstehen können. Warum es also überhaupt versuchen? Natürlich ist das Bequemlichkeit, aber wer steigt schon in eine Rakete zur Venus, wenn er weiß, dass einen die Bewohner dort sowieso nicht kapieren? Da bleibt man doch lieber auf dem eigenen Planeten und beschwert sich darüber, dass einen die anderen nicht verstehen.

Es gibt eine ganze Industrie, von Komikern und Kolumnistinnen über geschlechtsspezifische Zeitschriften bis hin zu Psychologen und Philosophen, die wahnsinnig viel Geld mit der allgemein bekannten Tatsache umsetzt, dass sich Männer und Frauen nicht verstehen können. Warum muss ich denn nun derjenige sein, der in einen Transporter zum Mars gesteckt wird mit dem Auftrag, nützliche Erkenntnisse mit nach Hause zu bringen? Das ist eine Mission, die schon vor dem Start gescheitert ist – und genau deshalb so interessant ist.

Vor dem Abflug zur Venus schicke ich eine Botschaft zu diesem Planeten, um meinen Besuch anzukündigen und etwas über die Begebenheiten zu erfahren. Ich habe mehr als zweitausend Frauen über Facebook, Twitter und E-Mail angeschrieben, dazu habe ich Verwandte und Freunde angesprochen mit den Fragen: Was muss ein Mann erleben, damit er weiß, wie es sich anfühlt, eine Frau zu sein? Was muss er tun, um Frauen zu verstehen? Ich habe insgesamt Antworten von knapp tausend Befragten erhalten, die zwischen neun und siebenundachtzig Jahre alt waren – und es dürften so ziemlich jede gesellschaftliche Schicht und auch sehr viele Lebenslagen repräsentiert sein.

Frauen sind, auch wenn ich sie nicht verstehe, gar wunderbare Geschöpfe, Kunstwerke der Natur. Auch das weiße Album der Beatles ist ein Kunstwerk, das ich niemals komplett verstehen werde, so wie Ulysses von James Joyce oder viele Gemälde von Salvador Dalí. Das Nichtverstehen gehört zur Mystik und das Entschlüsseln des Verborgenen zu einer der spannendsten Aufgaben des Lebens.

Ich gehe deshalb in meiner männlichen Naivität davon aus, ausschließlich wunderbare Antworten auf meine einfachen Fragen zu bekommen, so wie Gespräche mit anderen Beatles-Fans oder einem Dalí-Experten erhellend und erfreulich sind. Ich stelle mir das Leben auf der Venus als ein harmonisches Beisammensein vor, dessen Idylle nur dadurch gestört wird, dass sich die Bewohner immer wieder mal auf der Erde mit diesen Aliens vom Mars treffen müssen, um den Fortbestand der Spezies zu sichern.

Ich habe diesen Typen vom Mars übrigens die gleiche Frage gestellt, nur eben in Bezug auf das Mannsein und das Männerverstehen – also: »Was muss eine Frau erleben, damit sie weiß, wie es sich anfühlt, ein Mann zu sein? Was muss sie tun, um Männer zu verstehen?« In verschiedenen Variationen habe ich immer nur diese Antwort bekommen: »Setz dich auf die Couch, kraul intensiv deine Geschlechtsteile. Dann tue fünf Minuten lang so, als würdest du deiner Freundin oder Frau zuhören, während sie dich beschimpft. Besauf dich, iss einen Burger, gucke einen Actionfilm, rede mit deinem besten Kumpel über Fußball – und dann versuche, die gerade noch nörgelnde Frau zum Sex zu überreden.« Männer finden sich und ihr Leben grundsätzlich in Ordnung, abgesehen von Beschwerden über Lieblingsverein oder Lebenspartner – wobei die Details auffällig ähnlich klingen. Von »Früher war alles besser« über »Die müssten mal wieder was tun« bis hin zu »Ich will die nicht mehr mögen, aber was soll ich machen?«.

Bisher dachte ich immer, dass Frauen zumindest sich selbst auch ganz in Ordnung finden. Ich vermutete, einzig Männer und die Folgen männlicher Anwesenheit wären der störende Teil eines ansonsten gar herrlichen und prächtigen femininen Daseins. Vor allem rechnete ich damit, dass Frauen lieber die schönen Teile ihres Lebens herausstellen, anstatt wie Männer diese Mischung aus Macho und Märtyrer zu mimen.

Aber: Dieser Planet Venus, das muss ein gar schrecklicher Ort sein. Zumindest deuten das die Botschaften der tausend Frauen an. Ich entdecke in den Antworten einen Trend, nach dem es ein Mensch kaum schlimmer treffen kann im Leben, als mit zwei X-Chromosomen ausgestattet zu sein. Das weibliche Dasein muss sich anfühlen wie eine Mischung aus Brennen im Intimbereich, extremen Schmerzen im Intimbereich, starkem Kopfweh, einem Stechen im Bauch und vor allem kalten Füßen. Dazu kommen hormonell bedingte Wutausbrüche und masochistische Selbstkasteiungen.

Den Antworten zufolge lässt sich der Unterschied zwischen Männern und Frauen ungefähr so darstellen:

Die Antworten sind nämlich nicht: »Genieße das Leben.« Oder: »Verführe deinen Partner allein durch ein Lächeln.« Oder: »Erlebe die Fähigkeit zu multiplen Orgasmen.«

Die Antworten sind: »Heißwachs in der Bikinizone.« Oder: »Stundenlang auf Dreizehn-Zentimeter-Absätzen herumlaufen.« Oder: »Mal eine anständige Migräne erleben.«

Ich rechnete mit: »Simuliere eine Schwangerschaft: Iss, was immer du willst. Ziehe die Klamotten an, auf die du Lust hast und die bequem sind. Sorge durch dreimal heftiges Stoßatmen mit einer Hand am schmerzenden Rücken dafür, dass du einen Platz im Restaurant ergatterst. Freu dich darüber, dass du keinen Strafzettel bekommst, obwohl du ihn verdient hast. Benimm dich wie ein Verrückter, sei vergesslich und verstrahlt – und werde dennoch wie eine heilige Kuh behandelt. Bekomme einen hysterischen Heulkrampf vor deinem Chef und werde dennoch nicht rausgeworfen. Und dann erlebe das Wunder der Geburt am eigenen Leib.«

Bekommen habe ich: »Simuliere eine Schwangerschaft: Werde fett, laufe mit geschwollenen Knöcheln herum und lass dir von jedem Fremden den Bauch tätscheln. Lass tausend unerwünschte Ratschläge über dich ergehen, watschle wie ein Pinguin – und lebe in der ständigen Angst, dass du aus dem Job geekelt wirst. Und dann presse eine Wassermelone durch einen Strohhalm.«

Dieser Planet Venus ist offensichtlich ein Ort voller Schmerz und Pein.

Die Antworten waren nicht: »Lass dir für hundertfünfzig Euro die Haare schneiden!« Oder: »Such dir einen schwulen besten Freund.« Oder: »Habe Spaß auf einem Spice-Girls-Konzert!«

Sie waren: »Regelmäßig die Periode haben und dabei leiden.« Oder: »Finde keine beste Freundin.« Oder: »Leite menstruierend ein börsennotiertes Unternehmen.«

Ich habe außerdem herausgefunden, dass Frauen das Leben auf der Venus auch ohne Männer nicht besonders idyllisch finden. Bei meiner Umfrage unter Männern waren, wie bereits erwähnt, Selbstzufriedenheit und Selbstgerechtigkeit festzustellen; wir finden auch unsere Geschlechtsgenossen recht prima, solange sie sich nicht für dieselbe Frau oder einen anderen Fußballverein begeistern – da hört der Spaß auf. Grundsätzlich können wir bei einem Bier sämtliche Differenzen zumindest kurzfristig ausräumen – was durchaus zur Frage führt, warum sich Politiker nicht viel öfter gemeinsam betrinken. Aber egal.

Frauen jedoch, das zeigen die Antworten, denken über sich selbst, dass sie intrigante Gestalten sind.

Sie schreiben nicht: »Such dir eine tolle beste Freundin, mit der du alles im Leben teilst.« Oder: »Kauf dir einen Pulli und teile ihn mit deinem besten Freund.« Oder: »Bewundere die Schönheit deiner besten Freundin.«

Sie schreiben: »Gehe auf eine Party und lästere über das Outfit jedes Gastes.« Oder: »Rede hinter dem Rücken über deinen besten Freund.« Oder: »Such dir einen besten Freund nur deshalb, weil er hässlicher ist als du.«

Und, aber das habe ich geahnt, halten sie uns Männer nicht wirklich für eine liebenswerte Lebensform.

Die Antworten sind nicht: »Lebe einen Monat lang in einer perfekt aufgeräumten Wohnung.« Oder: »Lass dich von an dir interessierten Menschen zu teuren Getränken einladen.« Oder: »Schließe in der Arbeit sinnvolle Allianzen aufgrund deiner sozialen Kompetenzen.«

Sie lauten: »Räume die dreckige Wäsche deines Partners weg, der sich wie eine Wildsau aufführt.« Oder: »Spüre, wie es sich anfühlt, in einer Bar von Menschen belästigt zu werden, an denen du überhaupt kein Interesse hast.« Oder: »Erlebe konsequente Benachteiligung am Arbeitsplatz, nur weil du eine Frau bist.«

Eine nicht zu leugnende Tendenz in den Antworten zeigt, dass Frauen denken, die Erde wäre ein besserer, friedlicherer und freundlicherer Ort, wenn man den Männern vor einigen Jahrhunderten einen eigenen Kontinent zugeteilt hätte, auf dem sie sich gegenseitig die Köpfe einschlagen können und den Frauen nur besuchen, um Proben der zur Fortpflanzung nötigen Substanz abzuholen. Also tatsächlich eine Art Aufteilung in Venus und Mars. Oder noch besser: Würde es nur noch Frauen geben, dann hätten sie längt ein Serum erfunden, dass die männlichen Sexualauswürfe ersetzt und mit dem sie ausschließlich Mädchen zeugen können.

ENDE DER LESEPROBE