Der Hexer von Hymal, Buch VI: Die Festung im Feindesland - N. Bernhardt - E-Book

Der Hexer von Hymal, Buch VI: Die Festung im Feindesland E-Book

N. Bernhardt

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Beschreibung

Die Fortsetzung des Fantasy-Epos. Wieder einmal Hymal, doch diesmal voller Erwartungen. Eine eigene Burg und dazu auch noch ein hohes Amt am Hofe. Schöne Aussichten eigentlich. Doch warten zunächst noch viele Widrigkeiten. Orks sind da nicht einmal das größte aller Übel, die den jungen Zauberer hier plagen. Schnell wird das neue Heim zur Festung im Feindesland. Null Papier Verlag

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N. Bernhardt

Buch VI: Die Festung im Feindesland

Der Hexer von Hymal

N. Bernhardt

Buch VI: Die Festung im Feindesland

Der Hexer von Hymal

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 2. Auflage, ISBN 978-3-954183-27-2

www.null-papier.de/hymal

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel: Genau ein Jahr

Zwei­tes Ka­pi­tel: Ganz al­lein im neu­en Heim

Drit­tes Ka­pi­tel: Ein jäm­mer­li­ches Dut­zend

Vier­tes Ka­pi­tel: Zwei­fa­ches Wie­der­se­hen

Fünf­tes Ka­pi­tel: Zwei­te Front

Sechs­tes Ka­pi­tel: Ein schlecht ge­laun­ter Gast

Sieb­tes Ka­pi­tel: Ein fol­gen­schwe­rer Rat

Aus­blick

Wie­der ein­mal Hy­mal, doch dies­mal vol­ler Er­war­tun­gen. Eine ei­ge­ne Burg und dazu auch noch ein ho­hes Amt am Hofe. Schö­ne Aus­sich­ten ei­gent­lich.

Doch war­ten zu­nächst noch vie­le Wi­d­rig­kei­ten. Orks sind da nicht ein­mal das größ­te al­ler Übel, die den jun­gen Zau­be­rer hier pla­gen. Schnell wird das neue Heim zur Fes­tung im Fein­des­land.

Website

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur Rei­he und zum Au­tor fin­den Sie un­ter:

hy­mal.info

Erstes Kapitel: Genau ein Jahr

Es war jetzt spä­ter Früh­ling, also ziem­lich ge­nau ein Jahr nach­dem Nik­ko mit Tho­ro­dos los­ge­zo­gen war. Nie hät­te sich der Jun­ge da­mals aus­ma­len kön­nen, was ihn auf die­ser Rei­se so al­les er­war­ten wür­de. Nie hät­te er erah­nen kön­nen, welch un­ge­ahn­te Kräf­te in ihm ver­bor­gen la­gen. Ein Jahr vol­ler Aben­teu­er, vol­ler Schre­cken. Aber auch vol­ler Mög­lich­kei­ten. Höchs­te Zeit, die Chan­cen wei­ter zu nut­zen!

Der Schnee hat­te sich ja schon in die hö­he­ren La­gen zu­rück­ge­zo­gen und die Stra­ße aus dem Tal her­aus nach Vyl­rah­do so wie­der pas­sier­bar ge­macht. Der Jun­ge brann­te dar­auf, sich end­lich auf den Weg zu ma­chen. Schließ­lich war­te­te nicht nur sei­ne Burg auf der an­de­ren Sei­te des Pas­ses. Er konn­te es auch kaum er­war­ten, Fy­dal wie­der­zu­se­hen und ihm die gu­ten Nach­rich­ten von des­sen Kür zum neu­en Fürs­ten von Ho­ca­tin zu über­brin­gen.

Der Win­ter war dem Jun­gen da­bei wie im Flu­ge ver­gan­gen. Schließ­lich hat­te sich der Ne­kro­mant im­mer wie­der Zeit ge­nom­men, sei­nen eif­ri­gen Schü­ler wei­ter zu un­ter­rich­ten. So hat­te Nik­ko es so­gar ge­schafft, ein wan­deln­des Ske­lett zu er­schaf­fen. Auch an ein­fa­che­re Be­schwö­run­gen hat­te der Graf ihn her­an­ge­führt.

Mit all die­sem si­nis­te­ren Wis­sen wähn­te sich Nik­ko im Vor­teil ge­gen­über dem Or­den. Die Aus­sa­ge des Dä­mo­nen Faza hat­te ja klar­ge­macht, dass es nur noch eine Fra­ge der Zeit war, bis die Fet­zen flie­gen wür­den. Der Eine zu sein, der alle be­herrscht. Das konn­te doch nur hei­ßen, dass der Her­zog von Khond­harr über kurz oder lang alle an­de­ren Zau­be­rer be­sei­ti­gen woll­te.

Über­haupt hat­te der Adept flei­ßig ge­übt und strotz­te jetzt vor Selbst­ver­trau­en. Er war auf bes­tem Wege, ein mäch­ti­ger Zau­be­rer zu wer­den. Wenn es so wei­ter gin­ge, wäre er wohl bald schon für die Meis­ter­prü­fung be­reit. Doch wo und bei wem er die­se über­haupt ab­le­gen soll­te, war na­tür­lich eine ganz an­de­re Fra­ge.

So­gar als Pe­ryn­dor plötz­lich wie­der da ge­we­sen war, hat­te der Jun­ge sei­nen Un­ter­richt beim Gra­fen nicht auf­ge­ge­ben. Zwar schi­en der Erz­ma­gier we­nig be­geis­tert von Nik­kos neu­em Leh­rer. Aber den Ne­kro­man­ten all­zu of­fen zu kri­ti­sie­ren, wag­te der Alte nicht mehr. Über den In­halt der Lek­tio­nen des Gra­fen hat­te der Jun­ge mit dem Groß­meis­ter auch kein ein­zi­ges Mal ge­spro­chen. Wahr­schein­lich wuss­te auch Pe­ryn­dor, dass die­ses The­ma oh­ne­hin nur zu Ver­stim­mun­gen füh­ren wür­de.

Das Ver­hält­nis zum Al­ten war aber so­wie­so ge­trübt. Der Adept ver­übel­te ihm noch im­mer sei­ne lan­ge Ab­we­sen­heit. Zwar war er durch­aus froh ge­we­sen, eine Wei­le lang Ruhe vor dem al­ten Zau­be­rer ge­habt zu ha­ben. Doch was hat­te sich der Kerl ei­gent­lich da­bei ge­dacht, ein­fach so zu ver­schwin­den und auch noch das Buch des Tho­ro­dos mit­zu­neh­men? Dass Pe­ryn­dor sich über sei­ne lan­ge Rei­se dazu noch aus­schwieg, nerv­te den Jun­gen. We­nigs­tens das Buch hat­te der Alte ihm letzt­lich zu­rück­ge­ge­ben.

So freu­te es Nik­ko auch, dass Pe­ryn­dor zu­nächst in Skingár blei­ben woll­te. Schließ­lich hät­te er nur un­gern die vie­len Tage der Rei­se zur Burg Hal­fuár mit dem Erz­ma­gier ver­bracht.

Der Groß­meis­ter hat­te dem Jun­gen je­doch die Bau­plä­ne für einen Tele­por­traum mit­ge­ge­ben und dazu auch einen prä­pa­rier­ten An­ker­stein. Der Stein trug ein ein­zig­ar­ti­ges Tele­port­mus­ter in sich, mit dem sich je­der Ma­gier, dem es be­kannt war, zur ge­nau­en Po­si­ti­on des Steins tele­por­tie­ren konn­te. So­bald der Tele­por­traum fer­tig wäre, woll­te der Alte dann auch selbst nach Hal­fuár kom­men.

Nach vie­len Ab­schieds­wor­ten hat­te Nik­ko das Dorf Skingár nun hin­ter sich ge­las­sen. Ihn be­glei­te­te sein un­to­ter Die­ner, der vom Gra­fen mit ei­ner ein­fa­chen Le­der­rüs­tung ver­se­hen war und dazu ein Kurz­schwert trug. Die Klin­ge war zwar ros­tig und vol­ler Schar­ten. Aber so­lan­ge sie in der Schei­de steck­te, sah man dies ja nicht. Der Un­to­te, auf des­sen Rüs­tung das Wap­pen Skingárs prang­te, gab so je­den­falls das Bild ei­nes gräf­li­chen Krie­gers ab. Au­ßer­dem konn­te der wil­len­lo­se Kerl das gan­ze Ge­päck schlep­pen.

Auch da­bei war Nik­kos un­to­te Rat­te. Ir­gend­wie hat­te er das Tier mitt­ler­wei­le lieb­ge­won­nen. Es war ja auch sein Erst­lings­werk als Ne­kro­mant und soll­te ihm fort­an als Glücks­brin­ger die­nen.

So wan­der­te die Grup­pe die fich­ten­ge­säum­te Stra­ße nach Vyl­rah­do ent­lang. Schnell ka­men sie zwar nicht vor­an, da der un­to­te Die­ner eher schlurf­te als ging. Aber Nik­ko war das egal. Er ge­noss lie­ber den Duft des Früh­lings und das Rau­schen des Ge­birgs­bachs, dem der Weg das Tal hin­ab folg­te. Ja, das al­les fühl­te sich nach der Hei­mat an, die er bald schon wie­der­se­hen wür­de.

Nur eine kur­ze Mit­tags­pau­se mach­ten sie. Ob­wohl Nik­ko der Ein­zi­ge war, der über­haupt Er­ho­lung und ein Mahl brauch­te. Sei­ne Beglei­ter ent­zo­gen der Um­ge­bung die Ener­gie, um ihre Le­bens­mus­ter auf­recht zu er­hal­ten. An die schau­ri­ge Käl­te in ih­rer Ge­gen­wart hat­te sich der Jun­ge al­ler­dings schon längst ge­wöhnt.

Es war dann doch schon spä­ter Abend, als sie end­lich den Gast­hof er­reich­ten. Sehr schnell wa­ren sie ja nicht vor­an­ge­kom­men. Hof­fent­lich war so spät über­haupt noch ein Zim­mer frei, bang­te Nik­ko, der ja wuss­te, dass sich auch ei­ni­ge Rit­ter in Vyl­rah­do ein­ge­mie­tet hat­ten, wie wohl auch jede Men­ge an­de­re Flücht­lin­ge aus Ho­ca­tin.

Das Gast­haus war tat­säch­lich völ­lig über­füllt. So vie­le Gäs­te hat­te der Jun­ge hier noch nie er­lebt. Ob­wohl die Leu­te sich im Gas­traum schon fast auf die Füße tram­pel­ten, mach­ten sie dem Adep­ten den­noch re­spekt­voll Platz, als die­ser auf den Wirt beim Tre­sen zu­steu­er­te. Nik­ko fühl­te sich na­tür­lich sehr ge­schmei­chelt und konn­te sich ein über­le­ge­nes Grin­sen nicht ver­weh­ren.

»Was darf es denn sein, Herr?«, he­chel­te der schnauz­bär­ti­ge Kerl, der viel­leicht noch nie in sei­nem Le­ben so vie­le Gäs­te zu ver­sor­gen hat­te. Er­kann­te er den Jun­gen ei­gent­lich wie­der?

Noch be­vor Nik­ko über­haupt ant­wor­ten konn­te, mach­te der Wirt plötz­lich einen sehr ver­stör­ten Ein­druck und starr­te hin­ter den Adep­ten. Die­ser dreh­te sich dar­auf­hin um und sah, dass die Gäs­te einen ge­büh­ren­den Ab­stand von sei­nem Die­ner hiel­ten. Auch war es jetzt fast völ­lig ru­hig im vor­her so lau­ten Raum. Nur ge­le­gent­li­ches Rau­nen war noch zu ver­neh­men.

Der Un­to­te! Oh je, hät­te er sei­nen Beglei­ter nicht lie­ber drau­ßen las­sen sol­len? Zwar sah man ihm sei­nen Zu­stand nicht an. Aber wie ver­stö­rend muss­te doch des­sen Aura auf die Gäs­te wir­ken. Wa­rum hat­te er dar­an bloß nicht vor­her ge­dacht?! Nun ja, jetzt war es zu spät. Hof­fent­lich wür­de ihm dies kei­nen großen Är­ger ein­brin­gen.

»Ein Zim­mer für die Nacht und ein Abend­mahl«, be­ant­wor­te­te Nik­ko dann die Fra­ge und ver­such­te da­bei zu klin­gen, als ob nichts wäre. »Ich neh­me das Mahl auf dem Zim­mer.«

»Mein Herr, wir sin­d… doch aber… wir ha­ben… kein«, stock­te der Wirt, auf des­sen Stirn sich schon ers­te Schweiß­per­len bil­de­ten, und füg­te ner­vös hin­zu: »Selbst­ver­ständ­lich, der Herr.«

Was war hier ge­ra­de ge­sche­hen? Hat­te der Mann etwa Angst vorm Adep­ten? Nun, Nik­ko trug ja sei­ne blaue Robe, die einen je­den wis­sen ließ, dass er ein Zau­be­rer war. Dazu hat­te er den Lang­stab in der rech­ten Hand be­schwo­ren, auch wenn er ihn nur als Wan­der­stock be­nutz­te. Aber mit dem Kris­tall an sei­ner Spit­ze sah der Stab schon et­was be­droh­lich aus. Dazu dann noch der un­to­te Die­ner mit sei­ner Aura der Käl­te…

Ja, der Wirt hat­te tat­säch­lich Angst vor ihm. So viel Angst, dass er so­gar dem Wunsch nach ei­nem Zim­mer ent­sprach, ob­wohl er wohl völ­lig aus­ge­bucht war.

Mit ei­nem blo­ßen Ni­cken quit­tier­te Nik­ko das An­ge­bot des Wirts und setz­te sich auf einen Stuhl, der ganz plötz­lich frei wur­de. Mit ge­spiel­ter Höf­lich­keit zo­gen sich auch die an­de­ren Gäs­te vom Tisch zu­rück. Der Adept saß dort nun ganz al­lein, un­ter den ver­stör­ten Bli­cken der an­de­ren Be­su­cher.

Re­spekt hat­te der Jun­ge ja schon vor­her er­lebt. Aber die­ses Maß an Angst hat­te er noch nie ver­brei­tet. Nicht ein­mal da­mals in Te­rys, als er die miss­traui­schen Wa­chen am Re­gie­rungs­vier­tel mit dem Blitz­stab be­droht hat­te. Er konn­te gar nicht sa­gen, ob er sich in die­ser Rol­le ge­fiel. Zu über­rascht war er selbst.

Doch sehr wohl fühl­te er sich nicht in die­sem Au­gen­blick, der nie zu en­den schi­en. Die Bli­cke der Gäs­te, wie sie ihn ohne Un­ter­lass durch­bohr­ten, wa­ren kaum noch zu er­tra­gen. Hof­fent­lich kam bald je­mand, ihn auf sein Zim­mer zu ge­lei­ten!

End­lich al­lein! Nik­ko war im sel­ben Zim­mer ge­lan­det, wie da­mals mit Da­nu­wil und spä­ter mit Fy­dal. Es war wohl auch das ein­zi­ge Zim­mer für die ge­ho­be­ne Ge­sell­schaft. Wel­cher der Rit­ter hier wohl Platz hat­te ma­chen müs­sen?

Un­ter den star­ren Bli­cken sei­nes Die­ners ver­tilg­te der Jun­ge jetzt erst ein­mal das Abend­mahl. Ein fet­ti­ger Wild­schwein­bra­ten und dazu ein großer Krug Dun­kel­bier. So recht mun­den woll­te das Es­sen je­doch nicht. Zu sehr be­schäf­tig­te ihn der Vor­fall un­ten im Gas­traum noch im­mer. Zu sehr hat­ten die Bli­cke ihm den Ap­pe­tit ver­dor­ben. Bli­cke vol­ler Furcht und Schre­cken. Oder war es doch Ab­scheu?

Der Adept dach­te lan­ge nach, muss­te im­mer wie­der den Kopf schüt­teln und manch­mal auch la­chen. Zu bi­zarr kam ihm die Sze­ne un­ten im Gas­traum jetzt vor. Ohne es be­ab­sich­tigt zu ha­ben, hat­te er al­len An­we­sen­den or­dent­lich Angst und Schre­cken ein­ge­flö­ßt. Doch hat­te er da­durch schließ­lich be­kom­men, was er woll­te. Wer wuss­te schon, wo er sonst hät­te näch­ti­gen müs­sen?

Die Bli­cke der Gäs­te wa­ren ihm na­tür­lich un­an­ge­nehm ge­we­sen. Doch ir­gend­wie hat­te er es auch ge­nos­sen, wie sie ihn alle fürch­te­ten. Ei­gent­lich ja auch zu Recht. Er hat­te schließ­lich die Macht, sie alle zu ver­nich­ten. Wa­rum soll­ten sie da nicht Angst vor ihm ha­ben?

Nach­dem das Abend­mahl ge­ges­sen war, blieb dem Jun­gen nichts üb­rig, als schla­fen zu ge­hen. Nach Le­sen oder Üben war ihm ein­fach nicht mehr. Un­ter­hal­ten konn­te er sich ja auch mit nie­man­dem. Zu scha­de, dass man mit dem un­to­ten Die­ner nicht nor­mal re­den konn­te.

Nik­ko brach am nächs­ten Mor­gen sehr früh auf. Für so großes Auf­se­hen wie ges­tern Abend woll­te er lie­ber nicht noch ein­mal sor­gen. Der Wirt war schein­bar der­art froh, sei­nen Gast so schnell wie­der los­zu­wer­den, dass er so­gar auf sei­ne Be­zah­lung ver­zich­te­te.

»Es war mir die höchs­te Ehre, Euch mei­nen Gast ge­nannt zu ha­ben«, war al­les, was er dazu sag­te.

Drau­ßen war es noch recht dun­kel. Die Son­ne hat­te es noch nicht ganz ge­schafft, über die Berg­gip­fel im Os­ten zu stei­gen. Doch ver­sprach der heu­te wol­ken­freie Him­mel eine an­ge­neh­me Wan­de­rung.

So mach­te sich Nik­ko gleich auf den Weg ins Hei­mat­dorf. Ei­nen Weg, den er seit fast ei­nem Jahr nicht mehr be­schrit­ten hat­te. Zwar freu­te sich der Jun­ge, die Fa­mi­lie end­lich wie­der­zu­se­hen, so­gar Gimu. Doch über­leg­te er auch, wie er sich dort ver­hal­ten soll­te. Schließ­lich war un­glaub­lich viel pas­siert, seit er das letz­te Mal zu­hau­se war. Er war jetzt im­mer­hin ein rich­ti­ger Ma­gier, kein dum­mer Bau­ern­jun­ge mehr. Hof­fent­lich wür­de es des­we­gen kei­nen zu großen Är­ger mit Gimu ge­ben.

Eine kur­ze Rast gönn­te sich Nik­ko ge­gen Mit­tag auf dem Pla­teau mit dem Pa­n­ora­ma­blick über der Klamm, wo er schon frü­her kurz halt­ge­macht hat­te. Sehr müde war er zwar nicht, da es mit dem Un­to­ten ja kein all­zu schnel­les Voran­kom­men gab. Doch ließ er es sich nicht neh­men, bei kla­rer Sicht den schö­nen Aus­blick zu ge­nie­ßen. Der See von Ho­ca­tin am Ho­ri­zont zu sei­ner Rech­ten. Zur Lin­ken das Hei­mat­dorf, über dem der Vyldam­pass thron­te. Weiß glänz­te es zwi­schen den Fels­mas­si­ven, durch die der Weg nach Hy­mal führ­te. Dort lag wohl noch im­mer tiefer Schnee.

Scha­de, dass der Un­to­te für die­se herr­li­che Sicht kei­nen Sinn zu ha­ben schi­en. Wie im­mer, glotz­te er nur däm­lich vor sich hin. Kei­nen be­son­ders un­ter­halt­sa­men Weg­ge­fähr­ten hat­te er sich da aus­ge­sucht.

Auf dem letz­ten Stück des We­ges, kurz vor Vyl­do­ro, über­leg­te Nik­ko nun, ob er sei­ne un­to­ten Beglei­ter nicht lie­ber ir­gend­wo im Wald las­sen soll­te. Auch, wenn er Gimu zu ger­ne mit dem Die­ner ein­schüch­tern wür­de, woll­te er es auf kei­nen Fall ris­kie­ren, das gan­ze Dorf in Angst und Schre­cken zu ver­set­zen.

Un­weit der Stel­le, wo der Weg nach Vyl­do­ro von der Stra­ße über den Pass ab­zweig­te, po­si­tio­nier­te Nik­ko die bei­den Un­to­ten im Un­ter­holz. Hier wür­de sie hof­fent­lich nie­mand so schnell fin­den. Auf sei­nem Weg über den Pass wür­de er sie mor­gen wie­der ab­ho­len. Oder soll­te er doch lie­ber ein paar Tage im Hei­mat­dorf ver­wei­len?

Die­se und an­de­re Fra­gen lie­ßen ihm kei­ne Ruhe, als er dem Pfad zum Dorf folg­te. Es war schon spä­ter Abend und er wür­de wohl ge­ra­de noch recht­zei­tig zum Es­sen kom­men.

Nach ei­nem tie­fen Atem­zug, der Mut ver­sprach, öff­ne­te Nik­ko die Tür zum Süd­ost­hof, dem Heim der Fa­mi­lie.

»Wer stört denn da?«, bell­te Gimu so­gleich und blick­te in Rich­tung der Tür. »Wer ist denn das?«

»Nik­ko?«, schlug die Mut­ter ihre Hän­de vorm Mund zu­sam­men und kam wei­nend zum Adep­ten ge­rannt. »Nik­ko!«

»Wo warst du nur so lan­ge?«, frag­te sie und er­drück­te den Jun­gen fast mit ih­rer Umar­mung. »Ich hat­te mir ja sol­che Sor­gen ge­macht!«

»Wa­rum hast du bloß nichts von dir hö­ren las­sen?«, ließ sie ihm kei­ne Zeit zu ant­wor­ten. »Wie­so bist du so ko­misch an­ge­zo­gen?«

»Das ist eine lan­ge Ge­schich­te, Mut­ter«, lä­chel­te Nik­ko. »Ich er­zäh­le sie ger­ne, wenn du mich lässt.«

»Komm, Jun­ge«, zog sie den Adep­ten an den Tisch. »Setz dich erst ein­mal und iss!«

Gimu schüt­tel­te nur den Kopf, aber schwieg. Die an­de­ren Ge­schwis­ter wa­ren hin­ge­gen sehr ge­spannt. Gera­de die klei­ne­ren konn­te Nik­ko kaum wie­der­er­ken­nen. In ei­nem Jahr wa­ren sie or­dent­lich ge­wach­sen.

»Dan­ke, Mut­ter, ich habe kei­nen Hun­ger«, wie­gel­te der Jun­ge ab, als er dann am Tisch saß. Schließ­lich war nur noch Käse üb­rig. Wie frü­her.

»Er­zähl doch end­lich!«, krächz­te Tamo mit nun ge­bro­che­ner Stim­me. »Wo warst du?«

»Ich kom­me ge­ra­de aus Skingár«, er­zähl­te der Adept. »Da­vor war ich in Te­rys, da­vor in Zun­daj, da­vor in Ho­ca­tin und da­vor hier in Vyl­do­ro.«

»Er­zähl doch kei­nen Un­sinn«, blök­te Gimu. »Was hast du da über­haupt für ein Kleid an?«

»Die Robe ei­nes Adep­ten des Ar­ka­nen Or­dens«, zisch­te Nik­ko, dem der große Bru­der schon wie­der auf die Ner­ven ging. Hät­te er den Un­to­ten viel­leicht doch lie­ber mit­brin­gen sol­len?

»Was für ein ko­mi­scher Or­den?«, kräh­te Tamo. »Was ist ein äh… Adopt?«

»Der Or­den der Zau­be­rer«, er­klär­te Nik­ko stolz. »Ein Adept ist ein Rang im Or­den.«

»Du bist doch kein Zau­be­rer«, zwei­fel­te die Mut­ter. »Du bist doch mein Jun­ge!«

Hier war eine De­mons­tra­ti­on an­ge­sagt. Der Adept ließ un­ter den stau­nen­den Bli­cken der Fa­mi­lie Blit­ze zwi­schen sei­nen Hän­den hin und her schnel­len. Dann mach­te er einen Kä­se­laib un­sicht­bar und ließ einen Kan­ten Brot über den Tisch schwe­ben.

»Wie­so kannst du denn das?«, frag­te Rik­ko völ­lig ver­blüfft.

»Wie ge­sagt, ich bin ein Zau­be­rer«, ant­wor­te­te Nik­ko. »Habt ihr euch nie ge­fragt, warum der Groß­va­ter da­mals so dar­auf be­stan­den hat­te, dass ich mit dem al­ten Tho­ro­dos ver­kehr­te?«

»Du meinst, der Groß­va­ter und Tho­ro­dos wuss­ten da­von?«, schi­en die Mut­ter ganz ent­setzt.

»Ich den­ke schon«, nick­te der Adept. »Tho­ro­dos muss­te mein Ta­lent ge­spürt ha­ben.«

»Lau­fen alle Zau­be­rer in Frau­en­klei­dern rum?«, scherz­te Rik­ko und alle lach­ten. So­gar Gimu.

»Fast alle«, be­stä­tig­te Nik­ko dar­auf­hin. »Fast alle, die ich ken­ne je­den­falls.«

»Bleibst du jetzt end­lich hier, mein Jun­ge?«, fleh­te die Mut­ter und hat­te schon wie­der Trä­nen in den Au­gen.

»Nein«, lä­chel­te Nik­ko. »Aber ich wer­de wohl nicht weit weg sein. Gleich auf der an­de­ren Sei­te des Pas­ses gibt es eine Burg, die… mein Heim sein wird.«

»Wie­so das denn?«, frag­te Rik­ko und Nik­ko sah ein, dass er wohl nicht um die gan­ze Ge­schich­te her­um­kom­men wür­de.

Seit­dem Nik­ko sei­ne ma­gi­schen Fä­hig­kei­ten ge­zeigt hat­te, war Gimu selt­sam ru­hig ge­we­sen. So hat­te er sich auch gar nicht da­ge­gen ge­sträubt, dem Zau­be­rer sein Zim­mer zur Ver­fü­gung zu stel­len. Das eins­ti­ge Zim­mer des Groß­va­ters, an des­sen Wand noch im­mer das Bild mit dem Zie­gen­hir­ten hing.

Der Adept lag nun, spät in der Nacht, im Bett und über­leg­te, wie es wei­ter­ge­hen soll­te. Der Pass dürf­te um die­se Jah­res­zeit schon ge­ra­de so be­geh­bar sein. Aber ge­nau wür­de er es wohl erst ganz oben wis­sen. Zur Not könn­te er je­doch den Schnee schmel­zen oder vom un­to­ten Die­ner weg­schau­feln las­sen. Er war ja lan­ge nicht mehr so hilf­los wie da­mals.

Der Rück­weg aus Hy­mal hat­te ihn im­mer­hin fast das Le­ben ge­kos­tet. Bei­na­he wäre er da oben elen­dig er­fro­ren. Auch wenn er jetzt ein Zau­be­rer war, soll­te das alte Zoll­haus dort oben bes­ser als Un­ter­kunft her­ge­rich­tet sein. Man konn­te ja nie wis­sen. Au­ßer­dem wür­de der Pass wohl oh­ne­hin bald wie­der öf­ter be­nutzt wer­den. Schließ­lich war die Berg­stra­ße die ein­zi­ge Ver­bin­dung zwi­schen dem Her­zog­tum Hy­mal und dem Fürs­ten­tum Ho­ca­tin.

Er wür­de wohl ein­fach die Dör­f­ler bit­ten müs­sen, das Häu­schen wie­der auf­zu­bau­en. Ob blo­ßes Bit­ten je­doch aus­reich­te, war na­tür­lich eine an­de­re Fra­ge. Auch Brenn­holz und Pro­vi­ant soll­ten dort wie­der ein­ge­la­gert wer­den. Aber es soll­te ja nicht der Scha­den der Be­woh­ner sein. Der Adept hat­te ge­nü­gend Mün­zen da­bei.

Drei Tage hat­te Nik­ko dann doch noch im Hei­mat­dorf ver­weilt. Zu sehr hat­te die Mut­ter ihn an­ge­fleht, sich hier erst ein­mal or­dent­lich aus­zu­ru­hen und satt zu es­sen. Zu sehr hat­ten ihn die Ge­schwis­ter ge­drängt, alle Ein­zel­hei­ten sei­ner Ge­schich­te wie­der und wie­der zu er­zäh­len.

Auch an­de­re Dör­f­ler hat­ten dann großes In­ter­es­se an ihm ge­zeigt. Nicht zu­letzt hat­ten vie­le wis­sen wol­len, was es Neu­es aus Ho­ca­tin gab. Nur we­ni­ge Nach­rich­ten vom Krieg wa­ren hier in Vyl­do­ro an­ge­kom­men. Die letz­ten Neu­ig­kei­ten hat­te der di­cke Fo­daj schließ­lich im Herbst mit­ge­bracht. Vor vie­len Mo­na­ten also.

Nik­ko hat­te auch aus­führ­lich mit dem al­ten Beg­go ge­spro­chen, der ja als Ver­tre­ter Vyl­do­ros an der Kür des neu­en Fürs­ten teil­ge­nom­men hat­te. Der Alte hat­te da­bei be­haup­tet, dass die Kür schon im Som­mer des ver­gan­ge­nen Jah­res statt­ge­fun­den hät­te und er lan­ge im Voraus ein­ge­la­den ge­we­sen wäre. Da­her konn­te sich der Adept lang­sam auch zu­sam­men­rei­men, wie der Graf die Ver­tre­ter der lehns­frei­en Dör­fer so schnell nach Skingár ge­bracht hat­te. Zeit­ma­gie muss­te es also ge­we­sen sein. Auch, wenn er selbst kei­nen blas­sen Schim­mer hat­te, wie die­ses Kunst­stück ge­nau funk­tio­nier­te.

Der alte Beg­go war es auch, der Nik­ko ge­gen bare Mün­ze ver­spro­chen hat­te, das Zoll­haus auf dem Pass wie­der her­rich­ten zu las­sen. Be­geis­tert wa­ren die Dör­f­ler zwar nicht. War der Auf­stieg doch wahr­lich kein Spa­zier­gang. Aber das Ex­tra­sil­ber konn­ten alle gut ge­brau­chen.