Der Hexer von Hymal - N. Bernhardt - E-Book

Der Hexer von Hymal E-Book

N. Bernhardt

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Beschreibung

Für kurze Zeit zum günstigen Einführungspreis 24 Bände, 250.000 verkaufte Einheiten, 4500 Seiten Alle 24 Bände der erfolgreichen Fantasy-E-Book-Reihe in einem E-Book. Mit einem Nachwort des Autors. Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 3770

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N. Bernhardt

Der Hexer von Hymal

Komplettausgabe aller 24 Teile

N. Bernhardt

Der Hexer von Hymal

Komplettausgabe aller 24 Teile

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 1. Auflage, ISBN 978-3-962815-32-5

null-papier.de/632

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Vor­wort des Ver­le­gers

Buch I: Ein Jun­ge aus den Ber­gen

Ers­tes Ka­pi­tel: Auf­bruch ins Un­ge­wis­se

Zwei­tes Ka­pi­tel: Ende mit Schre­cken

Drit­tes Ka­pi­tel: Schre­cken ohne Ende

Vier­tes Ka­pi­tel: Der Zwei­te Auf­bruch

Fünf­tes Ka­pi­tel: Gro­ßer Dienst am Fürs­ten­tum

Sechs­tes Ka­pi­tel: In fürst­li­cher Mis­si­on

Sieb­tes Ka­pi­tel: Über­ra­schen­de Er­kennt­nis­se

Buch II: Der Un­ter­gang des Fürs­ten­tums

Ers­tes Ka­pi­tel: Eine Burg vol­ler Fra­gen

Zwei­tes Ka­pi­tel: Ein Ge­fan­ge­ner von großem Wert

Drit­tes Ka­pi­tel: Wie­der­se­hen mit Freu­de

Vier­tes Ka­pi­tel: Das Ban­kett in Ho­ca­tin

Fünf­tes Ka­pi­tel: Flucht auf die Ei­sen­fes­te

Sechs­tes Ka­pi­tel: Die drei­zehn­te Le­gi­on

Sieb­tes Ka­pi­tel: Ver­rat auf der Fes­tung

Buch III: Eine Rei­se in den Sü­den

Ers­tes Ka­pi­tel: Der lan­ge Fluss

Zwei­tes Ka­pi­tel: Die Stadt am Meer

Drit­tes Ka­pi­tel: Der Vor­fall in Bri­go

Vier­tes Ka­pi­tel: Raub in der Step­pe

Fünf­tes Ka­pi­tel: Die Stadt auf dem Berg

Sechs­tes Ka­pi­tel: Ganz oben in der Stadt

Sieb­tes Ka­pi­tel: In der Höh­le des Lö­wen

Buch IV: Ein ta­len­tier­ter Schü­ler

Ers­tes Ka­pi­tel: Die ers­te Lek­ti­on

Zwei­tes Ka­pi­tel: Die Au­di­enz

Drit­tes Ka­pi­tel: Die zwei­te Lek­ti­on

Vier­tes Ka­pi­tel: Der Marsch des Her­zogs

Fünf­tes Ka­pi­tel: Die drit­te Lek­ti­on

Sechs­tes Ka­pi­tel: Adept Nik­ko

Sieb­tes Ka­pi­tel: Der Bruch mit dem Or­den

Buch V: Rück­kehr ins Un­be­kann­te

Ers­tes Ka­pi­tel: Flucht in den Nor­den

Zwei­tes Ka­pi­tel: Adept auf Ab­we­gen

Drit­tes Ka­pi­tel: Früh­stück mit Schwie­rig­kei­ten

Vier­tes Ka­pi­tel: Der gru­se­li­ge Graf

Fünf­tes Ka­pi­tel: Der Wi­der­stand in Skingár

Sechs­tes Ka­pi­tel: Eine Lek­ti­on für Fort­ge­schrit­te­ne

Sieb­tes Ka­pi­tel: Fürst ohne Fürs­ten­tum

Buch VI: Die Fes­tung im Fein­des­land

Ers­tes Ka­pi­tel: Genau ein Jahr

Zwei­tes Ka­pi­tel: Ganz al­lein im neu­en Heim

Drit­tes Ka­pi­tel: Ein jäm­mer­li­ches Dut­zend

Vier­tes Ka­pi­tel: Zwei­fa­ches Wie­der­se­hen

Fünf­tes Ka­pi­tel: Zwei­te Front

Sechs­tes Ka­pi­tel: Ein schlecht ge­laun­ter Gast

Sieb­tes Ka­pi­tel: Ein fol­gen­schwe­rer Rat

Buch VII: Der leid­li­che Her­zog

Ers­tes Ka­pi­tel: Sieg und Nie­der­la­ge

Zwei­tes Ka­pi­tel: Al­les ge­re­gelt?

Drit­tes Ka­pi­tel: Adept von blau­em Blu­te

Vier­tes Ka­pi­tel: Der kost­spie­li­ge Kas­tel­lan

Fünf­tes Ka­pi­tel: Her­zog oder Bür­ger­meis­ter?

Sechs­tes Ka­pi­tel: Eine wei­te­re Lek­ti­on

Sieb­tes Ka­pi­tel: Ge­platz­te Träu­me

Buch VIII: Freund und Feind

Ers­tes Ka­pi­tel: Gro­ße Plä­ne

Zwei­tes Ka­pi­tel: Be­schwö­rung für An­fän­ger

Drit­tes Ka­pi­tel: Be­schwö­rung für Fort­ge­schrit­te­ne

Vier­tes Ka­pi­tel: Be­schwö­rung für Verzwei­fel­te

Fünf­tes Ka­pi­tel: Ver­dien­te Stra­fe

Sechs­tes Ka­pi­tel: Der Tag da­nach

Sieb­tes Ka­pi­tel: End­lich Meis­ter!

Buch IX: Kein leich­tes Spiel

Ers­tes Ka­pi­tel: Wür­de und Bür­de

Zwei­tes Ka­pi­tel: Neu­er Graf mit al­ten Ge­treu­en

Drit­tes Ka­pi­tel: Neu­er Graf und alte Pracht

Vier­tes Ka­pi­tel: Hof­ma­gier, wenn es die Zeit er­laubt

Fünf­tes Ka­pi­tel: Kol­le­gen wi­der Wil­len

Sechs­tes Ka­pi­tel: Der un­ge­lieb­te Gast

Sieb­tes Ka­pi­tel: Al­les um­sonst?

Buch X: Schuld und Schmach

Ers­tes Ka­pi­tel: Wie ge­won­nen, so zer­ron­nen?

Zwei­tes Ka­pi­tel: Neue Hoff­nung

Drit­tes Ka­pi­tel: Der lan­ge Marsch

Vier­tes Ka­pi­tel: An­kunft und Zu­kunft

Fünf­tes Ka­pi­tel: An­ders als ge­dacht

Sechs­tes Ka­pi­tel: Eine ver­spä­te­te Lek­ti­on

Sieb­tes Ka­pi­tel: Ge­beich­te­te Lü­gen

Buch XI: Auf tö­ner­nen Fü­ßen

Ers­tes Ka­pi­tel: Wie be­fürch­tet

Zwei­tes Ka­pi­tel: Eine Lüge zu viel

Drit­tes Ka­pi­tel: Wie­der Ge­jag­ter?

Vier­tes Ka­pi­tel: Hil­fe zur Selbst­hil­fe

Fünf­tes Ka­pi­tel: Nicht mehr al­lein

Sechs­tes Ka­pi­tel: Al­ter Är­ger und neue Sor­gen

Sieb­tes Ka­pi­tel: Pro­blem ge­löst?

Buch XII: Des ei­ge­nen Glückes Schmied

Ers­tes Ka­pi­tel: Das Ziel vor Au­gen

Zwei­tes Ka­pi­tel: Auf den Spu­ren des Groß­meis­ters

Drit­tes Ka­pi­tel: Ers­ter Kon­takt

Vier­tes Ka­pi­tel: Die große Stadt am Ende des Stroms

Fünf­tes Ka­pi­tel: Auf Irr­we­gen zum Ziel

Sechs­tes Ka­pi­tel: Ein neu­er Ver­bün­de­ter?

Sieb­tes Ka­pi­tel: Kein Zu­rück mehr

Buch XIII: Ein zwei­fel­haf­ter Bund

Ers­tes Ka­pi­tel: Ein Lied für einen Dä­mon

Zwei­tes Ka­pi­tel: Wie be­fürch­tet?

Drit­tes Ka­pi­tel: Al­les wie­der gut

Vier­tes Ka­pi­tel: Die Fes­tung der Meis­ter

Fünf­tes Ka­pi­tel: Ein über­fäl­li­ges Ge­spräch

Sechs­tes Ka­pi­tel: Neue Mög­lich­kei­ten

Sieb­tes Ka­pi­tel: Spä­te Ge­rech­tig­keit

Buch XIV: Zu zweit al­lein

Ers­tes Ka­pi­tel: Alte Plä­ne, neue Plä­ne

Zwei­tes Ka­pi­tel: Alte Sor­gen, neue Sor­gen

Drit­tes Ka­pi­tel: Ein Pro­blem we­ni­ger

Vier­tes Ka­pi­tel: Ein un­sicht­ba­rer Feind

Fünf­tes Ka­pi­tel: Leich­ter als ge­dacht

Sechs­tes Ka­pi­tel: Eine Fra­ge, zwei Ant­wor­ten

Sieb­tes Ka­pi­tel: Licht und Schat­ten

Buch XV: Eine Fra­ge der Ehre

Ers­tes Ka­pi­tel: Nach dem Ri­tu­al

Zwei­tes Ka­pi­tel: Al­les halb so schlimm

Drit­tes Ka­pi­tel: Der Her­zog au­ßer Rand und Band

Vier­tes Ka­pi­tel: Blick in die Zu­kunft

Fünf­tes Ka­pi­tel: Die Zu­kunft im Blick

Sechs­tes Ka­pi­tel: Ein selt­sa­mes Bünd­nis

Sieb­tes Ka­pi­tel: Zei­chen der Zeit

Buch XVI: Kein Weg zu­rück

Ers­tes Ka­pi­tel: Ent­kom­men, aber wem?

Zwei­tes Ka­pi­tel: Wis­sen und Ohn­macht

Drit­tes Ka­pi­tel: End­lich kon­kre­te Plä­ne

Vier­tes Ka­pi­tel: Ein neu­er Ver­bün­de­ter?

Fünf­tes Ka­pi­tel: Die Ka­ra­wa­ne nach Dho­bar

Sechs­tes Ka­pi­tel: Zu Fuß nach Nor­den

Sieb­tes Ka­pi­tel: Die Stadt im Eis

Buch XVII: Die Schlacht um Hy­mal

Ers­tes Ka­pi­tel: Durch Eis und Schnee

Zwei­tes Ka­pi­tel: Schwie­ri­ger als ge­dacht

Drit­tes Ka­pi­tel: Der Ritt auf dem Dra­chen

Vier­tes Ka­pi­tel: Schon wie­der ein Jahr?

Fünf­tes Ka­pi­tel: Al­lein un­ter Freun­den

Sechs­tes Ka­pi­tel: Die Ruhe vor dem Sturm

Sieb­tes Ka­pi­tel: Vom Ge­se­hen zum Ge­sche­hen

Buch XVIII: Cha­os in Hy­mal

Ers­tes Ka­pi­tel: Nach der Schlacht

Zwei­tes Ka­pi­tel: Neu­an­fang in Hal­fuár

Drit­tes Ka­pi­tel: Rat und Tat

Vier­tes Ka­pi­tel: Eine bit­te­re Wahr­heit

Fünf­tes Ka­pi­tel: Neue Plä­ne und neue­re Plä­ne

Sechs­tes Ka­pi­tel: Ein Krieg und sei­ne Fol­gen

Sieb­tes Ka­pi­tel: Der Preis der Freund­schaft

Buch XIX: Der Griff nach der Macht

Ers­tes Ka­pi­tel: Eine gute Wahl

Zwei­tes Ka­pi­tel: Wie ge­hei­ßen

Drit­tes Ka­pi­tel: Eine fast per­fek­te Lö­sung?

Vier­tes Ka­pi­tel: Der un­wil­li­ge Rit­ter

Fünf­tes Ka­pi­tel: Der Kampf um die Burg

Sechs­tes Ka­pi­tel: Burg und Stadt in fes­tem Griff?

Sieb­tes Ka­pi­tel: Ge­gen­wind

Buch XX: Licht am Ho­ri­zont

Ers­tes Ka­pi­tel: Ein Feind we­ni­ger

Zwei­tes Ka­pi­tel: Al­les hat sei­nen Preis

Drit­tes Ka­pi­tel: Mehr Är­ger

Vier­tes Ka­pi­tel: Noch mehr Är­ger

Fünf­tes Ka­pi­tel: Ein Pro­blem als Chan­ce

Sechs­tes Ka­pi­tel: Die Schlacht um Mal­gâr

Sieb­tes Ka­pi­tel: Eine über­ra­schen­de Zu­sam­men­kunft

Buch XXI: Mit neu­er Kraft

Ers­tes Ka­pi­tel: Das Ri­tu­al

Zwei­tes Ka­pi­tel: Ein üb­ler Nach­ge­schmack

Drit­tes Ka­pi­tel: Der Ver­trag

Vier­tes Ka­pi­tel: Per­so­na­li­en

Fünf­tes Ka­pi­tel: Ein ver­schlos­se­ner Ein­gang

Sechs­tes Ka­pi­tel: Für ein biss­chen Sil­ber

Sieb­tes Ka­pi­tel: Stör­ri­sches Me­tall

Buch XXII: Zum Lohn ein Thron

Ers­tes Ka­pi­tel: Bes­ser spät als zu spät

Zwei­tes Ka­pi­tel: Neue Wahr­hei­ten

Drit­tes Ka­pi­tel: Der ein­zi­ge Kan­di­dat

Vier­tes Ka­pi­tel: Doch kei­ne Lö­sung

Fünf­tes Ka­pi­tel: Ein we­nig Rücken­de­ckung

Sechs­tes Ka­pi­tel: Ei­nig in al­len Punk­ten

Sieb­tes Ka­pi­tel: Fürst­ma­gier ge­gen Rit­ter

Buch XXIII: Herr im ei­ge­nen Lan­de

Ers­tes Ka­pi­tel: Al­les wie­der un­ter Kon­trol­le

Zwei­tes Ka­pi­tel: Über den Tod hin­aus

Drit­tes Ka­pi­tel: End­lich auch in­au­gu­riert

Vier­tes Ka­pi­tel: Au­ßer Spe­sen nichts ge­we­sen?

Fünf­tes Ka­pi­tel: Ein wahr­lich gu­ter Un­ter­händ­ler

Sechs­tes Ka­pi­tel: Ein Rit­ter we­ni­ger

Sieb­tes Ka­pi­tel: Die Flam­me des Zorns

Buch XXIV: Der letz­te Zau­be­rer

Ers­tes Ka­pi­tel: Kein Ein­zel­fall

Zwei­tes Ka­pi­tel: Doch nicht al­lein

Drit­tes Ka­pi­tel: Den Pass blo­ckiert

Vier­tes Ka­pi­tel: Schlech­te Nach­rich­ten

Fünf­tes Ka­pi­tel: Der spre­chen­de Tote

Sechs­tes Ka­pi­tel: Der große Schwund

Sieb­tes Ka­pi­tel: Ver­kürzt und schmerz­los

Epi­log

Nach­wort des Au­tors

Au­tor

Dan­ke

Website

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur Rei­he und zum Au­tor fin­den Sie un­ter:

hy­mal.info

Vorwort des Verlegers

Als Niels Bern­hardt Ende 2011 sein ers­tes Ma­nu­skript des Zau­be­rers von Hy­mal an mich schick­te, war mein Ver­lag ge­ra­de ein hal­b­es Jahr alt. Bis da­hin hat­te ich mich auf die Auf­be­rei­tung und Ver­öf­fent­li­chung klas­si­scher Li­te­ra­tur kon­zen­triert. Der Markt für E-Books war in Deutsch­land ein noch un­ent­deck­tes Land – der Kind­le ge­ra­de ein­mal we­ni­ge Mo­na­te alt. Und jetzt soll­te ich auf ein­mal das Buch ei­nes le­ben­den Au­tors ver­öf­fent­li­chen? Was für ein Aben­teu­er, und was für eine Verant­wor­tung!

Die ers­te Ver­öf­fent­li­chung war noch nicht von Er­folg ge­krönt: zu un­be­kannt der Au­tor, zu un­er­fah­ren der Ver­lag. Aber da hat­ten wir die Idee, das Werk zu drei­tei­len und den ers­ten Teil gra­tis her­aus­zu­brin­gen. Ge­bo­ren war die ers­te Fan­ta­sy-E-Book-Rei­he auf dem deut­schen Markt.

Und das Er­geb­nis kann sich se­hen las­sen. Aus den ers­ten drei Tei­len wur­den schließ­lich 24 mit über 250.000 ver­kauf­ten Ein­hei­ten. Ein großer Er­folg für einen Ein-Mann-Ver­lag und einen un­be­kann­ten Au­tor.

Ein Fan (Dan­ke auch da­für!) reg­te vor Kur­zem an, die Se­rie doch in ei­nem kom­plet­ten, ein­zel­nen Rie­sen-E-Book her­aus­zu­brin­gen. Was in der ge­druck­ten Ver­si­on un­mög­lich wäre, ist als E-Book nur eine zu be­wäl­ti­gen­de Her­aus­for­de­rung. Wie­der dach­te ich mir, dass es auf einen Ver­such an­käme. Wie wer­den Le­ser auf ein E-Book mit 4500 Sei­ten rea­gie­ren? Sa­gen Sie es mir, Sie hal­ten ge­ra­de das E-Book in den Hän­den.

Ich bin dem Au­tor sehr dank­bar für das in mich ge­setz­te Ver­trau­en. Und ich hof­fe, dass es bald eine Fort­set­zung der Zu­sam­men­ar­beit ge­ben wird.

Bis da­hin wün­sche ich ih­nen viel Spaß beim Le­sen.

Ihr

Jür­gen Schul­ze, Ok­to­ber 2018

Buch I: Ein Junge aus den Bergen

Ei­ne un­er­war­te­te Rei­se ent­puppt sich als Alb­traum. Nik­ko, ein ein­fa­cher Bau­ern­jun­ge, sieht sich plötz­lich auf der Flucht! Dunkle Hä­scher, Orks, ein frem­des Land vol­ler Ge­fah­ren. We­nig Aus­sicht auf ein gu­tes Ende! Nur dank ei­ner selt­sa­men Waf­fe kommt er mit dem Le­ben da­von.

Wie­der in der Hei­mat, bie­ten sich nun un­ge­ahn­te Mög­lich­kei­ten. Der Fürst nimmt ihn so­gar in sei­ne Diens­te. Doch schickt er ihn gleich wie­der zu­rück in die ge­fähr­li­che Frem­de. Dann aber er­fährt er et­was, das sein Le­ben völ­lig ver­än­dern wird.

Erstes Kapitel: Aufbruch ins Ungewisse

Nik­ko ließ sich viel Zeit beim Aus­mis­ten der Stäl­le. Nicht etwa, um die Schuf­te­rei zu ge­nie­ßen. Viel­mehr man­gel­te es auf dem Hof nie an mehr Ar­beit. Wa­rum also soll­te er sich be­ei­len, wenn doch schon die nächs­te Drecks­ar­beit auf ihn war­te­te? Wer zu schnell ar­bei­tet, schuf­tet am Ende ja doch nur mehr. Au­ßer­dem pfiff in den Stäl­len we­nigs­tens kein kal­ter Wind, wie drau­ßen auf dem Hof. Ein gu­ter Platz also, um et­was Zeit zu schin­den.

Glück­li­cher­wei­se lag die kal­te Jah­res­zeit in ih­ren letz­ten Zü­gen und wür­de das Dorf schon bald aus ih­rem ei­si­gen Griff ent­las­sen. Die Schnee­de­cke hat­te ja schon be­gon­nen, wie­der in die Ber­ge zu wei­chen. Bald wür­de sie auch die grü­nen Berg­wie­sen frei­ge­ben und er wür­de end­lich wie­der die Zie­gen auf die Alm trei­ben kön­nen. Die­se Aus­sicht zau­ber­te so­gleich ein Lä­cheln auf sein Ge­sicht. Nicht etwa, dass ihm das Zie­gen­hü­ten viel mehr Freu­de be­rei­te­te, aber so wür­de er we­nigs­tens tags­über vom Hof fort­kom­men und auf den ein­sa­men Wie­sen sei­ne Ruhe ha­ben.

»Bist du etwa im­mer noch nicht fer­tig?«, ent­riss ihn jäh eine for­sche Stim­me aus sei­nen Ge­dan­ken. Es war die Gi­mus, sei­nes äl­tes­ten Bru­ders.

»Mach schnel­ler! Du musst doch noch die Scheu­ne frei­schip­pen«, schnauz­te der Bru­der. »Da ist der Schnee vom Dach ge­rutscht und ver­sperrt das gan­ze Tor.«

»Mach doch selbst! Ich muss heu­te noch zu Tho­ro­dos«, log Nik­ko und ern­te­te so­gleich einen bit­ter­bö­sen Blick.

»Faul und nutz­los«, mur­mel­te Gimu, schlug sei­ne Faust ge­gen einen Bal­ken und stapf­te schnau­bend da­von. Nik­kos ge­le­gent­li­cher Pf­licht, dem al­ten Tho­ro­dos zur Hand zu ge­hen, hat­te Gimu nichts ent­ge­gen­zu­set­zen. Aus un­be­kann­ten Grün­den galt die­ser Dienst dem Groß­va­ter als wich­tig. Des­sen Wort war auf dem Hof je­doch Ge­setz.

Der blon­de Jun­ge mit den großen blau­en Au­gen konn­te sich ein hä­mi­sches Grin­sen nicht ver­knei­fen. Von den vie­len un­ge­lieb­ten Ge­schwis­tern konn­te er Gimu im­mer­hin am we­nigs­ten lei­den. Ein großer bul­li­ger Kerl mit lau­ter Stim­me, der sich meist auf­führ­te, als un­ter­stün­de ihm der gan­ze Hof.

Nun muss­te er nur noch einen Weg aus der spon­ta­nen Lüge fin­den. Soll­te Gimu näm­lich her­aus­fin­den, dass er ge­lo­gen hat­te, dann wür­de es wohl wie­der großen Är­ger ge­ben. Nik­ko kam ja schon jetzt nicht gut mit sei­ner Fa­mi­lie aus. Schließ­lich war er schwäch­lich, dazu oft krank und für sein Al­ter auch noch viel zu klein. Kei­ne gu­ten Voraus­set­zun­gen für das har­te Le­ben in den Ber­gen, wo man nur Leu­te brauch­te, die rich­tig zu­pa­cken konn­ten. Für sei­ne vie­len Ge­schwis­ter war er nur der Schwäch­ling und ein Faul­pelz oben­drein.

Sich auf dem großen Hof der Fa­mi­lie zu ver­ste­cken, schi­en zu ge­fähr­lich. Im­mer­hin hat­te man ihn dort bis­her noch im­mer ge­fun­den. Drau­ßen war es aber noch zu kalt. Da er­schi­en es ihm am bes­ten, dem al­ten Tho­ro­dos tat­säch­lich einen un­an­ge­mel­de­ten Be­such ab­zu­stat­ten.

Seit bald zwei Jah­ren war er dem al­ten Mann nun schon be­hilf­lich. Meist muss­te er put­zen oder auf­räu­men, sel­te­ner Be­sor­gun­gen er­le­di­gen. Al­les in al­lem kei­ne be­son­ders an­ge­neh­me Pf­licht, zu­mal der Alte oft übels­ter Lau­ne war. Den­noch hat­te Nik­ko die Zeit bei Tho­ro­dos im­mer ge­nos­sen. Der alte Kauz war ein­fach an­ders, als alle an­de­ren im Dorf.

*

Ein we­nig spä­ter dann an die­sem Tage mach­te sich Nik­ko auf den Weg zur Hüt­te des Al­ten, die nur we­ni­ge Mi­nu­ten vom Hof der Fa­mi­lie ent­fernt lag. Des­sen klei­ne Be­hau­sung un­ter­schied sich von den Berg­hö­fen des Dorfs al­lein schon da­durch, dass sie voll­stän­dig aus Holz ge­fer­tigt war und auch nur ein Ge­schoss be­saß. Zu wel­chem Zweck das Ge­bäu­de einst er­rich­tet wor­den war, wuss­te er nicht. Im Dorf je­den­falls gab es kein ähn­li­ches.

Die Höfe Vyl­do­ros hat­ten sonst im­mer den glei­chen Auf­bau. Das Haupt­haus, wo die Fa­mi­li­en wohn­ten, be­saß ein stei­ner­nes Un­ter­ge­schoss, aus Fels­bro­cken von Lehm und Dung so schlecht zu­sam­men­ge­hal­ten, dass man die Wän­de stän­dig aus­bes­sern muss­te, vor al­lem nach den har­ten Win­tern. Da­rauf saß ein Ober­ge­schoss aus Fich­ten­holz zu­sam­men­ge­zim­mert, ge­krönt von ei­nem krum­men Schie­fer­dach.

Als Nik­ko schließ­lich an der Hüt­te des Al­ten an­kam, klopf­te er lei­se. Ei­gent­lich hät­te er ja heu­te nicht vor­bei­kom­men sol­len und konn­te oh­ne­hin nie si­cher sein, in wel­cher Lau­ne er den al­ten Kauz vor­fin­den wür­de. Wie fast im­mer je­doch rea­gier­te nie­mand auf das Klop­fen und der Jun­ge öff­ne­te be­hut­sam die Tür, um lei­se ein­zu­tre­ten und sich um­zu­schau­en.

Die Be­hau­sung war zwar nicht sehr groß, da­für al­ler­dings mit er­staun­lich vie­len Din­gen voll­ge­ramscht. Un­men­gen stau­bi­ger Glä­ser, selt­sa­mer Fla­schen und Ge­fäße hor­te­te der Greis. Dazu ge­sell­ten sich Uten­si­li­en, de­ren Zweck Nik­ko nicht ein­mal erah­nen konn­te. Hät­te der Jun­ge nicht vor we­ni­gen Ta­gen erst gründ­lich sau­ber ge­macht und auf­ge­räumt, dann sähe es hier je­doch noch schlim­mer aus.

Er er­späh­te den Al­ten schließ­lich in sei­nem Ses­sel am lo­dern­den Ka­min sit­zend und ein ge­müt­li­ches Schläf­chen ma­chend. Bei An­blick des vor sich hin­dö­sen­den Grei­ses über­kam den Jun­gen selbst eine ur­plötz­li­che Mü­dig­keit. Ein klei­nes Nicker­chen wäre da doch ge­nau das Rich­ti­ge. Viel bes­ser, als die blö­de Scheu­ne frei zu schip­pen!

»Das Brenn­holz geht wie­der zur Nei­ge. Be­sorg doch gleich neu­es, wo du schon mal hier bist«, be­fahl der Alte plötz­lich, ohne über­haupt die Au­gen zu öff­nen. »Den Schnee kannst du dann auch vom Dach ho­len, be­vor er noch von selbst her­un­ter­kommt und mich hier ein­sperrt.«

Schö­ne Be­sche­rung! War es denn wirk­lich zu viel ver­langt, ein we­nig Zeit für sich al­lein zu ha­ben? Aber je­der Wi­der­spruch war hier zweck­los. Wi­der­wor­te wür­den ihm am Ende nur eine Schel­te ein­han­deln und, viel schlim­mer noch, zu­sätz­li­che Ar­beit.

*

Ei­ni­ge Tage spä­ter hat­te Nik­ko tat­säch­lich, zum ers­ten Mal in die­sem Jahr, end­lich wie­der die Zie­gen auf die Alm trei­ben kön­nen. Jetzt ge­noss er die wohl­tu­en­de Ruhe auf sei­ner ein­sa­men Wie­se, die nur durch das ge­le­gent­li­che Me­ckern der Tie­re un­ter­bro­chen wur­de.

Von hier oben hat­te er einen gu­ten Blick auf das Dorf. Vyl­do­ro, das war ein Kaff hoch in den Ber­gen, am Ende ei­nes Tals, das sich tief in die Fels­mas­si­ve mit ih­ren bi­zar­ren Gip­feln schnitt. Un­zäh­li­ge Quel­len speis­ten einen klei­nen Bach, der durch das Dorf floss und sich dann mit gan­zer Kraft wei­ter das Tal hin­ab durch die Fel­sen fraß. Mit ihm wand sich ein Weg das Tal hin­ab. Wer ihm folg­te, wür­de schließ­lich auf die große Stra­ße nach Ho­ca­tin sto­ßen. Im Os­ten hin­ge­gen schlän­gel­te sich ein en­ger Pfad hoch in die Ber­ge bis hin­auf zum al­ten Pass nach Hy­mal.

Nik­ko selbst hat­te je­doch we­der Ho­ca­tin noch Hy­mal je ge­se­hen. Wie die meis­ten Be­woh­ner Vyl­do­ros hat­te er das Dorf noch nie ver­las­sen. Die­ses Dorf mit sei­nem hal­b­en Dut­zend Hö­fen mit ih­ren schie­fen Mau­ern und moos­be­deck­ten Schie­fer­dä­chern, den Fich­ten­wäl­dern, die stets so schön nach Harz duf­te­ten, und den saf­ti­gen Al­men, um­ran­det von schrof­fen Fel­sen mit wei­ßen Spit­zen hoch im Him­mel, das war die gan­ze Welt, wie der Jun­ge aus den Ber­gen sie kann­te.

Sein Blick fiel wie­der auf die Zie­gen, de­nen die Ber­g­luft sicht­lich gut­tat. Wäh­rend des gan­zen Win­ters wa­ren sie im Stall ein­ge­pfercht ge­we­sen und hat­ten nur tro­ckenes Heu zu fres­sen be­kom­men. Ent­spre­chend gie­rig ris­sen sie das fri­sche Gras von der Alm. Nik­ko er­freu­te der An­blick der glück­li­chen Tie­re zwar, aber im Grun­de wa­ren sie ihm egal. We­nigs­tens muss­te er die Vie­cher hier drau­ßen nicht füt­tern oder hin­ter ih­nen her put­zen. Al­les in al­lem war das Zie­gen­hü­ten schon eine der er­träg­li­che­ren Pf­lich­ten, die der Hof ihm bot.

Wäh­rend sich der Jun­ge noch die Früh­lings­son­ne auf sein win­ter­b­las­ses Ge­sicht schei­nen ließ, wan­der­te sein Blick wie­der über das Tal, bis hin­auf zum al­ten Pass hoch in den Ber­gen. Von hier un­ten aus ge­se­hen, schlän­gel­ten sich die Ser­pen­ti­nen aus den Fich­ten­wäl­dern her­aus schier un­end­lich hoch in die Fel­sen, um dann in ei­ner noch ver­schnei­ten Sen­ke zwi­schen zwei Gip­feln zu ver­schwin­den. Auf der an­de­ren Sei­te lag ein sa­gen­um­wo­be­nes Land na­mens Hy­mal. Hy­mal, ob wohl all die Ge­schich­ten wahr wa­ren, die man sich im Dorf er­zähl­te? Gru­sel­mär­chen mit bö­sen Orks und Trol­len, alte Le­gen­den von El­fen und grim­mi­gen Zwer­gen. Hy­mal, das war die an­de­re Sei­te der Ber­ge. Eine frem­de Welt, so nah und doch so fern.

Viel Be­ach­tung hat­te man der al­ten Berg­stra­ße bis zum letz­ten Jahr kaum ge­schenkt. Schließ­lich über­quer­te ja nie eine See­le den al­ten Pass. Nie war je­mand nach Hy­mal ge­reist oder von dort ge­kom­men, je­den­falls nicht so­lan­ge Nik­ko den­ken konn­te. Die Leu­te im Dorf selbst hat­ten auch kei­nen Grund ge­habt, den stei­len Pfad zu er­klim­men. Der Auf­stieg war lang und be­schwer­lich. Au­ßer­dem, da war man sich im Dorf ei­nig, war Hy­mal ein ge­fähr­li­ches Land. Dort hat­te man nichts ver­lo­ren und folg­lich nichts zu su­chen.

Letz­ten Som­mer erst hat­te sich dies ge­än­dert, als sich eine selt­sa­me Ex­pe­di­ti­on über die Ber­ge nach Os­ten zwäng­te. An Sol­da­ten aus Ho­ca­tin und frem­des Volk aus dem Sü­den konn­te Nik­ko sich noch leb­haft er­in­nern. Die Auf­re­gung in dem sonst so ver­schla­fe­nen Dorf war na­tür­lich groß ge­we­sen. Mit Neu­gier und Arg­wohn hat­ten die Dör­f­ler die Ge­scheh­nis­se be­ob­ach­tet. Da sich die Rei­sen­den je­doch kaum mit den ein­fa­chen Dorf­be­woh­nern ab­ge­ge­ben hat­ten, war letzt­lich doch im Dun­keln ge­blie­ben, was hin­ter der Ge­schich­te steck­te. Den gan­zen Win­ter lang hat­ten die Ge­scheh­nis­se dann für reich­lich Stoff ge­sorgt, die Näch­te auf den Hö­fen Vyl­do­ros mit wil­den Spe­ku­la­tio­nen zu fül­len. Letzt­lich, als sich die Ex­pe­di­ti­on in der Erin­ne­rung der Dör­f­ler schon zu ei­nem rie­si­gen Heer auf­ge­bla­sen hat­te, setz­te sich die Mei­nung durch, der alte Fürst ver­su­che, das wohl lan­ge schon ver­las­se­ne Hy­mal an sich zu rei­ßen. Wahr­schein­lich um dort neu­es Erz zu fin­den. Denn fast im­mer doch ging es um das wert­vol­le Erz, das die Herr­scher so drin­gend brauch­ten, um ihre Hee­re in Ei­sen und Stahl zu rüs­ten.

Wie so oft, frag­te sich Nik­ko, ob er sich nicht hät­te der Ex­pe­di­ti­on an­schlie­ßen sol­len, um mit ihr sein Glück zu su­chen. Ob man einen ein­fa­chen Dorf­jun­gen wie ihn dort hät­te ge­brau­chen kön­nen, war na­tür­lich eine an­de­re Fra­ge. Aber er hat­te sich ja nicht ein­mal ge­traut zu fra­gen. War ihm da­durch viel­leicht die ein­zi­ge Ge­le­gen­heit ent­gan­gen, dem öden Le­ben auf dem Hof zu ent­flie­hen?

In die­sem Mo­ment nahm Nik­ko von sei­ner Berg­wie­se aus einen Aufruhr auf dem Dorf­platz wahr. Das konn­te wohl nur hei­ßen, dass der alte Fo­daj und sei­ne bei­den Jungs dem Dorf mal wie­der einen Be­such ab­stat­te­ten.

*

Fo­daj war ein stets gut­ge­laun­ter Händ­ler aus Ho­ca­tin, der als ein­zi­ger auch Vyl­do­ro an­steu­er­te. Trotz sei­nes fort­ge­schrit­te­nen Al­ters und an­sehn­li­chen Ge­wichts nahm er mit sei­nen bei­den, zwar nicht ganz so be­tag­ten, aber den­noch nicht we­ni­ger be­leib­ten Söh­nen mehr­mals im Jahr die, laut sei­nen ei­ge­nen Be­kun­dun­gen, un­glaub­li­chen Stra­pa­zen der lan­gen und ge­fähr­li­chen Rei­se hin­auf nach Vyl­do­ro auf sich. Aus reins­ter Ver­bun­den­heit zu den von ihm doch so hoch­ge­schätz­ten Be­woh­nern des Dor­fes, wie er je­des Mal er­neut ver­si­cher­te. Na­tür­lich kam der groß­her­zi­ge Mann nicht etwa ins Dorf, um das große Ge­schäft zu ma­chen. Nein, dazu wür­de er sei­ne Wa­ren schließ­lich viel zu bil­lig feil­bie­ten.

Auch wenn ihm dies im Dorf so recht kei­ner ab­neh­men woll­te, war der Händ­ler doch ein gern ge­se­he­ner Gast. Nicht nur konn­ten die Dör­f­ler bei ihm ihre Pro­duk­te ge­gen die vie­len Din­ge ein­tau­schen, die man im Dorf nicht selbst her­stell­te, son­dern er brach­te stets auch Neu­ig­kei­ten aus der wei­ten Welt, vor al­lem na­tür­lich aus Ho­ca­tin.

Fast alle Fa­mi­li­en in Vyl­do­ro leb­ten vom Vieh, meist Zie­gen oder Scha­fe. Die Al­men mit ih­ren Grä­sern und Kräu­tern bo­ten aus­ge­zeich­ne­tes Fut­ter für die Tie­re, aus de­ren ge­halt­vol­ler Milch vor al­lem Käse ge­won­nen wur­de. Fo­daj tausch­te gern Käse und Wol­le, aber auch Fel­le aus den Wäl­dern, so­wie ge­trock­ne­te Pil­ze und Kräu­ter. Da­für bot er Mehl und Früch­te aus dem un­te­ren Tal, so­wie Klei­dung, Werk­zeu­ge und Töp­fe aus teu­rem Me­tall, wie auch sons­ti­gen Tand aus Ho­ca­tin. Meist han­del­te man hier Wa­ren ge­gen Wa­ren. Mün­zen hin­ge­gen wech­sel­ten sel­ten den Be­sit­zer. Den meis­ten Dör­f­lern war Geld su­spekt und die we­nigs­ten konn­ten gut zäh­len.

*

Nik­ko hat­te sich so­fort auf ins Dorf ge­macht, denn schließ­lich woll­te er nichts ver­pas­sen. Die Zie­gen konn­te er schon für eine Wei­le sich selbst über­las­sen. Erst abends wür­de er sie wie­der auf den Hof trei­ben müs­sen. Au­ßer­dem wür­de der Händ­ler wohl eine Lie­fe­rung für Tho­ro­dos be­reit­hal­ten, die es schnell aus­zu­lie­fern galt. Im letz­ten Herbst, als Fo­daj das letz­te Mal im Dorf ge­we­sen war, hat­te Nik­ko ihm ja eine Be­stel­lung vom Al­ten über­brin­gen müs­sen. Vor al­lem an das Le­der­säck­chen mit den dar­in klim­pern­den Mün­zen konn­te er sich noch ge­nau er­in­nern.

Als Nik­ko auf dem Dorf­platz an­kam, wur­de der di­cke Händ­ler mit den sil­ber­grau­en Haa­ren und sei­ne bei­den Söh­ne schon von ei­ner Trau­be neu­gie­ri­ger Dör­f­ler um­ringt. Mit drei großen Och­sen­wa­gen stan­den sie auf dem schlam­mi­gen Platz und prie­sen ihre Wa­ren in wohl­ge­üb­tem Drei­klang.

»Du bist doch der Klei­ne vom Tho­ro­dos?«, frag­te Fo­daj laut, als er den atem­lo­sen Jun­gen er­späh­te, der den gan­zen Weg ins Dorf hin­ab ge­rannt war.

»Ja, Herr«, he­chel­te Nik­ko. »Aber ich bin nicht mehr klein. Mei­nen sech­zehn­ten Som­mer schon wer­de ich die­ses Jahr er­le­ben.«

»Ver­zeih mir, Gro­ßer«, lach­te der Händ­ler. »Ich habe die Lie­fe­rung für den Al­ten«, fuhr er schließ­lich fort und kram­te eine Kis­te aus ei­nem sei­ner Wa­gen her­vor. »Sei doch so gut und bring sie ihm gleich.«

Nik­ko hät­te die Kis­te, die für ihre klei­ne Grö­ße ein er­staun­li­ches Ge­wicht be­saß, fast fal­len ge­las­sen, als er sie ent­ge­gen nahm.

»Nimm auch den hier mit«, grins­te der Händ­ler und leg­te ein ver­sie­gel­tes Schrei­ben auf die Kis­te. Nik­ko be­äug­te den Um­schlag un­gläu­big. Ei­nen Brief hat­te Tho­ro­dos doch noch nie er­hal­ten.

»Eine Sen­dung auf lan­ger Rei­se, wie es scheint. Sag dem Al­ten, dass er schon seit dem Herbst in Ho­ca­tin lag. Bei mir braucht er sich gar nicht erst we­gen der Ver­spä­tung zu be­kla­gen«, ver­si­cher­te sich der Händ­ler mit ei­nem Au­gen­zwin­kern.

Ger­ne wäre Nik­ko noch ge­blie­ben, aber er wuss­te nur zu gut, dass er Tho­ro­dos nicht war­ten las­sen soll­te. Si­cher­lich hat­te der gars­ti­ge Alte schon mit­be­kom­men, dass der Händ­ler im Dorf war. Au­ßer­dem nahm er die zu­neh­mend fins­te­ren Bli­cke der Dorf­be­woh­ner wahr. Hiel­ten sie ihn etwa für einen Wich­tig­tu­er, nur weil er die Lie­fe­rung ent­ge­gen­nahm?

Wäh­rend er die Kis­te in Rich­tung von Tho­ro­dos’ Hüt­te schlepp­te, wur­de sich der Jun­ge klar, dass ihm die Dör­f­ler über­haupt mit zu­neh­men­dem Arg­wohn be­geg­ne­ten. Lag es viel­leicht dar­an, dass er so viel Zeit mit Tho­ro­dos ver­brach­te? Si­cher­lich, der Alte war ein selt­sa­mer Kauz, der nur we­nig re­de­te. Kaum et­was wuss­te man über ihn im Dorf. Klar war al­ler­dings, dass er ge­bil­det war, was ihn schon vom ein­fa­chen Volk ab­hob. Als Ein­zi­ger weit und breit konn­te er le­sen und schrei­ben, je­den­falls be­vor er Nik­ko dar­in un­ter­rich­tet hat­te. Seit vie­len Jah­ren leb­te Tho­ro­dos nun schon in Vyl­do­ro. Mit den Be­woh­nern aber gab er sich nur sel­ten ab und wenn, dann auch nur wi­der­wil­lig. Als Ei­gen­bröt­ler galt er vie­len, an­de­ren als ar­ro­gant. Ei­ni­gen war er ver­däch­tig. Man­che fürch­te­ten ihn gar.

Vi­el­leicht war es ja kein Wun­der, wenn dies nun auf ihn ab­zu­fär­ben droh­te. Wo soll­te das al­les nur noch hin­füh­ren? Im gan­zen Dorf so un­be­liebt, wie auf dem Hof!

*

Als er we­nig spä­ter an der Hüt­te des Grei­ses an­ge­kom­men war, stell­te er zu­nächst die schwe­re Kis­te ab und klopf­te laut an die Tür. Es wun­der­te ihn je­doch kaum, dass wie­der ein­mal kei­ne Ant­wort kam. Meist war Tho­ro­dos tief in Ge­dan­ken ver­sun­ken oder schlief. So öff­ne­te er die Tür und schlepp­te die Kis­te hin­ein, die sei­ne Arme schon lang­sam in die Län­ge zog.

Tho­ro­dos, ein ha­ge­rer Mann, ge­gen den selbst Nik­kos Groß­va­ter jung wirk­te, stand un­be­ein­druckt am Ka­min. Er dreh­te sei­nen kah­len Kopf, den dun­kel­grau­es Haar auf Ohren­hö­he schüt­ter um­kränz­te, und fi­xier­te den Jun­gen mit sei­nen grau­en Au­gen, die tief un­ter den wild­bu­schi­gen Brau­en her­vor­sta­chen.

»Höchs­te Zeit«, ta­del­te der Alte und be­fahl, wäh­rend er auf sei­nem Tisch et­was zu­sam­men such­te: »Stell die Kis­te ab und bring dies zum Händ­ler, be­vor er wie­der ab­reist!«

»Der hier ist auch für Euch«, sag­te der Jun­ge und kam sich da­bei wich­tig vor. Schließ­lich hat­te er dem Greis noch nie einen Brief über­reicht.

»Was ist das?«, frag­te Tho­ro­dos scharf und Nik­ko glaub­te fast, eine Er­re­gung in der Stim­me des Al­ten zu er­ken­nen.

»Ein Brief aus Ho­ca­tin. Nein … war­tet … es war an­ders, er lag seit Herbst in Ho­ca­tin. Der Händ­ler ver­bit­tet sich aber jeg­li­che Be­schwer­den.«

»Was fa­selst du da? Gib her!«, fuhr ihn der nun­mehr sicht­lich er­reg­te Alte an.

»Wo sind nur wie­der mei­ne Au­genglä­ser? Ver­flucht noch­mal!«, schimpf­te er schließ­lich, nach­dem er das ver­sie­gel­te Schrei­ben aus Nik­kos Hän­den ge­ris­sen hat­te.

»Mach du ihn auf und lies!«, be­fahl er schließ­lich nach ei­ner kur­z­en Pau­se und gab dem Jun­gen den Um­schlag zu­rück.

Der Brief war mit ei­nem rot glän­zen­den Sie­gel ver­schlos­sen, in wel­ches selt­sa­me Zei­chen ge­trie­ben wa­ren. Nik­ko hat­te je­doch kei­ne Zeit, es wei­ter zu be­wun­dern. Un­ter den un­ge­dul­di­gen Bli­cken des Al­ten, des­sen spit­ze Ha­ken­na­se wie der Schna­bel ei­nes Raub­vo­gels droh­te, brach er das Sie­gel und öff­ne­te das ge­fal­te­te Pa­pier. Was er sah, war wirr, er­gab kei­nen Sinn. Es schi­en fast so, als sei­en Buch­sta­ben und Zah­len wild durch­ein­an­der ge­wür­felt wor­den.

»Ich kann das nicht le­sen, Herr. Die Buch­sta­ben schei­nen durch­ein­an­der«, ent­schul­dig­te er sich un­ter den boh­ren­den Bli­cken des Grei­ses.

»Ver­schlüs­selt?«, frag­te der Alte er­regt, wo­bei die Fra­ge wohl eher an sich selbst ge­rich­tet war, und nahm den Brief zu­rück. Er leg­te das Schrei­ben dann auf den Tisch und starr­te in den lo­dern­den Ka­min.

»Gut. Hier, nimm das und bring es dem Händ­ler«, mein­te Tho­ro­dos nach ei­ni­gen end­los er­schei­nen­den Au­gen­bli­cken voll knis­tern­der Span­nung und gab Nik­ko eine Lis­te so­wie ein klei­nes Le­der­säck­chen mit Mün­zen. So­gleich schob er den Jun­gen un­sanft aus der Tür, be­vor die­ser wei­te­re Fra­gen stel­len konn­te. Nik­ko wuss­te es bes­ser, als den Al­ten jetzt wei­ter zu stö­ren. Tho­ro­dos be­ant­wor­te­te Fra­gen oh­ne­hin fast nie. Wahr­schein­lich wür­de er nie er­fah­ren, was es mit dem ge­heim­nis­vol­len Brief auf sich hat­te.

*

Als er schließ­lich wie­der zum Dorf­platz kam, wa­ren der Händ­ler und sei­ne bei­den Söh­ne ge­ra­de da­bei, die La­dung auf ih­ren Och­sen­kar­ren zu si­chern. Die meis­ten Dör­f­ler wa­ren jetzt da­mit be­schäf­tigt, die ein­ge­tausch­ten Gü­ter auf die Höfe zu tra­gen und dort aus­gie­big zu be­gut­ach­ten. So war der Jun­ge mit den Händ­lern fast al­lein auf dem mat­schi­gen Platz.

»Na, Klei­ner. Eine neue Be­stel­lung?«, frag­te Fo­daj, als er Nik­ko ent­deck­te.

»Ja. Hier habt Ihr sie, Herr«, ent­geg­ne­te Nik­ko und übergab dem Händ­ler die Lis­te und das Säck­chen, was die­ser mit ei­nem war­men Lä­cheln quit­tier­te.

»Fahrt Ihr nach Ho­ca­tin?«, trau­te er sich dann zu fra­gen und hoff­te ein we­nig, er könn­te mit dem Händ­ler zie­hen.

»Spä­ter, Klei­ner. Erst geht’s noch nach Skingár«, ant­wor­te­te der Händ­ler. »Warst du schon mal da?«

»Nein«, ant­wor­te­te Nik­ko. »Wie lan­ge seid Ihr da­hin un­ter­wegs?«

»Nach Skingár? Gut drei Tage mit den schwe­ren Kar­ren. So, jetzt müs­sen wir aber.«

Mit ei­nem Lä­cheln ver­ab­schie­de­te sich Fo­daj und setz­te sei­nen voll­ge­pack­ten Kar­ren in be­hä­bi­ge Fahrt. Ihm folg­ten sei­ne Söh­ne mit den an­de­ren bei­den Wa­gen.

Was war er nur für ein Feig­ling! Fast hät­te er den Händ­ler, der ihn schein­bar doch so moch­te, ge­fragt, ob er nicht mit ihm kom­men könn­te. Aber eben nur fast. Wie so oft.

*

Spä­ter am Abend, nach­dem er die Zie­gen von der Alm in den Stall ge­trie­ben hat­te, saß er mit der Fa­mi­lie zu Tisch. Wie im­mer gab es vor al­lem Zie­gen­kä­se. Käse, wie er ihn doch hass­te! We­der konn­te er den Ge­stank er­tra­gen, noch konn­te er ihn es­sen, ohne dass ihm da­von übel wur­de. Sei­ne großen blau­en Au­gen in­spi­zier­ten ent­geis­tert den großen Tisch, auf der Su­che nach ak­zep­ta­blen Al­ter­na­ti­ven. Ei­nen schrum­pe­li­gen Ap­fel konn­te er noch er­gat­tern. Sonst blieb nur tro­ckenes Brot. Wie so oft, hat­ten sei­ne Ge­schwis­ter ihm nicht viel üb­rig ge­las­sen. Wie so oft, war er zu spät von der Alm zu­rück­ge­kom­men.

Er ver­such­te, sich das un­an­sehn­li­che Obst und das Brot schme­cken zu las­sen, was je­doch kaum ge­lin­gen woll­te. Dazu ern­te­te er wie­der nur un­gläu­bi­ges Kopf­schüt­teln. »Was hast du nur ge­gen den gu­ten Käse?«, pro­vo­zier­te die Mut­ter.

Nik­ko ant­wor­te­te nicht dar­auf und ver­such­te, das Ge­ki­cher der Ge­schwis­ter zu igno­rie­ren. Ein­mal mehr fühl­te er sich fehl am Plat­ze an die­sem Abend­tisch, denn wie im­mer dreh­te sich dann al­les um den Zie­gen­kä­se. Das Jahr war jung. Viel muss­te da ge­plant und vor­be­rei­tet wer­den. Auch hat­te Fo­daj eine grö­ße­re Lie­fe­rung be­stellt, da sich der Käse aus Vyl­do­ro in Ho­ca­tin wohl stei­gen­der Be­liebt­heit er­freu­te. Aber rich­tig hör­te Nik­ko nicht zu, denn ihm war der Käse so egal, wie ei­gent­lich der gan­ze Hof.

Letzt­lich war er tief in kä­se­frem­den Ge­dan­ken ver­sun­ken, als ihm plötz­lich je­mand un­sanft den El­len­bo­gen in die Sei­ten stieß. »Hörst du schwer, du Trot­tel?«, bell­te Gimu, der un­ge­lieb­te große Bru­der.

»Was ist denn?«, klag­te Nik­ko und hielt sich vor­wurfs­voll die Sei­te.

»Si­moj für dich«, ent­geg­ne­te Gimu forsch. Es war Nik­ko wohl ent­gan­gen, dass es an die Tür ge­klopft hat­te.

Si­moj, ein ner­vi­ger klei­ner Rot­schopf mit häss­lich vie­len Som­mer­spros­sen, war der Jüngs­te vom West­hof, un­weit dem Tho­ro­dos rump­li­ge Hüt­te stand. Si­cher­lich hat­te der Alte mal wie­der nach Nik­ko ge­schickt.

Der rot­haa­ri­ge Ben­gel kam sich furcht­bar wich­tig vor, als Nik­ko schließ­lich an die Tür kam. Be­vor die Ner­ven­sä­ge je­doch ihre Bot­schaft her­auströ­ten konn­te, frag­te Nik­ko un­be­ein­druckt: »Tho­ro­dos?«, wor­auf hin Si­moj ihm nur die Zun­ge her­aus­streck­te und kin­disch la­chend da­von lief.

*

Es war fast dun­kel, als Nik­ko we­nig spä­ter wie­der an die Tür des Al­ten klopf­te. Na­tür­lich kam kei­ne Ant­wort. So öff­ne­te der ei­gent­lich ent­nerv­te Jun­ge den­noch sehr vor­sich­tig die Tür und sah gleich, wie Tho­ro­dos ge­müt­lich im Ses­sel am lo­dern­den Ka­min saß und nach­denk­lich an sei­ner Pfei­fe zog. Of­fen­bar war in der schwe­ren Kis­te, die er dem Al­ten frü­her an die­sem Tage ge­lie­fert hat­te, auch neu­es Pfei­fen­kraut ge­we­sen. Schließ­lich hat­te Tho­ro­dos seit Wo­chen nicht mehr ge­raucht.

»Da bist du ja«, be­merk­te der Alte bei­läu­fig. »Mach uns doch einen schö­nen hei­ßen Tee und setz dich dann zu mir.«

Die­ser Be­fehl, der eher wie eine Bit­te klang, über­rasch­te den Jun­gen. Zwar hat­te er schon oft Tee ko­chen müs­sen, aber zu­sam­men hat­ten sie noch nie wel­chen ge­trun­ken. Der Alte war schon son­der­ba­rer als sonst. Wei­ter wun­der­te er sich aber nicht, denn von Tho­ro­dos war er schon ei­ni­ge Schrul­len ge­wohnt.

Wort­los mach­te er sich so­gleich dar­an, Was­ser in den Kup­fer­kes­sel zu gie­ßen, um die­sen dann in den Ka­min zu hän­gen. Wäh­rend das Was­ser dort lang­sam heiß wur­de, be­gann er, den Tee vor­zu­be­rei­ten. Die Dose war vol­ler als zu­vor. Of­fen­bar war in der Lie­fe­rung von Fo­daj auch ein neu­es Päck­chen teu­ren Tees ge­we­sen. Der Jun­ge steck­te je ei­ni­ge der duf­ten­den Blät­ter in zwei Ton­be­cher. Wäh­rend das Was­ser nun lang­sam zu sie­den an­fing, be­äug­te Nik­ko den al­ten Mann, der noch im­mer in das lo­dern­de Feu­er starr­te und ge­le­gent­lich an sei­ner Pfei­fe zog.

Als das Was­ser schließ­lich koch­te, nahm er den Kes­sel mit ei­nem Ha­ken aus dem Ka­min und stell­te ihn auf den Tisch. Mit ei­ner Kel­le goss er das hei­ße Was­ser in die bei­den Be­cher und ging zum Al­ten hin­über. Er reich­te ihm ei­nes der damp­fen­den Ge­fäße, zog einen Stuhl her­über zum Ka­min und setz­te sich dar­auf. Tief at­me­te er den wür­zi­gen Dampf des Heiß­ge­tränks ein. Oft hat­te er noch kei­nen Tee ge­trun­ken. Das Ge­tränk war im Dorf ei­gent­lich un­be­kannt. Nur hier beim Al­ten hat­te er ge­le­gent­lich da­von pro­bie­ren kön­nen. Wie weit im Sü­den das Land der Tee­blät­ter wohl lag, frag­te sich der Jun­ge, als er auf eine Re­ak­ti­on des Al­ten war­te­te.

»Was hast du vor mit dei­nem Le­ben?«, brach Tho­ro­dos end­lich das Schwei­gen und nipp­te an sei­nem Be­cher, um dann mit ru­hi­ger, ja fast groß­vä­ter­li­cher Stim­me fort­zu­fah­ren: »Willst du ein Bau­er sein, ein Hir­te viel­leicht?«

»Hä?«

»Die Fra­ge war nicht schwie­rig, oder?«, quit­tier­te der Alte Nik­kos we­nig sprach­ge­wand­te Ant­wort.

»Nein, ich will kein Hir­te sein, und Bau­er noch viel we­ni­ger«, ant­wor­te­te die­ser und ver­such­te da­bei über­zeu­gend zu klin­gen, ob­wohl er ja nur die Wahr­heit sprach.

»Dann musst du hier und jetzt eine Ent­schei­dung tref­fen«, sag­te Tho­ro­dos ru­hig. »Ich wer­de eine klei­ne Rei­se ma­chen. Komm mit mir, wenn du dich so ent­schei­dest.«

»Eine Rei­se?«, be­geis­ter­te sich Nik­ko. »Wo­hin denn?«

Der Alte nick­te zu­frie­den und sprach: »Nach … Skingár. Mor­gen früh bei Son­nen­auf­gang bre­chen wir auf.«

»Ich muss aber erst noch den Groß­va­ter fra­gen«, er­wi­der­te Nik­ko auf­ge­regt und hoff­te sehr, dass die­ser der Rei­se ohne Pro­ble­me zu­stim­men wür­de. Er ver­stand zwar nicht, was hier ge­ra­de ge­sch­ah. Die Aus­sicht auf eine Rei­se aber elek­tri­sier­te ihn. Hat­te er sich doch schon lan­ge da­nach ge­sehnt, end­lich das Dorf zu ver­las­sen!

»Gut«, ent­geg­ne­te der Alte. »Bring Pro­vi­ant mit, war­me Klei­dung und De­cken.«

»Wie la …«, ver­such­te Nik­ko noch zu fra­gen, aber der Greis wur­de jetzt wie­der forsch und be­fahl mit bar­schem Ton: »Ge­nug jetzt! Geh nach Hau­se und triff dei­ne Vor­be­rei­tun­gen. Mor­gen früh bei Son­nen­auf­gang geht es los.«

Nik­ko wuss­te ge­nau, dass aus Tho­ro­dos jetzt kei­ne wei­te­ren In­for­ma­tio­nen her­aus zu ho­len wa­ren. Es blieb ihm nur, sich zu ver­ab­schie­den und den Rück­weg zum Hof an­zu­tre­ten. Vi­el­leicht wür­de der Alte ja mor­gen ge­sprä­chi­ger sein.

*

Auf dem Weg nach Hau­se schos­sen ihm vie­le Fra­gen durch den Wu­schel­kopf. Das Ver­hal­ten des Al­ten war schließ­lich noch ab­son­der­li­cher als sonst. Wa­rum die­ser plötz­li­che Auf­bruch? Hat­te dies etwa et­was mit dem ver­schlüs­sel­ten Brief zu tun? Wa­rum war der Alte plötz­lich so freund­lich zu ihm? Wa­rum schi­en ihm so sehr dar­an ge­le­gen, dass er ihn be­glei­te­te? Was hat­te dies da­mit zu tun, ob er ein Bau­er oder Hir­te wer­den woll­te?

Skingár, so­weit er wuss­te, war eine Berg­bau­sied­lung in ei­nem Sei­ten­arm des lan­gen Tals, an des­sen Ende Vyl­do­ro lag. Fo­daj, der di­cke Händ­ler, war doch ge­ra­de nach Skingár auf­ge­bro­chen. Vi­el­leicht hat­te der Alte bei sei­ner Be­stel­lung ja nur et­was Wich­ti­ges ver­ges­sen. Ja, das muss­te es wohl sein!

*

Als er we­nig spä­ter zu Hau­se an­kam, wa­ren die meis­ten schon im Bett. Nur Groß­va­ter Vik­ko, ein Mann von vie­len Jah­ren har­ter Ar­beit ge­zeich­net, saß wie je­den Abend in der großen Kü­che im Un­ter­ge­schoss und blick­te ge­dan­ken­ver­sun­ken in die er­lö­schen­de Glut des Ka­mins.

»Groß­va­ter?«, frag­te Nik­ko klein­laut. Er woll­te den Herrn des Hofs schließ­lich nicht schon im Voraus ver­är­gern, in­dem er ihn auch noch er­schreck­te. Dass er sich die nächs­ten Tage nicht um die Zie­gen küm­mern konn­te, ver­sprach ja schon Är­ger ge­nug.

»Was denn, Jun­ge?«, ant­wor­te­te der Alte ab­we­send.

»Tho­ro­dos«, ent­geg­ne­te Nik­ko schüch­tern. »Er will mit mir nach Skingár. Schon mor­gen früh.«

Der Groß­va­ter schau­te zwar et­was ver­blüfft, frag­te dann aber nach ei­nem kur­z­en Au­gen­blick: »Und wo ist das Pro­blem?«

»Die Zie­gen?«, hielt Nik­ko ihm fast vor­wurfs­voll ent­ge­gen und emp­fand sei­ne Ar­beit als Hir­te, so stumpf­sin­nig sie ihm selbst auch er­schi­en, zu Un­recht un­ge­wür­digt.

»Wenn Tho­ro­dos et­was von dir will, dann ge­horchst du!«, er­wi­der­te das grei­se Fa­mi­li­enober­haupt mit be­stim­men­dem Ton. »So ein­fach ist das.«

Auf Nik­kos un­gläu­bi­gen Blick hin, füg­te er schließ­lich noch sanft hin­zu: »Mach dir kei­ne Sor­gen um die Zie­gen. Wir wis­sen doch bei­de, dass du kein Hir­te bist. Jetzt aber ab ins Bett!«

Fast hat­te Nik­ko den Ein­druck, ein un­ge­wohn­tes Zit­tern in der sonst so star­ken Stim­me des Groß­va­ters wahr­ge­nom­men zu ha­ben, als die­ser jene letz­ten Sät­ze sprach. »Gute Nacht, Groß­va­ter«, war je­doch al­les, was er ent­geg­ne­te. Schließ­lich war er zu er­leich­tert, dass ihm die un­ge­plan­te Rei­se kei­nen Är­ger auf dem Hof ein­brach­te.

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Erst im ge­mein­schaft­li­chen Schlaf­ge­mach, oben im höl­zer­nen Ober­ge­schoss des Hau­ses, be­gann Nik­ko sich zu wun­dern, was der Groß­va­ter wohl da­mit ge­meint ha­ben könn­te, als er sag­te, dass er kein Hir­te sei und bei­de wüss­ten dies. Es hat­te nicht wie eine Be­lei­di­gung ge­klun­gen, was die Er­klä­rung er­leich­tert hät­te. Auch wun­der­te er sich ein­mal mehr, warum dem Groß­va­ter der Dienst für Tho­ro­dos so wich­tig war. So­gar ge­gen eine plötz­li­che Rei­se nach Skingár hat­te er nichts ein­zu­wen­den, ob­wohl der Jun­ge so sei­nen Pf­lich­ten auf dem Hof für ei­ni­ge Tage nicht nach­kom­men konn­te.

Als Nik­ko sich schließ­lich in sein knar­ren­des Bett ge­ku­schelt hat­te, fie­len je­doch all die­se Fra­gen von ihm ab. Zu müde war er, um sich den Schlaf durch die Ge­scheh­nis­se die­ses Ta­ges rau­ben zu las­sen. Oder durch das ent­setz­li­che Schnar­chen der Ge­schwis­ter, al­len vor­an Gi­mus.

*

Nach kur­z­er Nacht, aber gu­tem Schlaf, stand Nik­ko mit dem Rest der Fa­mi­lie noch vor Son­nen­auf­gang auf. Zeit für das ge­mein­sa­me Früh­stück hat­te er an die­sem Mor­gen je­doch nicht. Schließ­lich woll­te er nicht ris­kie­ren, zu spät zum al­ten Tho­ro­dos zu kom­men. Da­für be­dien­te er sich am Früh­stücks­tisch und sam­mel­te schnell et­was Brot und Wurst zu­sam­men, so­wie ein paar saf­ti­ge Äp­fel. Auf dem Weg nach drau­ßen pack­te er auch zwei De­cken und sei­nen Um­hang mit Ka­pu­ze ein.

»Hier, nimm das, Jun­ge«, er­schrak ihn die Mut­ter, als er schon fast aus dem Haus war. Mit ei­nem müt­ter­li­chen Lä­cheln, wie es ihm seit lan­gem nicht ver­gönnt ge­we­sen war, steck­te sie ihm ein Päck­chen zu.

»Mach’s gut, mein Klei­ner. Pass auf dich auf!«, sag­te sie schließ­lich mit feuch­ten Au­gen. Jetzt erst wur­de ihm klar, dass er bald so weit weg von zu­hau­se sein wür­de, wie noch nie zu­vor. Je­den Tag sei­nes Le­bens hat­te er bis­her nahe dem Dorf ver­bracht und jede Nacht auf dem Hof. Schnell je­doch ver­bann­te er die­se Ge­dan­ken aus sei­nem Kopf. Zu groß war oh­ne­hin die Freu­de.

»Auf Wie­der­se­hen, Mut­ter. Mach dir kei­ne Sor­gen. Wir rei­sen doch nur dem di­cken Fo­daj nach«, be­ru­hig­te er die Mut­ter, wo­bei ihm nun selbst Zwei­fel ka­men, ob der Händ­ler tat­säch­lich das Ziel der Rei­se war. Gern hät­te er noch ei­ni­ge Wor­te mit dem Groß­va­ter ge­wech­selt, aber die­ser war nir­gends zu se­hen. So mach­te sich Nik­ko gleich auf den Weg zu Tho­ro­dos.

*

Pünkt­lich bei Son­nen­auf­gang klopf­te er an die Tür der klei­nen Hüt­te des Al­ten. Zu sei­ner Ver­wun­de­rung öff­ne­te Tho­ro­dos um­ge­hend und frag­te auf­ge­regt: »Hast du ih­nen ge­sagt, dass wir nach Skingár rei­sen?«

»Wem?«

»Wem wohl? Den Dorf­trot­teln!«, schnauz­te der Alte.

»Ich habe nur mit dem Groß­va­ter ge­spro­chen und mit der Mut­ter. Aber ja, die wis­sen, dass wir nach Skingár wol­len«, be­rich­te­te Nik­ko.

»Der alte Vik­ko? Gut, dann weiß es bis heu­te Abend eh das gan­ze ver­fluch­te Kaff«, freu­te sich Tho­ro­dos mit ei­nem hei­se­ren La­chen.

»Hier, nimm den«, be­merk­te er dann und warf Nik­ko einen Ruck­sack zu, den man wohl kaum als leicht be­zeich­nen konn­te.

»Jetzt aber los!«, be­fahl er. »Wir ha­ben schließ­lich einen lan­gen Weg vor uns.«

We­nigs­tens wuss­te der Jun­ge nun, warum der gars­ti­ge Greis ihn mit auf Rei­sen neh­men woll­te. Als Packe­sel of­fen­bar!

*

Sie ver­lie­ßen das Dorf auf dem Weg nach Nor­den hin­aus und ka­men nach ei­ni­gen Mi­nu­ten an die Ga­be­lung, wo sich die Pfa­de zum Pass über die Ber­ge im Os­ten und das Tal hin­ab nach Ho­ca­tin im Wes­ten trenn­ten. Nik­ko hat­te nur eine vage Vor­stel­lung, wie lan­ge der Marsch nach Skingár wohl dau­ern wür­de. Von etwa drei Ta­gen hat­te Fo­daj zwar ge­spro­chen. Aber zu Fuß wa­ren sie be­stimmt schnel­ler als der Händ­ler mit sei­nen schwe­ren Och­sen­kar­ren.

So sehr in Ge­dan­ken ver­sun­ken war Nik­ko, dass er fast gar nicht be­merkt hät­te, wie der Alte, der nur we­ni­ge Schrit­te vor ihm ging, nicht nach Wes­ten ab­bog, son­dern dem Weg nach Os­ten folg­te. Na­tür­lich glaub­te er, Tho­ro­dos wür­de aus Ver­se­hen den falschen Weg ein­schla­gen.

»Fal­sche Rich­tung«, stell­te er da­her selbst­ge­fäl­lig fest und mach­te An­stal­ten, den Weg nach Wes­ten zu neh­men.

»Wie gut, dass ich dich mit­ge­nom­men habe«, spot­te­te der Alte, ohne sich über­haupt um­zu­dre­hen. »Da hät­te ich mich doch fast ver­lau­fen. Also, wenn ich dich nicht hät­te!«

Je­doch mach­te Tho­ro­dos kei­ne An­stal­ten, sei­ne Rich­tung zu kor­ri­gie­ren, son­dern folg­te wei­ter dem stau­bi­gen Pfad nach Os­ten. Als Nik­ko zu­nächst zö­ger­te, dem Greis zu fol­gen, be­fahl die­ser schließ­lich: »Komm schon! Ich will über den Pass sein, be­vor es dun­kel wird, oder willst du etwa da oben über­nach­ten?«

Zweites Kapitel: Ende mit Schrecken

Es war wohl ge­gen Mit­tag, als die bei­den Wan­de­rer schließ­lich den Pass er­klom­men hat­ten. Genau konn­te man es al­ler­dings nicht sa­gen, da sie ihr Pfad be­reits seit vie­len Stun­den durch di­cken Ne­bel führ­te. Oben an­ge­kom­men, konn­te Nik­ko die Son­ne nur als blas­sen Licht­schim­mer wahr­neh­men, den die dich­ten Schwa­den ge­le­gent­lich of­fen­bar­ten. Es war eine ge­spens­ti­ge Stim­mung, die die Ent­wick­lun­gen der letz­ten bei­den Tage in ein noch selt­sa­me­res Licht rück­te.

Wäh­rend des müh­sa­men Auf­stiegs hat­te Tho­ro­dos kein ein­zi­ges Wort ge­spro­chen. Mit Leich­tig­keit hat­te der ur­al­te Mann die Ser­pen­ti­nen ge­meis­tert, auf de­nen sich der stei­le Pfad die Ber­ge hin­auf­schlän­gel­te. Oft hat­te Nik­ko so­gar Schwie­rig­kei­ten ge­habt, mit dem Al­ten Schritt zu hal­ten.

Trotz der Stra­pa­zen hat­te der Jun­ge wäh­rend des Auf­stiegs Ge­le­gen­heit ge­habt, sei­ne Ge­dan­ken et­was zu ord­nen. Viel war seit ges­tern pas­siert. Erst der Brief, den er nicht ent­zif­fern konn­te. Dann der über­has­te­te Auf­bruch. Ei­gent­lich soll­te es nach Skingár ge­hen, dann hat­te sich der Alte je­doch im letz­ten Mo­ment an­ders ent­schie­den. Oder war Skingár nur eine Fin­te? Hat­te er etwa eine falsche Spur le­gen sol­len? Es wür­de schon zu­sam­men­pas­sen. Wenn der Alte auf der Flucht wäre, er­gä­be schließ­lich al­les einen Sinn. War der Brief etwa eine War­nung? Eine Dro­hung?

Nun, da sie auf dem Pass an­ge­kom­men wa­ren, hoff­te Nik­ko auf eine ers­te Rast. Der lan­ge Auf­stieg steck­te ihm schon merk­lich in den Kno­chen. Au­ßer­dem war er hung­rig. Schließ­lich hat­te er die­sen Mor­gen kein Früh­stück zu sich ge­nom­men. Nicht ein ein­zi­ges Mal hat­te der Alte bis­her Halt ge­macht. Der müde Jun­ge frag­te sich, wie ein so al­ter Greis nur solch er­staun­li­che Aus­dau­er be­sit­zen konn­te.

Tat­säch­lich blieb Tho­ro­dos nun ste­hen und mach­te sich ein Bild von der Lage. Ne­bel­schwa­den füll­ten die Sen­ke zwi­schen den bei­den Berg­mas­si­ven im Nor­den und Sü­den, durch die der alte Berg­pfad nach Os­ten führ­te. Hier oben, auf dem höchs­ten Punkt des Pas­ses, lag der Win­ter­schnee noch fast knie­hoch und wür­de erst in ei­ni­gen Wo­chen den kar­gen Bo­den dar­un­ter frei­ge­ben, auf dem wohl nur noch Moos und Flech­ten wuch­sen. Auch das halb ver­fal­le­ne Stein­ge­bäu­de, das den Über­gang hier krön­te, schi­en we­nig ein­la­dend für eine Rast. Das Dach der Hüt­te war an ei­ner Sei­te be­reits ein­ge­fal­len und der Ein­gang tief ver­schneit.

»Wir soll­ten nicht lan­ge hier oben ver­wei­len«, mein­te der Alte schließ­lich und nahm einen Schluck aus sei­ner Fla­sche.

»Ich bin müde und habe Hun­ger«, pro­tes­tier­te Nik­ko. »Ich brau­che eine Rast.«

»Willst du dich ge­müt­lich in den Schnee set­zen und auf die Nacht war­ten?«, spot­te­te der Greis und be­fahl: »Hier, nimm einen kräf­ti­gen Schluck!«

Tho­ro­dos reich­te Nik­ko sei­ne Fla­sche, der zö­ger­lich dar­an roch. »Was ist denn da drin?«, frag­te er schließ­lich und mach­te kei­ne An­stal­ten, sei­nen Ekel zu ver­ber­gen.

»Trink!«, be­fahl der Alte un­be­ein­druckt. Nik­ko nahm nur ein ver­zag­tes Schlück­chen. Zu sei­ner Über­ra­schung je­doch schmeck­te der In­halt we­sent­lich bes­ser als er stank. Als er das Ge­bräu her­un­ter­schluck­te, spür­te er so­gleich ein an­ge­neh­mes Pri­ckeln, das sei­nen gan­zen Kör­per durch­drang. Nik­ko fühl­te sich ur­plötz­lich ener­gie­ge­la­den, bis in die Ze­hen­spit­zen. Kei­ne Spur mehr von der Mü­dig­keit!

»Nimm noch einen Schluck. So hält die Wir­kung bes­ser«, sag­te der Alte. »Iss et­was dazu.«

»Was ist denn das für ein Zeug?«, frag­te Nik­ko be­geis­tert.

»Gib die Fla­sche her! Ich ar­mer al­ter Mann brau­che sie drin­gen­der als du«, igno­rier­te der Alte die Fra­ge.

Tho­ro­dos ver­stau­te das Ge­fäß in sei­ner Ja­cke und setz­te so­dann sei­nen Marsch un­be­irrt fort. Nik­ko kram­te noch schnell einen Ap­fel aus sei­nem Ruck­sack her­vor, um dann schließ­lich mit neu­er Kraft und Mut im Her­zen dem al­ten Mann zu fol­gen.

We­nigs­tens ein Rät­sel war ge­löst. Kein Wun­der, dass der Alte den schwie­ri­gen Auf­stieg so gut meis­ter­te. Der Trank warf je­doch mehr Fra­gen auf als er be­ant­wor­te­te.

*

Im knie­ho­hen Schnee in der Sen­ke ka­men die Bei­den nur müh­sam vor­an. Nicht nur war es schwie­rig, den Ver­lauf des Pfa­des über­haupt noch aus­zu­ma­chen, der Weg schi­en nach Os­ten hin auch we­ni­ger stark ab­zu­fal­len, was es nur noch un­wahr­schein­li­cher mach­te, dass die Bei­den den Schnee schnell hin­ter sich las­sen wür­den. Tat­säch­lich stieg er nach ei­ner Zeit so­gar wie­der an.

Als die hof­fent­lich letz­te An­hö­he er­klom­men war, bot sich den bei­den Rei­sen­den zum Lohn schließ­lich ein wei­ter Blick hin­un­ter in das Tal im Os­ten. Dies war Hy­mal, das un­be­kann­te Land, über das im Dorf so vie­le Ge­schich­ten er­zählt wur­den. Was sie hier wohl er­war­ten wür­de? Viel konn­te man von hier oben je­doch noch nicht er­ken­nen, denn dort im Os­ten wur­de es lang­sam dun­kel.

»Wir müs­sen aus dem Schnee raus, be­vor es Nacht wird. Also wei­ter!«, dräng­te der Alte schließ­lich und nahm einen wei­te­ren Schluck aus sei­ner Fla­sche.

Der Ab­stieg auf der an­de­ren Sei­te ge­stal­te­te sich je­doch schwie­ri­ger als er­hofft. Zum einen war der Hang auf der Ost­sei­te we­sent­lich stei­ler. Zum an­de­ren mach­te den Bei­den die zu­neh­men­de Dun­kel­heit mehr und mehr zu schaf­fen. Teil­wei­se ge­lang­ten sie nur halb rut­schend in die Tie­fe. Wie weit sie mitt­ler­wei­le schon vom ei­gent­li­chen Pfad ab­ge­kom­men wa­ren, konn­te Nik­ko nicht ein­mal mehr erah­nen.

*

Schließ­lich hat­ten sie den Schnee doch hin­ter sich las­sen kön­nen und wa­ren wohl auf ei­ner Art Pla­teau ge­lan­det. Genau konn­te Nik­ko es nicht er­ken­nen, denn jetzt war es schon fast völ­lig fins­ter. Nur ein schwa­cher Schim­mer um­kränz­te noch die bi­zar­ren Gip­fel im Wes­ten und ließ sie so in ei­nem un­wirk­li­chen Licht er­schei­nen, wäh­rend im Os­ten ei­ni­ge we­ni­ge Ster­ne den pech­schwar­zen Him­mel nur leicht er­hell­ten.

»Ma­chen wir ein Feu­er?«, frag­te der frös­teln­de Jun­ge schließ­lich in Hoff­nung auf et­was Wär­me, nicht zu­letzt auch, um sei­ne schne­en­as­sen Klei­der und Schu­he trock­nen zu kön­nen, be­vor die Käl­te der Berg­nacht über sie her­ein­brä­che.

»Hast du denn Holz mit­ge­bracht?«, spot­te­te Tho­ro­dos mit ei­nem hei­se­ren La­chen.

Nik­ko schwieg dar­auf­hin nur und schäm­te sich sei­ner Un­be­darft­heit. Nach ei­nem kur­z­en Au­gen­blick kram­te der Alte dann wie­der die selt­sa­me Fla­sche aus sei­ner Ja­cke her­vor und reich­te sie dem Jun­gen.

»Hier, nimm einen klei­nen Schluck da­von«, mein­te er dann mit lieb­li­cher Stim­me, fast so, als woll­te er sich für das ge­mei­ne La­chen ent­schul­di­gen.

Nik­ko glaub­te na­tür­lich, es wür­de sich wie­der um den Stär­kungs­trank han­deln und nahm gie­rig einen kräf­ti­gen Schluck. Ein großer Feh­ler, wie sich so­gleich zeig­te! Wie Feu­er brann­te es in sei­nem Mund. Der ent­setz­li­che Schmerz brei­te­te sich in sei­nem gan­zen Kör­per aus und nahm ihm die Luft. Mit trä­nen­den Au­gen, hus­tend und pa­nisch nach Luft jap­send, glaub­te sich Nik­ko schon dem Tode nah. Es schi­en nur noch die Fra­ge, ob er erst ver­bren­nen oder er­sti­cken wür­de!

Ei­nen kur­z­en Au­gen­blick spä­ter, der dem ge­quäl­ten Jun­gen je­doch wie eine Ewig­keit vor­kam, war der Schmerz dann plötz­lich vor­über. Schnell er­hol­te er sich und stell­te er­staunt fest, dass nun­mehr eine an­ge­neh­me Wär­me sei­nen Kör­per er­füll­te, die sich lang­sam bis in die Fin­ger­spit­zen aus­brei­te­te, und dann so­gar bis in die Ze­hen.

»Ei­nen klei­nen Schluck hat­te ich ge­sagt«, kom­men­tier­te der Alte kopf­schüt­telnd. »Gib her, ich brau­che auch et­was da­von!«

»Was war denn das für ein Ge­bräu?«, frag­te Nik­ko und reich­te dem Al­ten die Fla­sche.

»Ver­such, et­was Schlaf zu fin­den. Die Wir­kung hält nur we­ni­ge Stun­den«, igno­rier­te Tho­ro­dos er­war­tungs­ge­mäß die Fra­ge und nahm selbst einen klei­nen Schluck.

*

Für Nik­ko war es eine sehr un­ru­hi­ge Nacht. Nicht nur bohr­ten sich Ge­röll und Kie­sel­stei­ne un­er­bitt­lich in sein Fleisch, so­gar durch bei­de De­cken, die er auf dem kar­gen Bo­den aus­ge­brei­tet hat­te. Ihm war auch un­er­träg­lich heiß. Er hat­te wohl einen deut­lich zu großen Schluck aus der Fla­sche mit dem Feu­er­trank ge­nom­men! Trotz der nacht­kal­ten Ber­g­luft, die ge­le­gent­lich von ei­si­gem Wind durch­setzt war, schwitz­te Nik­ko fürch­ter­lich. Schlaf fand er nur we­nig in die­ser Nacht, in der er sich mehr als nur ein­mal frag­te, ob er nicht bes­ser hät­te zu Hau­se blei­ben sol­len. We­nigs­tens hat­te ihn dort im­mer sein wei­ches Bett er­war­tet.

Als sich dann lang­sam ein ers­ter Licht­schein um die schrof­fen Gip­fel im Os­ten leg­te, war die Wir­kung des Tranks längst ver­gan­gen. Vor­her nass­ge­schwitzt, zit­ter­te Nik­ko nun in der klam­men Ber­g­luft. Die De­cken mitt­ler­wei­le um sich ge­wi­ckelt, saß er auf dem kal­ten Bo­den und hoff­te, die Son­ne wür­de sich bald über die Fel­sen er­he­ben, um Licht und Wär­me in das Tal zu tra­gen. Wie­der sehn­te er sich nach sei­nem war­men Bett auf dem Hof, der ihm in die­sem Mo­ment weit we­ni­ger ver­hasst er­schi­en, als noch am Tag zu­vor. Fast tö­richt kam ihm die gan­ze Rei­se vor und fra­gen muss­te er sich, was er ei­gent­lich hier zu su­chen hat­te, in den un­wirt­li­chen Ber­gen des ge­fähr­li­chen Hy­mals. Vi­el­leicht ge­hör­te er ja doch ins hei­mat­li­che Dorf.

We­nig spä­ter, jetzt stand die blass­ro­te Son­nen­schei­be ge­nau im Tal und er­laub­te einen dif­fu­sen Blick nach Os­ten, er­wach­te auch Tho­ro­dos aus sei­nem tie­fen Schlaf.

»Nimm noch einen Schluck. Aber dies­mal einen klei­nen«, sag­te er zu Nik­ko und reich­te ihm den Feu­er­trank. Of­fen­bar hat­te der Alte be­merkt, wie Nik­ko mit den Zäh­nen klap­per­te. Es ging ihm so­fort viel bes­ser, als sich das flüs­si­ge Feu­er in sei­nem kal­ten Kör­per aus­brei­te­te. Mit der Wär­me kehr­te auch die ver­lo­re­ne Zu­ver­sicht zu­rück und das Lei­den der letz­ten Nacht war schnell ver­ges­sen. Zwei­fel wi­chen nun wie­der der Lust aufs große Aben­teu­er.

Trotz­dem stell­te der Jun­ge be­sorgt fest, wie klamm sei­ne Sa­chen noch wa­ren. Es war schließ­lich nur eine Fra­ge der Zeit, bis der Trank wie­der an Wir­kung ver­lie­ren wür­de. So konn­te Nik­ko nur hof­fen, ihr Weg wür­de sie bald schon in wär­me­re Ge­fil­de füh­ren.

»Wir müs­sen war­ten, bis es hel­ler ist«, un­ter­brach der Greis sei­ne Ge­dan­ken. »Ich kann den Weg noch nicht er­ken­nen. Iss et­was, Jun­ge!«

Nik­ko würg­te schnell et­was tro­ckenes Brot her­un­ter und ge­noss auch einen der Äp­fel. Die Würs­te woll­te er sich lie­ber für spä­ter auf­he­ben. Schließ­lich wür­den die­se sich noch vie­le Tage hal­ten. Wie lan­ge sie wohl un­ter­wegs sein wür­den, frag­te er sich in die­sem Mo­ment und hoff­te, dass er über­haupt ge­nug Pro­vi­ant da­bei hat­te. Da er­in­ner­te er sich an das klei­ne Päck­chen, das ihm die Mut­ter noch zu­ge­steckt hat­te. Schnell fand er es in sei­ner Ta­sche. Ei­ni­ge Stücke gu­tes Pö­kel­fleisch wa­ren dar­in und so­gar ein Säck­chen vol­ler Kup­fer­mün­zen. Da­mit hat­te sich sei­ne Ver­sor­gungs­la­ge deut­lich ver­bes­sert. Ob sich für das Geld noch Ver­wen­dung fän­de, wür­de die Zu­kunft wohl zei­gen.

*

Nach ei­ni­ger Zeit stand die gol­de­ne Son­ne dann schon über den Fel­sen im Süd­os­ten und Nik­ko konn­te sich ein we­sent­lich bes­se­res Bild vom Tal ma­chen. Tat­säch­lich war die Pass­stra­ße nur einen Stein­wurf ent­fernt von ih­nen, un­ter dem klei­nen Pla­teau. Wie er den Rutsch­spu­ren am Hang ent­neh­men konn­te, hat­ten sie den Weg beim gest­ri­gen Ab­stieg je­doch um ei­ni­ges ver­fehlt. Er konn­te die Ser­pen­ti­nen des ei­gent­li­chen Pfa­des ein gu­tes Stück in ei­ner Fels­wand im Nord­wes­ten er­ken­nen.

Ein Blick nach Os­ten zeig­te ein lan­ges Tal, wel­ches sich nach hin­ten lang­sam ver­brei­ter­te. Das Tal war noch mit weißem Mor­gen­ne­bel ge­füllt, aus dem zu bei­den Sei­ten schrof­fe Fels­wän­de her­aus­rag­ten. Nach Nor­den hin reih­ten sich un­zäh­li­ge schnee­be­deck­te Gip­fel an­ein­an­der. Nach Sü­den hin schie­nen die Ber­ge hin­ge­gen sanf­ter zu wer­den. Weit im Süd­os­ten konn­te der er­staun­te Jun­ge et­was er­spä­hen, was er noch nie ge­se­hen hat­te. Eine wei­te Ebe­ne bis zum Ho­ri­zont, wo sie mit dem Him­mel zu ver­schmel­zen schi­en.

»Wir soll­ten jetzt wei­ter«, mein­te Tho­ro­dos schließ­lich. »Nach ei­ner wei­te­ren Nacht hier oben ist mir wahr­lich nicht.«

»Wo­hin ge­hen wir ei­gent­lich?«, trau­te sich Nik­ko zu fra­gen, ob­wohl er wuss­te, wie sel­ten der ver­schlos­se­ne Alte Fra­gen be­ant­wor­te­te.

»Wir wer­den die Ex­pe­di­ti­on des Fürs­ten fin­den«, über­rasch­te Tho­ro­dos. »Sie ha­ben si­cher­lich einen Au­ßen­pos­ten un­weit des Pas­ses eta­bliert. Jetzt aber ge­nug ge­quatscht!«

Nik­ko schwang sich sei­ne Ta­sche und Tho­ro­dos’ schwe­ren Ruck­sack über, den er seit ges­tern Mor­gen ge­tra­gen hat­te, und folg­te dem al­ten Mann, der schon ziel­stre­big auf den Pfad un­ter­halb des Pla­te­aus zu­steu­er­te.

*

Von hier an ver­lief ihre Rei­se nun we­sent­lich an­ge­neh­mer. Der Pfad hat­te nur eine ge­rin­ge Stei­gung und bald leg­te sich ein Tep­pich aus saf­ti­gem Gras über das Ge­röll. Die Luft war wohl­tu­end frisch und je tiefer der Weg das Tal hin­un­ter führ­te, de­sto mehr wich die Ber­ge­s­käl­te ei­ner woh­li­gen Früh­lings­wär­me. Am spä­ten Vor­mit­tag hat­te sich dann der Ne­bel gänz­lich aus dem Tal ver­zo­gen und die bei­den Wan­de­rer konn­ten die Strah­len der Son­ne auf ih­ren Ge­sich­tern ge­nie­ßen. In den Gras­tep­pich hat­ten sich nun­mehr auch ver­ein­zel­te Sträu­cher und Bü­sche ge­mischt, von de­nen vie­le schon in fri­schen Far­ben blüh­ten. Es schi­en, als sei der Früh­ling hier auf der an­de­ren Sei­te der Ber­ge schon deut­lich wei­ter ge­die­hen.

*

Fast ver­ges­sen schie­nen Nik­ko die un­glaub­li­chen Stra­pa­zen des ver­gan­ge­nen Ta­ges. Letz­te Zwei­fel an der Rei­se, wie er sie in der schlaflo­sen Nacht noch viel­fach ge­habt hat­te, wa­ren nun gänz­lich un­ge­trüb­ter Zu­ver­sicht ge­wi­chen.

Ge­gen Mit­tag wa­ren die bei­den Rei­sen­den tief ge­nug im Tal, so dass sich ver­ein­zelt so­gar Bäu­me in die nun üp­pi­ge Flo­ra misch­ten. Der Pfad folg­te jetzt dem Ver­lauf ei­nes mal sanft plät­schern­den, mal wild strö­men­den Ba­ches, den zu­wei­len wei­te­re Quel­len speis­ten. Das Tal hat­te sich merk­lich ver­brei­tert und die Fels­wän­de zu bei­den Sei­ten wa­ren grü­nen Hü­geln ge­wi­chen.

Nach ei­ni­ger Zeit er­reich­ten die bei­den Rei­sen­den schließ­lich eine klei­ne Sen­ke, in der sich ei­ni­ge Bäu­me zu ei­ner Grup­pe zu­sam­men­ge­fun­den hat­ten. Die Kuh­le lag gut ge­schützt zwi­schen der Stra­ße und dem da­hin­flie­ßen­den Ge­wäs­ser. Ein gu­ter Platz für eine Rast, dach­te wohl nicht nur Nik­ko, denn der Alte, der im­mer noch vor­aus­ging, mach­te plötz­lich Halt.

»Eine klei­ne Rast ha­ben wir uns wohl ver­dient«, mur­mel­te der Greis und setz­te sich in das wei­che Gras. Nik­ko tat es ihm dank­bar gleich.

*

Es wur­de schon lang­sam dun­kel, als Nik­ko auf­wach­te. Er muss­te wohl ein­ge­schla­fen sein. Zu sehr hat­te ihm die we­nig er­hol­sa­me Nacht doch noch in den Kno­chen ge­steckt. Hof­fent­lich war ihm Tho­ro­dos des­halb nicht böse. Der alte Mann je­doch saß fried­lich am Was­ser und schi­en tief in Ge­dan­ken ver­sun­ken.

Nik­ko streck­te sich aus­gie­big, um wie­der Le­ben in sei­ne stei­fen Glie­der zu brin­gen. Wie gut wäre jetzt doch ein er­qui­cken­des Bad. Da­für hat­te es sich al­ler­dings schon zu sehr ab­ge­kühlt. Trotz­dem zog er die Stie­fel aus und wa­te­te bar­fuß in den Bach. Das küh­le Nass emp­fand er als wohl­tu­end und er­fri­schend, wie es die von der Wan­de­rung ge­schun­de­nen Füße sanft um­spül­te und ihn lieb­lich zwi­schen den Ze­hen kit­zel­te.

»Aus­ge­schla­fen?«, frag­te Tho­ro­dos kühl. »Wir wer­den hier über­nach­ten. Wer weiß, ob wir ein bes­se­res Plätz­chen fin­den, be­vor es dun­kel wird.«

Das hör­te Nik­ko nur zu gern. Jetzt erst merk­te er auch, wie ihm der Ma­gen knurr­te. Dies­mal gönn­te er sich nicht nur Brot und einen Ap­fel, son­dern ent­schied sich, auch et­was Wurst und Pö­kel­fleisch dazu zu ge­nie­ßen. Zu wohl fühl­te er sich in die­sem Au­gen­blick, um sich die gute Lau­ne durch all­zu kar­ge Kost ver­der­ben zu las­sen. Ei­ni­ge Schlu­cke aus dem kris­tall­kla­ren Bach krön­ten sein Abend­mahl.

Mit vol­lem Ma­gen und gu­ter Din­ge frag­te er sich dann, ob sie ihr Ziel wohl mor­gen er­rei­chen wür­den. Viel Lust, noch wei­te­re Tage auf der Stra­ße zu ver­brin­gen, ver­spür­te der Jun­ge näm­lich nicht. Der Alte schi­en je­doch selbst nicht zu wis­sen, wo­hin ge­nau der Weg sie füh­ren wür­de.

*

We­nig spä­ter hat­te es sich wei­ter ab­ge­kühlt. Tat­säch­lich sah es nun so aus, als wür­de es eine fri­sche Nacht wer­den.

»Such et­was Brenn­holz, Jun­ge!«, be­fahl Tho­ro­dos plötz­lich und füg­te hin­zu: »Geh si­cher, dass es tro­cken ist.«

Nik­ko emp­fand die Aus­sicht auf ein wär­me­n­des Feu­er als äu­ßerst ver­lo­ckend und mach­te sich so­gleich auf die Su­che nach tro­ckenem Rei­sig. Auf dem Bo­den konn­te er al­ler­dings nur mod­ri­ge Äste fin­den. Of­fen­bar hat­te es hier in den ver­gan­ge­nen Ta­gen viel ge­reg­net. Da blieb ihm we­nig üb­rig, als sich tiefer in die Bü­sche zu schla­gen, um dort fri­sche Zwei­ge zu bre­chen.

»Ein wahr­lich selt­sa­mes Plätz­chen habt Ihr euch da er­wählt, al­ter Mann«, hör­te er plötz­lich eine frem­de Stim­me sa­gen.

So­gleich dreh­te sich der Jun­ge um und ging dann vor­sich­tig zu­rück in Rich­tung des La­gers.

»Wo­hin des We­ges?«, fuhr die Stim­me fort, um dann zu spot­ten: »Man könn­te fast mei­nen, Ihr wärt auf der … Flucht?«

Nik­ko konn­te das La­ger jetzt gut ein­se­hen. Ein großer Mann mit schma­lem Ge­sicht und lo­ckig brau­nem Haar, ge­klei­det in eine schwar­ze Robe mit ro­ten Sti­cke­rei­en, mus­ter­te Tho­ro­dos.

»Es ent­sprä­che den gu­ten Ge­pflo­gen­hei­ten, sich zu­nächst vor­zu­stel­len«, ant­wor­te­te der Alte schließ­lich in al­ler Ruhe.

»Mein Name ist un­wich­tig, Tho­ro­dos. Al­lein, wes­halb ich hier bin, soll Euch in­ter­es­sie­ren«, ent­geg­ne­te der schwarz­ge­kut­te­te Mann.

»Meis­ter Tho­ro­dos!«, kor­ri­gier­te der Alte scharf. »So viel Zeit muss sein. Also, was wollt Ihr?«

»Meis­ter? Den Ti­tel habt Ihr längst ver­wirkt, Apo­stat!«, gif­te­te der Frem­de.

»We­der Ihr, noch der Rat ha­ben das Recht, einen Meis­ter­ti­tel wie­der zu ent­zie­hen. Das soll­tet Ihr ei­gent­lich wis­sen«, be­lehr­te Tho­ro­dos kühl.

»Recht hat man nicht, Recht nimmt man sich!«, lach­te der Mann, um dann wei­ter zu spot­ten: »Aber der Rat ist si­cher be­reit, Euch in die­ser … An­ge­le­gen­heit an­zu­hö­ren. In der Tat, wie mir zu Ohren kam, hat er großes Be­dürf­nis nach Eu­rer … Ge­sell­schaft oder nach Eu­rem … Tod. Die Ent­schei­dung liegt al­lein bei Euch.«

»Eine ein­fa­che Ent­schei­dung«, lach­te Tho­ro­dos und fi­xier­te den frem­den Mann dann mit fins­te­rem Blick.

»Oh, welch großen Ge­fal­len Ihr mir da­mit doch tut!«, freu­te sich die­ser. »Apo­staten ih­rer le­gi­ti­men Stra­fe zu­zu­füh­ren, ist mir eine mehr als an­ge­neh­me Pf­licht. Ein Pri­vi­leg so­gar, wür­de man mei­nen. Aber an Euch wer­de ich be­son­de­re Freu­de ha­ben.«

»Ihr sprecht von Recht?«, lach­te Tho­ro­dos bit­ter.

»Ho­ca­tin kann Euch nicht län­ger schüt­zen, Ver­rä­ter«, fuhr der Mann mit jetzt ge­reiz­ter Stim­me fort. »Lei­der muss ich Euch ein letz­tes Mal fra­gen, ob Ihr frei­wil­lig kommt. Also?«

»Nie­mals!«, bell­te der Alte. »Ich hof­fe für Euch, der Rat hat je­man­den ge­schickt, der … weiß, was er tut.«

»Ihr lang­weilt mich, al­ter Mann«, maul­te der Frem­de und fuhr dann ernst­haft fort: »Ich neh­me an, Ihr habt nicht ver­ges­sen, wie man sich eh­ren­voll du­el­liert?«

»Mit­nich­ten«, sag­te Tho­ro­dos mit star­ker Stim­me. »Auch wenn ich mich wohl wun­dern muss, dass das Wort Ehre in Eu­rem Wort­schatz über­haupt einen Platz ge­fun­den hat.«

Nik­ko war wie fest­ge­wach­sen, als er die Bei­den be­ob­ach­te­te. Zu ver­wirrt war er, um sich über­haupt zu fra­gen, was hier ge­ra­de ge­sch­ah. Die bei­den Män­ner stan­den sich nun di­rekt ge­gen­über und hiel­ten die Hän­de je­weils vor sich, als ob sie et­was ges­ti­ku­lier­ten woll­ten.

»Be­reit?«, frag­te der schwarz­ge­klei­de­te Frem­de.

Jetzt ging al­les sehr schnell. Nik­ko hör­te ein ent­fern­tes Kli­cken! Ein Sur­ren! Dann ein dump­fer Ton. Tho­ro­dos sack­te so­gleich mit ei­nem ge­quäl­ten Stöh­nen in sich zu­sam­men, als ob der letz­te Le­bens­hauch aus ihm ent­wich! Der ent­setz­te Jun­ge hielt sich die Hand fest vor sei­nen Mund, um einen lau­ten Auf­schrei im Kei­me zu er­sti­cken. Mit großen schreck­er­füll­ten Au­gen starr­te er auf den Platz, wo Tho­ro­dos jetzt lag und eine rote Blut­la­che lang­sam un­ter ihm her­vor­quoll.

»Al­ter Narr!«, lach­te der Frem­de laut.

Dann ge­sell­ten sich drei wei­te­re Fi­gu­ren zu ihm. Alle drei wa­ren dun­kel ge­klei­det, je­doch nicht in Ro­ben, son­dern in Le­der und Lei­nen. Ei­ner trug eine große Schuss­waf­fe, ei­nem Bo­gen ähn­lich, nur quer­lie­gend. Die an­de­ren Bei­den hat­ten lan­ge Mes­ser.

»Wo ist der An­de­re?«, frag­te ei­ner der Män­ner eis­kalt.

Nik­ko stock­te der Atem, als er fest­stell­te, dass sich die Fra­ge wohl auf ihn be­zog. Er wuss­te nicht, ob er jetzt nicht um sein Le­ben ren­nen muss­te. Je­doch war er noch im­mer wie ver­stei­nert.

»Egal«, mein­te der Mann in der Robe un­be­ein­druckt. »Macht euch fer­tig für den Rück­trans­port.«

»Meis­ter, wir soll­ten kei­ne Zeu­gen am Le­ben las­sen«, pro­tes­tier­te ei­ner der an­de­ren Män­ner. Ein fins­te­rer Blick ließ ihn je­doch so­fort ver­stum­men.

Der Mann in der Robe hol­te dann einen Beu­tel aus sei­nen Klei­dern her­vor und ver­streu­te mit großer Sorg­falt ein wei­ßes Pul­ver um den gan­zen La­ger­platz her­um. Schließ­lich be­deu­te­te er der Grup­pe, sich in­ner­halb der Mar­kie­rung zu ver­sam­meln. Er ge­sell­te sich so­dann zu ih­nen und ges­ti­ku­lier­te et­was mit sei­nen Ar­men. Ge­nau­e­res konn­te Nik­ko nicht er­ken­nen, da der Frem­de ihm nun­mehr den Rücken zu­kehr­te. Plötz­lich je­doch, von ei­nem Au­gen­blick auf den an­de­ren, war die gan­ze Grup­pe ein­fach ver­schwun­den, als ob sie sich in Luft auf­ge­löst hät­te!

Wie lan­ge Nik­ko ver­stei­nert da stand, ohne sich zu rüh­ren, wuss­te er nicht. Nach ei­ner Zeit je­doch er­wach­te er kurz aus sei­ner Star­re und be­gab sich wie in Tran­ce zum La­ger­platz. Es war jetzt dun­kel und eis­kalt, aber er konn­te nicht klar den­ken. So setz­te er sich kau­ernd nie­der und starr­te hilf­los in die Wei­te, die fast so fins­ter schi­en, wie das schwar­ze Loch in sei­nem Kopf, das alle Ge­dan­ken ver­schluck­te.

Drittes Kapitel: Schrecken ohne Ende

Am nächs­ten Mor­gen er­wach­te Nik­ko mit fürch­ter­li­chen Kopf­schmer­zen aus sei­ner Be­nom­men­heit und ver­spür­te Schüt­tel­frost. Der zit­tern­de Jun­ge fühl­te sich elend, kör­per­lich wie see­lisch. Wirr war es in sei­nem Kopf, der ihn mit dump­fem Po­chen fol­ter­te. Kaum einen kla­ren Ge­dan­ken konn­te er so fas­sen.

Es war schon recht hell und so sah er mit et­was Er­leich­te­rung, dass we­nigs­tens sei­ne Ta­sche und auch der Ruck­sack noch da wa­ren. Schnell hol­te er sei­ne bei­den De­cken her­vor und ku­schel­te sich fest dar­in ein, was zu­min­dest ge­gen die Käl­te half. Auch er­fuhr er so ein klein­we­nig Ge­bor­gen­heit in der er­bar­mungs­lo­sen Frem­de. Lan­ge noch saß er so fast reg­los da und starr­te sinn­los ins große Nichts.

Ei­ni­ge Zeit spä­ter dann, nach ei­nem lust­lo­sen Früh­stück, das ihm kaum mun­den woll­te, fühl­te er sich schließ­lich et­was bes­ser, war aber im­mer noch wie in ei­ner dump­fen Tran­ce. So ging er zum Bach und wusch sich das Ge­sicht mit dem eis­kal­ten Berg­was­ser, um end­lich wie­der klar zu wer­den.