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Die Fortsetzung des Fantasy-Epos. Die Schwangerschaft der Herzogin bedeutet für Nikko eine große Gefahr. Was würde nur passieren, wenn herauskäme, was er mit Yolaja in deren Hochzeitsnacht getrieben hat? Könnte Fydal ihm je verzeihen? Doch auch woanders braut sich wieder Ungemach zusammen. Der Konflikt im Arkanen Orden fordert die ersten Opfer und beschert Nikko einen altbekannten Gast. Kann der junge Zauberer die Situation zu seinen Gunsten nutzen? Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 156
N. Bernhardt
Buch XI: Auf tönernen Füßen
Der Hexer von Hymal
N. Bernhardt
Buch XI: Auf tönernen Füßen
Der Hexer von Hymal
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 1. Auflage, ISBN 978-3-954184-63-7
www.null-papier.de/hymal
null-papier.de/katalog
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Wie befürchtet
Zweites Kapitel: Eine Lüge zu viel
Drittes Kapitel: Wieder Gejagter?
Viertes Kapitel: Hilfe zur Selbsthilfe
Fünftes Kapitel: Nicht mehr allein
Sechstes Kapitel: Alter Ärger und neue Sorgen
Siebtes Kapitel: Problem gelöst?
Ausblick
Die Schwangerschaft der Herzogin bedeutet für Nikko eine große Gefahr. Was würde nur passieren, wenn herauskäme, was er mit Yolaja in deren Hochzeitsnacht getrieben hat? Könnte Fydal ihm je verzeihen?
Doch auch woanders braut sich wieder Ungemach zusammen. Der Konflikt im Arkanen Orden fordert die ersten Opfer und beschert Nikko einen altbekannten Gast. Kann der junge Zauberer die Situation zu seinen Gunsten nutzen?
Weitere Informationen zur Reihe und zum Autor finden Sie unter:
hymal.info
Nikko war sich ziemlich sicher, dass die Herzogin mit seinem Kind schwanger war. Nach dem gestrigen Schock hatte er sich nun sogar ein wenig an diesen Gedanken gewöhnt. Ein Gedanke, der ihn zwar einerseits in tiefe Scham versinken ließ, ihn aber andererseits auch wieder verzückte.
Der Zauberer hatte nie darüber nachgedacht, ob er überhaupt irgendwann eine eigene Familie haben wollte. Dazu fühlte er sich noch immer viel zu jung. Außerdem schienen ja alle Magier ohne Frau und Kinder zu sein. Ob sie freiwillig allein blieben oder nicht, darüber hatte er sich bisher keine Gedanken gemacht.
Familie? Von wegen! Es war immerhin die Herzogin von Hymal, die Angetraute Fydals, die vermutlich sein Kind in sich trug. Daran, mit der Frau eine Familie zu gründen, war nicht zu denken! Die Heirat der beiden war zwar nicht aus Liebe gewesen, sondern aus politischem Kalkül. Aber die Hand der Tochter war eben Teil des Preises gewesen, den der Großherzog für seine Unterstützung verlangt hatte.
Doch selbst wenn die hohe Politik die Herzogin nicht fest an ihren Gatten kettete, würde Nikko überhaupt mit ihr zusammenleben wollen? Würde er sein Vaterglück gern mit ihr teilen?
Nein, eigentlich nicht. Das wurde ihm in diesem Augenblick auf einmal klar. Ob es noch die Jugend war, die ihn so denken ließ, oder doch der Zauberer in ihm, war ihm dabei gar nicht bewusst. Dennoch, ein ganz gewöhnliches Leben als Familienvater konnte er sich einfach nicht vorstellen.
Daher störte es ihn auch kaum, dass die Herzogin für ihn so gut wie unerreichbar war – jedenfalls als Frau. Große Lust, offen zu dem Kind zu stehen, hatte er ebenfalls keine. Nein, eigentlich hätte er gar nichts dagegen, wenn Fydal es als seines anerkennen würde.
Wieso war sich der Herzog überhaupt so sicher, nicht selbst der Vater zu sein? Immerhin war er nach der Hochzeit derart betrunken gewesen, dass er sich unmöglich an viele Einzelheiten der Nacht erinnern konnte.
Die Hochzeitsnacht dürfte ohnehin der einzige Zeitpunkt gewesen sein, an dem das Unglück passiert sein konnte. Es war ja keineswegs so, als hätte die Herzogin jede Menge Gelegenheiten, ihrem Gatten untreu zu werden.
»Natürlich ist das Kind von ihm«, hatte der Seneschall Nikko gestern noch versichert, nachdem Fydal schon davongepoltert war. »Von wem sonst sollte es denn sein? Ihre Hoheit ist eine Dame von höchster Moral und würde nie mit einem anderen Mann … intim werden. Ferner hätte sie dazu gar keine Möglichkeit. Schließlich ist sie Tag und Nacht von ihren Zofen umgeben, von denen mir gleich mehrere Bericht erstatten.«
So war es wohl. Obwohl Nikko vom Leben adliger Damen kaum Ahnung hatte, konnte er sich nicht vorstellen, dass eine solche viele Gelegenheiten für … Männerbesuche hatte. Wie also kam Fydal überhaupt auf die Idee, dass das Kind nicht von ihm war?
Bei all dem hatte der junge Zauberer auch riesige Angst, dass alles irgendwie herauskäme. Wie würde Fydal bloß reagieren, wenn er erführe, dass es ausgerechnet Nikko gewesen war? Gestern Abend hatte der Herzog sich ja ziemlich ungehalten gezeigt. Würde sich das ändern, falls er wüsste, dass sein treuer Hofmagier der Vater des Kindes war, nicht etwa irgendein niederer Diener? Würde er es hinnehmen, wenn sie einfach alles auf den Alkohol schoben?
Nein, fürchtete Nikko. Der Herzog sah sich in seinem Stolz gekränkt – und das zu Recht. Noch immer dachte Fydal wie ein Soldat, dessen Ehre ihm alles bedeutete. Das Wissen, dass es sein Hofzauberer gewesen war, mit dem ihn sein Weib betrogen hatte, würde daran kaum etwas ändern.
Nein, Fydal durfte nie erfahren, dass Nikko der Verantwortliche war! Niemals! Alles würde der Zauberer dann verlieren. Sein Amt hier in Sinál und wohl auch die Grafschaft Halfuár. Vor Schlimmerem würde ihn sein Status als Magier sicherlich bewahren. Obwohl, wer wusste schon, welchen Ärger es deswegen noch mit dem Arkanen Orden gäbe?
Nein, was in der Hochzeitsnacht geschehen war, musste ein Geheimnis zwischen Nikko und der Herzogin bleiben! Auf keinen Fall wollte der Zauberer alles verlieren, was er sich in den letzten Jahren aufgebaut hatte.
Die Herzogin – wie hieß sie doch gleich? Yolaja. Es führte kein Weg daran vorbei, der junge Meister musste mit ihr reden. Er musste herausfinden, was sie Fydal bereits erzählt hatte, und ob sie in Zukunft noch dicht hielte. Aber wie sollte er zu ihr gelangen?
Natürlich wäre es viel zu verdächtig, der Frau einfach einen Besuch abzustatten, oder sie hier zu sich in den Turm zu bitten. Dass einige ihrer Zofen dem Seneschall berichteten, machte die Sache noch komplizierter.
Wenigstens wusste Nikko nun davon und lief nicht länger Gefahr, geradewegs in sein Unglück zu tappen. Daran, in welche Intrigen andere Höflinge verstrickt sein mochten, wollte er lieber gar nicht erst denken. Es galt also, in dieser Angelegenheit größte Vorsicht walten zu lassen!
Eines war ohnehin klar, er musste allein mit der Dame sprechen. Was sie zu bereden hatten, war viel zu brisant, als dass irgendwelche Bediensteten davon Wind bekommen durften – egal, wie loyal sie auch sein mochten.
Natürlich könnte Nikko sich einfach unsichtbar machen und die Herzogin so in aller Heimlichkeit aufsuchen. Wann aber wäre sie allein, und wo? Wie würde sie überhaupt reagieren, wenn er dann plötzlich vor ihr stünde?
Ein Schreckensschrei, der vielleicht noch das ganze Schloss aufscheuchte, war schließlich das Allerletzte, was er bei einem derartigen Unterfangen brauchen konnte. Doch zeigte seine spärliche Erfahrung mit Frauen, dass gerade ein schriller Schrei in einer solchen Situation nicht unwahrscheinlich war.
Er musste sie also vorher warnen, aber wie? Einen Brief konnte er ihr ja nicht einfach so zukommen lassen. Wer wusste schon, in welche Hände ein derartiges Schreiben gelangen könnte? Die bloße Vorstellung, sich unter den bohrenden Blicken des Seneschalls für ein paar wirre Zeilen rechtfertigen zu müssen, bereitete dem Zauberer schon jetzt Magenschmerzen.
Vielleicht sollte er sich doch einen Vorwand einfallen lassen, unter dem er die Dame offiziell zu sich bitten konnte, ohne dabei Verdacht zu erregen. Auch wenn sie wohl kaum ohne ihre Zofen käme, könnte er dann eventuell erste Andeutungen machen, oder ihr heimlich einen Zettel zustecken. Was aber käme als ein solcher Vorwand in Frage?
Am besten wäre es, wenn er erst einmal einige Nächte darüber schliefe. Zu viel konnte er hier falsch machen und würde es dann wohl auf ewig bereuen. Immerhin hing seine gesamte Existenz davon ab, dass Fydal niemals erfuhr, was sich in dessen Hochzeitsnacht zugetragen hatte.
Zauberei! Die Arbeit mit der Kraft war für ihn die beste Art und Weise, wieder auf andere Gedanken zu kommen. Auch gab es unendlich vieles, was er noch lernen konnte.
Womit aber sollte er sich als Nächstes beschäftigen? Am klügsten wäre es sicherlich, weiter an der Hexerei des Nekromanten zu feilen – nicht zuletzt, um seinen Vorsprung auf diesem Gebiet nicht zu verspielen.
Von Xanthúal hatte Nikko ja schon seit längerer Zeit nichts gehört und wusste daher nicht, ob es diesem geglückt war, von den Meistern des Südens mehr über das Beschwören von Dämonen herauszufinden. Sollte der Kerl ihm gerade in dieser Schule einen Schritt voraus sein, könnte es gefährlich werden!
Die Bibliothek des Nekromanten hatte der junge Meister zum Glück retten können, auch wenn er die interessantesten Werke ja bereits vorher nach Halfuár gebracht hatte. Höchste Zeit also, sich wieder deren Studium zu widmen. Oder war er doch schon reif für weitere praktische Übungen?
Dass er seine Beschwörungskünste zunächst an niederen Dämonen verbessern musste, bevor er sich an die höheren wagen konnte, hatte er sowieso schon herausgefunden. Worauf also wartete er noch?
Langsam! Mit Dämonen konnte er viel mehr falsch machen als mit den Höflingen hier auf der Burg. Auch wäre der Preis für jeden Fehler ungleich größer. Die Erinnerung an seine kurze Besessenheit vom Dämonen Syth’lar war ihm dann doch Warnung genug, erst einmal weiter Theorie zu pauken.
Leider befanden sich die Werke über Dämonen alle in Halfuár. Große Lust, sich heute noch dorthin zu teleportieren, verspürte der Zauberer jedoch nicht. Mal sehen, was die Bibliothek hier in Sinál Interessantes zu bieten hatte!
Den ganzen Tag lang und den nächsten Morgen hatte Nikko versucht, sich auf sein Studium zu konzentrieren. Obwohl sich unter den Büchern, die vermutlich Peryndor während seiner Amtszeit hier hergeschafft hatte, vielversprechende Lektüre befand, waren seine Gedanken immer wieder zu Yolaja und deren Schwangerschaft gedriftet.
Auch die Nacht davor war ihm dadurch schon vermiest worden. Übelste Albträume hatten ihn wieder und wieder gequält. Meist war es darum gegangen, dass Fydal herausfand, wer der Vater des Kindes war. Die Strafe war jedes Mal eine andere, doch immer schlimm. Am schrecklichsten war ein Traum gewesen, in dem ausgerechnet Xanthúal über Nikko richten sollte.
Nun, am späten Morgen, gab der Zauberer letztendlich auf. An konzentriertes Lesen war in seiner Situation einfach nicht mehr zu denken. Auch morgen oder übermorgen, oder an den Tagen darauf, würde sich daran nichts ändern, jedenfalls so lange nicht, bis er endlich mit der Herzogin gesprochen hatte.
Irgendwie musste er den Kontakt zu der Dame herstellen. Er musste einfach wissen, was sie zu der ganzen Sache zu sagen hatte. Er musste vor allem sicherstellen, dass sie ihn niemals verriet. Auch wollte er seine Vaterschaft von ihr noch bestätigt haben, obwohl er selbst kaum Zweifel daran hatte.
Dennoch, auf die Schnelle fiel ihm nichts ein, womit er ein Treffen rechtfertigen konnte. Würde es helfen, länger darüber nachzudenken? Oder wäre es besser, wenn er zunächst Zerstreuung suchte und auf eine spontane Eingebung wartete?
Es dauerte nicht lange, bevor Nikko sich für die zweite Option entschied. Er musste sich dabei auch eingestehen, dass er das Gespräch mit der Herzogin irgendwie fürchtete. Jedenfalls hatte er es auf einmal nicht mehr so eilig, der Dame gegenüber zu stehen.
Was aber sollte der Zauberer also tun? Für weitere Studien war er viel zu unkonzentriert. Für das Gespräch mit Yolaja fühlte er sich noch nicht bereit. Was war er manchmal nur für ein jämmerlicher Wurm!
Vielleicht war er ja wenigstens im Stande, praktisch zu arbeiten. Der Umgang mit der Kraft würde ihn wohl schnell wieder auf andere Gedanken bringen. Wie wäre es also mit ein paar Übungen?
Der Teleportstein! Ja, er wollte doch noch den Anker für Danuwil bearbeiten. Zwar war Peryndor der einzige andere Magier, dem das neue Muster darin bekannt war, aber trotzdem wollte Nikko ihn lieber mit einem neuen versehen. Man konnte schließlich nie sicher genug sein. Außerdem wäre das eine gute Übung.
Für Halfuár hatte er Ähnliches geplant. Auch dort wollte er sichergehen, keinen ungewollten Besuch mehr fürchten zu müssen, obwohl Großmeister Peryndor wiederum der einzige andere Zauberer war, der das Muster kannte. Aber wer wusste schon, ob er es nicht längst weitergegeben hatte?
Am liebsten wäre es Nikko gewesen, sogar das Teleportmuster von Sinál zu verändern. Doch hätte ihm dieser Schritt großen Ärger mit dem Orden einbringen können. Immerhin war das Kapitel hier ja nicht sein persönlicher Besitz, mit dem er machen konnte, was er wollte.
Nun war aber erst einmal der Ankerstein für Danuwil an der Reihe. Um das darin eingeschlossene Teleportmuster zu ändern, musste er es zunächst löschen, den Stein dann physisch bearbeiten und ein neues Muster einschließen. So hatte er es kürzlich von Großmeister Peryndor gelernt.
Um das alte Muster zu entfernen, konnte er zwar wieder seine eigene Version der Bannung verwenden, in die er auch ein wenig Dimensionsmagie hatte einfließen lassen. Allerdings hatte der Großmeister ihm auch noch einen anderen Zauber gezeigt, mit dem er das alte Teleportmuster bannen konnte.
Nikko entschied sich aus bloßer Neugier dazu, diesmal die Version Peryndors zu verwenden. Vielleicht konnte er dabei ja etwas lernen.
Wie funktionierte sie noch mal? Anstatt das Muster als Ganzes zu löschen, griff der Zauber nur einzelne seiner Teile an, und zwar mit ziemlicher Wucht. Dadurch brach das Teleportmuster letztlich in sich zusammen.
Der Magier legte den Obsidianstein vor sich auf einen Tisch und wiederholte den Bannzauber des Großmeisters aus dem Gedächtnis. Besonders kompliziert war dieser ohnehin nicht. Dennoch, zunächst wollte er einfach nicht funktionieren. Erst, als Nikko mehr und mehr Kraft in seinen Zauber fließen ließ, zerbarst das Muster im Stein.
Kopfschmerzen und Schwindel, wie der Meister sie schon längere Zeit nicht mehr verspürt hatte, waren der Preis für diesen brachialen Zauber. Da war ihm seine eigene Version doch deutlich lieber!
Dennoch, vom alten Muster im Ankerstein war nichts mehr zu erkennen. Es hatte also alles bestens funktioniert. Nun musste er den Obsidianklumpen nur noch äußerlich leicht verändern und das neue Muster in ihm binden. Verzauberungen hatte er ja kürzlich ausgiebig geübt.
Ein Meißel – wo sollte er so ein Werkzeug herbekommen? Mal sehen, was Peryndor während seiner Zeit in Sinál so alles angehäuft hatte. Nikko hatte ja noch immer keinen genauen Überblick darüber, was sein Vorgänger hier getrieben hatte.
Nach einigem Suchen fand der Zauberer wenigstens einen Dolch, der durch Magie gehärtet zu sein schien. Ansonsten gab es im Turm nur Tand. Vermutlich hatte der Großmeister das meiste von Wert wieder mit nach Zundaj genommen. Trotzdem konnte der junge Meister ihm nicht böse sein. Ohne den Erzmagier wäre das Kapitel schließlich noch immer eine leere Ruine.
Mit einiger Anstrengung gelang es Nikko, eine sichtbare Kerbe in das harte Vulkanglas zu ritzen. Ob ein gewöhnlicher Dolch dies je vermocht hätte, wagte er zu bezweifeln. Der so bearbeitete Stein unterschied sich sicherlich genug vom alten, so dass sich von selbst ein ganz neues Teleportmuster ergab, wenn der Zauberer den Teleportaspekt im Stein wirken ließ. Diesen Teil der Prozedur hatte er ja mit dem Großmeister geübt.
Gesagt, getan. Nach wenigen Augenblicken erstrahlte ein brandneues Muster im Ankerstein. Ein Muster, das nur Nikko bekannt war. Danuwil brauchte also keinerlei Angst mehr davor zu haben, dass irgendein fremder Magier ihn in Telgâr behelligte.
Der Zauberer würde ihm den Stein sowie Pläne zum Bau eines Teleportraums umgehend von einem herzoglichen Boten überbringen lassen, was jedoch zwei bis drei Wochen dauern würde. Dann aber stünde es ihm jederzeit frei, den alten Freund in dessen neuem Lehen zu besuchen.
Das hatte gutgetan, stellte Nikko erfreut fest. Die Arbeit mit der Kraft hatte ihn sogar all den Ärger vergessen lassen. Für die vielleicht halbe Stunde, die ihn sein Werk gekostet hatte, war er wieder frei von allen Sorgen gewesen. Warum konnte es nicht immer so sein?
Alles hinter sich lassen und irgendwo, ganz allein in der Einsamkeit, nur noch der Magie frönen – warum eigentlich nicht? Was wäre falsch daran, alles aus seinem Leben zu verbannen, was ihm ohnehin nichts bedeutete?
Ein schöner Gedanke. Zu schön, um wahr zu sein! Nur ein äußerst mächtiger Zauberer, wie der Nekromant einer gewesen war, konnte sich in der Einsamkeit behaupten. Nur wer gefährlich genug war, dass der Orden den Konflikt mit ihm scheute, hatte wirklich seine Ruhe. Alle anderen waren stets Gejagte, wie einst Thorodos. Mit einem langen Seufzen sah der junge Meister ein, dass er dessen unschönes Ende nicht teilen wollte.
Nein, noch musste er ihr Spiel also mitmachen. Noch war er zu schwach, sich allein gegen sie zu behaupten. Gilhatán hatte ihn als Hofmagier hier in Hymal platziert. Diese Rolle musste Nikko nun spielen, auch wenn er am liebsten weggelaufen wäre. Aber irgendwann …
Dennoch, so konnte es nicht weitergehen! Die Situation mit der Herzogin raubte ihm den letzten Nerv. Hier musste endlich Klarheit geschaffen werden! Wie sollte er denn seine Pflichten wahrnehmen, wenn er stets fürchten musste, dass alles ans Licht kommt?
Nichts führte an einem Gespräch mit Yolaja vorbei, das war ihm klar. Es gab auch keinen Grund, es immer wieder aufzuschieben. Im Gegenteil, die Ungewissheit würde mehr und mehr an ihm nagen. Er musste mit der Dame reden, und das so schnell wie möglich!
Noch immer fiel ihm jedoch kein guter Grund ein, aus dem er die Herzogin zu sich in den Turm bitten könnte, und noch viel weniger, warum er sie in ihren eigenen Gemächern aufsuchen sollte. Er musste sich also doch in aller Heimlichkeit zu ihr begeben.
Ungesehen zu ihr zu gelangen, war als Zauberer kein Problem. Am besten nachts, wo sie mit Sicherheit allein in ihrem Schlafgemach zu finden war, konnte er sich mit Hilfe seines Unsichtbarkeitszaubers heimlich zu ihr schleichen. Aber was dann?
Es ware schon schwierig genug, die Dame mit seinem unerwarteten Auftauchen nicht derart zu erschrecken, dass sie ihre Zofen durch Geschrei alarmierte oder, schlimmer noch, die Wachen. Selbst wenn sie nicht schrie, war die Gefahr viel zu groß, mit ihren Stimmen Aufmerksamkeit zu erregen und dann belauscht zu werden.
Stille! Irgendwie musste Nikko dafür sorgen, dass kein Laut aus dem Schlafgemach der Herzogin drang. Für so etwas musste es doch einen Zauber geben!
Eine Art Schild vielleicht? Davon gab es ja jede Menge, obwohl die meisten gegen die vielen Arten magischer Attacken schützten. Aber auch wider physische Gewalt gab es magischen Schutz. Nikko hatte damals so einen Schild eingesetzt, als er das Orkheer vor Halfuár … Oh je, daran wollte er lieber nicht mehr denken. Dennoch, der Schild hatte ihn vor Pfeilen geschützt und so sein Leben gerettet.
Der junge Zauberer musste sich leider eingestehen, dass er keine Ahnung hatte, was Laute eigentlich waren. Ohne dieses Wissen war es jedoch so gut wie unmöglich, einen Schild zu erdenken, der Geräusche abschirmte.
Die Bibliothek! Mit ein wenig Glück fand sich dort vielleicht ein Buch dazu. Peryndor war schließlich ein Kenner magischer Schilde. Da war es nicht unwahrscheinlich, dass er entsprechende Literatur darüber zusammengetragen hatte.
Bis in den frühen Abend hinein hatte der junge Zauberer in der Bibliothek studiert. Die Aussicht darauf, mit dem hier erworbenen Wissen sein Problem zu lösen, hatte es ihm ermöglicht, doch wieder konzentriert zu arbeiten. Ganz im Gegenteil zu gestern und heute Morgen.
Tatsächlich fand Nikko letztlich sogar, was er suchte. Zwar keine Erklärung, was Laute eigentlich waren, aber ein Muster für einen Schild, bei dem ausdrücklich davor gewarnt wurde, dass er auch alle Geräusche blockierte. In der Tat schien er fast alles zu blockieren, außer Licht. Der Magier musste also darauf achten, dass der Bereich im Schild groß genug war, sonst bestand die Gefahr, in seinem Innern zu ersticken.