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Teil 21 des Fantasy-Epos Nach dem Ritual scheint erst einmal alles besser zu laufen. So stellt der Herzog von Khondharr auch endlich die versprochenen Beamten zur Verfügung, die sogleich auf die Lehen verteilt werden. Die dadurch gewonnene Zeit wollen Nikko und Danuwil dazu nutzen, um in der Sache mit der Zwergenbinge weiter voranzukommen. Ob sich der Aufwand dafür aber wirklich lohnt? Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 170
N. Bernhardt
Buch XXI: Mit neuer Kraft
Der Hexer von Hymal
N. Bernhardt
Buch XXI: Mit neuer Kraft
Der Hexer von Hymal
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 2. Auflage, ISBN 978-3-954188-81-9
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Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Das Ritual
Zweites Kapitel: Ein übler Nachgeschmack
Drittes Kapitel: Der Vertrag
Viertes Kapitel: Personalien
Fünftes Kapitel: Ein verschlossener Eingang
Sechstes Kapitel: Für ein bisschen Silber
Siebtes Kapitel: Störrisches Metall
Ausblick
Nach dem Ritual scheint erst einmal alles besser zu laufen. So stellt der Herzog von Khondharr auch endlich die versprochenen Beamten zur Verfügung, die sogleich auf die Lehen verteilt werden.
Die dadurch gewonnene Zeit wollen Nikko und Danuwil dazu nutzen, um in der Sache mit der Zwergenbinge weiter voranzukommen. Ob sich der Aufwand dafür aber wirklich lohnt?
Weitere Informationen zur Reihe und zum Autor finden Sie unter:
hymal.info
Die restliche Nacht war erstaunlich ruhig gewesen. Dennoch hatte Nikko kein Auge mehr zutun können. Immer wieder war ihm die geträumte Szene durch den Kopf gegangen. Immer wieder hatte er sich einen Schatten der Wärme und Liebe ins Bewusstsein bringen können, auch wenn dieser von Mal zu Mal schwächer geworden war.
Am Morgen waren die Gefühle dann kaum mehr als eine blasse Erinnerung, die zwar fern wirkte, aber irgendwie trotzdem präsent war – zu präsent, als dass es sich doch nur um einen normalen Traum gehandelt haben könnte. Nein, so viel reine Liebe hatte Nikko in seinem ganzen Leben noch nicht verspürt. Wie konnte das Erlebte also nur ein Traum gewesen sein?
Trotz seiner Müdigkeit war es dem Magier an diesem Morgen nicht danach, noch ein wenig in der Kraft zu meditieren. Wahrscheinlich hätte er sich darauf auch gar nicht konzentrieren können. Lieber verschlang er schnell sein Frühstück, um dann bei einem kurzen Spaziergang in der Morgenluft den Kopf wieder frei zu bekommen.
Es war zwar noch recht früh am Tag, doch stand zu dieser Jahreszeit die Sonne schon hoch am Himmel. Nikko schlenderte auf den Wehrgängen seiner Burg umher und wusste noch immer nicht, was er von diesem seltsamen Traum halten sollte.
Er hätte ja eher erwartet, dass der Gefallene kurz vor dem Opfer noch einmal Kontakt zu ihm aufnehmen würde. Der Geist hatte in ihrem letzten Gespräch schließlich gemeint, Nikko würde schon wissen, was zu tun sei, wenn es an der Zeit wäre. Genau daran hatte der Magier aber so seine Zweifel. Umso verwirrter war er nun, da ihm ein anderer Geist im Traum erschienen war, der ihn offenbar auch noch von dem Ritual abzuhalten suchte.
Ein anderer Geist? Erschienen? Im Grunde hatte Nikko ja nur eine Stimme vernommen, die zudem von überall her erschollen war. Gesehen hatte er hingegen nichts und niemanden. Es war also nicht einmal klar, ob das Wesen wirklich ein Geist war. Obwohl, was sollte es denn sonst gewesen sein?
Moment mal! Hatte die Stimme den Einäugigen nicht als ihren gefallenen Sohn bezeichnet. Ja, sogar als allertiefst gefallenen Sohn. Demnach müsste die Stimme doch zum Vater des Geistes gehören, also zum Vater aller Demiurgen. Das hieße aber … das hieße ja, der Allvater persönlich hätte zu Nikko gesprochen!
Allvater? Der Zauberer konnte sich unter dieser Bezeichnung eigentlich nicht viel vorstellen. Peryndor und auch der Gefallene hatten diesen Namen zwar kurz erwähnt, doch war Nikko längst noch nicht klar, wer oder was der Allvater nun war. Auch in dem Buch über die Theurgie fanden sich zu diesem Begriff nur sehr wenige Informationen.
Der Allvater war es wohl, der einst die Demiurgen erschaffen hatte. Sie waren also sozusagen seine Kinder. Aber selbst das war eher eine Vermutung als eine Tatsache, da das Buch auch in diesem Punkt sehr vage blieb. Wenn Nikko das Werk richtig verstand, hatte der Allvater seine Macht über das Geisterreich ohnehin vor Urzeiten abgegeben. Warum sollte er also in den Träumen des Zauberers auftauchen?
Vielleicht spielte ihm ja auch nur ein anderer Geist einen üblen Streich. Oder wollte der Gefallene etwa wissen, ob Nikko die Sache mit der Opferung überhaupt ernst nahm? Sollte das alles vielleicht nur ein Test gewesen sein, um herauszufinden, wie ergeben er dem einäugigen Geist letztlich war?
Ja, das könnte schon sein. Obwohl – bei der kommenden Opferung ging es doch nicht um Treue, sondern in erster Linie um die Begleichung alter Schulden. Ob diese überhaupt gerechtfertigt waren, war zwar auch noch so eine offene Frage. Aber mit Ergebenheit hatte das Ganze doch nichts zu tun, oder?
So oder so, all diese Überlegungen brachten Nikko hier nicht weiter. Er wusste einfach nicht, ob es nun wirklich der Allvater war, der da zu ihm gesprochen hatte. Doch hatte ihn dessen Warnung tief ins Herz getroffen. Der Zauberer war ja bereits im Vorfeld nicht unbedingt davon überzeugt gewesen, dass eine Opferung das Richtige war. Nun aber hatte er noch größere Zweifel daran.
Er sollte die Angelegenheit wohl besser mit Peryndor besprechen. Auch wenn er keine allzu große Hoffnung hegte, dass der Alte dabei für mehr Klarheit sorgen könnte, so war es ihm doch wichtig, dass wenigstens der Großmeister von der Warnung wusste. Sollte Nikko ihn also noch vor dem Ritual kontaktieren?
Der Zauberer wägte einige Minuten lang das Für und Wider ab. Obwohl er sich nicht schon wieder vor dem Alten die Blöße geben wollte und auch kaum hoffen konnte, dass dieser einen guten Rat parat hätte, entschied er sich letztlich doch dafür. Die nächtliche Warnung einfach so in den Wind zu schlagen, war ihm viel zu riskant.
Also eilte Nikko zurück in seine Bibliothek, von wo aus er den Großmeister telepathisch kontaktieren wollte, um ihn zu einer kurzen Unterredung zu bitten. Hoffentlich wäre der Alte bereit, schon jetzt nach Halfuár zu kommen, denn irgendwie hatte Nikko keine Lust, die Besprechung in Khond abzuhalten.
Nikko wartete bereits ungeduldig in der Bibliothek, als er schließlich am späten Vormittag den Großmeister die Wendeltreppe hinauf schnaufen hörte. Zum Glück hatte der Alte zugestimmt, vor dem Ritual noch einmal kurz nach Halfuár zu kommen. Dass er sich dafür jedoch mehrere Stunden Zeit gelassen hatte, fand Nikko allerdings nicht sonderlich erbaulich.
»Ich hoffe, Ihr habt mich nicht umsonst hergebeten«, keuchte der Großmeister, als er die Treppe gemeistert hatte und die Bibliothek betrat.
»Versprechen kann ich es nicht«, zuckte Nikko mit den Schultern und war schon jetzt genervt.
»Also gut, was habt Ihr denn nun so Wichtiges für mich?«, fragte der Alte und setzte sich neben Nikko in einen der Sessel.
»Ich hatte letzte Nacht wieder einen … Traum«, antwortete der Zauberer. »Doch war dieser ganz anders als die bisherigen.«
»Ihr müsst schon konkreter werden, junger Meister«, brummte Peryndor. »Inwiefern anders?«
»Ich denke nicht, dass es der Gefallene war, der zu mir sprach«, erklärte Nikko. »Die Stimme bezeichnete diesen gar als ihren … allertiefst gefallenen Sohn.«
»Soso«, stutzte der Alte. »Was hat diese … Stimme denn sonst noch gesagt?«
»Sie hat mich gewarnt«, sagte Nikko. »Ja, sie hat mich davor gewarnt, dass ich … wie hat sie es doch gleich ausgedrückt? … sie sie hat mich davor gewarnt, den … größten Frevel zu begehen.« Einen Moment später erinnerte er sich noch: »Ach ja, sie hat auch gemeint, ich würde mir das nie verzeihen. Oder so ähnlich.«
»Was hat sie noch gesagt?«, fragte Peryndor und schien nun sehr interessiert zu sein.
»Sie meinte, je tiefer ich falle, desto weiter wäre der Weg zurück«, antwortete Nikko. »Und dann eben, dass ich ein Gefangener wäre, solange ich ihrem tiefst gefallenem Sohn diene.«
Peryndor brummte und brabbelte vor sich hin, schüttelte hin und wieder den Kopf und meinte schließlich: »Macht Euch keine Sorgen, das wird wohl nur ein einfacher Traum gewesen sein.«
»Das glaube ich nicht«, entgegnete ihm der junge Zauberer. »Dafür hat sich alles viel zu echt angefühlt.«
»Nein, nein«, wiegelte der Großmeister ab. »Der Gefallene ist einer der erstgeschaffenen Geister. Er ist also der Sohn des Allvaters, niemandes sonst.«
»Glaubt Ihr denn wirklich, der Allvater selbst würde im Traum zu Euch reden?«, höhnte er dann. »Macht Euch doch nicht lächerlich, junger Meister!«
»Warum sollte er denn nicht zu mir sprechen?«, wollte Nikko wissen und war nun ein wenig beleidigt.
»Fragt lieber, warum er es denn tun sollte!«, lachte der Alte. »Nein, der Allvater hat noch nie zu uns gesprochen. Jedenfalls wäre mir so etwas nicht bekannt.«
»Überhaupt«, zuckte er die Schultern, »der Allvater hat seine Schöpfung längst an seine Erstgeschaffenen übergeben. Wer weiß schon, ob er noch Teil der Schöpfung ist?«
»Dann hat vielleicht ein anderer Geist zu mir gesprochen«, meinte Nikko, der nicht glauben wollte, dass das wirklich nur ein Traum gewesen sein sollte.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Geist die Dreistigkeit besäße, sich als der Allvater auszugeben. Nein, auch in der Geisterwelt gibt es gewisse Regeln«, schüttelte Peryndor sein Haupt und ätzte: »Findet Euch doch endlich damit ab, dass Ihr einfach nur geträumt habt!«
Nikko war von den Worten des Alten noch immer nicht überzeugt, sah aber keinen Sinn darin, mit ihm weiter darüber zu diskutieren. Immerhin hatte er ihm alles gesagt. Peryndor war also gewarnt, falls … ja, was eigentlich?
In den verbliebenen Stunden des Tages hatte Nikko seinen eigenen Turm lieber gemieden und war in der Burg umher spaziert. Er war sich nämlich nicht sicher, ob der Großmeister nun gleich dort geblieben oder doch noch einmal nach Khond zurückgekehrt war. Auf die Gesellschaft des Alten konnte er nach der vorherigen Diskussion gut und gerne verzichten.
Erst am Abend kehrte er in den Turm zurück. Denn es war nicht nur höchste Zeit für das Abendessen, auch das Ritual musste langsam vorbereitet werden. Bis Mitternacht waren es zwar noch einige Stunden, aber man wusste ja nie, zu welchen Verzögerungen es noch kommen könnte.
Zu Nikkos Erleichterung waren die Meister Nibegu und Khondyr nicht zugegen, als er den Speisesaal betrat, in dem Peryndor es sich gemütlich gemacht hatte. Auch die Speisen waren bereits aufgetragen. Also setzte sich der junge Zauberer dazu und füllte sich seinen Teller.
»Ich werde die Meister in Kürze aus Khond abholen«, bemerkte der Alte schließlich, der mit dem Essen offenbar schon fertig war. »Ihr solltet dann alsbald das Ritual vorbereiten.«
»Was muss ich denn machen?«, fragte Nikko, dem die ganze Sache nun mehr und mehr missfiel.
»Was soll das heißen?«, erwiderte der Großmeister und wirkte dabei ziemlich verärgert. »Wisst Ihr denn gar nicht, wie das Ritual vonstattengeht?«
»Der Gefallene hat beim letzten Mal erwähnt, ich würde schon rechtzeitig wissen, was zu tun sei«, rechtfertigte sich Nikko. »Seither habe ich öfters davon geträumt, ein Opfer mit einem Dolch … also, Ihr wisst schon …«
»Ist das etwa alles?«, schien Peryndor erschrocken zu sein. »Sonst wisst Ihr nichts?«
»Nein«, erwiderte Nikko und hoffte insgeheim, dass die Durchführung des Rituals somit unmöglich würde. Wäre das nicht die perfekte Ausrede, um alles abzublasen?
»Hm«, brummte der Alte. »Vermutlich erinnert Ihr Euch nur falsch an das, was der Gefallene Euch gesagt hat. Er hat wohl eher gemeint, dass wir Meister Euch das Ritual zeigen sollen.«
Auch mit dieser Variante könnte Nikko ganz gut leben, obwohl er noch immer am liebsten alles abblasen würde. Doch läge die Verantwortung so auch bei den drei Meistern, nicht bei ihm allein – oder?
»Einen Augenblick!«, erschrak der Alte dann. »Ihr habt doch wenigstens einen Ritualdolch, oder etwa nicht?«
»Irgendwo habe ich bestimmt noch einen Dolch«, zuckte Nikko die Schultern.
»Ja, wollt Ihr Euer Opfer denn mit einem Käsemesser …?«, schlug der Großmeister die Hände über dem Kopf zusammen. »Oh je, wo bekommen wir jetzt auf die Schnelle einen Ritualdolch her?«
Dem jungen Meister war bisher gar nicht bewusst gewesen, dass er für das Ritual einen ganz bestimmten Dolch benötigen würde. Vorwürfe machte er sich deswegen aber nicht. Der Gefallene hätte ihn ja darauf hinweisen können … oder sogar müssen!
Fände sich ein solcher Dolch vielleicht unter den zahlreichen Artefakten, die Nikko sich in den vergangenen Jahren zusammengesucht hatte? Sowohl in Terys als auch in Skingár und zuletzt noch in Zulîf hatte er ja kräftig zugelangt. Ob unter all dem Krempel aber auch Dolche gewesen waren, wusste er nicht mehr.
Einen Moment lang erwog er, diese Option vor Peryndor gar nicht erst anzusprechen. Vielleicht würde das Fehlen eines solchen Dolches ja doch noch dazu führen, dass das Ritual abgebrochen werden musste. Dann allerdings befürchtete er, dass einer der Meister ihm einen Dolch borgen würde, womit er letztlich sogar noch in dessen Schuld stünde. Nein, das musste nun wirklich nicht sein!
»Ich denke, dass sich in meiner Sammlung so ein Dolch finden wird«, beruhigte Nikko den Großmeister daher. »Der Nekromant wird doch einen solchen besessen haben, oder etwa nicht?«
»Natürlich hat er das«, nickte Peryndor. »Lasst uns gleich nachschauen, ob wir ihn finden. Wenn nicht … ich will gar nicht daran denken.«
»Lasst mich erst einmal aufessen«, bat Nikko. »Dann werde ich die Dolche zusammensuchen und sie Euch zeigen.«
Peryndor hatte zwar ein großes Interesse daran geäußert, die in Halfuár gelagerten Artefakte selbst nach einem Ritualdolch zu durchsuchen, doch hätte Nikko einfach kein gutes Gefühl dabei gehabt, wenn der Alte in seiner Sammlung herumwühlen würde. Einige Artefakte waren immerhin recht mächtig und Nikko wollte nicht riskieren, dass der Großmeister sich ein paar davon … ausborgte.
Die meisten Artefakte waren noch immer im Keller gelagert und verstaubten dort in Kisten. Es war wohl Nikkos Unordnung, die hier als bester Schutz gegen Peryndors neugierige Blicke und Finger gewirkt hatte. Der Kellerraum war immerhin unverschlossen und der Alte hatte sich ja auch nicht zum ersten Mal für längere Zeit in Halfuár einquartiert. Gelegenheit hätte er also mehrfach gehabt, hier unbemerkt auf Suche zu gehen.
Es dauerte nicht lange, bis Nikko einen Dolch fand, den er auch ohne Peryndors geschulten Blick als Ritualdolch erkannte. Die Waffe sah schließlich genauso aus wie der in seinen Träumen verwendete Dolch.
Das Stück hatte zwei Schneiden, die senkrecht aufeinander standen, sodass die vermutlich silberne Klinge einen kreuzförmigen Querschnitt aufwies. Der Griff schien ebenfalls aus Silber zu sein und war mit einem Lederband umwickelt. Ansonsten war das Artefakt sehr schlicht gehalten.
»Ein … ungewöhnliches Stück«, bemerkte Peryndor, als Nikko ihm den Dolch in der Bibliothek hinhielt. »Ein sehr ungewöhnliches Stück.«
»Wieso?«, wunderte sich der junge Zauberer. »Er sieht genauso aus, wie der Dolch, den ich in meinen Träumen gesehen habe.«
»Das wundert mich nicht«, meinte der Alte und nahm den Dolch entgegen, um ihn noch genauer zu begutachten. »Der Gefallene wird wohl gewusst haben, dass Ihr ebendieses Artefakt finden werdet.«
»Was ist denn nun so ungewöhnlich an dem Stück?«, bohrte Nikko weiter.
»Ritualdolche haben gewöhnlich eher flache Klingen«, antwortete der Alte. »Meist verfügen sie auch über viele Verzierungen und oft genug über … Widerhaken oder ähnliches.«
»Widerhaken?«, wunderte sich Nikko, verkniff sich jedoch die Frage, wozu diese wohl gut wären. Das konnte er sich schließlich auch selbst ausmalen.
»Wenn der Gefallene Euch ausgerechnet diese Waffe im Traum gezeigt hat, dann soll sie für das Ritual genügen«, zuckte der Alte schließlich die Schultern. »Ansonsten hätte ich eher abgeraten, aber … nun ja.«
»War dies denn wirklich der Ritualdolch Meister Hafuchs?«, wunderte er sich dann.
»Das weiß ich leider nicht mehr«, gab Nikko zu. »Ich kann mich nicht daran erinnern, woher das Stück ursprünglich stammt.«
»Ja, woher sollte es denn sonst sein?«, fragte der Großmeister, der ja nicht wusste, dass Nikko sich auch anderenorts die Taschen gefüllt hatte.
»Nein, das fühlt sich nicht nach Hafuch an«, meinte er dann, bevor Nikko sich eine Ausrede zurechtlegen konnte. »Nun, wir werden später noch herauszufinden haben, woher das Stück stammt. Jetzt aber sollten wir uns auf das Ritual konzentrieren!«
Am späten Abend versammelten sich die Meister dann in der für die vier Zauberer eigentlich zu kleinen Ritualkammer. Wann Nibegu und Khondyr nach Halfuár gekommen waren, hatte Nikko gar nicht mitbekommen. Hatte Peryndor sie tatsächlich in Khond abgeholt oder hatte er ihnen etwa das Teleportmuster für die Burg verraten?
Der junge Zauberer hatte nun allerdings ganz andere Probleme, als sich um solche Fragen zu kümmern. Je näher das Ritual kam, desto stärkere Bauchschmerzen bereitete es ihm. Vor allem konnte er die Warnung des Allvaters einfach nicht verdrängen, auch wenn der Großmeister die Echtheit dieser Vision so vehement bestritt.
Mehr als einmal überlegte Nikko, ob er nicht noch einem der anderen Meister von seinem Traum berichten sollte, oder sogar beiden. Irgendetwas hielt ihn jedoch davon ab. Vielleicht wollte er einfach nicht riskieren, sich vor den Herren lächerlich zu machen. Vielleicht steckte aber auch etwas anderes dahinter.
»Ein kleineres Kabuff hättet Ihr wohl nicht finden können?«, spottete Khondyr, doch Nikko nahm dessen Worte kaum wahr. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich seine Anspannung nicht anmerken zu lassen und befingerte nervös den Ritualdolch an seinem Gürtel.
»In der Tat«, pflichtete ausgerechnet Meister Nibegu bei. »Ich schlage vor, wir weichen nach Ohuhwa aus. Dort sollte derzeit eigentlich nichts los sein.«
»Warum so viele Umstände?«, schüttelte Peryndor den Kopf. »Lasst uns doch extradimensional arbeiten. Das habe ich schon ewig nicht mehr gemacht.«
»Warum nicht?«, grinste Meister Khondyr. »Zu viert sollten wir den gemeinsamen Freund auch dort zu bändigen wissen.«
Nikko verstand nicht, wovon die Herren da redeten. In diesem Augenblick war es ihm aber auch egal. Irgendwie schien ihm gerade überhaupt alles egal zu sein. Er hatte jedenfalls nicht das Gefühl, noch Herr seines eigenen Schicksals zu sein.
»Wo ist das Opfer?«, fragte Nibegu. »Wir sollten langsam anfangen. Bis Mitternacht kann es nicht mehr allzu lange sein.«
»Meister Nikko!«, drängte der Großmeister nach einigen Augenblicken. Der junge Magier hatte gar nicht bemerkt, dass die Frage nach dem Opfer nur ihm gegolten haben konnte.
»Ich hole ihn«, piepste Nikko und verließ die Ritualkammer.
Der Major befand sich noch immer in einem der anderen Räume im Keller des Turms und wurde dort von dem untoten Diener bewacht. Nur einen Augenblick lang überlegte Nikko, ob er die Gelegenheit nicht zur Flucht nutzen sollte. Noch hatte das Ritual ja nicht begonnen.
Das hätte wohl auch keinen Sinn mehr, sah er jedoch ein und wies dann den Untoten an, den Gefangenen zu ergreifen.
»Was soll das?«, beschwerte sich der Major mit schwacher Stimme, als könnte er die Sinnlosigkeit seiner Widerworte schon erahnen.
Irgendwie tat der Kerl Nikko nun doch leid. Dennoch befahl er dem Untoten, das Opfer in den Ritualraum zu bringen, und folgte ihnen. So falsch sich das alles auch anfühlte, so sehr sah der Zauberer dennoch ein, dass er einfach keine andere Wahl hatte. Oder doch?
Nein, die Konsequenzen wären sicherlich viel schlimmer als das schlechte Gewissen, das ihn nach der Tat wohl einige Zeit lang plagen würde. Durch eine Absage des Rituals zum jetzigen Zeitpunkt würde er sich vermutlich nicht nur den Gefallenen zum erbitterten Feind machen, sondern auch die drei anwesenden Meister.
»Nun aber zügig!«, drängte Nibegu erneut und grinste: »Der Freund wartet nur ungern auf sein … Mahl.«
»Was soll das? Was …«, beschwerte sich der Major, doch ein Wink des Fürstmagiers ließ ihn abrupt verstummen. Er versuchte zwar, weiter zu reden, doch kein hörbares Wort kam mehr aus seinem Mund.
»Dahin!«, befahl Nibegu dem Gefangenen mit unwirklich dröhnender Stimme und zeigte in die Mitte des kleinen Raums. »Sitz!«
Nikko bekam nur am Rande mit, wie der Meister dazu noch einige Worte murmelte. Der Major gehorchte daraufhin und setzte sich in der Mitte im Schneidersitz nieder. Nibegu flüsterte dann etwas und das Opfer verfiel in eine Starre. Lediglich leichte Atembewegungen waren noch zu erkennen.
Die drei Meister positionierten sich schließlich um das Opfer herum und bedeuteten Nikko, es ihnen gleich zu tun. Der junge Zauberer stellte sich zwischen Peryndor und Nibegu, Khondyr stand ihm gegenüber. Dann reichten die Magier sich die Hände, sodass sie eine Art Kreis um den gelähmten Major bildeten.
Der Großmeister begann daraufhin, ein Nikko zunächst unbekanntes Muster zu wirken, das ihn jedoch bald an eine Art Dimensionszauber erinnerte. Die anderen beiden wirkten alsbald daran mit und auch Nikko tat es ihnen gleich.
Als die Muster der vier Magier aufeinander abgestimmt waren, aktivierte Peryndor den Zauber und die Gruppe fand sich plötzlich in einem Nichts wieder. Ja, es schien fast so, als schwebten sie im freien Raum.
»Puristischer hättet Ihr Euren Tempel wohl nicht gestalten können?«, witzelte Nibegu an Peryndor gerichtet.
»Sind wir denn hier, um uns an Schnörkeln zu weiden?«, konterte der Großmeister.
»Der Ort wird seinen Zweck erfüllen«, pflichtete Khondyr ihm bei.
»Ja, warum auch wenigstens etwas Stil und Klasse zeigen?«, verdrehte Nibegu die Augen und schüttelte dann den Kopf.
Nikko verstand nicht genau, worum es dabei ging. Er vermutete aber, dass Peryndor für das Ritual auch eine weniger schlicht anmutende Dimension hätte auswählen können. Oder hatte er diesen Ort etwa selbst geschaffen?