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Der Mensch begreift, dass Verstand und Verstehen zwei verschiedene Dinge sind, die den Zwillingscharakter verloren haben, wenn der eine gegen den andern revoltiert. Es ist das Gedankensetzen gegen den andern, wenn es zu dieser Verdichtung gekommen ist, um die Lernsprossen der Leiter nach oben zu nehmen für die bessere Übersicht der Dinge. Vom Denken zum Tun, im Tun zu neuem Denken, da lenkt der Geist, der auf die Weiten und Tiefen in ihren Größen und Gründen weist. Es ist die Absolutheit der schöpferischen Kraft, die endlos schafft, was den Menschen in die Menschheit führt, bevor sie auseinanderklafft. Der Geist hört die Frage ohne Widerspruch und lässt den Menschen die Linderung als Antwort mit dem Hinweis spüren, dass sich der Verstand nicht verkürzen soll, wenn die Dinge des Daseins zu sehen, zu lösen und zu ordnen sind, denn das ist das Leben, in das der Mensch für seine Zeitlichkeit gesteckt wird, um die Seinsaufgaben zu erfüllen. Es sind denkerische Weiten, Tiefen und gedankliche Höhen von solchen Dimensionen, die den menschlichen Verstand an den Rand seiner Erfassungsmöglichkeit bringen. Zu erkennen ist, dass in der Klarheit der Geist "weltenhoch" über dem Denkvermögen schwebt, weil der Mensch aus dem Rahmen seines Verstandes weder ausbrechen noch sich befreien kann. Die Maßstäbe des Geistes sind andere als die 'Messlatten', die der Mensch an sein Denken und Tun anlegt. Was der Norm des Geistes entspricht, ist für den Menschen übergroß, ja unbegreiflich und für die Zeit seines Daseins unfassbar. Der Mensch verlässt die Zeitlichkeit, ohne den Geist jemals gesehen oder gefasst zu haben. Die Seele als unstoffliches Organ ist Teil der Natur in deren unterschiedlichen Formen der Körperlichkeit. Der "reine Geist" ist der Geist in vollendeter Reinheit; das heißt: dieser Geist kann nicht krank sein. Da sind es die natürlichen Verhaftungen durch die Besonderheiten des Selbstgefühls mit dem Geist, die die allgemeine Grundlage für die "Geisteskrankheiten" bilden.
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Seitenzahl: 81
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Helmut Lauschke
Der Geist und seine Begleiter
Von der Absolutheit des Geistes
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Von politischen Kurven und Drehungen
Von der Absolutheit des Geistes
Ein- und Durchsicht in die unendliche Leere
Vom Gefühl der Stille der kosmischen Weltenordnung
Der Geist in seiner Allumfassung zur inneren Vollendung ist unerschöpflich
Der Geist, der aus sich herausgeht, ist zugleich in sich selbst
Von den Weiten und Tiefen des Denkens
Die Grenzenlosigkeit von Raum und Zeit, wo das Bewusstsein sich als Ende und Neuanfang begreift
Das natürliche Bewusstsein erkennt die Substanz der Wirklichkeit; das Selbstbewusstsein in der Selbstbestimmung ist etwas anderes
Der Geist erfasst das Selbstbewusstsein in der Absicht, es zu führen
Der absolute Geist ist auf der Höhe die Wirklichkeit selbst
Der Geist durchdringt die zellulären Strukturen
Der absolute Geist steht über der Dingwelt des Daseins
Im Geist kommen Gegenstand und Begriff zusammen
Ein Morgen wie geträumt
Impressum neobooks
Von der Absolutheit des Geistes
Das höchste Gut ist der Wille zur Vernunft, wenn vernünftiges Denken das Tun mit einschließt. Baruch de Spinoza (1632-1677)
Nicht nur die Hälse drehten sich. Auch in den Köpfen drehte es sich bei denen, die die schwarzen Masten kommen sahen. Es musste zur rechten Zeit etwas geschehen, um den Anschluss nicht zu verpassen. So wurde in den korrupt-verlumpten Hirnen, die nicht nur die Bantu-Administration ausmachten, das Unterste zuoberst gestülpt nach dem Motto: Schwarz muss nach oben! Es gab sogar schon einen schwarzen ersten Minister im Ovamboland, der sich von der Turnhallenallianz getrennt hatte, aber kein SWAPO-Mann war. Es gab auch schwarze Minister, die sich politisch zugedeckt verhielten, was die Zugehörigkeit zur SWAPO betraf und deshalb später, als Namibia unabhängig geworden war, politische Bekenntnisse abgaben, die erstaunten. Bei allen musste der Anblick des ankommenden Schiffes mit den schwarzen Masten Dreh- und Schwindelbewegungen in den Köpfen ausgelöst haben, die im Wellengang bis zum Hospital schwappten. So war am Montagmorgen der Schreibtisch im Besprechungsraum wieder dorthin gerückt worden, wo er einst zu Leon Witthuhn’s Zeiten gestanden hatte. Hinter ihm saß nicht der bleichgesichtige Superintendent und gut verdienende Privatarzt in der weißen Leinenjacke, sondern Nestor, der großgewachsene schwarze Kollege in dunkler Jacke, dunkler Hose und blauem Hemd, dessen Kragenknopf geöffnet war. Es war ein bedeutsamer Schritt der Markierung in die neue Richtung, und die eintretenden Teilnehmer zur Morgenbesprechung machten große Augen, weil sie es nicht glauben wollten, was sie sahen. Die Weichen waren auf Schwarz gestellt, da gab es keinen Zweifel mehr.
Nestor eröffnete die Besprechung und hielt sich nicht lange bei der Vorrede auf, weil das, was mit den Augen zu sehen war, nicht noch mit Worten wiederholt werden musste. Er war frei von falschem Optimismus und drückte seine Sorge darüber aus, dass es nun nur noch wenige Ärzte gab, die das große Arbeitspensum zu bewältigen hatten. Er bat die Kollegen und Kolleginnen um Verständnis für die ernste Situation und um ihren erhöhten Einsatz, der den Patienten zugute käme. Elf Ärzte standen einer Bevölkerung von über fünfhunderttausend Menschen in dem vom Krieg erschütterten Gebiet gegenüber, das von der Fläche größer war als die Schweiz. Hinzu kam, dass ein Kollege einmal in der Woche zu einem Missionshospital geschickt wurde, das über hundert Betten hatte, wo die Schwestern ohne Arzt die Patienten versorgten. Der Ernst der Lage hing wie eine schwere Wolke über den Köpfen, die mit den Händen zu greifen war.
Die Morgenbesprechung verlief in der nüchternen Sachlichkeit, die der Realität des heruntergekommenen Hospitals mit den überforderten Ärzten im Kriegsgebiet mit den Granateinschlägen und ohrenbetäubenden Detonationen entsprach. Nestor war der erste Superintendent, der sich nicht auf dem Stuhl hinter dem Schreibtisch verkroch, sondern der weiter die Patienten in der Sälen der inneren Medizin betreute und sich an den Nacht- und Wochenenddiensten beteiligte. Mit Ihm zog eine neue Atmosphäre ein, was den Zusammenhalt und den Willen der Zusammenarbeit stärkte. Dies war zu spüren. Sinn des beschworenen Teamgeistes war, die Arbeit am Patienten freundlicher zu machen und ihr ein menschliches Gesicht zu geben. Nach Beendigung der Besprechung hatte ich den Eindruck, dass die Teilnehmer den Raum aufrechter verließen als eine Woche davor. Nestor fragte, ob ich eine Idee hätte, den Ärztemangel am Hospital zu beheben. Ich sprach von einer Kleinanzeige im Deutschen Ärzteblatt. Er und Leon, der neue und zivil amtierende Direktor, stimmten der Idee vollherzig zu.
Am Nachmittag saß ein zehnjähriges Mädchen auf dem Schemel im Untersuchungsraum. Der rechte Oberarm war geschwollen. Druckschmerz und die Zeichen der Entzündung fehlten ebenso wie Prellmarken und Hautschürfungen. Das Mädchen gab an, vor Wochen gefallen und mit dem Arm gegen einen Stein gestoßen zu sein. Nun wartete es mit den Röntgenbildern in den Händen. Ich kam bekleckert aus dem Gipsraum zurück und spürte das innere Zögern, die Aufnahmen aus der Tüte zu ziehen, die mir das Mädchen in ihrer Unbescholtenheit überreichte. Der erste Blick auf die Aufnahmen enthüllte das große Problem des Knochensarkoms, eines bösartigen, schnellwachsenden Tumors. Die Frage, wie es dem Mädchen gesagt werden kann, schwirrte durch den Kopf, während ich für weitere Minuten die Bilder betrachtete. Ich fragte nach ihrer Mutter. Das Mädchen sagte, dass die Mutter krank sei und nicht kommen kann, weil sie die vier jüngeren Geschwister zu versorgen hat. “Hast du einen Vater?”, fragte ich. Nun standen dem Mädchen die Tränen in den Augen, und ich war irritiert, weil ich fast glauben wollte, dass dieses hübsche Kind den Ernst der Lage zu erahnen schien. Aber das war nicht der Fall. Die Tränen galten dem Vater, den es nicht mehr gab, nachdem er vor einem Monat von einer Mine zerrissen wurde. Das Mädchen saß mit verweintem Gesicht auf dem Schemel, und ich verließ für einen Augenblick den Raum, um Luft zu holen. Was für harte Schicksalsschläge, die diese Familie getroffen hat, schwirrte mir durch den Kopf.
Ich kam zurück und wischte dem Mädchen die Tränen mit einem Fließpapier vom Gesicht und setzte mich ihr gegenüber. Ich gab ihr ein Lächeln, das das Mädchen auf ihrem schönen Gesicht erwiderte. “Hast du eine Oma?”, fragte ich mit ruhigen Worten, hinter denen sich Scheu und Sorge versteckten. Das bejahte das Mädchen. So bat ich es, mit der Oma wiederzukommen, weil einiges zu besprechen sei. Das Mädchen stand auf und machte einen Knicks. Es verließ den Untersuchungsraum, und ich sah beim Einschieben der Röntgenbilder in die Tüte dem Mädchen hinterher. Mich ergriff die Zartheit ihres Gangs und erschütterte die Tragik, die sie als Kind und ihre Familie getroffen hat. Der philippinische Kollege schaute mit bleichem Gesicht über den Tisch. Auch ihm fehlten die Worte für das Ausmaß der Problematik bei einem jungen Mädchen. Für einen Moment dachte ich an Kristofina, die vom Blitz geschlagen worden war. Das war etwas anderes, als von einem bösartigen Tumor für die Dauer des Lebens gequält zu werden.
Gegen sieben verließ ich das Hospital. Der Sonnenball senkte sich und entzündete über dem Horizont ein infernalisches Feuer, dass ich in das Naturwunder blickte, das unfassbar und seit Menschengedenken so selbstverständlich ist. Die Nacht blieb schlaflos, von denen es viele gab, die durchzustehen waren, weil den Menschen geholfen werden musste. Da durfte der Arzt auf sich keine Rücksicht nehmen. Von ihm wurde der Höchsteinsatz verlangt. Das machte sich an den Händen bemerkbar. Die Finger wurden durch das viele Waschen und Operieren so wund, dass sie verbunden wurden, um die chirurgische Arbeit fortsetzen zu können.
Am Morgen des folgenden Tages sagte Lizette, die mir eine Tasse Tee auf die verkratzte Tischplatte im Teeraum setzte, dass sie bei der nächtlichen Detonation vor Schreck fast aus dem Bett gefallen sei und ihr Mann, der Militärpsychologe, sich gewundert hätte, dass das Haus noch stand. Die Granate war unweit des Camps eingeschlagen und hatte einen riesigen Krater aufgerissen. Auch ich hatte mich erschrocken. So sprach ich vom Glück, das wir noch einmal hatten. Lizette erkundigte sich nach den drei Verletzten und den Operationen. Ich berichtete ihr die Dinge im Detail. Darauf rutschte ihr das Wort “ekelhaft” aus dem Mund. Ihre Frage: Was für ein Leben ist es, wenn einem so etwas passiert, beantwortete sie selbst, dass es dann keine Zukunft gibt. Sie bekannte, dass sie hier das Fürchten gelernt hätte und dass die Vorstellungen, die sie sich vom Krieg in Südafrika gemacht hatte, von der Wirklichkeit weit übertroffen wurden. Wenn ihre Eltern es gewusst hätten, sie hätten sie nicht gehen lassen, auch dann nicht, wenn ihr Mann darauf bestanden hätte.
Der Krieg nahm keine Rücksicht, weil er keine Rücksicht kennt. Lizette meinte, die Psychologie des Krieges hat mit der Psychologie ihres Mannes nichts gemein. Beide stehen sich wie die Steilwände eines Canyons gegenüber, der unüberbrückbar ist. Ich war der Auffassung, dass die Psychologie auf den inneren Frieden des Menschen ausgerichtet ist und das rücksichtslose Zerstören nicht noch untermauert. Es ist die Fratze der verdrehten Psychologie, die mit Gewalt, Hass und anderen hässlichen Dingen einhergeht, dem die Vernunft von Grund auf widerspricht. Jede Täuschung ist mit dem Gewissen unvereinbar, und die verdrehte Psychologie gehört in den großen Topf der ‘Wissenschaftspathologie’.
Auf der dritten Wartebank saß das zehnjährige Mädchen mit dem geschwollenen Oberarm neben ihrer Großmutter, einer alt aussehenden Frau mit tiefen Falten im Gesicht. Ich bat beide in den Untersuchungsraum und rückte neben den Schemel, auf den sich das Mädchen setzte, einen Stuhl für die Großmutter. Ich zeigte der alten Frau das Röntgenbild vom Oberarm der Enkeltochter und erklärte die Strukturen, wobei ich mit dem Kugelschreiber das Ausmaß des Tumors umfuhr. Die Großmutter machte ein besorgtes Gesicht, als ahnte sie, was kommen wird. Das hübsche Mädchen blickte mir ins Gesicht, um den Hoffnungsschimmer zu erspähen.