Der Highlander und die Braut des Meeres - Lecia Cornwall - E-Book
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Der Highlander und die Braut des Meeres E-Book

Lecia Cornwall

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Beschreibung

Schottland, 1707. "Sie ist eine Selkie, ein Geschenk des Meeres für unseren neuen Laird!" Der Clan ist überzeugt, dass die Fremde, die Malcom MacDonald am Strand gefunden hat, für ihn bestimmt ist. Doch auf den Aberglauben seiner Leute gibt der junge Highlander nichts. Zwar ist die junge Frau wirklich märchenhaft schön, und ja, sie weckt sein Begehren. Aber ein Zauberwesen ist sie sicher nicht. Schließlich war sie in den Plaid der verhassten MacLeods gehüllt. Er brennt vor Verlangen, sie zu lieben, aber er kann nur hoffen, dass sie auf Dauer ihr Gedächtnis verloren hat. Denn sonst erkennt sie in ihrem Verführer ihren Todfeind …

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Seitenzahl: 442

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IMPRESSUM

HISTORICAL GOLD EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Lecia Cornwall Originaltitel: „When a Laird Finds a Lass“ erschienen bei: St. Martin’s Press, New York

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL GOLD EXTRABand 113 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Andrea Härtel

Abbildungen: Harlequin Books, S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733758653

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, TIFFANY

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PROLOG

Edinburgh, 1707

Malcolm MacDonalds Unterkunft platzte vor unerwarteten Besuchern aus allen Nähten.

Ihm war klar, dass die drei Highlander das ebenso empfanden. Sie waren eher die Weite ihrer MacDonald-Heimat gewohnt, wo ihre hochgewachsenen Gestalten von nichts anderem eingeengt wurden als von Bergen, Himmel und Meer. Unglücklich schauten sie sich in der winzigen Kammer um, die Malcolm als sein Zuhause betrachtete. Er folgte ihren Blicken. Da stand ein schmales Bett mit einem kleinen Tisch daneben; seine Kleidung hing an Haken an der Wand, seine Bücher stapelten sich schwankend unter dem Fenster. Schriftstücke, Urkunden und Testamente bedeckten den Tisch wie frisch gefallener Schnee, dicht und knisternd.

Er konnte das Salz riechen, das an der feuchten Wolle ihrer Plaids haftete, den Rauch der Torffeuer und den Whisky in ihrem Atem, obwohl sie weder schmutzig noch betrunken waren.

Unwillkürlich wurde Malcolm sich der Aromen bewusst, die in seiner Unterkunft vorherrschten; es roch nach den Ledereinbänden seiner Bücher, nach galliger Tinte und, durch die dünnen Wände hindurch, nach dem angebrannten Frühstück seines Nachbarn. Er ging zu dem schmalen Fenster und öffnete es, um ein wenig Luft hereinzulassen. Der Wind wehte vom Hafen her und brachte den Gestank der Stadt mit, nach Gosse, Tieren und Garküchen. Die Highlander rümpften ihre Nasen, doch Malcolm unterdrückte den Impuls, das Fenster sofort wieder zu schließen.

Stattdessen trat er zur Seite, damit sie die Aussicht sehen konnten. Von seiner Unterkunft im fünften Stock sah man hinunter auf die Royal Mile. Wenn man sich aus dem Fenster lehnte und nach links blickte, hob sich der Holyroodhouse-Palast golden und streng vom satten Grün der Hügel ab. Unten auf der Straße blockierten Schweine den Verkehr; vor den Läden der Händler türmten sich die Waren. Der fünfte Stock war eine recht anständige Unterkunft für einen ledigen aufstrebenden Anwalt mit bescheidenen Mitteln. In den unteren Etagen lebten reichere Leute, und diejenigen, die über Malcolms kargem Zimmer hausten, waren einen Hauch weniger respektabel als er selbst. Genau über ihm wohnte eine verwitwete Näherin, über der sich wiederum ein einäugiger Dichter eingerichtet hatte. Der Dichter war fast so alt wie Malcolms drei Besucher, die sich als die Clan-Ältesten der MacDonalds von Dunbronach vorgestellt hatten, mit denen er verwandt war.

Dougal MacDonald hielt sich vornübergebeugt und hatte krumme Beine; die Blicke seiner grünen Augen flatterten durchs Zimmer wie eingesperrte Vögel im Käfig.

William MacDonald war groß wie ein Baum und doppelt so breit. Er stand kerzengerade da und nickte stumm, als Dougal ihn vorstellte. Sein Blick ruhte auf Malcolm, seine Hand auf dem Heft des Schwertes, das in seinem Gürtel steckte.

Fergus MacDonald saß auf dem einzigen Stuhl; mit den Händen umfasste er seine knochigen Knie, und sein Gesicht wirkte wie eine Maske kalter Missbilligung.

„Darf ich euch ein Glas Sherry anbieten?“, fragte Malcolm, als seine Gäste immer noch keine Anstalten machten, ihm den Grund für ihren Besuch zu nennen. Er befüllte drei zierliche Gläser mit dem bernsteinfarbenen Getränk, das aus Spanien kam und sehr teuer war. Die Männer starrten stirnrunzelnd auf die dargebotene Erfrischung. William kippte seinen Sherry mit einem Schluck hinunter und verzog das Gesicht. „Das ist aber kein Whisky, oder?“

Dougal nippte nur an dem Sherry und schürzte angewidert die Lippen, und Fergus stellte sein Glas unangerührt auf den Tisch.

„Du siehst aus wie dein Vater, Malcolm Ban“, verkündete Dougal zum zweiten Mal und stützte sich auf die knorrige Baumwurzel, die ihm als Gehstock diente.

Malcolm verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an die Tischkante. „Das sagtest du bereits. Ist er wohlauf?“

Malcolm hatte seinen Vater seit fast fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen, und für den damals neunjährigen Knaben war Archie MacDonald, Laird von Dunbronach, der größte, breiteste und lauteste Mann gewesen, dem er je begegnet war. Der Laird hatte vor Gesundheit gestrotzt und war schon etwas betrunken gewesen, als er im eleganten Edinburgher Salon von Malcolms Onkel auftauchte. Er wirkte dort genauso deplatziert wie … nun, wie diese Highlander jetzt in Malcolms Zimmer.

Malcolm konnte sich noch genau an Archies entgeisterte Miene erinnern, als seine Mutter ihn vorgestellt hatte. „Wer ist dieses spindeldürre Kerlchen?“, wollte er wissen.

„Das ist natürlich Malcolm, dein Sohn“, versicherte seine Mutter ihrem getrennt lebenden Ehemann.

„Mein Sohn?“

Die Augen seiner Mutter blitzten wütend auf. „Das sieht man ihm doch an, Archie. Er ist ein MacDonald, genau wie du. Er hat deine Augen, deine Statur – oder wird sie zumindest einmal haben. Er ist sehr gescheit. Er wird eines Tages ein guter Anwalt sein, wie sein Onkel.“

„Ein Anwalt.“ Malcolm hatte nie vergessen, mit welcher Verachtung sein Vater dieses Wort förmlich ausspuckte.

„Wie sein Onkel“, wiederholte seine Mutter in bestimmtem Ton. „Er ist nicht dafür geschaffen, ein Highlander zu werden, Archie. Bist du etwa deshalb hergekommen?“

Sein Vater schwieg eine Weile, musterte Malcolm noch einmal prüfend und wandte sich dann seufzend ab. „Nein. Nein, vermutlich nicht.“ Er erhob sich, ignorierte den in feinen Porzellantassen servierten Tee und verließ das Haus seines Schwagers. Er war nie wieder dorthin zurückgekehrt. Er hatte seinem Sohn noch nicht einmal kondoliert, als Malcolms Mutter gestorben war. Der Onkel nahm den Neffen unter seine Fittiche, und mit der Zeit vergaß Malcolm beinahe, dass er Verwandte in den Highlands hatte; in Dunbronach, einem Ort, an den er sich kaum noch erinnerte.

Dougal senkte jetzt den Blick auf den Boden, der von einem verschlissenen Teppich bedeckt war. „Hm, nein, Junge, ich würde nicht sagen, dass dein Vater wohlauf ist. Ehrlich gesagt, er ist tot.“

Malcolm zog die Augenbrauen hoch. „Tot?“

„Ja, und eine ganze Reihe anderer guter Leute auch“, ergänzte Fergus grollend von seinem Stuhl aus.

„Eine schreckliche Krankheit ging um“, fuhr Dougal fort. „Sie hat vierundfünfzig MacDonalds dahingerafft.“

„Man könnte sagen, dass unser Clan jetzt nur noch halb so groß ist wie zuvor“, fügte William hinzu.

Sein Vater war tot. Malcolm versuchte, Bedauern zu empfinden, sich Archies Gesicht vorzustellen, aber im Grunde hatte er den Mann kaum gekannt. Es war, als hätte man ihm mitgeteilt, dass ein Fremder gestorben wäre und seine Erben einen Anwalt benötigten. „Ich verstehe – ihr seid also vermutlich gekommen, weil ihr rechtlichen Beistand wollt. Gibt es ein Testament, das vollstreckt, oder ein Vermögen, das angelegt werden soll?“

Fergus warf William einen scharfen Blick zu und reckte das Kinn. „Es geht nicht um ein Testament. Eher um eine Art letzten Wunsch.“

„Einen Befehl“, präzisierte William.

„Und ein Vermögen gibt es nicht“, warf Dougal ein.

„Keinen Penny“, knurrte Fergus und starrte Malcolm unter seinen buschigen grauen Augenbrauen aufgebracht an.

„Ich verstehe“, erwiderte Malcolm, obwohl das gar nicht der Fall war.

„Ach ja?“, hakte Fergus mürrisch nach. Er musterte Malcolm noch eine Weile schweigend, wandte dann jedoch den Blick ab, als fände er das, was er sah, genauso unbefriedigend wie seinerzeit Archie.

„Wir sollten uns hinknien, so verlangt es die Tradition“, bemerkte William. Mit knackenden Gelenken sank er auf die Knie, und Dougal tat es ihm gleich.

Fergus erhob sich, blieb aber stehen, reckte erneut das Kinn und fixierte Malcolm mit einem noch finstereren Blick. „Es war der Wunsch deines Vaters, dass du der nächste Laird von Dunbronach wirst“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als bereitete es ihm Schmerzen, diese Worte auszusprechen. „Archie hat dich auf dem Sterbebett dazu ernannt.“

Laird? Das kleine Sherryglas fiel Malcolm aus der Hand und zerschellte am Boden.

Die Ältesten von Dunbronach starrten einen Moment lang stumm auf die Scherben, dann ergriff Dougal das Wort. „Macht nichts, Junge – Laird – in Dunbronach brauchst du diese winzigen Gläschen nicht mehr. Wir haben gute, robuste Becher aus Horn.“ Er zog eine kleine Flasche aus der Felltasche über seinem Kilt und hielt sie ihm hin. „Hier.“

Malcolm nahm sie und trank daraus. Er verschluckte sich beinahe; seine Kehle brannte wie Feuer, und irgendetwas schien in seinem Bauch zu explodieren und sich in seinem ganzen Körper auszubreiten. „Was zum Teufel ist das?“

William richtete sich auf und klopfte ihm auf den Rücken. „Bester Highland-Whisky, Laird. Mach dir keine Sorgen, du wirst dich daran gewöhnen, ihn täglich zu trinken, und schon bald strömt er dir durch die Adern wie flüssiger Honig.“

„Warm und süß wie der Kuss einer Geliebten“, fügte Dougal grinsend hinzu.

„Aber ich kann gar nicht der nächste Laird werden“, wandte Malcolm ein. „Ich habe einen Bruder – einen Halbbruder. Cormag …“

„Tot“, fiel Fergus ihm ins Wort.

„Tot“, wiederholte Malcolm. Er sah in die Gesichter der Ältesten, die genauso wettergegerbt, grau und zerklüftet wie die Highlands selbst wirkten, als wären sie aus dem Fels von Dunbronach gemeißelt. Er schüttelte den Kopf. Er war keiner von ihnen, kein Highlander. Er hatte ein Leben hier in Edinburgh, eine Karriere in der Anwaltskanzlei seines Onkels und eine Verlobte … nun ja, so gut wie. Er wollte in Kürze um die Hand der hübschen, vermögenden Miss Nancy Martin anhalten. Sein Onkel hatte ihm versprochen, ihn zum Teilhaber zu machen, sobald er verheiratet war. Er konnte sich Nancy nicht in den Highlands vorstellen, nicht einmal zu Besuch.

Dougal runzelte die Stirn. „Habe ich das richtig gesehen? Hat er den Kopf geschüttelt und Nein gesagt? Aber das kann gar nicht sein – dann würde er ja sein Geburtsrecht zurückweisen, gegen den ausdrücklichen Wunsch seines Laird …“

„Gibt es denn keinen anderen Kandidaten?“, erkundigte sich Malcolm verzweifelt. „Einen, der in Dunbronach aufgewachsen ist und das Land und die Leute kennt …“

„Nein“, antworteten William und Dougal einstimmig.

„Es gibt Maccus“, warf Fergus ein.

„Maccus?“, wiederholte Malcolm hoffnungsvoll.

„Er ist ein Cousin dritten Grades von dir“, erklärte Dougal. „Einer der Söhne des Clanchefs der MacDonalds von Sleat – sein unehelicher Sohn. Er kommt als Laird nicht in Frage.“

„Maccus MacDonald ist kein guter Mensch, auch kein freundlicher“, sagte William. „Ich bezweifle, dass er überhaupt ein Mensch ist – mehr eine Kreuzung aus einem Bären, einem Baumstamm und einem Wolf, nur noch unangenehmer. Er hat einen rabenschwarzen Ruf. Unsere Frauen wären vor ihm nicht sicher.“

„Unsere Schafe auch nicht“, fügte Dougal hinzu. Als Fergus ihn stirnrunzelnd ansah, fuhr er fort: „Komm schon, du hast doch dieselben Geschichten über Maccus gehört wie ich.“

Fergus setzte sein Bonnet wieder auf und ging zur Tür. „Wir haben unsere Pflicht getan, so wie es der Laird von uns verlangt hat. Malcolm hat abgelehnt. Wir gehen.“

Die beiden anderen rührten sich nicht von der Stelle.

„Können wir dich denn gar nicht überreden, Junge?“, flehte Dougal.

„Aber ich bin doch Anwalt …“, begann Malcolm, doch Dougal fiel ihm grinsend ins Wort.

„Ach, das ist es, was dir Kopfzerbrechen bereitet? Darüber können wir hinwegsehen.“

Malcolm sah die Hoffnung in Dougals grauen Augen, die Entschlossenheit in Williams und den flammenden Zorn in Fergus’. „Ihr versteht nicht. Ich habe eine Karriere, eine Verlobte. Ich habe …“ Er verstummte. Er erinnerte sich an den Tag, als er Dunbronach verlassen hatte; er war noch so klein gewesen, dass er sich an der Hand seiner Mutter festhalten musste, damit er nicht stolperte und ins Wasser fiel. Er erinnerte sich auch an die Burg, ein graues, abweisendes Gemäuer hoch oben auf einem felsigen Hügel über dem Meer. Da waren Leute am Strand gewesen, die ihrem Schiff nachgesehen hatten – darunter zweifellos auch diese Männer hier, sein Vater und sein Halbbruder. Jemand hatte eine traurige Weise auf einem Dudelsack angestimmt, und die Robben, die sich in den Wellen tummelten, sahen ihn mit ihren dunklen Augen nachdenklich an. Seine Mutter hatte ihm den Mantel zugeknöpft gegen den kalten Seewind und ihm gesagt, es wäre besser, Dunbronach zu vergessen. Sie informierte ihn, dass sie als Tochter eines Gentlemans eine gute Erziehung genossen und Sinn für die feineren Dinge des Lebens hätte und daher nicht für die Highlands bestimmt sei, genauso wenig wie er.

Er musterte die Ältesten in ihren fadenscheinigen Kilts und den abgenutzten Hirschlederstiefeln. Sie glaubten, ihm eine große Ehre zu erweisen. Ihr Stolz spiegelte sich in ihrer ganzen Haltung wider, trotz ihres Alters und der langen Reise, die sie hinter sich hatten.

„Wir sollten ihm lieber auch noch den Rest erzählen, Fergus“, gab Dougal zu bedenken.

„Wenn er nicht unser Laird wird, spielt das wohl kaum eine Rolle.“ Fergus stand immer noch an der Tür, seine Hand ruhte auf dem Riegel wie die Klaue eines Adlers.

William verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust. „Es war der letzte Wunsch des Laird auf seinem Sterbebett, Fergus.“ Der Blick, den sie wechselten, hätte töten können.

„Es gibt da eine bestimmte Aufgabe, die du erfüllen musst …“, fing Dougal an und verstummte dann. „Habe ich schon erwähnt, wie sehr du deinem Vater ähnelst?“

„Und all den edlen Lairds vor ihm, bis zurück zum ersten Laird, der ebenfalls Malcolm hieß – Malcolm der Kühne.“

Dougal warf sich in die Brust. „Ich werde es ihm erzählen, denn ich bin der seanchaidh, der Bewahrer der Geschichte der MacDonalds von Dunbronach.“

„Glaubst du an Magie, Malcolm Ban MacDonald?“, unterbrach Fergus ihn.

Malcolm musste unwillkürlich ein bisschen lächeln. „Natürlich nicht.“ Er sah, wie das Leuchten in Dougals Augen erlosch.

Fergus schnaubte leise. „Da, seht ihr? Er ist nicht der richtige Mann, um der nächste Laird von Dunbronach zu werden, auch wenn Archies Blut in seinen Adern fließt.“ Er öffnete die Tür, doch Dougal benutzte seinen Stock, um ihm den Weg zu versperren.

„Archies Blut macht ihn zu dem Richtigen.“ Er drehte sich zu Malcolm um. „Erinnerst du dich an die winzige, dem Strand vorgelagerte Insel in der Bucht von Dunbronach?“

Malcolm erinnerte sie tatsächlich an einen windumtosten Felshügel inmitten der Strömung. Ein Menhir stand darauf. Er nickte.

„Wir nennen sie die Insel der Meerjungfrau, Eilean Maighdeann Mhara“, fuhr Dougal fort. „Der Menhir dort wurde vor fast dreihundert Jahren vom Meerkönig aufgestellt, zum Dank für eine gute Tat des ersten Malcolm MacDonald – des Vorfahren, nach dem du benannt bist.“

„Wir haben jetzt keine Zeit für die komplette Geschichte“, brauste Fergus auf.

Dougal verdrehte die Augen. „Nun gut, um es kurz zu machen, die maighdeann mhara selbst, die jüngste Tochter des Meerkönigs, gewährte Malcolm und seinen Nachfahren insgesamt drei Wünsche. Alle hundert Jahre sollte einer dieser Wünsche in der Nacht von Beltane geäußert werden.“ Er nahm Fergus unangerührtes Sherryglas und leerte es mit einem Schluck. „Man könnte sich an das süße Zeug gewöhnen“, sagte er zu William.

„Nun erzähl schon weiter“, drängte Fergus.

Dougal stellte das Glas ab und wandte sich wieder Malcolm zu. „Die Sache ist die – Malcolm nahm den ersten Wunsch damals gleich selbst für sich in Anspruch, und hundert Jahre später äußerte sein Urenkel den zweiten.“

„Und der dritte?“ Malcolms Gedanken kreisten bereits um Verträge und juristische Definitionen. Ein Versprechen war eine Art Vertrag, aber hier ging es um Magie. Es gab bestimmt keinen Präzedenzfall für ein Abkommen mit einem mythischen Geschöpf, das gar nicht existierte …

Dougal sah ihn lange Zeit stumm an und zog auffordernd die buschigen weißen Augenbrauen hoch. Williams Miene spiegelte die gleiche Erwartung wider, nur Fergus’ Gesicht blieb kalt und ausdruckslos.

Die Erkenntnis traf Malcolm wie ein Schlag in die Magengrube. „Ihr wollt, dass ich nach Dunbronach komme und … einen Wunsch äußere, der auf einer Legende basiert?“

Dougal straffte die Schultern. „Das ist keine Legende, Junge. Es ist unsere Geschichte, genau wie deine. Deswegen bist du zur Welt gekommen, es ist deine Bestimmung. Du bist der letzte direkte Nachfahre von Malcolm dem Kühnen.“ Er schloss kurz die Augen. „Es war ein schrecklicher Winter für unsere Sippe. Die Krankheit hat uns unsere Bauern und Handwerker geraubt, ja sogar unseren Dudelsackspieler. Die jungen Leute, die noch da sind, reden davon, Dunbronach zu verlassen.“ Er drehte sein Bonnet in den Händen. „Dieser Wunsch ist unsere einzige Hoffnung …“

„Willst du nicht den Letzten Willen deines Vaters ehren und mit uns kommen?“, fragte William brummig.

Malcolm war um Worte verlegen. Er hätte nie gedacht, dass er Dunbronach je wiedersehen würde; geschweige denn, dass er über den Clan seines Vaters, über seinen Clan, herrschen würde. Sicherlich brauchten sie Hilfe, aber einen auf Magie beruhenden Wunsch?

Er hatte über neue landwirtschaftliche Errungenschaften gelesen; über verbesserte Methoden, um Schafe zu züchten, Mühlen zu bauen, zu weben und Stoffe zu verkaufen … Die Vorstellung, seinen Verstand und seine Hände dafür einzusetzen, war in der Tat verlockend. Wenn Malcolm ein Mann von gesellschaftlichem Status wäre, mit einem guten Einkommen aus einem blühenden, gut geführten Highland-Besitz, hätte Major Martin keinen Grund mehr, ihm die Hand seiner Tochter zu verweigern. Er sah schon den bewundernden Blick seines Onkels angesichts der Reputation, die ein Laird als Teilhaber der Kanzlei verleihen würde. Bestimmt könnte er diese abergläubischen Männer davon überzeugen, dass es keine Magie gab; dass Wissenschaft und moderne Denkweisen sie voranbringen und wieder stark machen würden.

Und nicht irgendein Wunsch.

Vielleicht war ein kurzer Besuch ja in Ordnung. Er brauchte nicht lange dort zu bleiben. Es ging nur darum, kurz die Dinge in die Hand zu nehmen und Verbesserungen anordnen. Wie lange konnte so was schon dauern? Danach würde er einen Aufseher einstellen, der sich um alles kümmern sollte, während er wieder nach Edinburgh zurückkehrte.

„Also gut“, sagte er. „Im Sommer komme ich.“ Jetzt war es Anfang Februar, keine Jahreszeit, in der vernünftige Menschen auf Reisen gingen – schon gar nicht in die kalten, sturmgepeitschten Highlands. Er würde eine Weile brauchen, um sich in seine Bücher zu vertiefen, mit Ingenieuren und Wissenschaftlern zu reden, sich mit Experten über Fruchtwechsel, Schafzucht und Wollhandel auszutauschen. Er würde sogar Geologen aufsuchen und …

Doch Dougal runzelte die Stirn, und seine Brauen überschatten seine Augen wie Gewitterwolken. „Das ist zu spät. Vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt. Der Wunsch muss in der Beltanenacht geäußert werden – im Mai.“

„Also kommst du jetzt oder nicht?“, fragte Fergus von der offenen Tür her, bereit zum Aufbruch.

Malcolm sah sich in der winzigen Kammer um, betrachtete die Stapel von Büchern und Papieren und dachte über das Problem nach, Nancy Martin zurücklassen zu müssen. Wieder erinnerte er sich an den Tag, als er von Dunbronach fortgegangen war, an die Berggipfel, den Himmel und das Meer. „Ich brauche etwas Zeit, um meine Angelegenheiten hier zu regeln.“

Fergus schloss die Tür und setzte sich wieder auf den Stuhl. Er schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme. „Dann warten wir.“

„Das ist nicht nötig …“, wollte Malcolm widersprechen, doch William schüttelte den Kopf.

„Wir sind dein Gefolge, Laird, deine Eskorte. Du kannst nicht ohne uns reisen, das schickt sich nicht.“

Dougal füllte die übrig gebliebenen Sherrygläser mit dem Whisky aus seiner Flasche und reichte sie herum. „Auf Malcolm Ban MacDonald, unseren neuen Laird.“ Er kippte seinen Whisky mit einem Schluck herunter, schenkte nach und gab Malcolm das Glas.

Malcolm nippte vorsichtig an dem Whisky und spürte, wie der Alkohol in seinen Eingeweiden brannte. Oder war es nur das gewaltige Ausmaß seines eben gefassten Entschlusses, das sein Blut zum Singen brachte? Die goldene Wärme des Whiskys hüllte ihn ein, dämpfte seine Zweifel und Befürchtungen und ließ die Welt in einem verheißungsvollen Licht erstrahlen.

1. KAPITEL

Castle MacLeod, Skye, Anfang Frühjahr 1707

Wenn der Sohn eines Clanchefs die Tochter eines anderen Clanchefs heiratete, dauerte das Hochzeitsfest tagelang. Es endete erst, wenn es keinen Whisky mehr gab, wenn das ganze Fleisch gegessen und sämtliche Geschäfte zwischen den eingeladenen Stammesfürsten und Lairds besiegelt worden waren. Während das geschah, gab es Tanz, Spiele und Musik für alle.

Und Flirts – dazu kam es auch reichlich.

Laird Donal MacLeod von Glen Iolair war mit drei liebreizenden Töchtern zur Hochzeit angereist – Aileen, Marcail und Cait. Seine acht anderen noch unverheirateten Mädchen waren zu Hause geblieben, mit dem Versprechen, bei der nächsten festlichen Zusammenkunft dabei sein zu dürfen. Seine drittälteste Tochter Fia hatte vor Kurzem den Clanchef der Sinclairs geehelicht, und wo sie hinging, war jetzt Sache ihres Ehemanns, nicht mehr Donals.

Er sah sich in der Halle um. Viele gute Männer waren anwesend; MacLeods, MacLeans, MacKays und MacKinnons. Bestimmt fand hier eine weitere Tochter einen Ehemann, bevor sie wieder nach Hause reisten, denn die Mädels waren alle hübsche Dinger und zum Tändeln geboren. Außerdem brachte nichts einen Mann besser auf Heiratsgedanken als die Hochzeit eines anderen. Junge Kerle machten den Damen bei solchen Gelegenheiten immer gern schöne Augen, wenn es so viele neue Gesichter gab und sich so viele romantische Möglichkeiten auftaten. Natürlich wurden auch schon mal Dummheiten gemacht, aber Donal machte sich diesbezüglich keine Sorgen. Seine Älteste, Aileen, verwitwet und vernünftig, würde schon auf ihre Schwestern aufpassen und sie davon abhalten, etwas zu tun, was sie hinterher wirklich bereuen würden.

Andererseits hoffte er, dass sie die Zügel bei Marcail und Cait nicht allzu straff anzog. Er machte sich große Hoffnungen, dass er, wenn die noblen Söhne und Erben der anderen geladenen Clans seine Mädchen erst mal zu Gesicht bekommen hatten, bis zum Ende des Fests über zwei, vielleicht sogar drei Heiratsangebote verhandeln konnte. Donal trank einen großen Schluck Ale und lächelte zufrieden. Er glaubte fest an die Magie, der Natur in Liebesangelegenheiten freien Lauf zu lassen.

Und da Donal MacLeod – bislang – acht Mal verheiratet gewesen war, verstand er sehr viel von solchen Dingen. Er winkte eine Dienerin herbei, um sich nachschenken zu lassen, und wandte sich grinsend seinem Tischnachbarn zu. Der Mann grinste zurück.

„Ich suche eine Ehefrau“, sagte er.

Donal hätte beinahe laut gelacht. Sollte das tatsächlich so einfach werden?

Marcail MacLeod sah Colin MacLeod durch ihre langen, dunklen Wimpern hindurch an und malte mit dem Fingernagel Muster auf sein safrangelbes Hemd. Er schnappte hörbar nach Luft, stöhnte leise auf und senkte den Kopf, um sie zu küssen.

Marcail wandte das Gesicht ab, und seine Lippen landeten auf ihrer Wange. „Also wirst du mit meinem Vater über unsere eigene Hochzeit sprechen?“

„Morgen“, murmelte er und zog sie fester an sich. Sie hatten sich in die Schatten eines tiefen Fenstersitzes zurückgezogen, nur wenige Zentimeter von den Feierlichkeiten entfernt. Die mit Fransen besetzten Vorhänge verbargen sie vor neugierigen Blicken. Auf der anderen Seite ihres Verstecks stimmten die Dudelsackspieler einen fröhlichen Reel an, und die Hochzeitsgäste tanzten und lachten.

Marcail legte ihm den Finger an die Lippen und hielt ihn auf Abstand. „Das hast du gestern und vorgestern auch schon gesagt, Colin.“

Er wich ihrem Blick aus. „Dein Vater ist der Fürchterliche MacLeod und außerdem mein Laird. Ich bin nur der Sohn eines Lehensmanns.“

„Papa wird nichts dagegen haben“, prophezeite sie. „Er ist nicht annähernd so wild, wie er immer tut, und er hat sein Breitschwert zu Hause gelassen. Du hast nichts zu befürchten.“

Er schwieg.

„Marcail!“ Sie hörte, wie Aileen nach ihr rief, und schon wurde der Vorhang zur Seite gezogen. „Ich habe dich überall gesucht.“ Ihre älteste Schwester kniff die Augen zusammen, als ihr Blick auf Colin fiel. Sofort ließ er Marcail los und stand auf. „Hast du nicht irgendwelche Aufgaben, die du erledigen musst?“, fragte Aileen ihn, bevor sie sich wieder Marcail zuwandte. „Du sollst dich nur dort aufhalten, wo du jederzeit von anderen gesehen werden kannst.“ Sie nahm Marcail beim Arm. „Komm, sie bringen jetzt die Braut zu Bett, und wir sollen ihr zur Hand gehen.“

Marcail riss sich los und ging noch einmal zu Colin. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. „Wir sehen uns später“, versprach sie, ehe sie Aileen ins Gedränge folgte.

„Ich suche eine Ehefrau“, sagte John MacKay zu Donal MacLeod.

MacLeod sah von seinem Becher Ale auf, seine Augen funkelten interessiert. „Eine Ehefrau? Eure eigene oder die eines anderen?“, scherzte er und brach in trunkenes Gelächter aus.

Ich wünschte, es wäre die eines anderen. John zwang sich zu einem Lächeln und schnitzte weiter an Amors Pfeil. „Mein Vater besteht darauf, dass ich heirate.“ Das entsprach mehr oder weniger der Wahrheit. Ohne Zweifel wäre sein Vater überglücklich, wenn sein drittgeborener Sohn eine der Töchter des Fürchterlichen MacLeod heimführte.

John schwebte jedoch etwas ganz anderes vor. Er wollte Rache für die Kränkung seines Cousins David, der kürzlich eine Zeit lang in Glen Iolair gewesen war und einer von Donals hochmütigen Töchtern den Hof gemacht hatte. Das Mädchen hatte ihn abgewiesen, obwohl der Vater der Verbindung längst zugestimmt hatte. Der Schlag war vernichtend gewesen, vor allem, weil sie stattdessen einen Sinclair geheiratet hatte. David und seine Gefährten waren wütend und beleidigt nach Hause zurückgekehrt und hatten sich geschworen, dass sie Rache nehmen würden – eine Rache, die weitaus schlimmer ausfallen würde als der simple Diebstahl einer Herde von Donals prächtigen, fetten Kühen, die die Männer bei ihrer Abreise aus Iolair hatten mitgehen lassen.

Und jetzt bot sich John plötzlich die perfekte Gelegenheit. Er konnte um eine von MacLeods Töchtern anhalten. Er würde sie mit nach Hause nehmen, seinem Vater vorstellen und ihr alle Ehren erweisen. Doch an ihrem Hochzeitstag würde er einen Grund finden, sie grausam und vor seinem ganzen Clan zu verstoßen. Dann wollte er sie in Schande zurückschicken, so wie ihre Schwester Schande über seinen Cousin David gebracht hatte.

„Wenn Ihr eine Ehefrau wollt – ich habe Töchter im heiratsfähigen Alter“, bemerkte Donal wie aufs Stichwort.

„Ach ja?“, fragte John mit gespielter Überraschung. „Erzählt mir mehr von ihnen.“

2. KAPITEL

Die errötende Braut wurde mit einem aufwendigen Zeremoniell zu Bett gebracht. Die Frauen beruhigten das nervöse Mädchen, während die Männer dem Bräutigam schlüpfrige Vorschläge machten, bei denen alle Frauen im Zimmer genauso rot wurden wie die jungfräuliche Frischvermählte.

Marcail versuchte, sich vorzustellen, wie es wäre, so in Colins Bett gebracht zu werden, als seine Frau. Sie schaute sich suchend nach ihm um, denn sie hegte keinen Zweifel, dass er gerade dasselbe dachte wie sie. Doch er war nicht in der Gruppe der Männer. Ihr Vater ebenfalls nicht. Als Marcail das sah, verflog ihre Enttäuschung, und ihr Herz begann zu klopfen. In genau in diesem Moment sprach Colin sicher mit ihrem Vater und bat ihn um Erlaubnis, sie zum glücklichsten Mädchen in ganz Schottland machen zu dürfen. Colins Liebe zu ihr war tief wie ein Bergsee, so unerschütterlich und verlässlich wie das große Breitschwert ihres Vaters.

Sobald Braut und Bräutigam zu Bett gebracht worden waren, eilte sie zurück in die Halle, um Colin zu suchen. Bestimmt wartete er schon auf sie, mit leuchtenden Augen, ausgebreiteten Armen und der Nachricht vom Segen ihres Vaters auf den Lippen.

Doch Colin war nicht in der Halle.

Sie ging nach draußen, in der Gewissheit, dass er am Lagerfeuer mit den anderen MacLeods vom Gefolge ihres Vaters die gute Neuigkeit feierte. Gleich würde man auch ihr gratulieren … Aber dort war er ebenfalls nicht.

Vielleicht versorgte er die Highlandponys im Stall und wollte erst später mit ihr sprechen, wenn er seine Pflichten erfüllt hatte.

Sie stieß die Stalltür auf. Die glänzenden schwarzen Augen von einem Dutzend Ponys blickten ihr unter buschigen Mähnen entgegen, die Tiere wirkten überrascht von ihrem Kommen. Marcail hörte ein Kichern.

Dann ein Grunzen.

Ein Flüstern. „Heb das Bein etwas höher, Mädchen.“

Marcail kannte diese Stimme. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie rannte los, bog um die Ecke und blieb abrupt stehen. Das war nun eine Seite von Colin, die sie bisher noch nicht zu sehen bekommen hatte – sein nacktes, behaartes Hinterteil schimmerte schneeweiß im Licht der Stalllaterne, während es sich kraftvoll hob und senkte. Das Mädchen unter ihm hatte die Augen geschlossen und klammerte sich an seine Schultern, einen Zipfel seines Plaids zwischen den Zähnen.

Marcail fühlte sich gedemütigt, verraten und unglaublich wütend. Wahrscheinlich brach ihr auch gerade das Herz, aber darüber wollte sie erst später nachdenken. Sie schnappte sich eine Mistgabel, die in Reichweite stand, und rammte sie in Colins breites weißes Hinterteil.

Er schrie auf. Das Mädchen fing ebenfalls an zu schreien, stieß Colin von sich und krabbelte wie ein Krebs rückwärts in eine Ecke, um dort wie gelähmt zu kauern, mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund.

Colin fluchte vor Schmerz und drehte sich, um zu sehen, wer ihn malträtiert hatte. Als er Marcail vor sich stehen sah, die Mistgabel noch in den Händen, verstummte er. Mit der einen Hand seine Blöße bedeckend, streckte er ihr die andere flehend entgegen. „Mädchen …“

Sie warf die Mistgabel zu Boden und durchbohrte ihn stattdessen mit einem vernichtenden Blick. „Du …“, begann sie, doch plötzlich war ihre Kehle wie zugeschnürt, und ihre Augen brannten. Sie konnte unmöglich weitersprechen, ohne in Tränen auszubrechen, und dieser Schande wollte sie sich nicht aussetzen. Sie machte auf dem Absatz kehrt und eilte hinaus in die Dunkelheit.

„Warte!“ Er folgte ihr, aber sie ging einfach mit hocherhobenem Haupt weiter. Vor sich sah sie schon den Eingang zur Halle, ein helles Portal in der dunkelblauen Nacht. Ihr Vater würde dort sein und hören wollen, was … „Warte, Marcail!“ Er packte sie bei den Schultern und drehte sie zu sich herum. Er hatte nur sein Hemd an, das ihm bis zu den Knien reichte, und dazu seine Stiefel.

Marcail rümpfte die Nase. Welcher Mann behielt schon die Stiefel an, wenn er mit einer Frau schlief?

„Wirst du es dem Laird sagen?“, fragte er.

Sie riss sich los, blieb aber mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihm stehen, während er sich sein Plaid um die Hüften wickelte. „Warum fragst du? Hast du Angst, dass er dich entmannt? Ich würde ihn nicht daran hindern. Du hast gesagt, du liebst mich und willst mich heiraten!“

Er wich errötend ihrem Blick aus. „Nein, das habe ich eigentlich nicht.“

Sie starrte ihn an. „Wie bitte?“

„Ich habe nie gesagt, dass ich dich heiraten will, Marcail. Das war nur deine eigene Schlussfolgerung.“

„Ich …“ Ihr klappte die Kinnlade herunter, und sie versuchte fieberhaft, sich zu erinnern, wann oder ob … Die Erkenntnis ihres blinden, törichten Vertrauens zu ihm traf sie wie ein Stich ins Herz, schmerzhafter als jede Mistgabel. Dann fiel ihr wieder ein, wie er sie geküsst und zu mehr gedrängt hatte, und ihr Zorn flammte erneut auf. „Ich sollte dich eigenhändig entmannen“, zischte sie, drehte sich um und rannte weiter auf die Halle zu, wo ihre verständnisvollen Schwestern sie erwarteten. Erst dann würde sie weinen, nicht jetzt und nicht vor dem Mann, der sie so betrogen hatte.

„Es ist ja nicht so, dass ich dich nicht heiraten will, im Gegenteil, ich werde deinen Vater auf der Stelle fragen und ihm erklären …“

Wie beschämend, aus Mitleid geheiratet zu werden, vor lauter Angst, was ihr Vater ihm vielleicht antun würde! Er liebte sie überhaupt nicht, das hatte sie jetzt begriffen. Sie hob das Kinn und richtete den Blick auf die Treppe, die zu dem Zimmer führte, das sie mit ihren Schwestern teilte.

Sie hatte noch nicht einmal die Hälfte der Halle durchquert, da hielt sie ihr Vater am Arm fest. „Da bist du ja“, sagte er mit vom Whisky beschwingter Stimme.

Er hatte nichts gesehen, wusste nichts. Bestimmt merkte er ihr an, dass etwas nicht stimmte, aber wenn er sie danach fragte, würde sie zu weinen anfangen … und sich noch mehr zum Narren machen.

Er schmunzelte. „Ich habe gute Neuigkeiten für dich, Mädchen.“

Colin war beim Anblick ihres Vaters in der Tür stehen geblieben und runzelte besorgt die Stirn; nicht wegen des Kummers, den er ihr bereitet hatte, sondern vor Angst um sich selbst. Wie hatte sie nur glauben können, einen so herzlosen Mistkerl zu lieben? Sie war den Tränen jetzt noch näher, also setzte sie ihr schönstes Lächeln auf und sah ihren Vater an, als wäre alles in bester Ordnung. „Tatsächlich, Papa? Welche denn?“

Ihr Vater sah zu dem Mann hin, der neben ihm stand. Der Mann trug einen Samtmantel und ein Spitzenhalstuch. Er lächelte sie an, obwohl dieses Lächeln seine Augen nicht ganz erreichte.

„Das ist John MacKay, einer der Söhne des Clanchefs der MacKays“, stellte ihr Vater ihn vor. „Und das ist meine Tochter Marcail.“

Sie knickste, und er verneigte sich leicht. Marcail warf einen verstohlenen Blick zur Seite und sah, dass Colin sie beobachtete. Sie zwang sich, John MacKay anzustrahlen. „Wie geht es Euch?“

„Enchanté“, murmelte er auf Französisch. Er beugte sich über ihre Hand und küsste die Luft über ihren Fingerknöcheln. Seine Hand war kalt.

Colin kam durch die Halle auf sie zu.

„John MacKay möchte dich heiraten“, sagte ihr Vater laut, um die Dudelsackspieler zu übertönen. „Ich habe meine Erlaubnis dazu gegeben, und wenn du Interes…“

Colin stand genau hinter ihrem Vater. Er hatte es gehört und öffnete den Mund, um etwas zu sagen.

Marcail griff nach der Hand ihres Vaters. „Ja“, erwiderte sie.

Das Lächeln ihres Vaters wich einem überraschten Gesichtsausdruck. „Ja?“ Er runzelte die Stirn. „Du siehst ihn doch gerade zum ersten Mal. Ich dachte, du wolltest vielleicht ein paar Wochen oder Monate oder auch ein Jahr Bedenkzeit.“

Über die Schulter ihres Vaters hinweg sah sie, wie Colins Miene sich verfinsterte. „Ja“, wiederholte sie. Sie legte die Hand auf John MacKays Samtärmel und warf Colin einen aufgebrachten Blick zu. „Er scheint mir ein ehrbarer, anständiger Mann zu sein. Also ja, ich werde ihn heiraten.“

Sie spürte, wie sich John MacKays Armmuskeln unter ihrer Hand anspannten. „Wie nett“, erwiderte er ausdruckslos.

Wie nett. War das alles? Marcail wurde flau im Magen. Sie hatte immer von der großen Liebe geträumt; von einem Mann, der sie so ansah, dass sie die Engel singen zu hören glaubte. Einen, der sich nie, niemals mit einem Frauenzimmer im Pferdestall amüsieren würde, während sie auf ihn wartete, ihn liebte … Sie sah John MacKay an und biss sich auf die Lippe. Vielleicht war ein Jahr Bedenkzeit ja doch gar nicht so schlecht. Andererseits beobachtete Colin sie immer noch, sie konnte jetzt keinen Rückzieher machen. Sie war die Tochter von MacLeod dem Fürchterlichen, stolz, entschlossen und begehrenswert. John MacKay wollte sie, also …

„Ja“, sagte sie ein weiteres Mal und versuchte, sich selbst davon zu überzeugen.

3. KAPITEL

Marcail tauchte durch die dunklen Tiefen des Meeresarms, bis ihre Lungen zu brennen anfingen. Die Kälte störte sie nicht, sie schwamm das ganze Jahr über. Mit ein paar kräftigen Beinschlägen ließ sie sich nach oben treiben und tauchte im blassen Licht der Morgendämmerung auf. Was hatte sie bloß getan? Sie war verlobt mit einem Mann, den sie kaum kannte.

Wieder tauchte sie unter, und das Wasser liebkoste ihre nackte Haut. Sie hatte keine Angst davor, gesehen zu werden. Die Hochzeitsgäste schliefen noch, und die Männer an den Lagerfeuern hatten sich gegen die Kälte in ihre Plaids gehüllt. Jeder, der aufs Wasser sah, würde sie für einen Otter oder eine Robbe halten; niemand rechnete damit, dass ein Mädchen in der Morgendämmerung zum Schwimmen ging. Bis alle aufstanden, würde sie längst wieder in der Burg sein und sich reisefertig machen, denn John MacKay wollte noch an diesem Tag abreisen und mit der Flut nach Hause segeln. Er konnte es kaum erwarten, dass sie seinen Vater und seine Verwandten kennenlernte und sein schönes Zuhause bewunderte. Jetzt war es auch ihr Zuhause. Offenbar lebten die MacKays in beträchtlichem Luxus.

Sie wünschte, sie hätte ihren Entschluss nicht so überstürzt gefasst, aber jetzt konnte sie es sich schlecht noch einmal anders überlegen. Ihr Vater war erfreut über die Verbindung, obwohl er sich Sorgen machte wegen ihrer überhasteten Entscheidung. Papa wollte zwar, dass seine Töchter heirateten, aber sie sollten glücklich verheiratet sein, mit den richtigen Männern. War John MacKay der Richtige für sie? Er war höflich, elegant und sah auch recht gut aus. Vielleicht lernte sie ja mit der Zeit, ihn zu lieben. Sie ignorierte die leisen Zweifel in ihrem Herzen. Sie würde reich und geachtet sein, und er würde ihr treu sein, im Gegensatz zu …

Wieder tauchte sie unter und befahl dem eiskalten Wasser, Colin MacLeod aus ihrem Herzen und ihrem Kopf zu spülen. Hoffentlich wurde ihm bewusst, was er verloren hatte; vielleicht verzehrte er sich gerade vor Liebeskummer und Reue. Cait und Aileen hatten versprochen, ihm das Leben so schwer wie möglich zu machen, wenn sie erst wieder in Glen Iolair waren. In den kommenden Monaten würde er immer wieder Disteln in seinen Stiefeln, Schlangen in seinem Bett und verdorbene Milch in seinem Porridge vorfinden.

Sie seufzte. Wenn sie ihre Schwestern das nächste Mal wiedersah, war sie die Ehefrau eines Mannes, von dem sie so gut wie nichts wusste. Er benutzte nach Lavendel duftende Seife, und ihren Beobachtungen bei Tisch nach mochte er Brandy, Schnupftabak und Moorhuhn mit reichlich Weinsoße. Sonst hatte sie keine Ahnung, womit sie ihn oder er sie erfreuen könnte.

Sie stieg aus dem Wasser und ließ sich von der kalten Luft trocknen, ehe sie sich anzog. Über den Hügeln ging die Sonne auf und spiegelte sich glitzernd auf dem Wasser, während die Seevögel zum offenen Meer flogen, um nach ihrem Frühstück zu fischen. Ob man ihr als verheiratete Frau in ihrem neuen Zuhause das Schwimmen erlauben würde?

Erneut stieg ein Gefühl der Beklommenheit in ihr auf. Sie liebte das Wasser.

Das Schwimmen war für Marcail MacLeod ebenso natürlich wie das Atmen.

4. KAPITEL

Malcolm hasste das Meer, Schiffe und Nässe. All das war völlig widernatürlich. Wenn der Mensch zum Schwimmen bestimmt wäre, hätte die Natur ihn mit Kiemen und Flossen ausgestattet. Er beugte sich über die Reling und übergab sich erneut.

„Wir sind fast zu Hause“, verkündete Dougal munter. „Noch ein paar Stunden, dann segeln wir in die Bucht von Dunbronach ein.“

Noch ein paar Stunden? Bis dahin würde er tot sein. Malcolm starrte hinunter in die grüne Tiefe und auf sein eigenes kreidebleiches Spiegelbild.

„Zu Hause“, wiederholte William und sog tief die kalte, salzige Luft ein. Er stieß Malcolm an. „Riechst du das? Freiheit und frische Luft. Nicht der Gestank der Stadt.“ Er rümpfte die Nase und warf Malcolm einen Blick zu. „Aber wahrscheinlich mag man das, was man gewohnt ist.“

„Hast du nie segeln gelernt?“, fragte Fergus. „Dein Vater liebte die See.“

Es gelang Malcolm, den Kopf zu schütteln.

„Hier, spül dir damit den Mund aus, Laird.“ Dougal hielt Malcolm einen Becher hin.

Wasser. Segensreiches sauberes Wasser ohne den geringsten Salzgeschmack. Er nahm einen großen Schluck und keuchte erschrocken auf. „Das ist Whisky!“

Dougal nickte. „Natürlich. Was hast du denn gedacht?“ Er verzog das Gesicht, als Malcolm sich erneut über die Reling beugte.

„Ich hatte mit Wasser gerechnet.“ Malcolms Kehle brannte wie Feuer.

„Wasser?“, fragte Dougal. „Wozu? Du bist umgeben von Wasser.“

Malcolm ließ sich auf die Decksplanken sinken und spürte die Blicke der Ältesten. Waren sie enttäuscht, wütend und angewidert von der Schwäche ihres neuen Laird? Er schloss die Augen und hatte das Gefühl, als rutschte sein Gehirn im Schädel hin und her, während in seinem leeren Magen ein flüssiges Feuer schwappte. Whisky, kein Wasser, dachte er. Er atmete die elende Salzluft durch den Mund ein und versuchte, sich nicht schon wieder zu übergeben.

„Seit unserem letzten ceilidh habe ich nicht mehr so viel Kotze aus einem Mann strömen sehen“, sagte William, als Malcolm endlich schlief; angelehnt an die Kisten und Bündel, die er mitgenommen hatte, die meisten von ihnen voller Bücher.

Dougal seufzte. „Wir haben schon sehr lange kein Fest mehr gefeiert. Ein guter Laird weiß, was so ein ceilidh wert ist.“

„Ein guter Laird“, grollte Fergus bissig. „Das ist er nicht.“

„Ach, hab doch etwas Vertrauen zu dem Jungen. Er hat Archies Blut, und das ist das gleiche MacDonald-Blut wie unser eigenes. Er braucht nur Anleitung und Beratung“, erwiderte Dougal.

William betätigte die Ruderpinne. „Ja, jemanden, der ihm beibringt, wie man ein richtiger Laird wird, da er ja keinen Vater mehr hat, der es ihm zeigen könnte.“

„Das wird nicht einfach“, brummte Fergus. „Er ist ein erwachsener Mann und zudem Anwalt. Ich schätze, er ist starrsinnig, wie seine Mutter.“

„Nun, jedenfalls braucht ein Laird zwei Dinge – eine Ehefrau und einen Erben“, erklärte Dougal.

„Drei Dinge, wenn du das Vertrauen des Clans mit dazuzählst. Das wird er brauchen“, ergänzte Fergus. „Er ist einen Außenstehender. Sie werden ihm nicht so leicht vertrauen.“

„Auch braucht er typisch männliche Fertigkeiten – ein guter Laird muss stark sein, ein gnadenloser Kämpfer und ein Trinker, der viel verträgt. Dazu muss er einen Hirsch nur mit dem Dolch erlegen können und listig genug sein, eine Viehherde zu stehlen, ohne dabei erwischt zu werden.“ William zählte an seinen Fingern ab. „Das sind nun schon acht Dinge.“

„Er wird ein paar Heldentaten vollbringen müssen, die in Erinnerung bleiben; etwas, worüber man Lieder schreibt und das den Clan mit Stolz erfüllt“, fügte Dougal hinzu. „Trotzdem, ich bin schon damit zufrieden, wenn er sich an das Vermächtnis seines Vaters hält und einen guten Wunsch äußert.“

Fergus machte ein finsteres Gesicht. „Du hast ihn doch gehört, er glaubt nicht an Magie. Und spielt das überhaupt noch eine Rolle? Die Krankheit hat viele von uns dahingerafft. Wir hatten das Glück zu überleben, aber wir sind zu alt, um neue Familien zu gründen. Wir brauchen junge Leute, Hochzeiten, Kinder, neues Blut. Das muss für uns Priorität haben. Und unser neuer Laird muss mit gutem Beispiel vorangehen. Er muss heiraten, Söhne zeugen“, beharrte er.

Dougal nickte. „Ja, aber es gibt nur noch eine Handvoll Mädchen in Dunbronach, die weder zu alt noch zu jung sind. Er ist ein attraktiver Mann, jung und gut gebaut, genau wie sein Vater. Es wird Streit zwischen den Frauen geben.“

William rieb sich das Kinn. „Kann er nicht mehr als eine zur Frau nehmen?“

Dougal starrte ihn an. „Bist du verrückt, Mann? Er ist durch und durch Flachlandbewohner. Es könnte für ihn schon zu viel sein, auch nur ein Highlander-Mädchen zufriedenzustellen.“

„Er sagt, er hat eine Verlobte – eine Sassenach, die Tochter eines englischen Majors“, meinte Fergus.

Dougal runzelte die Stirn. „Er kann keine Sassenach heiraten.“

„Nein, das geht nicht“, stimmte Fergus zu. „Nicht, wenn er der Laird von Dunbronach ist. Es wäre derselbe Fehler, den sein Vater gemacht hat, eine Außenstehende zu heiraten. Ach, sagt mir nicht, dass ihr jetzt, wo wir fast zu Hause sind, plötzlich Zweifel bekommt. Ich wollte ihn nicht haben, ihr schon.“

„Archie wollte es so, Fergus. Wir haben ihm versprochen, zu seinem Sohn zu stehen“, erinnerte William ihn.

„Und das werden wir auch tun“, bekräftigte Dougal. „Er braucht nur ein bisschen Erziehung und Zeit, die Sitten und Bräuche seiner Highlander-Vorfahren zu lernen. Unsere Sitten und Bräuche.“

Fergus betrachtete grimmig den schlafenden Malcolm; zusammengerollt auf dem Deck und bleich wie ein Fisch. „Kann er das lernen?“

William seufzte. „Er muss. Wir brauchen ihn. Er benötigt nur etwas Hilfe.“

„Und das richtige Mädchen zur Ehefrau“, ergänzte Dougal.

5. KAPITEL

Als Marcail an Bord von John MacKays Schiff ging, setzte sie ein Lächeln auf, das so strahlend war, dass es der Sonne Konkurrenz machen könnte. Sie sah die Zweifel in Aileens Blick und das Entsetzen in Caits. Ihre Schwestern hielten das Ganze für einen Fehler. Ist es das? Diese Frage hatte mit spitzen Zähnen an ihr genagt, seit sie Ja gesagt hatte. Sie war aufgeweckt und klug – nur nicht, wenn es um Liebe ging. Sie verliebte sich zu oft, verschenkte ihr Herz viel zu schnell. Aileen hatte sie mit traurigem Blick daran erinnert. Marcail hatte sich zu einem Lächeln gezwungen und von ihrem schönen neuen Zuhause und ihrem charmanten Ehemann geschwärmt. Sie bekam schon fast einen Krampf im Gesicht vom vielen aufgesetzten Lächeln, und ihre Zweifel bereiteten ihr Magenschmerzen.

Ihr Vater hatte drei Männer beauftragt, sie zu begleiten, einschließlich Colin. Sie stellte sich vor, wie Colin sie beobachten würde, wenn sie ihr Ehegelübde ablegte und in Johns Schlafzimmer ging, und hoffte, dass er darunter litt. Danach würde sie ihn entlassen und ohne jedes Bedauern nach Hause zurückschicken. Im Moment ignorierte sie ihn völlig, wobei ihr allerdings nicht der erdbeerrote Knutschfleck an seinem Hals entgangen war. Sie wusste, dass er sie beobachtete und auf eine Gelegenheit wartete, mit ihr zu sprechen – die sie ihm aber nicht bieten würde. Stattdessen sah sie John an und konzentrierte sich darauf, restlos und atemberaubend glücklich auszusehen.

Ihr Lächeln verrutschte allerdings etwas, als sie die Frau entdeckte, die ihr von der Reling der nahenden Barkasse aus entgegensah. Sie hatte Haar von der Farbe eines Weizenfelds im Frühling, rote Lippen und den verführerischen Körper einer Sirene. Marcail hörte, wie die Männer um sie herum den Atem anhielten, und spürte, wie plötzlich Lust in der Luft lag. Während John ihr an Bord half, stand die Schöne mit einer Hand in die Hüfte gestemmt da, während sie mit der anderen an der Halskette spielte, die zwischen ihren Brüsten hing.

John ließ Marcails Ellenbogen los, sobald sie die Füße aufs Deck gesetzt hatte, und trat einen Schritt zurück. „Das ist Marie de Montescue“, teilte er ihr kurz mit. „Und das ist Marcail MacLeod, meine Verlobte.“ Die Schöne musterte Marcail von Kopf bis Fuß, und ihre Mundwinkel zuckten leicht.

„Enchantée“, sagte Marcail auf Französisch. Sie bemerkte die Überraschung im Blick der Französin. „Meine Stiefmutter – die fünfte – bestand darauf, dass meine Schwestern und ich Französisch sprechen“, erklärte sie. Marie sah wieder zwischen ihr und John hin und her, schwieg aber weiterhin. „Seid Ihr …“ Marcail suchte nach einer Erklärung für Maries Anwesenheit. Auf der Hochzeit war sie nicht gewesen. „Seid Ihr mit den MacKays verwandt?“

Das brachte die Schöne zum Lächeln. „Nein – eher wohl eine Freundin.“

„Eine Freundin meiner Mutter“, ergänzte John hastig.

Marie zog die goldblonden Augenbrauen hoch. „Oui. Ta maman“, erwiderte sie belustigt.

„Marie war krank, daher ist sie während der Hochzeit an Bord geblieben“, erklärte John und verschlang die üppigen Kurven der Schönen mit seinen Blicken. „Man wird Euch Eure Kabine zeigen, in der Ihr ausruhen könnt. Unsere Reise wird nicht lange dauern. Wir segeln heute Nacht los und kommen morgen an.“ Marcail entging nicht, dass er Marie dabei die ganze Zeit ansah.

Das Abendessen verlief in nahezu vollständigem Schweigen. Marie de Montescue erschien nicht, und John teilte Marcail mit, sie fühle sich immer noch krank. Marcails Versuche, eine Unterhaltung in Gang zu bringen, schienen John zu langweilen. Noch während des Essens wurde ihm von einem Mitglied seiner Mannschaft eine Nachricht überbracht, und John erhob sich. „Marie braucht mich“, sagte er ohne weitere Erklärung.

„Kann ich helfen?“, fragte Marcail.

„Nein. Geht zu Bett. Wir sehen uns morgen früh.“ Er verneigte sich knapp und ging.

Später, als sich die Nacht über das Meer senkte, ging Marcail an Deck. In ihrem Kopf schwirrten die Gedanken. Zum Schlafen war es noch zu früh, obwohl andere schon zu Bett gegangen waren oder sich an Deck in ihre Plaids gewickelt hatten. Sie stellte sich an die Reling und sah die dunklen Umrisse von Inseln vorüberziehen. Wolken warfen düstere purpurne Schatten auf das Festland. Das Schiff würde direkt an der Küste vor den Ländereien ihres Vaters vorbeisegeln; nur wenige Meilen landeinwärts lag Glen Iolair, ihr Zuhause. Sie vermisste ihren Vater und ihre Schwestern.

Sie blickte hinauf zum Himmel und wartete, dass sich die ersten Sterne zeigten. Ihre Mutter hatte ihr beigebracht, sich beim ersten Stern, den sie entdeckte, etwas zu wünschen, und das tat sie nun auch. „Möge dort, wo ich hinfahre, die wahre Liebe auf mich warten“, flüsterte sie. Der Stern funkelte und blinkte erst golden, schimmerte dann rot und wurde schließlich weiß. Das war doch bestimmt ein gutes Zeichen, nicht wahr?

Ein langes, tiefes Stöhnen ertönte. Ihr stellten sich die Nackenhaare auf, und sie sah sich um. Überall an Deck schliefen Seeleute, doch keiner von ihnen rührte sich bei dem Geräusch.

„Vite!“ Das war unverkennbar Marie de Montescues rauchige Stimme. Anscheinend ging es ihr wieder schlecht, und sie brauchte Hilfe. Marcail wandte sich der Treppe zu, die hinunter zu den Kajüten führte.

„Nicht.“ Jemand hielt sie im Dunklen am Arm fest. Colin. Sofort schreckte sie zurück, und er ließ sie los. „John MacKay wäre sicher nachtragender als ich, wenn du ihm eine Mistgabel in den Hintern rammst.“

Marcail bekam einen ganz trockenen Mund. „Wie meinst du das?“, fragte sie, obwohl sie es längst wusste und ihr übel wurde. Trotzdem reckte sie trotzig das Kinn. „Sie ist krank. John sagte, es ginge ihr nicht gut. Sie fühlte sich so unwohl, dass sie nicht einmal zur Hochzeit kam und an Bord bleiben musste.“

Colin grinste, seine Zähne blitzten weiß im Mondlicht. „Gar nichts ist sie. Ein Mann kann nur schlecht seine Geliebte zu so einem Anlass mitnehmen. Jedenfalls nicht eine Frau wie sie.“

Maries neuerliches Stöhnen zerrte an Marcails Nerven. Colin hatte recht – das waren keine Schmerzenslaute. Sie schloss die Augen. John war auch nicht besser als Colin. Irgendetwas in ihr erstarb. Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie, dass Colin sie belustigt beobachtete. Zum Glück war es so dunkel, dass ihm nicht auffiel, wie sie errötete.

„Ich habe versucht, es dir zu erklären, aber du wolltest ja nicht zuhören. Ein Mann braucht sein Vergnügen. Mit dir hat das nichts zu tun, Marcail, das geht dich nichts an.“

Aber sie sollte Johns Frau werden, mit ihm das Bett teilen, seine Kinder zur Welt bringen! Wieder ein Stöhnen, und John stammelte Koseworte auf Französisch. Marcail sah Colin verzweifelt an. „Bring mich zurück“, forderte sie ihn auf. „Ich will nach Hause.“

Er starrte sie fassungslos an. „Bist du von Sinnen? Ich habe nicht die Befugnis, dieses Schiff anzuhalten, und du auch nicht. Es wird Zeit, dass du erwachsen wirst, Marcail. Viele Männer haben neben ihrer Ehefrau eine Geliebte. Kein Grund, sich darüber aufzuregen.“

„Mein Vater aber nicht“, stieß sie gepresst hervor. „Und mein Ehemann ebenfalls nicht.“

Er kam näher und berührte ihren Arm. „Natürlich, was dem einen recht ist, ist dem anderen billig …“

Sie wich vor ihm zurück. „Nein!“

Er zuckte die Achseln. „Gut, wie du willst.“ Er ging zurück zu seinem Platz an Deck und wickelte sich in sein Plaid.

Marcail drehte sich um, lehnte sich an die Reling und sah hinab auf das dunkle Silber des Wassers, das am Schiffsrumpf vorbeizog. Konnte denn kein Mann einer Frau treu sein? Sie wollte einen Mann, dem sie ihr Herz schenkte, damit er sie liebte, nur Augen für sie hatte und nur ihr allein gehörte. Sie wollte mehr für ihn sein als nur ausreichend oder angemessen. Sie wollte ihm alles sein.

Wieder sah sie hinauf zu den Sternen. So viel also zu Wünschen. Durch einen Schleier wütender Tränen betrachtete sie die Küste. In der Kajüte unter ihr ging das Gestöhne weiter. Die keuchenden, heiseren Schreie hörten sich eher nach einem Kampf an als nach Vergnügen. Marcail hielt sich die Ohren zu.

Eines stand fest – sie wollte und konnte John MacKay nicht heiraten. Ein Mädchen hatte doch das Recht, seine Meinung zu ändern, nicht wahr? Energisch wischte sie sich die Tränen weg. Die Küste war so nahe, die kurze Strecke konnte sie mühelos schwimmen. Sie konnte selbst nach Hause finden.

Sie kletterte auf die Reling und blieb einen Moment lang dort stehen, die nackten Zehen um das Holz gekrümmt. Sie betrachtete die weiße Gischt der Wellen am Bug des Schiffs. Das Meer liebte sie, rief geradezu nach ihr.

Sie holte tief Luft und stieß sich von der Reling ab. Zu spät merkte sie, dass sich ihr Kleid irgendwo verfangen hatte. Sie schaffte keinen Hechtsprung, sondern stürzte unglücklich. Ein kurzer stechender Schmerz, als sie mit dem Kopf gegen die Reling prallte, dann schlug das Wasser über ihr zusammen. Sie war zu benommen, um an die Oberfläche aufzutauchen. Ihre Glieder erschlafften, wurden leicht und schwerelos, aber Marcail hatte nicht die Kraft, sie zu bewegen. Ihr Haar, ihr Kleid und ihr Plaid bauschten sich wogend um sie wie Seegras, als sie in die dunkle Tiefe sank.

Und dann spürte Marcail MacLeod gar nichts mehr.

6. KAPITEL

Die Morgendämmerung war kaum angebrochen, als Malcolm die Burg verließ, um am Strand spazieren zu gehen. Er wollte Dougal aus dem Weg gehen, der praktisch zu seinem Schatten geworden war und ihm überall hin folgte; immer in der Hoffnung, den neuen Laird bei einer Heldentat zu erwischen, die es wert war, in einem Lied oder einer Geschichte beschrieben zu werden.

Wenn Dougal ihm nicht folgte, dann William, Archies Hauptmann der Wache und Malcolms selbst ernannter Leibwächter. Nicht dass es außer dem Meer irgendwelche Gefahren in Dunbronach gegeben hätte; das Meer war das Einzige, wovor Malcolm sich fürchtete, und da es sein Land auf drei Seiten umgab, konnte er ihm nicht entgehen. Vielleicht gewöhnte er sich mit der Zeit daran. Er bezweifelte jedoch, dass er jemals vergessen konnte, wie er als Kind einmal beinahe ertrunken wäre.

Immer, wenn er mit Malcolm im selben Zimmer war, beobachtete Fergus ihn, als sei er gekommen, um das Silber zu stehlen. Nicht, dass es überhaupt Silber gegeben hätte oder irgendetwas anderes. Kein Vieh, keine Schätze, keine Münzen.