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Die Fortsetzung des Fantasy-Epos. Drei Gefährten, drei Anliegen, ein Ziel: Zundaj, die Hauptstadt des Reichs. Schon in Terys geht so einiges schief. Doch die Weiterreise von dort entpuppt sich als Albtraum, in dem so manch einer seiner Gefährten sein wahres Gesicht zeigt. Die große Stadt heißt sie dann nur widerwillig willkommen. Werden wenigstens die Magier des Ordens Nikko gewogen sein? Oder erwartet ihn dort gar eine ganz böse Überraschung? Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 151
N. Bernhardt
Buch III: Eine Reise in den Süden
Der Hexer von Hymal
N. Bernhardt
Buch III: Eine Reise in den Süden
Der Hexer von Hymal
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 2. Auflage, ISBN 978-3-954182-65-7
www.null-papier.de/hymal
null-papier.de/katalog
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Der lange Fluss
Zweites Kapitel: Die Stadt am Meer
Drittes Kapitel: Der Vorfall in Brigo
Viertes Kapitel: Raub in der Steppe
Fünftes Kapitel: Die Stadt auf dem Berg
Sechstes Kapitel: Ganz oben in der Stadt
Siebtes Kapitel: In der Höhle des Löwen
Ausblick
Drei Gefährten, drei Anliegen, ein Ziel: Zundaj, die Hauptstadt des Reichs. Schon in Terys geht so einiges schief. Doch die Weiterreise von dort entpuppt sich als Albtraum, in dem so manch einer seiner Gefährten sein wahres Gesicht zeigt.
Die große Stadt heißt sie dann nur widerwillig willkommen. Werden wenigstens die Magier des Ordens Nikko gewogen sein? Oder erwartet ihn dort gar eine ganz böse Überraschung?
Weitere Informationen zur Reihe und zum Autor finden Sie unter:
hymal.info
Mehrere Tage war das wacklige Floß jetzt schon auf dem Fluss unterwegs, der nun gemächlich nach Süden floss. Dem großen Meer bei Terys entgegen, auf das sich Nikko schon freute. Noch immer säumten dichte Wälder das Ufer und verwehrten so jeden Blick weiter hinein ins Großherzogtum Thordám. Kein Zeichen von Zivilisation bot sich den Reisenden auf der langweiligen Fahrt.
Viel gesprochen hatte Nikko während der vergangenen Tage weder mit Fydal noch mit Danuwil. Irgendwie war der Junge noch immer von der Brutalität des jungen Prinzen erschrocken, der die Verräter auf der Eisenfeste so gnadenlos dem Galgen preisgab. Warum er daran so sehr Anstoß nahm, war dem jungen Zauberer dabei selbst nicht ganz klar. Schließlich hatten die verräterischen Übeltäter wohl keine Gnade verdient. Dennoch war er irgendwie enttäuscht vom Fürstensohn, der doch sonst so froh und natürlich wirkte. Nie hatte er bisher solch kaltblütige Härte gezeigt. Fydal spürte Nikkos Unbehagen wohl und schien den Jungen lieber zu meiden. Vielleicht ja aus Scham. Oder war es doch nur Missbilligung? War Fydal ihm etwa böse, weil er stumm den Tod der Verräter tadelte?
Danuwil hingegen wollte wohl die Maskerade aufrechterhalten. Schließlich reisten die beiden Jünglinge ja offiziell als seine Knappen. Der pompöse Edelmann schien seine Führungsrolle dabei ausgiebig zu genießen. Gerade vor den Flößern gab er sich kaum mit seinen Knappen ab – und wenn, dann wies er die beiden nur barsch zurecht, was der junge Prinz meist mit bösem Blick oder Kopfschütteln quittierte. Dennoch spielte auch der seine Rolle. Noch jedenfalls, wie Nikko manchmal fürchtete.
So hatte der junge Zauberer viel Zeit zum Nachdenken, während Tag um Tag die eintönigen Wälder am Ufer des Flusses fast hypnotisierend an ihnen vorbeizogen, und nachzudenken gab es viel. Höchstens zwei Monate, so schätzte der Junge grob, war es schließlich her, seit er mit Thorodos das heimatliche Dorf verlassen hatte. Mit dem ominösen Brief, den der Händler Fodaj aus Hocatin mitgebracht hatte, war damals urplötzlich alles losgegangen. All die Abenteuer, all die Schrecken, all das Leid. Dennoch, zu bereuen hatte er nichts. Schließlich hatte er sich ja schon seit langer Zeit danach gesehnt, dem verhassten Hof im Bergdorf zu entfliehen.
In diesen zwei Monaten war aus dem Ziegenhirten der Weggefährte eines echten Prinzen geworden, vielleicht sogar der des nächsten Fürsten von Hocatin. Dem Fürstensohn hatte der Junge im schrecklichen Hymal das Leben gerettet und war ihm seither treu. Außerdem hatte sich dann ja noch herausgestellt, dass Nikko das ungeahnte Talent zur Zauberei in sich trug. Gerade daran erinnerte ihn vor allem der Zauberstab stets aufs Neue, wenn er das gute Stück mal wieder voller Dankbarkeit betrachtete. Schließlich hatte ihn die treue Waffe selbst doch mehrfach schon vor den schrecklichen Orks von Hymal gerettet. Wohin würde ihn der Weg der Zauberei wohl noch führen?
Weit hatte er es gebracht in diesen wenigen Wochen, stellte er nicht unzufrieden fest. Er hatte sich ja so danach gesehnt, das öde Leben im Dorf endlich hinter sich zu lassen. Dennoch vermisste er jetzt die Familie, die ihn früher doch so nervte. Selbst die stets gemeinen Worte Gimus, des garstigen großen Bruders, fehlten ihm ein wenig. Nun erst auf dem langen Fluss, so weit von der Heimat entfernt, wurde ihm dies bewusst. Der Gedanke jedoch, dass vielleicht einige der Tropfen des trüben Wassers, das er verspielt durch seine Finger rinnen ließ, den heimatlichen Bergen entsprungen sein mochten und über den Bach aus dem Tal, durch den großen See von Hocatin und die majestätischen Fälle bei der Eisenfeste hinab ihren Weg hierher gefunden hatten, spendete dem jungen Zauberer ein klein wenig Trost in der Ferne.
Da unterbrach ein plötzliches Knarren und Rumpeln jäh die Gedanken des Jungen! Das konnte nichts Gutes verheißen. Schon plumpsten einige Kisten in den Fluss, wo das Floß in der Mitte zerbrach und beide Hälften heftig ins Schaukeln gerieten. Nikko war vor Schrecken fast gelähmt und versuchte verzweifelt, sich irgendwo festzuhalten. Schließlich konnte er doch gar nicht schwimmen!
»Scheiße!«, hörte er einen der Flößer laut fluchen. »Festhalten!«
Nach einem kurzen Augenblick hatte sich das Gefährt wieder beruhigt und einige lose Baumstämme zwischen den beiden Hälften ließen erahnen, dass sich dort die Leinen gelöst hatten, die die Stämme zusammenhalten sollten. Nikko, dem der Schock noch im blassen Gesicht stand, befand sich mit einem Flößer auf dem vorderen Teil, der Rest der Gruppe auf dem hinteren.
»So ein Mist!«, maulte der Flößer bei Nikko und trieb die Floßhälfte mit seiner Stake in Richtung des nahen Ufers, wo er sie fest an einem Baum verzurrte. Auf gleiche Weise wurde auch die hintere Hälfte gesichert.
»Auf welch unsicherem Gefährt lasst ihr uns da reisen!«, beschwerte sich Danuwil mit wütender Stimme. »Seid ihr des Wahnsinns?«
Die Männer quittierten dies nur mit finsteren Blicken, die den Adligen schnell verstummen ließen. Überhaupt waren die Flößer vom Edelmann sichtlich genervt. Zwar waren sie nur Gewöhnliche, aber als Mitglieder einer mächtigen Gilde brauchten sie den niederen Adel kaum zu fürchten. So jedenfalls hatte es Fydal dem Jungen in einem der wenigen ihrer kurzen Gespräche erklärt.
»Das wird eine Weile dauern, das Boot wieder klarzumachen«, kommentierte ein Flößer.
»Die verfluchten Kisten müssen wir auch noch aus dem Wasser fischen«, ergänzte ein anderer genervt.
»Lasst doch die paar Kisten im Wasser«, warf Danuwil ein, den die Aussicht, länger hier zu verweilen, wohl wenig begeisterte.
»Na klar«, lachte einer der Männer. »Und Ihr übernehmt den Verdienstausfall?«
»Bestimmt nicht«, stellte der Adlige klar. »Los, Knappen, machen wir es uns hier am Ufer gemütlich!«
Das Ufer jedoch bot kaum Möglichkeiten, es sich dort allzu bequem zu machen. Knorrige Wurzeln und Stümpfe stakten aus dem schlammigen Boden und machten so schon das An-Land-Gehen zum Abenteuer.
»Verflucht!«, keifte Danuwil, der fast bis zu den Knien im Matsch steckte. »Am besten, wir finden einen Platz weiter vom Ufer entfernt.«
Einige Zeit später hatten es sich die drei auf einer Lichtung mehrere Steinwürfe vom Fluss entfernt gemütlich gemacht. Am knisternden Lagerfeuer auf dem hier trockenen Boden durften sie so hoffen, ihre nassen Stiefel bald zu trocknen. Die Flößer waren unterdessen mit dem Gefährt und der Bergung der Erzkisten beschäftigt.
Fydals Blick ließ jetzt mehr und mehr erahnen, dass er es leid war, für Danuwil den Knappen zu spielen. Dieser hatte es sich wieder nicht nehmen lassen, seine Rolle genüsslich auszukosten. Nicht nur mussten Nikko und Fydal das Lager herrichten, der Adlige hatte sie sogar zu den Flößern abkommandieren wollen, um sich dort nützlich zu machen. Zum Glück hatten diese dankend abgelehnt. Dem Fürstensohn wäre sonst wohl doch noch der Kragen geplatzt.
»Die Klinge muss geölt werden«, bemerkte Danuwil dann beiläufig, als er sein Langschwert im Schein des Feuers begutachtete. Er schob die Waffe wieder in ihre Scheide und warf sie dann in Richtung seiner Knappen, die dicht beisammensaßen. Der Prinz war schneller als Nikko und fing das Schwert, wohl im Reflex. Zum Erstaunen des Jungen entfernte Fydal sich dann kommentarlos in Richtung des Floßes, wo im Gepäck das Waffenöl verstaut war. Dennoch, lange konnte das nicht mehr gut gehen! Merkte der Adlige denn nicht, dass er den Bogen hier überspannte?
Es dauerte eine ganze Weile, bis Fydal wieder zurück war. Mit herausforderndem Ton befahl er dann: »Die Waffen müssen geölt werden!«, und warf dem verdutzten Adligen gleich beide Langschwerter zu, von denen der nur eines fangen konnte. Das andere prallte schmerzvoll gegen seine linke Hand. Verdiente Strafe, amüsierte sich Nikko.
Jetzt sah auch der Junge, dass Fydal wieder seine prächtige Uniform trug. Wie hatte er die Rüstung nur allein anlegen können, wunderte sich Nikko. Oder hatten ihm die Flößer dabei geholfen? Jedenfalls war das Versteckspiel nun vorbei. Jetzt war er wieder Major Fydal, der Prinz von Hocatin.
»Selbstverständlich, Durchlaucht«, buckelte Danuwil sogleich mit gequältem Lächeln. Auch er hatte wohl endlich verstanden.
Der junge Prinz war wie ausgewechselt, jetzt, da er wieder er selbst sein durfte. Hatte er Nikko vorher seit Tagen gemieden, konnte sich dieser nun vor Fydals Aufmerksamkeit kaum retten. Scheinbar war der Fürstensohn ihm doch weder böse gewesen, noch tat ihm der Tod der Verräter leid. Nein, es war ihm wohl einfach nur peinlich gewesen, den Knappen für Danuwil zu spielen.
»Endlich wieder in richtigen Kleidern«, stellte Fydal erleichtert fest und zwinkerte Nikko mit einem breiten Grinsen zu. Den nunmehr eher kleinlauten Danuwil hingegen schien er durch Nichtbeachtung strafen zu wollen, was dieser mit gesenktem Blick ertrug.
»Die Männer werden noch bis morgen am Floß beschäftigt sein«, erklärte der Prinz. »Zeit also, uns ausgiebig zu unterhalten, jetzt, wo das Trauerspiel endlich vorüber ist.«
»Wie lange werden wir noch unterwegs sein?«, fragte Nikko, um von der peinlichen Situation abzulenken.
»Noch etwa eine Woche bis Terys«, antwortete Fydal. »Dann vielleicht noch vier weitere bis Zundaj.«
»Auf dem Rücken eines Rosses können wir es in zwei schaffen«, verbesserte Danuwil und wirkte jetzt wieder selbstbewusster. Ihm war wohl klar, wie nützlich seine Erfahrungen auf den Straßen des Reiches dem jungen Fürstensohn auf der Reise noch sein würden. Sicher würde Fydal ihm die Schmach daher schon bald verziehen haben.
Nikko hingegen wurde bei dem Gedanken, zwei Wochen auf einem Pferd zuzubringen, wieder ganz anders. Da war ihm sogar die Fahrt auf dem wackligen Floß noch lieber.
»Vielleicht können wir uns sogar einer Karawane anschließen«, setzte der Adlige fort. »Dann kommen wir vielleicht etwas langsamer voran, aber es wäre wohl die sicherste Art zu reisen.«
»Wieso sicher?«, war Nikko beunruhigt. »Ist die Reise denn gefährlich?«
»Das würde mich auch interessieren«, klinkte sich Fydal wieder in das Gespräch ein. »Ich war bisher unter dem Eindruck, der Großherzog hielte Ruhe und Ordnung in seinen Landen.«
»Im Vergleich zu anderen Teilen des Reichs ist es in Thordám wohl tatsächlich sicher«, lachte Danuwil. »Aber mit Wegelagerern und Orkbanden sollte man auf den großen Handelsrouten immer rechnen. Wohl nichts, mit dem wir nicht fertigwürden. In einer Karawane wäre die Reise dennoch am sichersten.«
»Ich werde wohl kaum in einer Karawane reisen«, maulte Fydal. »Falls wirklich nötig, heuere ich in Terys lieber ein paar Söldner an. Vielleicht aber gewährt uns der Großherzog ja sogar eine Eskorte.«
»Dann wollt Ihr also um eine Audienz beim Hofe zu Terys bitten?«, wollte der Edelmann interessiert wissen.
»Bitten?«
»Verzeiht, Durchlaucht«, ruderte Danuwil unsicher zurück. »Den Sohn eines Regenten wird der Großherzog natürlich immer empfangen.«
Fydal nahm die Richtigstellung mit einem überlegenen Grinsen auf, wohl nicht ohne große Genugtuung. Nikko hingegen begannen diese Spielchen langsam zu nerven.
»Warum dann eigentlich die ganze Maskerade?«, fragte der Junge schließlich. Denn so recht verstand er das ursprüngliche Versteckspiel nicht.
»Nun«, setzte Fydal langsam an, »solange ich unter dem Wappen von Hocatin reise, müsste ich eigentlich sicheres Geleit beim Großherzog… sagen wir: erbitten. Damit verbunden ist natürlich zunächst die Erlaubnis, das Großherzogtum als Vertreter des Fürstentums überhaupt betreten zu dürfen.«
»Eigentlich nur eine bloße Formalität«, fuhr er fort. »Dennoch könnte man es als unhöflich, wenn nicht gar anmaßend bezeichnen, wenn ein Vertreter eines herrschenden Hauses die Lande eines Regenten ohne Einladung betritt. Führt er auch Truppen mit sich, so wäre dies sogar als Aggression zu werten.«
»Werdet Ihr den Großherzog dann nicht verärgern?«, sorgte sich Nikko.
»Schwer zu sagen«, gab der Fürstensohn kleinlaut zu. »Ich kenne Seine Königliche Hoheit nicht persönlich und kann ihn daher kaum einschätzen. Aber die heiklen Umstände entschuldigen wohl einiges.«
»Wäre er denn nicht noch befremdeter, wenn Ihr das Land als falscher Knappe betreten hättet?«, wunderte sich der junge Zauberer mit einem Kopfschütteln.
»Wohl wahr«, pflichtete Fydal bei. »Tatsächlich hätte ich es mir dann noch stärker überlegen müssen, beim Hofe eine Audienz zu fordern. Allerdings gälte es wiederum als anmaßend, durch fremde Lande zu reisen, ohne bei Hofe die Aufwartung zu machen.«
»Ich gebe ja zu«, beichtete der Prinz dann, »die Sache war nicht ganz zu Ende gedacht. Aber es galt ja auch, sich ohne zu großes Aufhebens von der Eisenfeste zu stehlen, wo wir so bitter verraten waren.«
»Das stimmt«, bekräftigte Danuwil die Ausführungen Fydals, wohl auch weil die Maskerade ja ursprünglich seine Idee gewesen war. »Wir konnten doch nicht sicher sein, wirklich alle Verräter geschnappt zu haben. Jetzt haben wir wenigstens einen wertvollen Vorsprung, der uns kaum noch zu nehmen ist.«
»In der Tat«, bejahte Fydal. »Die Untersuchung des Feldmarschalls hat Schreckliches zutage gebracht. Überall im Fürstentum hatte der Herzog Verrat gesät. Zu schnell ist mein Vater dann wohl gestorben, so dass der feige Plan noch nicht ganz umgesetzt war. Sonst hätten wir es nie zur Feste geschafft.«
»Der Hinterhalt?«, regte sich Danuwil auf. »Ich wusste es doch!«
»Oh ja«, antwortete der Prinz und lachte ungelenk. »Die Schützen hatten wohl noch nicht ihre eigentliche Stellung bezogen oder waren unvorbereitet. So waren sie sicherlich von unserem verfrühten Auftauchen zu überrascht, um ihre feige Tat ganz zu vollbringen.«
»Das alles wusste der Major zu beichten?«, war der Edelmann erstaunt.
»Das Schwein hatte dem Herzog sogar die geeignetsten Orte für den Hinterhalt preisgegeben!«, ärgerte sich der Fürstensohn lautstark. »Er muss wohl gut geschauspielert haben, die große Überraschung zu verbergen, als wir dann plötzlich am Tor aufkreuzten.«
»War für die Fürstenburg in Hocatin ähnlicher Verrat geplant?«, bohrte Danuwil weiter.
»Wenn ja, dann war der Major nicht eingeweiht. Der Hauptmann jedoch ist ein integrer Mann und die von Briscárs dienen meiner Familie schon seit Generationen. Kaum denkbar, dass er unter den Verrätern ist. Nicht undenkbar allerdings, dass der gute Mann… ausgeschaltet wurde.«
»Dieser Schlag in seiner ganzen Gemeinheit muss doch seit Jahr und Tag geplant gewesen sein«, mutmaßte der Adlige mit nachdenklichem Nicken.
»Wahrscheinlich«, pflichtete Fydal dem bei. »Der Herzog weiß wohl, wie aufwendig es wäre, die Eisenfeste im Sturm zu nehmen, denn eine längere Belagerung hätte ja keinen Sinn, solange er nicht auch die Südseite blockiert. Ohne die Feste zu kontrollieren, ist der Ausgang seines Feldzugs jedoch ungewiss. Hatte er doch sicherlich darauf spekuliert, sich dort oben in der Burg zu verschanzen und so den einzigen Weg nach Hocatin zu kontrollieren.«
»Ja, weder der Großherzog noch der König hätten ihn dort je wieder herausbekommen«, lachte Danuwil. »Früher oder später hätte die Krone ihm dann wohl das ganze Fürstentum übertragen, um wieder Ruhe im Reich zu schaffen.«
»Einfach so?«, wunderte sich Nikko.
»Er hätte wahrscheinlich eine lächerliche Summe an die Krone abführen müssen, sodass der König nicht das Gesicht verliert«, belehrte der Edelmann.
»Ist das denn gerecht?«, wurde der Junge wütend.
»Gerechtigkeit?«, lachte der Fürstensohn. »Nein, um Gerechtigkeit geht es nie. Manchmal ja noch nicht einmal um Recht. Nikko, die Politik ist ein schmutziges Spiel.«
»Wie dem auch sei«, warf Danuwil erregt ein. »Der Herzog hat sich verkalkuliert. Nun wird das Spiel erst richtig interessant!«
»Interessant?«, schnauzte der Fürstensohn. »Für Euch vielleicht. Ihr seid schließlich keine der… Spielfiguren.«
»Verzeiht, Durchlaucht«, stammelte Danuwil. »Ich habe meine Worte wohl schlecht gewählt.«
»Falsche Worte für einen richtigen Gedanken, meint Ihr wohl?«
»Aber nicht doch, Durchlaucht«, wurde der Edelmann zunehmend unsicher, um sich dann zu rechtfertigen, »ich fühle ganz mit Euch in dieser Angelegenheit. Schließlich hatten sich des Herzogs Pfeile auch in meinen Schild gebohrt.«
Der Fürstensohn quittierte diese letzten Sätze des Adligen mit einem Lächeln, das nicht verriet, wie es gemeint war. Wie Anerkennung wirkte es jedoch kaum, sodass Nikko sich einmal mehr wegen der zunehmenden Spannungen zwischen seinen Begleitern Sorgen machte.
»Wie ist es eigentlich in diesem Terys?«, fragte der Junge und wollte die Atmosphäre wieder einmal etwas auflockern, obwohl er schon fürchtete, dass auch dieses Thema erneut zu Reibereien führen würde.
»Ich war noch nie dort«, gab der Fürstensohn zu und kam so wohl dem Edelmann zuvor. »Ich weiß jedoch, dass es eine große Stadt ist. Sicherlich zehnmal so groß wie Hocatin. Auch verfügt Terys über einen der größten Häfen im Reich. Viele Gilden unterhalten dort Außenstellen. Sogar der Orden hat ein Kapitel. Die Burg des Großfürsten soll auch ein gewaltiges Bauwerk sein.«
»Wir werden einige Zeit dort verweilen«, fuhr er fort. »Nicht nur wird der Großherzog mich wohl ein paar Tage auf meine Audienz warten lassen, so ist es nun mal Gepflogenheit. Auch will die weitere Reise geplant und vorbereitet werden. Ihr solltet die Zeit gut nutzen, um mit dem Orden Kontakt aufzunehmen.«
»Ich möchte aber lieber mit Euch nach… ähm, wie hieß doch gleich die Stadt?«, geriet Nikko ins Stocken.
»Zundaj?«
»Ja, Zundaj. Ich möchte mit Euch nach Zundaj reisen.«
»Das könnt Ihr auch so«, lächelte Fydal. »Dennoch, Ihr könnt nicht tagelang in Terys weilen, ohne Euch dem Orden zu offenbaren.«
»Nicht, dass Ihr noch als Abtrünniger endet!«, fügte er laut lachend hinzu.
Nikko fand dies überhaupt nicht lustig, erinnerten ihn die Worte doch an den alten Thorodos. ›Apostat‹ oder so ähnlich hatte der Mann in der schwarzen Kutte ihn geschimpft und dann erschießen lassen. Gerade deshalb hatte es der Junge kaum eilig, beim Orden vorzusprechen. Aber letztlich würde wohl doch kein Weg daran vorbeiführen.
»Wo wollt Ihr eigentlich nächtigen?«, wollte Danuwil dann wissen. »Ich wüsste nicht, wo Ihr als Angehöriger des Hochadels unterzubringen wäret.«
»Ihr könnt Fragen stellen, von Bregánt«, zuckte der Fürstensohn die Schultern. »In Anbetracht der Umstände wird man uns wohl in der fürstlichen Residenz einquartieren, auch ohne Einladung.«
»Ihr werdet aber einige Wachen bestechen müssen, um überhaupt in die Burg zu gelangen«, meinte Danuwil mit zweideutiger Stimme, die offen ließ, ob dies ein Rat war oder eine Provokation. »Schließlich reist Ihr ohne Geleit. Noch nicht einmal ein Gefolge habt Ihr dabei. Nicht unwahrscheinlich, dass man an Euch zweifeln wird.«