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Die Fortsetzung des Fantasy-Epos. Wieder einmal Hymal, doch diesmal voller Erwartungen. Eine eigene Burg und dazu auch noch ein hohes Amt am Hofe. Schöne Aussichten eigentlich. Doch warten zunächst noch viele Widrigkeiten. Orks sind da nicht einmal das größte aller Übel, die den jungen Zauberer hier plagen. Schnell wird das neue Heim zur Festung im Feindesland. Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 153
N. Bernhardt
Buch VI: Die Festung im Feindesland
Der Hexer von Hymal
N. Bernhardt
Buch VI: Die Festung im Feindesland
Der Hexer von Hymal
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 2. Auflage, ISBN 978-3-954183-27-2
www.null-papier.de/hymal
null-papier.de/katalog
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Genau ein Jahr
Zweites Kapitel: Ganz allein im neuen Heim
Drittes Kapitel: Ein jämmerliches Dutzend
Viertes Kapitel: Zweifaches Wiedersehen
Fünftes Kapitel: Zweite Front
Sechstes Kapitel: Ein schlecht gelaunter Gast
Siebtes Kapitel: Ein folgenschwerer Rat
Ausblick
Wieder einmal Hymal, doch diesmal voller Erwartungen. Eine eigene Burg und dazu auch noch ein hohes Amt am Hofe. Schöne Aussichten eigentlich.
Doch warten zunächst noch viele Widrigkeiten. Orks sind da nicht einmal das größte aller Übel, die den jungen Zauberer hier plagen. Schnell wird das neue Heim zur Festung im Feindesland.
Weitere Informationen zur Reihe und zum Autor finden Sie unter:
hymal.info
Es war jetzt später Frühling, also ziemlich genau ein Jahr nachdem Nikko mit Thorodos losgezogen war. Nie hätte sich der Junge damals ausmalen können, was ihn auf dieser Reise so alles erwarten würde. Nie hätte er erahnen können, welch ungeahnte Kräfte in ihm verborgen lagen. Ein Jahr voller Abenteuer, voller Schrecken. Aber auch voller Möglichkeiten. Höchste Zeit, die Chancen weiter zu nutzen!
Der Schnee hatte sich ja schon in die höheren Lagen zurückgezogen und die Straße aus dem Tal heraus nach Vylrahdo so wieder passierbar gemacht. Der Junge brannte darauf, sich endlich auf den Weg zu machen. Schließlich wartete nicht nur seine Burg auf der anderen Seite des Passes. Er konnte es auch kaum erwarten, Fydal wiederzusehen und ihm die guten Nachrichten von dessen Kür zum neuen Fürsten von Hocatin zu überbringen.
Der Winter war dem Jungen dabei wie im Fluge vergangen. Schließlich hatte sich der Nekromant immer wieder Zeit genommen, seinen eifrigen Schüler weiter zu unterrichten. So hatte Nikko es sogar geschafft, ein wandelndes Skelett zu erschaffen. Auch an einfachere Beschwörungen hatte der Graf ihn herangeführt.
Mit all diesem sinisteren Wissen wähnte sich Nikko im Vorteil gegenüber dem Orden. Die Aussage des Dämonen Faza hatte ja klargemacht, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis die Fetzen fliegen würden. Der Eine zu sein, der alle beherrscht. Das konnte doch nur heißen, dass der Herzog von Khondharr über kurz oder lang alle anderen Zauberer beseitigen wollte.
Überhaupt hatte der Adept fleißig geübt und strotzte jetzt vor Selbstvertrauen. Er war auf bestem Wege, ein mächtiger Zauberer zu werden. Wenn es so weiter ginge, wäre er wohl bald schon für die Meisterprüfung bereit. Doch wo und bei wem er diese überhaupt ablegen sollte, war natürlich eine ganz andere Frage.
Sogar als Peryndor plötzlich wieder da gewesen war, hatte der Junge seinen Unterricht beim Grafen nicht aufgegeben. Zwar schien der Erzmagier wenig begeistert von Nikkos neuem Lehrer. Aber den Nekromanten allzu offen zu kritisieren, wagte der Alte nicht mehr. Über den Inhalt der Lektionen des Grafen hatte der Junge mit dem Großmeister auch kein einziges Mal gesprochen. Wahrscheinlich wusste auch Peryndor, dass dieses Thema ohnehin nur zu Verstimmungen führen würde.
Das Verhältnis zum Alten war aber sowieso getrübt. Der Adept verübelte ihm noch immer seine lange Abwesenheit. Zwar war er durchaus froh gewesen, eine Weile lang Ruhe vor dem alten Zauberer gehabt zu haben. Doch was hatte sich der Kerl eigentlich dabei gedacht, einfach so zu verschwinden und auch noch das Buch des Thorodos mitzunehmen? Dass Peryndor sich über seine lange Reise dazu noch ausschwieg, nervte den Jungen. Wenigstens das Buch hatte der Alte ihm letztlich zurückgegeben.
So freute es Nikko auch, dass Peryndor zunächst in Skingár bleiben wollte. Schließlich hätte er nur ungern die vielen Tage der Reise zur Burg Halfuár mit dem Erzmagier verbracht.
Der Großmeister hatte dem Jungen jedoch die Baupläne für einen Teleportraum mitgegeben und dazu auch einen präparierten Ankerstein. Der Stein trug ein einzigartiges Teleportmuster in sich, mit dem sich jeder Magier, dem es bekannt war, zur genauen Position des Steins teleportieren konnte. Sobald der Teleportraum fertig wäre, wollte der Alte dann auch selbst nach Halfuár kommen.
Nach vielen Abschiedsworten hatte Nikko das Dorf Skingár nun hinter sich gelassen. Ihn begleitete sein untoter Diener, der vom Grafen mit einer einfachen Lederrüstung versehen war und dazu ein Kurzschwert trug. Die Klinge war zwar rostig und voller Scharten. Aber solange sie in der Scheide steckte, sah man dies ja nicht. Der Untote, auf dessen Rüstung das Wappen Skingárs prangte, gab so jedenfalls das Bild eines gräflichen Kriegers ab. Außerdem konnte der willenlose Kerl das ganze Gepäck schleppen.
Auch dabei war Nikkos untote Ratte. Irgendwie hatte er das Tier mittlerweile liebgewonnen. Es war ja auch sein Erstlingswerk als Nekromant und sollte ihm fortan als Glücksbringer dienen.
So wanderte die Gruppe die fichtengesäumte Straße nach Vylrahdo entlang. Schnell kamen sie zwar nicht voran, da der untote Diener eher schlurfte als ging. Aber Nikko war das egal. Er genoss lieber den Duft des Frühlings und das Rauschen des Gebirgsbachs, dem der Weg das Tal hinab folgte. Ja, das alles fühlte sich nach der Heimat an, die er bald schon wiedersehen würde.
Nur eine kurze Mittagspause machten sie. Obwohl Nikko der Einzige war, der überhaupt Erholung und ein Mahl brauchte. Seine Begleiter entzogen der Umgebung die Energie, um ihre Lebensmuster aufrecht zu erhalten. An die schaurige Kälte in ihrer Gegenwart hatte sich der Junge allerdings schon längst gewöhnt.
Es war dann doch schon später Abend, als sie endlich den Gasthof erreichten. Sehr schnell waren sie ja nicht vorangekommen. Hoffentlich war so spät überhaupt noch ein Zimmer frei, bangte Nikko, der ja wusste, dass sich auch einige Ritter in Vylrahdo eingemietet hatten, wie wohl auch jede Menge andere Flüchtlinge aus Hocatin.
Das Gasthaus war tatsächlich völlig überfüllt. So viele Gäste hatte der Junge hier noch nie erlebt. Obwohl die Leute sich im Gastraum schon fast auf die Füße trampelten, machten sie dem Adepten dennoch respektvoll Platz, als dieser auf den Wirt beim Tresen zusteuerte. Nikko fühlte sich natürlich sehr geschmeichelt und konnte sich ein überlegenes Grinsen nicht verwehren.
»Was darf es denn sein, Herr?«, hechelte der schnauzbärtige Kerl, der vielleicht noch nie in seinem Leben so viele Gäste zu versorgen hatte. Erkannte er den Jungen eigentlich wieder?
Noch bevor Nikko überhaupt antworten konnte, machte der Wirt plötzlich einen sehr verstörten Eindruck und starrte hinter den Adepten. Dieser drehte sich daraufhin um und sah, dass die Gäste einen gebührenden Abstand von seinem Diener hielten. Auch war es jetzt fast völlig ruhig im vorher so lauten Raum. Nur gelegentliches Raunen war noch zu vernehmen.
Der Untote! Oh je, hätte er seinen Begleiter nicht lieber draußen lassen sollen? Zwar sah man ihm seinen Zustand nicht an. Aber wie verstörend musste doch dessen Aura auf die Gäste wirken. Warum hatte er daran bloß nicht vorher gedacht?! Nun ja, jetzt war es zu spät. Hoffentlich würde ihm dies keinen großen Ärger einbringen.
»Ein Zimmer für die Nacht und ein Abendmahl«, beantwortete Nikko dann die Frage und versuchte dabei zu klingen, als ob nichts wäre. »Ich nehme das Mahl auf dem Zimmer.«
»Mein Herr, wir sind… doch aber… wir haben… kein«, stockte der Wirt, auf dessen Stirn sich schon erste Schweißperlen bildeten, und fügte nervös hinzu: »Selbstverständlich, der Herr.«
Was war hier gerade geschehen? Hatte der Mann etwa Angst vorm Adepten? Nun, Nikko trug ja seine blaue Robe, die einen jeden wissen ließ, dass er ein Zauberer war. Dazu hatte er den Langstab in der rechten Hand beschworen, auch wenn er ihn nur als Wanderstock benutzte. Aber mit dem Kristall an seiner Spitze sah der Stab schon etwas bedrohlich aus. Dazu dann noch der untote Diener mit seiner Aura der Kälte…
Ja, der Wirt hatte tatsächlich Angst vor ihm. So viel Angst, dass er sogar dem Wunsch nach einem Zimmer entsprach, obwohl er wohl völlig ausgebucht war.
Mit einem bloßen Nicken quittierte Nikko das Angebot des Wirts und setzte sich auf einen Stuhl, der ganz plötzlich frei wurde. Mit gespielter Höflichkeit zogen sich auch die anderen Gäste vom Tisch zurück. Der Adept saß dort nun ganz allein, unter den verstörten Blicken der anderen Besucher.
Respekt hatte der Junge ja schon vorher erlebt. Aber dieses Maß an Angst hatte er noch nie verbreitet. Nicht einmal damals in Terys, als er die misstrauischen Wachen am Regierungsviertel mit dem Blitzstab bedroht hatte. Er konnte gar nicht sagen, ob er sich in dieser Rolle gefiel. Zu überrascht war er selbst.
Doch sehr wohl fühlte er sich nicht in diesem Augenblick, der nie zu enden schien. Die Blicke der Gäste, wie sie ihn ohne Unterlass durchbohrten, waren kaum noch zu ertragen. Hoffentlich kam bald jemand, ihn auf sein Zimmer zu geleiten!
Endlich allein! Nikko war im selben Zimmer gelandet, wie damals mit Danuwil und später mit Fydal. Es war wohl auch das einzige Zimmer für die gehobene Gesellschaft. Welcher der Ritter hier wohl Platz hatte machen müssen?
Unter den starren Blicken seines Dieners vertilgte der Junge jetzt erst einmal das Abendmahl. Ein fettiger Wildschweinbraten und dazu ein großer Krug Dunkelbier. So recht munden wollte das Essen jedoch nicht. Zu sehr beschäftigte ihn der Vorfall unten im Gastraum noch immer. Zu sehr hatten die Blicke ihm den Appetit verdorben. Blicke voller Furcht und Schrecken. Oder war es doch Abscheu?
Der Adept dachte lange nach, musste immer wieder den Kopf schütteln und manchmal auch lachen. Zu bizarr kam ihm die Szene unten im Gastraum jetzt vor. Ohne es beabsichtigt zu haben, hatte er allen Anwesenden ordentlich Angst und Schrecken eingeflößt. Doch hatte er dadurch schließlich bekommen, was er wollte. Wer wusste schon, wo er sonst hätte nächtigen müssen?
Die Blicke der Gäste waren ihm natürlich unangenehm gewesen. Doch irgendwie hatte er es auch genossen, wie sie ihn alle fürchteten. Eigentlich ja auch zu Recht. Er hatte schließlich die Macht, sie alle zu vernichten. Warum sollten sie da nicht Angst vor ihm haben?
Nachdem das Abendmahl gegessen war, blieb dem Jungen nichts übrig, als schlafen zu gehen. Nach Lesen oder Üben war ihm einfach nicht mehr. Unterhalten konnte er sich ja auch mit niemandem. Zu schade, dass man mit dem untoten Diener nicht normal reden konnte.
Nikko brach am nächsten Morgen sehr früh auf. Für so großes Aufsehen wie gestern Abend wollte er lieber nicht noch einmal sorgen. Der Wirt war scheinbar derart froh, seinen Gast so schnell wieder loszuwerden, dass er sogar auf seine Bezahlung verzichtete.
»Es war mir die höchste Ehre, Euch meinen Gast genannt zu haben«, war alles, was er dazu sagte.
Draußen war es noch recht dunkel. Die Sonne hatte es noch nicht ganz geschafft, über die Berggipfel im Osten zu steigen. Doch versprach der heute wolkenfreie Himmel eine angenehme Wanderung.
So machte sich Nikko gleich auf den Weg ins Heimatdorf. Einen Weg, den er seit fast einem Jahr nicht mehr beschritten hatte. Zwar freute sich der Junge, die Familie endlich wiederzusehen, sogar Gimu. Doch überlegte er auch, wie er sich dort verhalten sollte. Schließlich war unglaublich viel passiert, seit er das letzte Mal zuhause war. Er war jetzt immerhin ein richtiger Magier, kein dummer Bauernjunge mehr. Hoffentlich würde es deswegen keinen zu großen Ärger mit Gimu geben.
Eine kurze Rast gönnte sich Nikko gegen Mittag auf dem Plateau mit dem Panoramablick über der Klamm, wo er schon früher kurz haltgemacht hatte. Sehr müde war er zwar nicht, da es mit dem Untoten ja kein allzu schnelles Vorankommen gab. Doch ließ er es sich nicht nehmen, bei klarer Sicht den schönen Ausblick zu genießen. Der See von Hocatin am Horizont zu seiner Rechten. Zur Linken das Heimatdorf, über dem der Vyldampass thronte. Weiß glänzte es zwischen den Felsmassiven, durch die der Weg nach Hymal führte. Dort lag wohl noch immer tiefer Schnee.
Schade, dass der Untote für diese herrliche Sicht keinen Sinn zu haben schien. Wie immer, glotzte er nur dämlich vor sich hin. Keinen besonders unterhaltsamen Weggefährten hatte er sich da ausgesucht.
Auf dem letzten Stück des Weges, kurz vor Vyldoro, überlegte Nikko nun, ob er seine untoten Begleiter nicht lieber irgendwo im Wald lassen sollte. Auch, wenn er Gimu zu gerne mit dem Diener einschüchtern würde, wollte er es auf keinen Fall riskieren, das ganze Dorf in Angst und Schrecken zu versetzen.
Unweit der Stelle, wo der Weg nach Vyldoro von der Straße über den Pass abzweigte, positionierte Nikko die beiden Untoten im Unterholz. Hier würde sie hoffentlich niemand so schnell finden. Auf seinem Weg über den Pass würde er sie morgen wieder abholen. Oder sollte er doch lieber ein paar Tage im Heimatdorf verweilen?
Diese und andere Fragen ließen ihm keine Ruhe, als er dem Pfad zum Dorf folgte. Es war schon später Abend und er würde wohl gerade noch rechtzeitig zum Essen kommen.
Nach einem tiefen Atemzug, der Mut versprach, öffnete Nikko die Tür zum Südosthof, dem Heim der Familie.
»Wer stört denn da?«, bellte Gimu sogleich und blickte in Richtung der Tür. »Wer ist denn das?«
»Nikko?«, schlug die Mutter ihre Hände vorm Mund zusammen und kam weinend zum Adepten gerannt. »Nikko!«
»Wo warst du nur so lange?«, fragte sie und erdrückte den Jungen fast mit ihrer Umarmung. »Ich hatte mir ja solche Sorgen gemacht!«
»Warum hast du bloß nichts von dir hören lassen?«, ließ sie ihm keine Zeit zu antworten. »Wieso bist du so komisch angezogen?«
»Das ist eine lange Geschichte, Mutter«, lächelte Nikko. »Ich erzähle sie gerne, wenn du mich lässt.«
»Komm, Junge«, zog sie den Adepten an den Tisch. »Setz dich erst einmal und iss!«
Gimu schüttelte nur den Kopf, aber schwieg. Die anderen Geschwister waren hingegen sehr gespannt. Gerade die kleineren konnte Nikko kaum wiedererkennen. In einem Jahr waren sie ordentlich gewachsen.
»Danke, Mutter, ich habe keinen Hunger«, wiegelte der Junge ab, als er dann am Tisch saß. Schließlich war nur noch Käse übrig. Wie früher.
»Erzähl doch endlich!«, krächzte Tamo mit nun gebrochener Stimme. »Wo warst du?«
»Ich komme gerade aus Skingár«, erzählte der Adept. »Davor war ich in Terys, davor in Zundaj, davor in Hocatin und davor hier in Vyldoro.«
»Erzähl doch keinen Unsinn«, blökte Gimu. »Was hast du da überhaupt für ein Kleid an?«
»Die Robe eines Adepten des Arkanen Ordens«, zischte Nikko, dem der große Bruder schon wieder auf die Nerven ging. Hätte er den Untoten vielleicht doch lieber mitbringen sollen?
»Was für ein komischer Orden?«, krähte Tamo. »Was ist ein äh… Adopt?«
»Der Orden der Zauberer«, erklärte Nikko stolz. »Ein Adept ist ein Rang im Orden.«
»Du bist doch kein Zauberer«, zweifelte die Mutter. »Du bist doch mein Junge!«
Hier war eine Demonstration angesagt. Der Adept ließ unter den staunenden Blicken der Familie Blitze zwischen seinen Händen hin und her schnellen. Dann machte er einen Käselaib unsichtbar und ließ einen Kanten Brot über den Tisch schweben.
»Wieso kannst du denn das?«, fragte Rikko völlig verblüfft.
»Wie gesagt, ich bin ein Zauberer«, antwortete Nikko. »Habt ihr euch nie gefragt, warum der Großvater damals so darauf bestanden hatte, dass ich mit dem alten Thorodos verkehrte?«
»Du meinst, der Großvater und Thorodos wussten davon?«, schien die Mutter ganz entsetzt.
»Ich denke schon«, nickte der Adept. »Thorodos musste mein Talent gespürt haben.«
»Laufen alle Zauberer in Frauenkleidern rum?«, scherzte Rikko und alle lachten. Sogar Gimu.
»Fast alle«, bestätigte Nikko daraufhin. »Fast alle, die ich kenne jedenfalls.«
»Bleibst du jetzt endlich hier, mein Junge?«, flehte die Mutter und hatte schon wieder Tränen in den Augen.
»Nein«, lächelte Nikko. »Aber ich werde wohl nicht weit weg sein. Gleich auf der anderen Seite des Passes gibt es eine Burg, die… mein Heim sein wird.«
»Wieso das denn?«, fragte Rikko und Nikko sah ein, dass er wohl nicht um die ganze Geschichte herumkommen würde.
Seitdem Nikko seine magischen Fähigkeiten gezeigt hatte, war Gimu seltsam ruhig gewesen. So hatte er sich auch gar nicht dagegen gesträubt, dem Zauberer sein Zimmer zur Verfügung zu stellen. Das einstige Zimmer des Großvaters, an dessen Wand noch immer das Bild mit dem Ziegenhirten hing.
Der Adept lag nun, spät in der Nacht, im Bett und überlegte, wie es weitergehen sollte. Der Pass dürfte um diese Jahreszeit schon gerade so begehbar sein. Aber genau würde er es wohl erst ganz oben wissen. Zur Not könnte er jedoch den Schnee schmelzen oder vom untoten Diener wegschaufeln lassen. Er war ja lange nicht mehr so hilflos wie damals.
Der Rückweg aus Hymal hatte ihn immerhin fast das Leben gekostet. Beinahe wäre er da oben elendig erfroren. Auch wenn er jetzt ein Zauberer war, sollte das alte Zollhaus dort oben besser als Unterkunft hergerichtet sein. Man konnte ja nie wissen. Außerdem würde der Pass wohl ohnehin bald wieder öfter benutzt werden. Schließlich war die Bergstraße die einzige Verbindung zwischen dem Herzogtum Hymal und dem Fürstentum Hocatin.
Er würde wohl einfach die Dörfler bitten müssen, das Häuschen wieder aufzubauen. Ob bloßes Bitten jedoch ausreichte, war natürlich eine andere Frage. Auch Brennholz und Proviant sollten dort wieder eingelagert werden. Aber es sollte ja nicht der Schaden der Bewohner sein. Der Adept hatte genügend Münzen dabei.
Drei Tage hatte Nikko dann doch noch im Heimatdorf verweilt. Zu sehr hatte die Mutter ihn angefleht, sich hier erst einmal ordentlich auszuruhen und satt zu essen. Zu sehr hatten ihn die Geschwister gedrängt, alle Einzelheiten seiner Geschichte wieder und wieder zu erzählen.
Auch andere Dörfler hatten dann großes Interesse an ihm gezeigt. Nicht zuletzt hatten viele wissen wollen, was es Neues aus Hocatin gab. Nur wenige Nachrichten vom Krieg waren hier in Vyldoro angekommen. Die letzten Neuigkeiten hatte der dicke Fodaj schließlich im Herbst mitgebracht. Vor vielen Monaten also.
Nikko hatte auch ausführlich mit dem alten Beggo gesprochen, der ja als Vertreter Vyldoros an der Kür des neuen Fürsten teilgenommen hatte. Der Alte hatte dabei behauptet, dass die Kür schon im Sommer des vergangenen Jahres stattgefunden hätte und er lange im Voraus eingeladen gewesen wäre. Daher konnte sich der Adept langsam auch zusammenreimen, wie der Graf die Vertreter der lehnsfreien Dörfer so schnell nach Skingár gebracht hatte. Zeitmagie musste es also gewesen sein. Auch, wenn er selbst keinen blassen Schimmer hatte, wie dieses Kunststück genau funktionierte.
Der alte Beggo war es auch, der Nikko gegen bare Münze versprochen hatte, das Zollhaus auf dem Pass wieder herrichten zu lassen. Begeistert waren die Dörfler zwar nicht. War der Aufstieg doch wahrlich kein Spaziergang. Aber das Extrasilber konnten alle gut gebrauchen.