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Die Fortsetzung des Fantasy-Epos. Nach dem Vorfall bei der Niederkunft der Herzogin will Nikko einfach nur noch weg! Dem Herzog, seinem ehemaligen Freund, wird er die feige Tat wohl nie verzeihen. Doch hat der Zauberer nicht auch ein Recht auf Rache - oder gar die Pflicht dazu? So oder so, es ist für Nikko erst einmal Zeit, endlich die Meister des Südens zu treffen. Doch stellt sich schnell heraus, dass er von Peryndor keine Hilfe erwarten kann. Wird es dem jungen Meister dennoch gelingen, seinen Weg in den Süden zu finden? Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 156
N. Bernhardt
Buch XII: Des eigenen Glückes Schmied
Der Hexer von Hymal
N. Bernhardt
Buch XII: Des eigenen Glückes Schmied
Der Hexer von Hymal
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 1. Auflage, ISBN 978-3-954185-15-3
www.null-papier.de/hymal
null-papier.de/katalog
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Das Ziel vor Augen
Zweites Kapitel: Auf den Spuren des Großmeisters
Drittes Kapitel: Erster Kontakt
Viertes Kapitel: Die große Stadt am Ende des Stroms
Fünftes Kapitel: Auf Irrwegen zum Ziel
Sechstes Kapitel: Ein neuer Verbündeter?
Siebtes Kapitel: Kein Zurück mehr
Ausblick
Nach dem Vorfall bei der Niederkunft der Herzogin will Nikko einfach nur noch weg! Dem Herzog, seinem ehemaligen Freund, wird er die feige Tat wohl nie verzeihen. Doch hat der Zauberer nicht auch ein Recht auf Rache - oder gar die Pflicht dazu?
So oder so, es ist für Nikko erst einmal Zeit, endlich die Meister des Südens zu treffen. Doch stellt sich schnell heraus, dass er von Peryndor keine Hilfe erwarten kann. Wird es dem jungen Meister dennoch gelingen, seinen Weg in den Süden zu finden?
Weitere Informationen zur Reihe und zum Autor finden Sie unter:
hymal.info
Das Schlimmste an der Sache war, dass Nikko mit niemandem richtig darüber reden konnte. Mit wem auch?
Der Herzogin wollte der Zauberer nie wieder unter die Augen treten. Sie allein würde seinen eigenen Schmerz verstehen, ihn teilen. Doch hatte er sie im Stich gelassen und sein großmäuliges Versprechen gebrochen. Nicht mit Absicht zwar, aber was machte das nun noch für einen Unterschied?
Nein, er könnte Yolajas Blicke nicht ertragen. Nicht jetzt und auch nicht in der Zukunft. Es hätte ohnehin keinen Sinn, sich und die Dame damit zu quälen. Es war sowieso alles vorbei.
Nikko war nach dem Vorfall wie versteinert gewesen und hatte alles um sich herum nur noch ganz dumpf wahrgenommen. Auch der Seneschall war zunächst schockiert gewesen, hatte sich dann jedoch emsig darum bemüht, den Schaden zu begrenzen. Nach außen hin musste schließlich die Normalität gewahrt werden.
»Was für eine Tragödie«, hatte er anfangs noch den Kopf geschüttelt. »Wie konnte das nur geschehen?«
»Besser ein Ende mit Schrecken als …«, hatte er dann gekeucht, während man im Hintergrund noch die Herzogin jammern und schreien hörte.
»Wäre es kein Sohn gewesen, hätte man ja …«, hatte er die Schultern gezuckt, als er sich einen Überblick über die Lage verschafft hatte. »Aber ein fremdes Kind als Stammhalter? Nein, so ist es wohl die beste Lösung für alle.«
Langsam und wie in Trance hatte Nikko sich dann in seinen Turm zurückgezogen und dort stundenlang ins Leere gestarrt. Die beste Lösung für alle – diese Worte waren ihm seither nicht mehr aus dem Sinn gegangen.
Einige Tage war die Sache nun schon her, schmerzte jedoch noch immer keinen Deut weniger. Irgendwann hatte sich Nikko dann zurück nach Halfuár teleportiert, doch wusste er selbst nicht mehr, wann das genau gewesen war. Es schien ihm aber auch egal. So egal, wie vieles in diesen dunklen Stunden, wenn nicht gar alles.
Wie hatte Fydal nur …? Der junge Zauberer konnte den Gedanken nicht zu Ende führen, so verwerflich erschien ihm die Tat. Ein Neugeborenes zu … nein, schon die Idee allein war viel zu schrecklich!
Dennoch, es war geschehen, und der Herzog hatte keinen Zweifel daran gelassen, dafür verantwortlich zu sein. Die blutige Klinge in seiner Hand – er musste ja sogar selbst zugestochen haben!
Wie konnte Fydal nur zu einer derartigen Tat fähig sein? Hatte Nikko seinen Freund denn wirklich so falsch eingeschätzt? Sicherlich, der Herzog war ein Mann mit viel Stolz. Dennoch, das war doch keine Rechtfertigung!
In sein Unverständnis mischte sich nun auch mehr und mehr Wut. Ja, in diesem Augenblick hasste der Zauberer seinen Freund. Nein, seinen ehemaligen Freund! Für solch eine abscheuliche Tat gab es schließlich kein Verzeihen, keine Gnade.
Gnade? Ein interessanter Gedanke. Wer jemanden begnadigte, müsste ihn doch vorher erst einmal zur Rechenschaft ziehen. Der Zauberer hatte nicht vor, Gnade walten zu lassen. Aber den Herzog zur Rechenschaft zu ziehen, war eine Aussicht, die Nikko das erste Mal seit Tagen aufatmen ließ.
Ja, immerhin war er ein Zauberer und verfügte über die Macht, sich am Mörder seines Kindes zu rächen. Der desolate Zustand des Arkanen Ordens würde ihm dabei auch weitaus mehr Freiheiten lassen, als dies unter normaleren Umständen der Fall wäre.
Am liebsten hätte sich Nikko gleich wieder nach Sinál teleportiert und den Herzog dort seine Feuerbälle spüren lassen. Doch wäre dies ein viel zu schneller Tod, dazu mit unwägbaren Konsequenzen nicht nur für den Zauberer. Wie aber sollte er seine Vergeltung bekommen?
Vielleicht ein Fluch, der Fydal ganz langsam und mit großen Schmerzen dahinraffen würde, ohne dabei den Verdacht auf Nikko zu lenken? Schon besser! In der Bibliothek fände sich dazu bestimmt geeignete Lektüre. Wäre das aber Rache genug dafür, was der einstige Freund ihm angetan hatte?
Langsam! Wollte Nikko wirklich so sein? Wollte er seine Zeit etwa damit verbringen, zu planen und zu studieren, wie er es Fydal am besten heimzahlen könnte? Nein, oder? Vielleicht ja doch?
Es wäre wohl am besten, wenn er jetzt erst einmal etwas Abstand gewinnen würde. Ob und wie er den Herzog zur Rechenschaft ziehen würde, konnte er auch noch später entscheiden. Eine derartige Aktion müsste so oder so gut durchdacht sein. Klar zu denken, war jedoch nichts, was dem Zauberer in diesem Zustand der wütenden Trauer leicht fiel.
Am Abend desselben Tages wollte Nikko das erste Mal wieder gemeinsam mit Peryndor speisen, der noch immer als Gast auf der Burg Halfuár weilte. Die Tage zuvor hatte er den Alten lieber gemieden, soweit dies in dem beengten Turm überhaupt möglich war.
Mit einem Nicken begrüßte der Großmeister den jungen Zauberer, der gedankenverloren am Tisch saß und Löcher in sein Essen starrte.
»Ihr habt mir noch gar nicht berichtet, wie die … Angelegenheit in Sinál letztlich ausgegangen ist«, fing der Alte ein Gespräch an, während er sich den Teller vollpackte. »Ich hoffe doch sehr, dass Ihr erfolgreich wart.«
»Ich hatte gar keine Gelegenheit«, seufzte Nikko nach einigen Augenblicken des Schweigens.
»Was soll das heißen?«, schien Peryndor verwirrt, was seinen Appetit jedoch nicht minderte. »Nun lasst Euch doch nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen, Meister!«
»Der Herzog war wochenlang nicht in Sinál, sondern inspizierte irgendwelche Lehen«, schüttelte Nikko sein Haupt. »Als er wieder zurückkam, lag die Herzogin schon in den Wehen.«
»Ihr habt ihn demnach vorher nicht mehr sprechen können«, kraulte sich der Alte den Bart. »Dann … nun erzählt doch endlich!«
»Es war eine … Totgeburt«, berichtete der junge Zauberer mit leiser Stimme. »Dafür hat der Herzog mit seinem Dolch gesorgt.«
»Dolch?«, war Peryndor eher verwirrt als schockiert. »Ihr meint … soso.«
»Nun, dann hat sich die Angelegenheit ja sozusagen von selbst erledigt«, zuckte er einen Augenblick später mit den Schultern. »Solange die Sache mit dem Dolch nicht im Reich die Runde macht, ist dies ohnehin die beste Lösung.«
Die beste Lösung – da waren sie wieder, die widerlichen Worte! Wie konnte der Alte nur so herzlos sein?
»Die Herzogin und ihr ermordetes Kind pflichten Euch mit Sicherheit bei, Großmeister«, erwiderte Nikko sarkastisch.
»Beide sind ohne jede Relevanz«, konterte Peryndor mit einem gemeinen Grinsen. »Die einzige Aufgabe der Herzogin ist es, dem Herzog dessen Nachkommen zu gebären, nicht irgendwelche … Kuckuckskinder. Das Kind … nun ja, freuen wir uns lieber, dass das Reich letztlich doch um einen … unappetitlichen Skandal herumgekommen ist.«
Mit einem Kopfschütteln nahm Nikko das Gesagte zur Kenntnis, verzichtete aber lieber auf Widerworte. Ein wenig enttäuschte ihn der Großmeister zwar mit seiner Reaktion, aber irgendwie war es keine Überraschung.
Wie auch der Seneschall schien Peryndor erleichtert zu sein, dass die Sache aus politischer Sicht so glimpflich verlaufen war. Mitleid für die Herzogin und ihr getötetes Kind war für die feinen Herren dagegen kein Thema.
Wie anders sähe das wohl aus, wenn sie wüssten, wer der Vater war? Einen Augenblick lang erwog Nikko sogar, Peryndor davon zu berichten, wenn auch nur, um sich an dessen Gesichtsausdruck zu ergötzen. Einen Augenblick später war dieser Plan jedoch schon wieder verworfen.
»Nehmt Euch die Sache nicht zu sehr zu Herzen, junger Meister«, riet der Alte dann mit freundlicherer Miene. »Ihr seid noch zu jung, um vieles richtig einschätzen zu können. Glaubt mir, die Stabilität des Reiches wiegt unendlich schwerer als das … bedauerliche Schicksal der Herzogin und ihres Kindes.«
»Natürlich«, zwang sich Nikko ein Lächeln auf die Lippen und wollte nun nur noch allein sein. »Großmeister, ich bin müde. Wenn Ihr mich entschuldigen würdet.«
Mit einem Schulterzucken packte sich der Alte den zweiten Teller voll, woraufhin sich der junge Zauberer mit einem Kopfnicken verabschiedete und sich in sein Quartier im Haupthaus der Burg zurückzog. Peryndor wollte er an diesem Abend jedenfalls nicht mehr über den Weg laufen.
Stundenlang lag Nikko jetzt schon wach in seinem Bett. Den Mord an seinem Kind hatte er ja noch immer nicht richtig verarbeiten können. Doch die gehässigen Reaktionen des Seneschalls und nun auch noch Peryndors waren wie tiefe Nadelstiche, die alle Wunden immer wieder bluten ließen.
Was war nur los in dieser Welt, dass so gestandene Herren die Tötung eines Neugeborenen guthießen, nur um einen Skandal bei Hofe zu verhindern? Würden sie genauso denken, wenn es ihr Kind gewesen wäre? Wohl kaum!
In was für ein System war Nikko da nur hineingeraten? In seinem Dorf hätten sie so einen Kindsmörder gleich am nächsten Baum aufgeknüpft, so wie er es verdient hätte. Als Angehöriger des hohen Adels konnte sich Fydal jedoch fast alles erlauben.
Obwohl, Danuwil war damals in Brigo ja auch mit einem blauen Auge davongekommen. Er hatte dort immerhin den Gastwirt getötet. Da das Opfer jedoch nur ein Leibeigener war und Fydal den Rittersohn unter den Schutz seines hohen Hauses gestellt hatte, war es bei einer deftigen Geldbuße geblieben. Aber konnte man die beiden Taten überhaupt vergleichen?
Hier der sturzbetrunkene Danuwil, der liebestoll die Schankmaid bedrängte und so an ihren Herrn Vater geriet, den er dann im Affekt erstach. Da der überstolze Fydal, der monatelang Zeit gehabt hatte, sein Vorgehen in dieser heiklen Angelegenheit abzuwägen und genau zu planen, und dem trotz allem nichts Besseres eingefallen war, als das fremde Kind einfach so abzustechen.
Nein, die beiden Taten konnte man wohl kaum miteinander vergleichen. Trotzdem blieben sie ohne große Konsequenzen. Warum? Weil beide Täter adlig waren! Jeder Gewöhnliche würde schon für viel geringere Vergehen baumeln.
Adel? Nikko war ja selbst ein Graf und schämte sich auf einmal dafür. Machte ihn das nicht zu einem von ihnen? Denen, die sich alles erlauben konnten. Wollte er wirklich so einer sein?
Der junge Zauberer mochte sich diese Frage lieber nicht stellen, obwohl sein Herz keine Zweifel an der Antwort hegte. Am liebsten würde er in diesem Augenblick hier alles stehen und liegen lassen, sich irgendwo in die Einsamkeit flüchten und dort nur noch der Zauberei frönen.
Nein, dafür war die Zeit noch lange nicht reif. Doch irgendwann würde er diesen Traum wahr machen! Vielleicht sogar hier in Halfuár, allerdings dann nicht als Graf und nicht als Vasall eines so ungerechten Herrn wie des Herzogs. Wie aber sollte er das je bewerkstelligen?
Mit diesen und ähnlichen Fragen im Geiste fielen Nikko langsam die Augen zu – auch wenn er sich nicht schon jetzt dem Schlaf ergeben wollte, der ihm doch nichts als Albträume versprach.
Am nächsten Morgen fühlte sich Nikko nicht besser. Die Nacht war so grausam gewesen wie auch schon die Nächte zuvor. In jedem wachen Moment sah der Zauberer wieder den blutigen Dolch vor seinem inneren Auge und hörte dazu das Jammern der Herzogin. In den seltenen Augenblicken des Schlafs hatten ihn schlimme Albträume in verschiedensten Varianten erleben lassen, was sich genau abgespielt haben könnte.
Trauer und Wut, dazu eine weitere Nacht ohne Erholung – der Zauberer blickte erneut einem verlorenen Tag entgegen. Wie lange sollte das denn so weiter gehen? Wie lange durfte es so weiter gehen?
Es war nun genau eine Woche her, wenn Nikko da richtig zählte. Genug, um wieder zu sich zu finden? Genug, damit das Leben weiter geht? Vielleicht. Er musste es wenigstens versuchen.
Was aber sollte er nun tun? Das Amt als Hofmagier des Herzogs war hinfällig – für ihn jedenfalls. Wenn er überhaupt jemals wieder nach Sinál zurückkehren würde, dann nur um Fydal zur Rechenschaft zu ziehen.
Sollte er das Amt nicht auch offiziell niederlegen? Aber wie? Eigentlich wäre das eine Angelegenheit des Ordens. Doch was kümmerte es den jungen Zauberer überhaupt noch? Der Orden war ihm völlig egal, und Fydal konnte ohnehin sehen, wo er blieb!
Dann war da noch das eigene Lehen. Lehen – wenn Nikko dieses Wort schon hörte, würde er sich am liebsten übergeben. Ein Zauberer als Vasall eines Kindsmörders? Nein, das war keine hinnehmbare Situation!
Was aber würde passieren, wenn er sich vom Herzog lossagte und Halfuár zu seinem Eigen erklärte? Krieg! Fydal würde es nicht hinnehmen, wenn einer seiner Vasallen ihm den Gehorsam verweigerte.
Würden seine Getreuen hier auf Halfuár dem Zauberer dann folgen? Die Soldaten unterstanden ohnehin dem Herzog. Auch die Beamten hatte Fydal ihm zur Verfügung gestellt. Es war daher unwahrscheinlich, dass sich sein Stab und die Untergebenen an Nikkos Seite gegen dessen Lehnsherrn wenden würden.
Für einen solchen Schritt war es ohnehin viel zu früh. Halfuár war schließlich noch immer von Lieferungen aus Sinál abhängig. Nein, um gegen den Herzog aufzubegehren, bedürfte es langer Planung und vieler Vorbereitungen. Vor allem müsste Nikko seine Untertanen hinter sich wissen.
So sehr sein Herz ihm auch die schnelle Vergeltung befahl, so sicher war sich sein Verstand, dass es erst einmal abzuwarten galt. Noch musste er das Spiel mitmachen. Später dann würde er seine Rache umso besser auskosten können!
Die bloße Aussicht darauf zauberte wieder ein kleines Lächeln auf seine Lippen. Immerhin gab es etwas, worauf er nun hinarbeiten konnte – und Arbeit gab es genug!
Es gab vor allem zwei wichtige Punkte. Zum einen musste Nikko seine Macht hier in Halfuár festigen, wenn möglich sogar ausbauen. Bisher hatte er ja viel zu sehr durch Abwesenheit geglänzt und die Arbeit seinen Leuten übertragen, auf deren Gefolgschaft er sich im Ernstfall allerdings kaum verlassen könnte.
Zum anderen sollte der Zauberer weiter an seinen magischen Fähigkeiten arbeiten. Es war dabei eine mehr als glückliche Fügung, dass Peryndor gerade jetzt hier in Halfuár weilte. Auch wenn der Alte ihm in den vergangenen Tagen eher ein unliebsamer Gast gewesen war, durfte Nikko dessen Nutzen nicht unterbewerten.
Ja, es war höchste Zeit herauszufinden, was der Großmeister der Bibliothek des Nekromanten bisher entlocken konnte. Außerdem waren da noch diese Meister des Südens, die Nikko zu gern aufsuchen würde, um dort sein Wissen und Können zu vervollständigen. Was das betraf, war er ebenfalls auf Peryndor angewiesen.
Vielleicht würde er den Alten ja beim Frühstück antreffen. Bis dahin war allerdings noch Zeit. Nikko hatte es an diesem Morgen schließlich schon lange vor den ersten Sonnenstrahlen aufgegeben, weiteren Schlaf zu suchen.
Am besten, er würde sich im Morgengrauen einen Überblick über Halfuár verschaffen. Immerhin war es um die drei Wochen her, dass er das Holz hierher transportiert hatte. Mal sehen, was inzwischen daraus geworden war.
Oben, auf der Plattform des Bergfrieds angekommen, von wo aus sich Nikko einen Blick auf sein ganzes Land erhoffte, musste er erst einmal wieder zu Atem kommen. Der schlechte Schlaf der vergangenen Tage forderte nun seinen Tribut.
Auch nachdem sich der Zauberer gesetzt hatte und etwas zur Ruhe gekommen war, ging es ihm nicht viel besser. Er fühlte sich derart müde, dass er kaum noch die Augen offenhalten konnte.
Sollte er doch lieber wieder in sein Bett kriechen und hoffen, von Albträumen ausnahmsweise verschont zu bleiben? Aber es gab ja auch noch andere Möglichkeiten, die Müdigkeit zu bekämpfen, nämlich die Kraft – ein Bad in der Kraft, um genauer zu sein.
Viel zu selten hatte sich Nikko in der letzten Zeit der Meditation in der reinen Kraft gewidmet. Anfangs hatten diese Übungen nur dazu gedient, sich erst einmal richtig an den Umgang mit der Kraft zu gewöhnen. Aber der geübte Magier kann in ihr Erquickung finden und scheinbar sogar kurzfristig seinen Hunger stillen, jedenfalls, wenn Peryndors Aussage stimmte.
So machte der junge Zauberer es sich auf seinem Turm bequem und schloss die Augen. Nach Osten gerichtet, wo schon die ersten Strahlen der Morgensonne das Gesicht wärmten, ließ er dann die Kraft durch sich hindurchfließen. Bis in die Zehenspitzen spürte er sie in seinen Körper strömen und dabei alles in ihm auf ihrem Weg aufladen.
Ja, das war ein tolles Gefühl! Nikko öffnete die Augen und fühlte sich wie neugeboren. Wie lange er so dagesessen hatte, war ihm gar nicht bewusst. Doch stand die Sonne nun schon ein ganzes Stück höher und tauchte die weite Ebene in ein goldenes Licht.
Von hier oben konnte der Magier alles gut sehen und die Veränderungen bewundern. Wann hatte er das erste Mal hier oben gestanden? Zwei Jahre oder etwas mehr musste es bereits her sein, dass er zusammen mit Danuwil die damals in trüben Nebel gehüllte Ebene inspiziert hatte.
Ausgerechnet den kleinen Orktrupp mit den Gefangenen hatten sie dabei erspäht und daraufhin Fydal befreit. Hätten sie den späteren Kindsmörder doch bloß den Orks überlassen! Aber wer konnte schon wissen, wie dann alles gekommen wäre?
Nein, Nikko wollte sich die Laune nicht wieder verderben lassen und verdrängte alle Gedanken an den Herzog und dessen schändliche Tat.
Viel lieber konzentrierte er sich auf all die neuen Dinge, die er nun auf der Ebene sehen konnte. Einige Einfriedungen und sogar kleine Herden konnte er erspähen, vermutlich Schafe oder Ziegen – genau ließ es sich von hier oben nicht erkennen.
Im Westen, wo der lange Schatten des Hügels noch alles verdunkelte, lag das neue Dorf. Viel konnte Nikko dort zwar nicht ausmachen, aber gebaut wurde scheinbar überall. Ein gutes Zeichen!
Spontan entschied sich der Zauberer, dem Dorf einen kurzen Besuch abzustatten. Er beabsichtigte nicht nur, den Fortschritt der Bauarbeiten genauer zu inspizieren, es war ihm auch bewusst, dass er viel mehr Präsenz zeigen musste – umso mehr, wenn er wollte, dass seine Leute ihm später die Treue hielten.
Auf seinem Weg hinunter ins Dorf begegnete er in der Burg kaum einer Seele. Lediglich einige Wachen waren auf ihren Posten, ansonsten herrschte noch friedliche Ruhe.
Unten im Dorf sah die Sache schon ganz anders aus. Er selbst konnte sich ja noch zu gut an seine Zeit in Vyldoro erinnern, wo stets mit den ersten Sonnenstrahlen des Tages die harte Arbeit auf den Höfen begann. Auch hier herrschte bei den Bauern bereits ein ähnlich emsiges Treiben.
Mit respektvollen, aber zurückhaltenden Blicken, sowie gelegentlichem Verbeugen würdigten die Untergebenen ihren Herrn, den die meisten von ihnen wohl seit ihrer Ankunft hier in Halfuár vor über zwei Monaten nicht mehr gesehen hatten.