Arschtritt ins Glück - Jürgen Schmieder - E-Book

Arschtritt ins Glück E-Book

Jürgen Schmieder

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Beschreibung

Wer dieses Buch liest, braucht keine Diäten, Fitness-Pläne oder Wellness-Apps mehr: Der radikal ehrliche Bericht von einem, der es geschafft hat, wirklich gesund zu werden

Geiler Job, liebevolle Familie, durchzockte Nächte mit den Jungs: Work hard, play hard. So ging Jürgen Schmieder lange durchs Leben. Bis ihn ein diabetischer Schock in die Horizontale beförderte. Was folgte war nicht nur die Not zu einem gesünderen Lebensstil, sondern endlich auch das richtige Mindset: »Wenn ich meinen Sohn aufwachsen sehen möchte, muss ich überleben und gesund werden.«

In seinem Buch zeigt Jürgen Schmieder Schritt für Schritt, wie der Einstieg in ein anderes, glücklicheres und gesünderes Leben gelingt, und beschreibt, wie dabei körperliche, mentale und soziale Faktoren zusammenhängen. Sein radikal ehrlicher Bericht von Erfolgen und Rückschlägen auf dem Weg zu echter Gesundheit ist ein Wake-up-Call für alle, die dafür nicht erst auf der Intensivstation landen wollen, und zeigt, dass wir den Moment, in dem wirklicher Wandel beginnt, alle finden können.

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Seitenzahl: 386

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Wer dieses Buch liest, braucht keine Diäten, Fitness-Pläne oder Wellness-Apps mehr: Der radikal ehrliche Bericht von einem, der es geschafft hat, wirklich gesund zu werden

Geiler Job, liebevolle Familie, durchzockte Nächte mit den Jungs: Work hard, play hard. So ging Jürgen Schmieder lange durchs Leben. Bis ihn ein diabetischer Schock in die Horizontale beförderte. Was folgte war nicht nur die Not zu einem gesünderen Lebensstil, sondern endlich auch das richtige Mindset: »Wenn ich meinen Sohn aufwachsen sehen möchte, muss ich überleben und gesund werden.«

In seinem Buch zeigt Jürgen Schmieder Schritt für Schritt, wie der Einstieg in ein anderes, glücklicheres und gesünderes Leben gelingt, und beschreibt, wie dabei körperliche, mentale und soziale Faktoren zusammenhängen. Sein radikal ehrlicher Bericht von Erfolgen und Rückschlägen auf dem Weg zu echter Gesundheit ist ein Wake-up-Call für alle, die dafür nicht erst auf der Intensivstation landen wollen, und zeigt, dass wir den Moment, in dem wirklicher Wandel beginnt, alle finden können.

Jürgen Schmieder, Jahrgang 1979, ist Redakteur für sueddeutsche.de sowie Reporter und Autor für die Süddeutsche Zeitung. Er ist Autor mehrerer Bücher, darunter die Bestseller »Mein Bauch gehört mir« (2008) und »Du sollst nicht lügen!« (2010). Zuletzt bei C.Bertelsmann erschienen »Ich will in den Himmel oder als glückliche Kuh wiedergeboren werden« (2011), »Mit einem Bein im Knast« (2013), »Sport. Das Buch« (2014) und »Der Frauenversteher« (2016). Jürgen Schmieder lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Hermosa Beach, Kalifornien.

www.cbertelsmann.de

Jürgen Schmieder

ARSCHTRITT INS GLÜCK

Der eine Moment, der dein Leben für immer verändert

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung des urheberrechtlich geschützten Inhalts dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2024 C.Bertelsmann

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Grafik: Sabine Timmann

Umschlaggestaltung: Favoritbuero

Umschlagabbildung: © Gabor Ekecs

Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-31237-4V001

www.cbertelsmann.de

Inhalt

Vorwort   Der Zustand kompletten Wohlbefindens

I   Du

Eins    Sei froh über den Arschtritt!

Zwei    Was ist deine Bestimmung?

Drei    Wie kaputte Menschen dich kaputt machen

Vier    Wer bist du und wer willst du sein?

II   Deine Ernährung

Die Chance deines Lebens

Eins    Programmiere dein Gehirn neu!

Zwei    Die Lebensmittelindustrie verarscht dich!

Drei    Scheiß auf Diäten – erfinde deine eigene!

Vier    Was du kontrollieren kannst. Und was nicht

III   Dein Körper

Die Chance DEINES Lebens

Eins    Erfinde dein eigenes Fitnessprogramm

Zwei    Schaffe Gewohnheiten!

Drei    Good bye, Superhelden!

Vier    Lass dich nicht unterkriegen!

IV   Dein Kopf

Die CHANCE deines Lebens

Eins    Pass auf dich auf – auch geistig!

Zwei    Feier dich doch mal selbst!

Drei    Entspann dich!

Vier    So toll kann eine Krise sein

V   Dein Umfeld

DIE Chance deines Lebens

Eins    Weg mit giftigen Menschen!

Zwei    Akzeptiere das Auf und Ab!

Drei    Sei doch einfach mal gut drauf!

Vier    Dein Team macht den Erfolg

VI   Dein Weg

Die Chance deines LEBENS

Eins    Sei völlig frei – von allem!

Zwei    Eine neue Welt

Drei    Finde deinen Weg

Vier    Ratschläge vom Geheilten

Vorwort   Der Zustand kompletten Wohlbefindens

Da ist er endlich, der Moment, in dem sich alles fügt, wie ein Puzzle.

Ich habe ein Jahr lang daran gearbeitet, oder besser: an mir gearbeitet. Ich habe mich einmal komplett auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt, und jetzt ist da ein neuer Mensch.

Wirklich schwer zu beschreiben, wie sich das anfühlt. Vielleicht so: Es ist alles in Ordnung, und ich weiß, dass alles in Ordnung ist.

Ich habe vor drei Tagen erfahren, dass ich kerngesund bin. Ich bin 44, meine Werte sind laut meiner Ärztin die eines 35 Jahre alten Leistungssportlers. Ich könne kaum fitter sein, sagt sie; es gebe keinen Grund, warum ich nicht ein langes und glückliches Leben führen könne.

Das wirklich Wahnwitzige daran: Ich hätte vor einem Jahr sterben sollen. Ich hatte mich nämlich im wahrsten Sinne des Wortes ins Koma gefressen.

Ich bin jetzt, nur knapp ein Jahr später, gesünder, als ich es jemals vorher war. So gesund, wie ich nur sein kann.

Vielleicht ist jetzt das Zauberwort: Ich darf zum ersten Mal seit langer, langer Zeit im Hier und Jetzt sein – ich muss mich weder um Vergangenheit noch Zukunft kümmern, sondern einfach nur um meine Gegenwart, und das ist das zweite Zauberwort. Ich darf mich jetzt gerade nur um mich kümmern. »Me Time«.

Ich glaube, dass uns, bei allen Debatten, die derzeit geführt werden, eine Sache eint: Wir mussten alle ordentlich was aushalten in den letzten Jahren. Es wurde einem brutal was abverlangt, und ich persönlich wünsche mir gerade nichts sehnlicher, als einfach mal ein Jahr lang nur so vor mich hinzuleben. Darf ich mich vielleicht mal ganz kurz um mich selbst kümmern?

Man hat doch derzeit immer mindestens zehn Tabs gleichzeitig offen im Gehirn, und bei vielen geht es gar nicht um einen selbst oder das engere Umfeld. Es geht immer gleich um das große Ganze und meistens um eine drohende Katastrophe, die derart wichtig ist, dass man alles andere und vor allem sich selbst vor diesem Hintergrund vergessen muss: Pandemie, Krieg, Inflation, Klimakrise, Energiekrise, Flüchtlingskrise, you name it. Nicht nur eine Krise nach der anderen, sondern immer gleich fünf Krisen gleichzeitig. Wer sich nicht damit beschäftigt: ignorant. Wer sich nicht sofort auf eine Seite stellt: Feigling.

Darf ich bitte mal ein paar dieser Tabs schließen? Kurz mal durchschnaufen, mich nur um mich kümmern? Keine Sorge, ich komme schon wieder zurück, aber jetzt brauche ich erstmal ein kleines bisschen Zeit für den Ich-Tab. Deshalb gehört eine Stunde am Tag nur mir. Da tue ich, was ich will. Meistens ist das: Sport. Nicht weil ich muss. Weil ich will.

Ich dehne meinen Rücken, mein Nacken wird von einem Rüttel-Massagegerät bearbeitet. Ich habe ein bisschen Muskelkater, das linke Knie zwickt ein bisschen. Schon okay, es muss nicht alles perfekt sein. Ich bin dort angekommen, was die Weltgesundheitsorganisation als »Zustand völligen Wohlbefindens« beschreibt: »Körperlich, geistig und sozial – und nicht nur das Fehlen von Krankheit und Gebrechen. Der Genuss höchstmöglichen Wohlbefindens ist ein Grundrecht jedes Menschen.«

Merk dir das bitte: Wohlbefinden ist ein Grundrecht und das darfst du einfordern. Für dich.

Geistige Gesundheit: könnte kaum besser sein. Null Stress, kein Druck. Keine Ängste, Sorgen, Nöte. Kein Groll, kein Streit, keine offenen Konflikte. War harte Arbeit, alle diese giftigen Sachen aus meinem Leben zu entfernen – aber dringend notwendig und letztlich war es das auch wert.

Ich bin völlig zufrieden mit mir, wenn ich in den Spiegel schaue. Keineswegs perfekt, aber genau deshalb bin ich so zufrieden.

Ich bin auch zufrieden mit dem, was ich die vergangenen Tage getan habe. Beruflich, privat. Wieder: Es lief nicht alles perfekt. Probleme gibt es immer, aber zumindest gab es bei mir keine unlösbaren.

Vor ein paar Tagen hat mir einer meiner besten Freunde eine SMS geschickt. »Ich wollte dir nur sagen, dass ich dich lieb habe. Du bist der Beste.«

Einfach so. Ohne besonderen Grund.

Ich war vorhin bei meinem anderen Freund, einfach nur plaudern und Blödsinn anstellen. Es war herrlich. Nebenher schrieben wir uns im Gruppenchat mit einem anderen Kumpel. Ging um Beziehungen.

Meine beiden Lieblingssportvereine haben heute gewonnen. Soll ja auch nicht so unwichtig sein für die Psyche eines Menschen. Ein Verein verliert. Macht nichts, läuft nicht alles perfekt; das nächste Mal dann.

Ich habe Sport getrieben und war mit meinem Hund am Strand. Er läuft gern zwischen meinen Beinen.

Ich habe heute nichts mehr zu tun, außer auf die Rückkehr meiner Familie zu warten.

Mein Sohn Finn, 14, ist in einem Freizeitpark mit zwei seiner besten Freunde. Er wurde dazu eingeladen, weil er sich rührend um einen von ihnen kümmert, der autistisch ist. Finn könnte nicht netter zu ihm sein. Ich bin sehr stolz auf ihn.

Ich liebe meinen Sohn nicht nur, sondern ich mag ihn auch – es gibt da einen Unterschied, das weiß jeder, der Kinder hat. Ich glaube, er kann mich auch ganz gut leiden; jedenfalls sagt er das oft.

Meine Ehefrau Hanni ist auf einer Party mit Freundinnen. Auch ihr könnte es kaum besser gehen – was zum Teil auch damit zu tun hat, dass sie sich ausnahmsweise mal keine Sorgen darum machen muss, wie es mir geht. Wie belastend muss das für sie gewesen sein, das Sich-Gehen-Lassen des Partners zu erleben und sich machtlos zu fühlen, weil der das einfach nicht einsehen will, dass er auf einen Abgrund zuläuft?

Insofern wir nicht körperlich voneinander getrennt waren – also einer auf Reisen war –, gab es in unserer Beziehung noch keinen Tag, an dem wir uns nicht geküsst haben.

Ja, ich bin gerade allein, und das ist ganz gut so. Allein, aber nicht einsam.

Ich habe Streit mit niemandem. Ich habe alle Konflikte gelöst, bisweilen war das schlimm und schmerzhaft, aber nötig. Hoffentlich geht es den Leuten, mit denen ich nichts mehr zu tun haben will, nun auch besser, weil sie nichts mehr mit mir zu tun haben müssen.

Ich glaube, es ist gerade niemand sauer auf mich.

Im Beste-Freunde-Gruppenchat macht jemand einen Witz auf meine Kosten. Nein, ich bin nicht beleidigt; der Witz ist saukomisch, also lache ich. Können wir Witze bitte wieder nach dem Grad der Witzigkeit beurteilen und nicht immer gleich beleidigt sein? Können wir alle mal wieder kurz über uns selbst lachen?

Weil ich kein Karmakorken sein will, schicke ich die netten Nachrichten meiner Freunde weiter an andere Freunde und an meine Mama. Ich schreibe ihr, dass ich sie lieb habe, einfach so. Wenn sie morgen früh aufwacht und das liest, wird sie sich bestimmt freuen.

Ich sage meinem Vater, dass er ein feiner Kerl war. Der wird es schon mitbekommen, wo immer er ist: im Paradies, im Nirvana, als glückliche Hindukuh.

Ich habe, nimmt man alle drei Kategorien (körperlich, geistig, sozial) zusammen, den Zustand völligen Wohlbefindens erreicht. Leute, ganz ehrlich: Besser kann es nicht werden.

Okay, wenn ihr bis hierhin gelesen habt und noch nicht denkt: »Warum faselt mir dieser Möchtegern-Spirituelle hier mit seinem Wohlfühlquatsch die Ohren voll?«, sondern euch vielleicht fragt, wie ich dahin gekommen bin und ob ihr das nicht vielleicht auch wollt: Glückwunsch, lest einfach weiter, ihr kriegt jetzt einen schönen Arschtritt. Einen Arschtritt ins Glück, versprochen.

Denn ich will gerade niemand anderes sein als ich selbst. Wirklich erstaunlich, wie selten das passiert, wo es doch ein Grundrecht des Menschen sein soll. Das sollte jeder erfahren können. Ich bin umso glücklicher, dass mir dieses Glück zuteilwird – weil es wie gesagt vor einem Jahr noch überhaupt nicht danach aussah.

Vielleicht muss ich dort beginnen, am Beginn meiner Reise, vor einem Jahr. In dem Moment, als ich mich nicht besonders gut leiden konnte; als mir die Welt wie ein trostloser Ort und mein Leben nicht mehr lebenswert erschien – bis zu dem Moment, in dem ich hätte sterben sollen, weil ich mich wortwörtlich totgefressen hatte.

Nein, das hier passiert nicht zufällig. Ich habe ein Jahr lang daran gearbeitet. Und das bedeutet: Wenn ich das schaffe, kann es wirklich jeder schaffen. Auch du.

Ich treffe dich dann. Am Ende des Buches. Am Ende deiner Reise.

© Gabor Ekecs

I   Du

»Petta Reddast«»Es wird sich alles fügen.«

Sprichwort aus Island

Eins   Sei froh über den Arschtritt!

Es kann durchaus helfen, wenn man den eigenen Tod verschläft.

Ich wache auf und bemerke sofort: Ach du Scheiße, da läuft aber was brutal verkehrt.

Ich sehe nur verschwommen, so als wäre ich unter Wasser. Ich rieche jedoch perfekt, deshalb bemerke ich recht schnell, dass ich mich im Schlaf offenbar von oben bis unten vollgekotzt habe.

Die Geruchskombination aus kaltem Schweiß und Erbrochenem ist derart übel, dass ich mich gleich noch einmal übergebe. In diesem Moment verkrampft sich jeder Muskel in meinem Körper, als wäre ich an einen elektrischen Stuhl angeschlossen. Müsste man den Zustand mit zwei Worten beschreiben: zitternder Zombie. Zumal ich auch rieche wie einer, der den Tod bereits hinter sich hat. Wirklich: Jämmerlicher geht es kaum.

So also fühlt sich ein diabetischer Schock an – oder besser: wenn man daraus aufwacht, denn ich erinnere mich an überhaupt nichts seit dem Einschlafen. Ich fühlte mich am Vorabend nicht schlecht, trotz der Völlerei davor. In Wirklichkeit hatte ich mich aber quasi zu Tode gefressen.

Wie ich später erfahre, hätte ich sterben sollen; die Ärztin drückt es so aus: »Du bist über den Grand Canyon gesprungen und aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen nicht abgestürzt.« Ich stelle mir das so vor, als würde der Coyote in den Roadrunner-Comics dieses eine Mal nicht in den Canyon plumpsen, sondern auf der anderen Seite ankommen.

Das ist nicht der Moment, in dem ich beschließe, mein Leben zu ändern; jetzt gerade geht es einfach nur ums Überleben und darum herauszufinden, was in aller Welt hier los ist.

Ich liege im Bett einer Kajüte eines Kreuzfahrtschiffs, das Anker im mexikanischen Dschungel gelegt hat. Ich bin halb beruflich und halb privat hier: Es ist die erste Kreuzfahrt während der Covid-Pandemie von den USA aus; ein Experiment, ich soll darüber berichten. Halb privat, weil meine Frau und mein Sohn auch dabei sind. Aber, wo sind die eigentlich?

Aufstehen funktioniert nicht, wegen der Krämpfe. Für einen kurzen Augenblick überlege ich, was die schlimmere Alternative ist: sterben – oder in diesem desolaten Zustand entdeckt zu werden? Ich tue deshalb, was jeder Mann Anfang vierzig mit ein wenig Reststolz tun würde: Ich nutze die Krämpfe, um mich von Bett zu Bad zu schütteln. Ich schaffe es unter die Dusche, drehe auf und trinke erstmal einen badewannengroßen Schluck Wasser.

Das lindert die Krämpfe und spült alles Übelriechende weg.

Ich kann aufstehen, tapse mich in Richtung Eingang; ich sehe immer noch wie durch dickes Milchglas, und da stehe ich dann: in der Tür zum Bad, mit zuckenden Krämpfen in Waden, Rücken und Schultern – und in diesem glorreichen Moment meiner Existenz kommt meine Frau ins Zimmer, und sie sagt, was ich seit zwanzig Minuten denke: »Was ist denn hier los?«

Was los war:

Ich war offenbar bereits ein Jahr lang Diabetiker, ohne es zu wissen. Sagen wir es so: Der HbA1c-Wert, der den Blutzucker über einen längeren Zeitraum anzeigt, liegt bei gesunden Menschen zwischen 4,5 und 6,5. Bei einem Wert über 7,5 gilt er als zu hoch, auf der Webseite diabetes.org werden Werte bis 10 angezeigt mit dem Hinweis, dass es dann schon zu schweren Schäden an Augen, Nieren und Nerven kommen könne. Alles über 10 ist völlig irre; die Skala hört da auf. Mein Wert, wie sich rausstellen wird: 13,2.

Blutzuckerwert in dieser Nacht, geschätzt: 980. Lebensgefährlich. Normal sind Werte unter 100, von mehr als 127 bei zwei verschiedenen Tests an gilt man als diabetisch. Ab 600 gibt es das Risiko des diabetischen Komas.

Ich hätte sterben sollen, habe das aber einfach mal verschlafen. Meine Familie schafft mich sofort vom Schiff und zum Arzt. Ich werde versorgt und darf nach Hause, erstmal.

Was auf die Nacht folgt, sind die schlimmsten zwei Monate meines Lebens. Die Sehstärke pendelt zwischen 2,5 Dioptrien Weitsicht und 1,75 Dioptrien Kurzsicht – weshalb mir dauernd gleichzeitig schwindlig und schlecht ist. Ich habe wirklich null Energie, kann mich nicht konzentrieren und bin stets übel gelaunt. Es ist nicht die Hölle, aber durchaus das Fegefeuer.

Es gibt zwei Gründe, warum ich dir das erzähle. Erstens: Ich bin kein Fitness-Health-Lifestyle-Guru mit perfektem Instagram-Account. Ich bin genauso wie du, und auch wenn sich das jetzt wie schamlose Angeberei anhört: Ich habe es innerhalb eines Jahres vom schlimmsten Zustand meines Lebens zum besten geschafft – und das bedeutet nichts anderes als: Wenn ich das kann, dann kannst du das auch. Zumal es dir in diesem Moment hoffentlich ein bisschen besser geht als mir damals. Und ich bin zwei Jahre danach noch immer kerngesund und topfit – es ist also kein Diät-Fitness-Trend, ich bin der lebende Beweis, dass alles, was ich schreibe, trotz Beruf, Familie und Verpflichtungen umsetzbar ist.

Zweitens: Ich will, dass niemand so was durchmachen muss; deshalb ist es mir ein Anliegen, dass es niemand so weit kommen lässt wie ich. Ich hätte es verhindern können, es gab Anzeichen – und ich glaube, dass es bei dir auch ein paar Anzeichen gibt, sonst würdest du dieses Buch wahrscheinlich nicht lesen.

Ich hatte über die Jahre zugenommen, unterbrochen von wechselnden Diäten. Es ging auf und ab; nicht wie bei einem Jo-Jo, sondern wie bei einer Sinuskurve, die sich über die Jahre hinweg konstant nach oben bewegt: fünf Kilo rauf, drei runter, vier rauf, zwei runter und so weiter. Es war nie richtig viel auf einmal, aber ein bis drei Kilo pro Jahr; was im Alter zwischen 25 und 40 insgesamt 30 Kilo sind, und das alles nur mit ein bisschen zu viel Süßigkeiten, ein bisschen zu viel Alkohol, ein bisschen zu viel Stress und ein bisschen zu wenig Sport. Kommt dir das bekannt vor?

Ich war müde, schlecht gelaunt, bisweilen depressiv. In den zwei Jahren vor dem diabetischen Koma schob ich das vor allem auf die Coronapandemie: Jeder nahm doch ein paar Kilo zu, ich: fünf in eineinhalb Jahren. Jeder war doch irgendwie schlecht gelaunt und depressiv, jeder hatte Zipperlein. Deswegen muss man doch nicht gleich zum Arzt, oder? Es stellte sich heraus, dass mein letzter Arztbesuch im Dezember 2019 gewesen war; drei Monate vor Pandemiebeginn.

Nochmal: Die letzten Jahre haben wirklich jedem viel abverlangt. Es ist wichtig, das nicht zu unterschätzen. Solltest du das Gefühl haben, dass es mal nicht so läuft, dann weißt du, dass ich diese Situation verstehe. Ich habe es selbst erlebt und ich habe es Stück für Stück schlimmer werden lassen. Das bedeutet: Ich weiß, wie es dir geht.

Okay, das klingt jetzt vielleicht etwas hochgegriffen, aber um dir zu zeigen, dass ich das ernst meine, hier mal drei Bilder von mir: Mein »Vorher-Nachher« mit einem Unterschied von 30 Kilo zwischen 25 und 40, das aber auch meine Reise zu größtmöglicher Gesundheit zeigt – das hier bin ich:

© privat

Der links, das bin ich 2002, 22 Jahre alt. Der in der Mitte, das bin auch ich, 2021. Und der rechts, das bin auch ich, 2023, mit 44.

Fast jeder Mensch hat solche Fotos von sich, du sicher auch; von damals, als man jünger, gesünder, fitter war. Und fast jeder hat ein Bild, auf dem das nicht mehr so ist. Das führt zu diesem Gedanken, den ich so oft hatte: »Lieber Gott, lass mich bitte wieder so fit sein wie früher. Ich verspreche, es diesmal nicht zu vermasseln!«

Ging mir genauso: Ich war nur noch nicht bereit, die nötigen Schritte dafür zu gehen! Ich brauchte das Komplett-Koma. Den richtig heftigen Arschtritt. So weit musst du es aber nicht kommen lassen.

Ich bekomme jetzt oft gesagt: »Hey, du hast leicht reden; du musst ja jetzt gesünder leben.«

Stimmt! Ich wusste aber auch 15 Jahre lang, dass ich mich brutal ungesund ernährte, zu viel Stress zuließ, zu wenig aktiv war, zu viel Alkohol trank. Ich kannte meine Fehler schon, nur tat ich nichts dagegen. Das Phänomen heißt Region Beta Paradox: Der Mensch wird immer erst dann aktiv, wenn es ihm richtig schlecht geht; ansonsten erträgt er vieles, obwohl es ihm schadet: der Job, den man zwar hasst, aber nicht kündigt, weil man zu bequem ist. Die Beziehung, die man eher erträgt als wirklich genießt. Die Gesundheit, die erst dann wichtig wird, wenn sie weg ist.

Er hat richtig, richtig, richtig wehgetan, dieser Arschtritt. Aber es war am Ende ein Arschtritt ins Glück. Denk mal drüber nach, ob du nicht auch schon einen bekommen hast, oder zumindest einen Klaps auf die Finger, einen nervigen Stupser. Hat der Arzt mal was von gesünderer Lebensweise gesagt? Der Partner von mehr Sport und besserer Ernährung geredet? Haben dich deine Freunde verkohlt, weil du beim Sport keine gute Figur mehr gemacht hast – wortwörtlich und sprichwörtlich?

Wir tendieren dazu, diese Piekser als Lästerei böser Menschen abzutun. Wir überhören beim Arzt die Hinweise auf Vitaminmangel, Übergewicht und Blutdruck – und nehmen nur das »Also, im Großen und Ganzen sieht es bei Ihnen ganz gut aus« mit nach Hause. Dabei sollten wir es vielleicht mal so betrachten: Es ist kein Arschtritt, der einen verletzen soll; sondern einer, der einen auf den richtigen Weg bringt. Und einem die Erlaubnis erteilt, sich endlich um sich zu kümmern. Mal egoistisch zu sein. Wie im Flugzeug bei Druckabfall – erstmal um sich selbst kümmern und dann um die anderen. Denn: Tut man das nicht, wird man nur zur Last für andere. Das wäre mein Albtraum: so schlecht drauf sein, dass ich zur Last für meine Familie werde.

Einer aktuellen Umfrage unter älteren Leuten zufolge sagten mehr als drei Viertel der Befragten darüber, was sie am meisten bereuen: dass sie nicht für sich selbst gelebt hätten. Deshalb: Ja, es ist völlig okay, sich auch mal um sich selbst zu kümmern.

Ja, das tut ordentlich weh, wenn man von seiner Ärztin gesagt bekommt, dass es so nicht weitergehen kann. Dass man sterben werde, wenn man nicht eine körperliche und geistige 180-Grad-Wende vollführe.

Aber betrachte es doch mal so:

Ich muss nicht gesünder leben – ich muss gar nichts.

Ich darf gesünder leben. Ich darf auf mich achten.

Es ist meine Entscheidung, ob ich es tue oder nicht. Es gibt Leute, die kriegen einen Arschtritt, und dann sind sie beleidigt oder schlagen zurück. Und es gibt welche, die sagen: War dringend nötig, vielen Dank. Es ist deine Entscheidung, wie du damit umgehst.

Heißt: Warum interpretieren wir die Hinweise von Ärzten zur Abwechslung mal nicht als nervige Nörgelei, sondern als Einladung, dass wir uns jetzt nur um uns selbst kümmern sollen? Kümmern dürfen.

Was diese Nacht auf dem Kreuzfahrtschiff wirklich war: eine Befreiung von Süchten wie Zucker, Alkohol, toxischen Leuten, die meine schlechten Angewohnheiten ermöglichten, förderten, provozierten. Die Erlaubnis, vielleicht zum ersten Mal seit Teenagerzeit in erster Linie an mich selbst zu denken und Grenzen zu setzen, die ich brauchte, um gesund zu werden: Grenzen für Menschen, Nahrungsmittel und äußere Einflüsse.

Um diese Einsicht aber wirklich umzusetzen, brauchte es kein Koma und keine zwei Monate Fegefeuer danach. Was es brauchte: einen Grund, der mich gesünder leben lassen wollte.

Neben dem Verdrängen von schlechten Nachrichten und dem Aushalten ungesunder Einflüsse ist der fehlende innere Beweggrund für einen echten Wandel der dritte Aspekt, warum viele Versuche, gesünder zu leben, grandios scheitern: Wir setzen uns viel zu kurzfristige Ziele in einem sehr langen Spiel. Bei mir: Abnehmen für den Sommer, Trainieren für ein Altherren-Fußballturnier, Diät-Challenge mit Freunden. Bei meiner Frau: Hochzeiten und Geburtstagspartys plus die üblichen Neujahrsvorsätze und die Drei-Monate-neues-fancy-Fitnessprogramm-Challenge. Immer kurzfristig, immer auf ein paar Monate ausgelegt – in einem Leben, das hoffentlich noch Jahrzehnte dauert.

Man sagt doch in einer Beziehung auch nicht: Jetzt sind wir mal drei Monate lang lieb zueinander und vögeln wie die Weltmeister – und dann lassen wir das wieder. Deshalb frage ich mich am Ende von Liebesfilmen immer: Okay, nun hat die megaintelligente, erfolgreiche Städterin alles aufgegeben, um mit der Jugendliebe aus dem Heimatdorf zusammen zu sein – kann mir mal bitte jemand zeigen, wie es den beiden drei Jahre später geht?

Heißt: Wir wählen kurzfristige Strategien für ein langfristiges Problem – und wundern uns dann, warum wir so häufig scheitern. Man gewinnt nicht, wenn man einen Vorsatz nur erreicht, man gewinnt dadurch, was danach alles passiert. Wie mein Sohn, der nach dem Probetraining ins Eishockeyteam gekommen ist, aber erst durch seine Zeit mit seinen Mitspielern und Trainern reift, sportlich wie persönlich. Genauso wenig gewinnt man, indem man mit der neuesten Diät oder Fitnessmethode nur kurzfristig fit und gesund wird – man gewinnt, wenn man es ein Leben lang bleibt.

Bitte nicht falsch verstehen: Kurzfristige Vorsätze wie etwa: »Ich will bis Juni fünf Pfund abnehmen«, »Ich will im Sommer eine Strandfigur haben« oder »Marathon im Herbst« sind prima; man sollte Vorsätze jedoch nicht mit dem langfristigen Ziel (so gesund wie möglich zu sein) verwechseln und das Ziel nicht mit dem Grund, der einen antreibt (warum man so gesund wie möglich sein und bleiben will).

Der Moment, in dem ich beschloss, möglichst lange, vor allem aber intensiv, erfüllt und glücklich weiterzuleben, war der, als ich ein paar Tage nach meinem Koma infolge meines diabetischen Schocks mit meinem Sohn ein Eishockeyspiel guckte und wir dabei der wunderbaren Muriel begegneten. Die Rentnerin verliebte sich sofort in Finn und ist mittlerweile eine Art Ersatzoma für ihn. Sie sagte, dass ich mich darauf freuen könne, sie kenne das von ihren ungefähr 500 Enkeln, diesen tollen Buben aufwachsen zu sehen.

Das war der Moment, in dem ich begriff: Okay, um das zu erleben, sollte ich überleben. Und um bei allem, was dieser durchgeknallte Bub so vorhat, auch nur einigermaßen mithalten zu können, muss ich topfit sein, körperlich wie geistig. Und das bin ich mittlerweile. Weil ich es wollte. Nicht, weil ich es musste.

Jetzt weißt du, wer ich bin: ehemaliger Sportler, der sich derart hat gehen lassen, dass er beinahe gestorben wäre. Du wirst noch ein paar schlimmere Dinge über mich erfahren in diesem Buch, und das soll vor allem Ansporn sein: Wenn der das kann, kann ich das auch!

Niemand ist unverwundbar, das erfuhr ich drei Tage nach dem Koma von der Endokrinologin Nidhi Agharwal, die deshalb so wunderbar ist, weil sie einem die Wahrheit trocken und doch mit Empathie und Humor vermittelt. Sie sagte mir drei Dinge, die mir seitdem jeden Tag ins Gehirn schießen:

»Sie hätten sterben sollen – sind Sie aber nicht. Glück gehabt.«

»Sie haben das sogar ohne größere Verletzung überstanden – wir mussten noch nicht mal ein Bein amputieren oder wenigstens einen Finger. Bald aber schon, wenn Sie sich nicht jetzt ändern.«

»Sie haben jetzt die einzigartige Chance, das Ruder nochmal rumzureißen. Wollen Sie die nutzen?«

Checkliste:

Erkenne, dass die Reise zum Wohlbefinden keine Qual oder Pflicht, sondern eine Chance ist. Die vielleicht größte deines Lebens! Sag dir selbst: »Ich muss das nicht; ich darf das!«Versuche mal den Arschtritt, den dir andere geben oder vielleicht du dir selbst geben musst, als schmerzhaften Schubser in die richtige Richtung zu sehen.Nichts spricht gegen gute Vorsätze. Setze dir aber auch ein langfristiges Ziel, das du über das Erfüllen kurzfristiger Aufgaben erreichen kannst.Finde einen Grund, warum du gesund leben willst.

»Gib einem Menschen Gesundheitund einen Kurs zum Ansteuern,und er wird sich nie wieder fragen,ob er glücklich ist oder nicht.«

George Bernard Shaw

Zwei   Was ist deine Bestimmung?

Mein Sohn Finn ist in den Jugendkader der Los Angeles Kings aufgenommen worden. Entschuldigung, aber diese unverhohlene Prahlerei des stolzen Vaters ist leider nötig, um klarzumachen, was mir passiert ist – und warum das jeder Mensch braucht. Es geht nicht ums Eishockey, sondern um: eine Bestimmung. Etwas, wofür es sich lohnt, ein möglichst langes und möglichst gesundes Leben zu führen.

Klar, man kann sich im Leben allgemeine Vorsätze nehmen:

sich gesünder zu ernähren.mehr Sport zu treiben.nicht so viel zu arbeiten.nicht alles persönlich zu nehmen.weniger Stress zuzulassen.ein bisschen mehr auf sich selbst zu achten.

Das ist alles prima, aber mal ganz ehrlich: Wie oft funktioniert es, so einen Vorsatz auch langfristig durchzuhalten – zumal er ja noch nicht einmal wirklich konkret ist? Ich habe das probiert und ich bin damit der lebende Beweis dafür, dass es oft nicht funktioniert – so wie das wohl jeder schon erlebt hat.

2008 habe ich das Buch Mein Bauch gehört mir veröffentlicht; ich hatte 52 verschiedene Abnehm-Strategien probiert. Wenn du über einen Trottel ohne Sinn und Verstand lachen willst: Kaufe dieses Buch! Wenn du wirklich was lernen willst: Lass es bleiben! Es war eine kurzfristige Strategie; ohne Grund, ohne Bestimmung, und das musste scheitern.

Ich habe mittlerweile auch 119 vom IOC anerkannte Sportarten und mehr als 70 Fitnessprogramme ausprobiert. Nichts hat nachhaltig gewirkt, zumindest nicht im Bereich Gesundheit. Ich bin also, wenn man so will, ein Experte in all den Dingen, die man nicht tun sollte.

Ich hatte damals den Vorsatz gefasst abzunehmen, aber ich hatte keine Bestimmung. Die habe ich jetzt: Es ist dieser gar nicht mehr so kleine Junge, und es gibt zwei Dinge, die ich erreichen will:

Ich will möglichst viel von seinem Leben mitkriegen, und dazu gehört, dass ich selbst nicht nur möglichst lange lebe, sondern in der Lage bin, dabei zu sein.Ich will möglichst viel gemeinsammit ihm erleben – und das bedeutet, dass ich in der Lage bin, selbst völlig verrückte Abenteuer zu bestehen.

Mein Ziel ist also nicht: dünn sein, jung aussehen, mich gesünder ernähren, mehr Sport treiben, nicht mehr so viel Alkohol trinken, nicht mehr rauchen oder was weiß ich.

Mein Bestimmung ist es, jede Menge Abenteuer mit diesem Buben zu erleben.

Meine Ziel ist es deshalb, dafür bereit zu sein.

George Bernard Shaw schrieb mal: »Die wahre Freude im Leben ist es, gebraucht zu werden für eine Bestimmung, die du selbst als mächtig erachtest.«

Mein Papa war der tollste Vater, den man sich wünschen konnte, er war stets bei allem mit dabei. Er probierte jede Sportart mit mir; er nahm sich frei, wann immer er konnte, um mich anzufeuern. Er war stets bereit für ein Abenteuer – bis er es nicht mehr war.

Mein Vater war Diabetiker, doch er scherte sich nicht besonders darum – sein Leitspruch: »Ich will nicht mehr Jahre in ein Leben pressen, sondern mehr Leben in die Jahre, die ich habe.« Sein Lebenswandel war deshalb ziemlich extrem: Megastress in der Arbeit, dauernd unterwegs mit den Kindern. Aber auch: exzessiver Genuss. Essen, Alkohol, Zigaretten. Den ersten Schlaganfall erlitt er im Alter von 54 Jahren, da war ich 16 Jahre alt. Es folgten mehrere Herzinfarkte und weitere Schlaganfälle – die er allesamt überlebte. Er überlebte, aber er war nicht mehr bereit.

Er hat vieles verpasst, weil er es aufgrund seiner Gesundheit nicht mehr erleben konnte; und er hat viele Dinge zwar mitbekommen, aber nicht erlebt, weil es ganz einfach nicht mehr ging. Er ist erst 2018 gestorben. Ich vermisse ihn unendlich und erzähle ihm immer wieder von dem, was ich nun mit seinem Enkel (den er vergöttert hat) erlebe.

Wenn ich eine Sache von meinem Vater gelernt habe, dann diese: Ich will, im Gegensatz zu ihm, so lange wie möglich in meinem Leben bereit sein. Letztlich war es seine Entscheidung, nicht genug für seine Gesundheit zu tun. Das will ich vermeiden, unbedingt.

Es geht letztlich um die ausgemalte Fläche: Die Kurve darunter zeigt das, was viele Menschen erwartet, die nichts für sich tun – weniger Lebensqualität mit zunehmendem Alter. Die darüber das, was wir uns doch alle wünschen: anhaltende Lebensqualität; vielleicht sogar so viel wie einst als junger, dummer Hüpfer. Vielleicht werde ich nur ein paar Jahre älter, wenn ich von jetzt an so gesund wie möglich lebe – wobei ich fest daran glaube, dass der technische Fortschritt unser Leben immens verlängern wird. Ich muss nur erstmal lang genug leben, um noch was davon mitzubekommen.

Was ich wirklich will: Ein erfülltes Leben bis zum Ende. Ist es da nicht viel wichtiger, die schwarze Fläche so groß wie möglich zu machen und nicht nur die Strecke nach rechts so lang wie möglich? Also den Abstand zwischen dem, was wird, wenn ich nichts unternehme, zu dem, was werden kann, wenn ich mich dafür starkmache, zu vergrößern? Klar, für so eine möglichst große Fläche braucht es erstmal eine möglichst lange X-Achse, also viel Lebenszeit, aber ist nicht die Y-Achse, die zeigt, wie es mit dabei geht, genauso wichtig?

Viele halten es für ein Naturgesetz, dass die Lebensqualität nun mal mit der Zeit nachlässt; und vielleicht ganz am Ende nochmal ansteigt, dank der vielen Erfindungen, die unseren letzten Lebensabschnitt deutlich angenehmer werden lassen, als es noch vor hundert Jahren der Fall war. Ich glaube aber inzwischen fest daran, dass man es verhindern kann, dass die Lebensqualität bis dahin immer weiter abnimmt. Dass wir die schwarze Fläche aktiv beeinflussen und vergrößern können.

Klar, ich hatte diesen Ausschlag nach unten – aber nach allem, was ich gelernt habe, kann man sehr viel selbst dafür tun, dass die Y-Koordinate so hoch wie möglich bleibt – man muss dafür jedoch erstmal den sprichwörtlichen Schalter im Kopf umlegen, und dazu braucht es einen Grund.

Deshalb will ich dich gleich zu Beginn von diesem Buch dazu einladen, mal auf die Suche nach deiner eigenen Bestimmung, deinem eigenen Warum zu gehen. Es wird dein Leben verändern, so wie es meines verändert hat, weil sich alle anderen Ziele daraus ergeben.

Aus »Ich müsste«, »Ich sollte« oder »Ich darf nicht« wird plötzlich ein: »Ich will!« Und auch ein, und das ist oft wichtiger: »Ich will nicht!«

Man kann sich kleine und größere Ziele setzen, das ist wichtig und richtig, dazu kommen wir später – es ist aber noch wichtiger, einen Grund zu finden, warum man diese Ziele erreichen will. Also etwas, das einem Energie verleiht, einen motiviert und antreibt.

Das kann ein persönliches Warum sein – und muss nicht immer positiv ausfallen. Serena Williams etwa schreibt in ihrem Brief zum Ende ihrer einzigartigen Laufbahn: »Ich habe meine Karriere darauf aufgebaut, Wut und negative Gedanken zu kanalisieren und daraus etwas Gutes zu erschaffen.«

Wir werden später noch darüber reden, ob diese Strategie – sehr viele Sportlegenden berichten davon, wie sehr ihnen Hass, Ablehnung und Wut geholfen hätten, einzigartige Erfolge zu feiern – auch gesund ist. Wichtig ist: Jede Person hat etwas, das sie antreibt. Das kann eine andere Person sein (wie bei mir etwa mein Sohn), ein langfristiges Ziel (gerne beruflich; keine finanziellen Sorgen zu haben und respektiert zu werden für das Erreichte – zwei der wichtigsten Gesundheitsfaktoren) oder ein Gefühl (etwas zu erreichen, es anderen zeigen zu wollen, sich selbst etwas zu beweisen).

Okay, jetzt lies noch kurz weiter, und dann leg mal kurz das Buch weg und stell dir die folgenden Fragen:

Warum willst du überhaupt möglichst lange leben?Ist es dir wichtig, dabei sowohl körperlich als auch geistig möglichst fit zu sein?Was treibt dich an? Das ist eine andere Frage als: Willst du ein paar Kilo abnehmen?Was motiviert dich? Das ist eine andere Frage als: Willst du mehr Sport treiben?Was begeistert dich? Das ist eine andere Frage als: Möchtest du ein bisschen aktiver, lebenslustiger sein?

Merke dir diese Fragen! Hab sie immer dabei! Und stell sie dir immer wieder – gerade, wenn du am Verzweifeln bist.

Es gibt Tausende von Diäten und Strategien; aber es gibt mindestens so viele Versuchungen, die sie torpedieren, und irgendwann fehlen einem der Grund und damit die Motivation, es langfristig durchzuziehen. Was glaubst du, warum ich 52 verschiedene Diäten probiert habe – und am Ende mehr wog als zu Beginn des Projekts? Weil es kein Warum gab, sondern nur den Vorsatz abzunehmen.

Ein Beispiel: »Ich sollte weniger Alkohol trinken.«

Klar, kann man durchhalten, selbst als Bayer. Ich habe meine Frau aber gebeten, dass sie mich, wann immer ich mir ein Bier gönnen will, fragen soll: »Warum?«

Die einfache Antwort: »Weil ich da grade Lust drauf habe.«

Die ehrliche Antwort: »Ich hab da jetzt Lust drauf. Aber es wird mich auch brutal aufblähen, mein Blutzuckerwert wird steigen; es wird sicherlich nicht bei nur einem Bier bleiben, also werde ich morgen Blähbauch und Kater haben; und dann bin ich beim Eishockeyspiel von Finn schlecht gelaunt. Das will ich nicht.«

Die Folge: Ich trinke mittlerweile in 99 von 100 Fällen kein Bier, weil sich die Situation geändert hat vom negativen »Du sollst/darfst kein Bier trinken« ins positive »Ich will gar kein Bier trinken«.

Versteh mich jetzt nicht falsch. Gönn dir dein Bier, wenn du es gut verträgst, das will ich dir nicht schlechtreden. In meinem Fall ist es aber so: Ich habe es oft nicht gut vertragen.

Zweites Beispiel: »Ich sollte Stress reduzieren.«

Klar, wer will das nicht? Das sagt sich so leicht, kurzfristig schafft man das auch, sich weniger Arbeit aufzuhalsen, ein bisschen Ruhe zu finden, das Leben auszubalancieren. Aber wie oft misslingt es einem, weil man mittelfristig was erreichen, den Vorgesetzten beeindrucken, einen Auftrag schaffen, ein Projekt abschließen will – schon ist man wieder in der Stress-Spirale.

Auch hier wieder die Frage: Warum?

Es ist Freitagabend und ich bemerke, dass ich noch was erledigen sollte – vor dem Wochenende, weil ich am Samstag mit der Familie einen Ausflug geplant habe und mich am Sonntag mit Freunden treffen will. Soll ich jetzt bis drei Uhr morgens arbeiten, nur um mir selbst zu beweisen, dass ich alles geschafft habe? Wen das nämlich sonst interessiert: keinen Menschen – es muss erst am kommenden Dienstag fertig sein, niemand drängelt. Es ist reines Ego, es schaffen zu wollen.

Um am Wochenende aber bereit zu sein für Ausflug und Abenteuer, sollte ich jetzt, um 23 Uhr 30, endlich ins Bett. Also klappe ich den Laptop zu, ohne schlechtes Gewissen. Ja, das darf man tun.

Aus »Ich sollte/müsste Stress reduzieren« wird »Ich sollte jetzt schlafen, um morgen fit zu sein«.

Und noch ein Beispiel: »Ich sollte mehr Sport treiben.«

Nein, das tue ich nicht, um besser auszusehen – obwohl ich zugeben muss, eitel zu sein. Ich finde, jede Person sollte das Recht haben, zufrieden zu sein, womit sie zufrieden sein will. Ich mag mich am liebsten, wenn ich sportlich und möglichst fit bin. Das will ich auch sein dürfen. Ich muss mich wohl fühlen in meiner Haut und ich bestimme, wann das der Fall ist, nicht ein Diät- oder Fitnessprogramm.

Der Grund, warum ich aber wirklich gerne und regelmäßig Sport treibe (neben dem Auslauf, den ich auch für meine geistige Gesundheit dringend brauche), ist es, bereit zu sein. Mein Bub will an einem Hindernisrennen teilnehmen? Bin ich dabei und trainiere! Es gibt ein Volleyballturnier im Dorf? Training! Ein alter Rivale fordert mich zum Altherren-Tennismatch? Dem will ich’s zeigen, also muss ich üben!

Alles ergibt sich aus diesem einen Ziel, wie Shaw schrieb: bereit zu sein für die Bestimmung, die ich ganz persönlich für mächtig halte.

Ja, es hat mir geholfen, dass ich diese Nahtod-Erfahrung gemacht habe und von meiner Ärztin einen Arschtritt bekam. Aber es war letztlich nur die Einsicht, dass sich was ändern muss. Warum sich was ändern muss, das muss jeder für sich selbst herausfinden und ich möchte dich hiermit einladen, genau das Gleiche zu tun.

Lass dir Zeit damit! Frage dich: Was macht mich glücklich? Wofür bin ich bereit, Opfer zu bringen und mir all die kleinen Etappenziele zu erkämpfen, die dieses große Ziel erfordert?

Alles, was danach kommt, und wir werden in den nächsten Kapiteln noch darüber sprechen, hängt letztlich mit deiner Bestimmung zusammen. Mit deinem Warum.

Für mich ist es: bereit zu sein – und genau deshalb muss ich jetzt aufhören mit diesem Kapitel, sorry. Ich muss, kein Witz, mit dem Sohn sein erstes Los-Angeles-Junior-Kings-Trikot abholen.

Checkliste:

Finde eine Bestimmung, die Reise antreten zu wollen.Definiere möglichst konkret, was du erreichen willst.Definiere Verzicht als positiven Aspekt dabei, ein größeres Ziel zu erreichen.Finde für dich raus: Wann fühlst du dich am wohlsten in deiner Haut?

»Ein leidenschaftlicher Raucher, der immervon der Gefahr des Rauchens liest, hört inden meisten Fällen auf – mit dem Lesen …«

Winston Churchill

Drei   Wie kaputte Menschen dich kaputt machen

Ich bin süchtig nach Süßigkeiten und Anerkennung, und beides hat dafür gesorgt, dass es mir hundsmiserabel ging.

Süßigkeiten, klar, nachvollziehbar. Aber Anerkennung? Echt jetzt? Ist wirklich so, weil alles mit allem zusammenhängt und das eine immer zum anderen führt und häufig wieder zurück. Klingt vielleicht erstmal banal, ist aber eine der wichtigsten Erkenntnisse, deshalb will ich es gleich zu Beginn beschreiben, weil letztlich alles andere darauf aufbaut. Und weil jeder, der möglichst gesund leben will, das möglichst schnell begreifen sollte. Wer das nicht schafft, für den wird es viel, viel schwerer, seine Ziele zu erreichen.

Also, erstmal das Nachvollziehbare: Ich bin süchtig nach Süßigkeiten, seit ich denken kann. Ein paar Beispiele:

Als meine mein Frau mich beim Studium in den USA besuchte und Süßkram mitbrachte, wurde sie vom Zoll in Detroit zwei Stunden lang gefilzt, weil keiner ihr glaubte, dass all die Sachen für nur eine Person gedacht waren.Mir völlig egal, ob sich jemand als er/sie/es bezeichnet; laut den Packungen meiner Süßigkeiten bin ich eine vierköpfige Familie.In unserer Hochzeitszeitung begründete mein Schwiegervater seine jahrelange Abneigung gegen mich so: »Der fraß mir immer alle Süßigkeiten weg.«Bei einer Umfrage hieß es mal: »Ohne was können Sie nicht leben?« Freunde schrieben »Partnerin«, »Hund«, »Kinder«. Ich: »Schwarzwälder Kirsch«.

Ich wusste es also, nur: Zuckersucht interessiert grundsätzlich niemanden – nicht mal einen selbst. Wenn der beste Freund zwei Schachteln Kippen am Tag raucht und bedenklich hustet, wird man ihn irgendwann darauf ansprechen – und natürlich gibt es diese Bilder und Warnungen auf Zigarettenschachteln. Ähnlich ist es beim Alkohol: Wer täglich zweieinhalb Flaschen Wein trinkt, dürfte irgendwann mal von Freunden darauf angesprochen werden – oder es selbst merken, dass es so nicht weitergehen kann. Selbst bei toxischen Beziehungen, auch eine Form von Sucht, wird einem hoffentlich jemand sagen, dass da was nicht in Ordnung ist.

Wenn man ein zweites Stück Kuchen bestellt oder auf einer Party eine Tüte Gummibären verdrückt, wird man vielleicht ein bisschen verkohlt, weil man ein paar Pfund zugenommen hat. Aber ein ernst gemeintes Wort bekommt man sehr wahrscheinlich von niemandem zu hören – zumal es ein schmal Grat zwischen ehrlicher Besorgnis und Bodyshaming ist.

Ja, ich hatte ein bisschen zu viel auf den Rippen; weil ich aber derart viel Sport getrieben habe, waren es nur ein paar Kilo. Genau da beginnt das Problem, das du vielleicht selbst kennst, weil du auch süchtig bist. Muss ja nicht Zucker sein, oder Alkohol, oder Kippen. Denk mal kurz drüber nach, was es sein könnte. Feierabendbierchen? Burger? Sex? Drama?

Es muss nicht unbedingt gleich eine krankhafte Sucht sein; kann auch sein, dass man sein Gehirn über Jahre hinweg so programmiert hat, dass es einem wie ein Ritual vorkommt, eine Tradition. Bei mir war das Feierabendbierchen das Zeichen, dass an diesem Tag nicht mehr gearbeitet wird und es nun erlaubt ist zu entspannen. Was es aber auch war: ein Bier, und dann noch eins, und vielleicht noch eins.

Das, was ich jetzt erzähle, hat mein Leben verändert, weil wir bereits zu dem vordringen, was die WHO als menschliches Grundrecht bezeichnet – nämlich den Zustand kompletten Wohlbefindens, und zwar körperlich, geistig und sozial.

Weil ich ja kurz vorm Ableben gestanden hatte, wurde mir eine Ernährungs-Psychologin zugeteilt, die sich nicht nur darum kümmern sollte, wie viel ich esse und was ich esse, sondern vor allem, warum ich das tue. Sie bat mich, einfach mal eine Woche lang zu protokollieren: Wann esse ich? Was esse ich? Und warum esse ich genau das genau jetzt, und warum wie viel davon?

Habe ich gemacht. Hier ist ein durchschnittlicher Tag:

Zwischen Aufstehen und 19 Uhr ernährte ich mich relativ gut, also: Rührei-Avocado-Toast am Morgen, Snack zu Mittag und ein ordentliches Abendessen, dazwischen allerdings immer Süßigkeiten. Das wäre noch in Ordnung, doch nun kommt die Zeit nach 19 Uhr: Tüte Gummibärchen auf dem Schreibtisch, die immer leerer wird; dazu Zuckergetränke wie Cola. Gegen 22 Uhr setzt der Heißhunger ein, weil das Abendessen doch nicht reichte, also inhaliere ich so ziemlich alles, was der Kühlschrank hergibt; Schokolade als Nachtisch und eine frische Tüte Gummibären kommen auf den Schreibtisch.

Belohnung am Ende des Arbeitstages: Feierabendbierchen, was gerade am Freitagabend zu mehreren Feierabendgetränken ausartete. Vielleicht noch Süßes, weil die Woche nun endlich gelaufen war.

Um es kurz zu machen:

Kalorien zwischen 8 und 19 Uhr: 1650

Kalorien zwischen 19 und 2 Uhr: 5800

Gesamtkalorien: 7450

Wer kein Profisportler ist, kann so was niemals verbrennen.

Klar, jeder kennt solche sogenannten »Cheat Days«, an denen man alles in sich reinstopft, was geht. Ich lebte aber ein »Cheat Life«. Cheat Days waren für mich Tage, an denen ich mich zusammengerissen habe. Ja, es war wirklich so schlimm. Ich glaube, bis hierhin kann so ziemlich jeder nachvollziehen, was mir passiert ist – doch nun wird es erst so richtig interessant.

Die Ernährungs-Psychologin sagte: »Sie müssen Grenzen ziehen.«

Eine Lösung: Zusammenreißen am Abend. Keine Süßigkeiten mehr kaufen, Versuchungen reduzieren. Auf Alkohol verzichten. Kennt man, hat man vielleicht schon probiert. Entzug also, klare Grenzen um sich herum etablieren – bei denen aber immer die Gefahr besteht, dass man sie sprengt, weil sie einen brutal einengen können.

Aber jetzt kommt’s. Die Psychologin fragte: »Warum essen Sie eigentlich all diese Sachen, und warum exakt zu dieser Zeit?«

Meine erste Antwort: »Weil sie mir schmecken und schnell verfügbar sind, wenn ich arbeite.«

Sie nickte, dann stellte sie die gleiche Frage noch einmal. Meine Antwort: »Stress?«

Achtung, jetzt kommt ein lebensverändernder Moment; vielleicht auch für dich, wenn du dich auch nur im Ansatz damit identifizieren kannst.

Ich war in einem negativen Kreislauf gefangen, Zucker war nur ein Pflaster für Wunden, die tiefer lagen und großen Schaden anrichteten. Hätte ich nur auf Gummibärchen verzichtet, wären diese Wunden noch immer da, und ich hätte mir einfach andere Sachen gesucht, um sie zu überdecken.

Es war so:

Ich schlief in gewissen Nächten schlecht, weil ich damit rechnete, dass von bestimmten Leuten am Morgen eine E-Mail im Briefkasten sein würde. Das bedeutet: Die Falle war gestellt, und zwar von mir selbst; denn ich bin es, der es zulässt, alleine wegen der Aussicht auf eine unangenehme E-Mail eine unruhige Nacht zu verbringen.

Das lag vor allem an meinem Wunsch nach Anerkennung. Es dauerte wirklich nicht besonders lang, das festzustellen. Ich will gelobt oder bestenfalls sogar bewundert werden, und das führt dazu, dass ich Kritik persönlich nehme und ein gewaltiges Problem mit arroganten Leuten habe, die mich für dumm, inkompetent, faul oder was weiß ich halten. 85 Prozent meiner Süßigkeiten esse ich entweder als Belohnung – oder als Ausgleich dafür, dass ich mich erniedrigt fühle.

Und tatsächlich: Die E-Mail kommt am Morgen, und meine erste Reaktion darauf ist ein Nutella-Brot. Viel Zucker, gefolgt vom Ärger, schon am Morgen Süßigkeiten gegessen zu haben. Das führt dazu, dass ich direkt danach Sport treibe, weil ich mich für diese leere Kalorienzufuhr schäme. Klingt verrückt, aber denk mal darüber nach, ob dir das so oder so ähnlich nicht auch schon passiert ist.

Damit beginnt eine Spirale des Negativen, denn die E-Mail ist immer noch da; es ist nichts geklärt. Am Nachmittag: Anruf des Kollegen. Ein, man kann es nicht anders sagen, herablassender, arroganter Idiot. Er nennt mich »Schätzelein«, als wäre ich eine Geliebte aus den Fünfzigern, die er, der erfahrene, weise Gutsherr, nun mal so richtig einnorden muss. Was ich vorher unbewusst tat und nun völlig geschockt bemerke: Ich greife beim Wort »Schätzelein« sofort zu Gummibärchen oder Schokolade. Kalorien während des Telefonats: 430.

So ging das jeden Tag.

Streit mit dem Nachbarn: saure Fruchtgummistange.Telefonat mit Fluglinie/Behörde/Versicherung: Tafel Schokolade.Ein böser Kommentar auf sozialen Netzwerken: Krapfen.Kritik an Frisur/Gewicht/Klamotten: Zitronenkuchen.