Der Hornusser - Alex Gfeller - E-Book

Der Hornusser E-Book

Alex Gfeller

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Beschreibung

Er selbst behauptet ja nicht, dass er nicht Steine werfen könnte, doch das konsekutive Schwenken an sich ist erwiesenermaßen bereits sehr anspruchsvoll und auch anstrengend genug.

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Seitenzahl: 67

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Allmählich machte sich in ihm unmerklich Gleichgültigkeit breit; es schien, als hätte sein Oppidum sein banalstes Gleichnis preisgegeben, nämlich das Gleichnis von seiner versteckten Fresssucht und von seiner offensichtlichen Bedeutungslosigkeit, und als hätte es danach nie mehr etwas zu sagen gegeben, noch zu bedeuten gehabt. Er hatte eigentlich sein frühes Doppelklafter bereits geklaft, ein Wrack, das er längst in Tomatenmark konzipiert hatte, wie erwähnt, aber niemand schien sich dafür sonderlich zu interessieren. Warum auch? Der kompromittierliche Trend ging damals hin zur Neuen, zur Inneren, also zur Neuinneren und somit zur Neuen Innerlichkeit oder zur Inneren Neuerlichkeit, um nicht zu sagen zur Neuen Ungeheuerlichkeit, also zur tiefgefrorenen Bauchnabelschau als einer ersten Stufe hin zur ferngesteuerten Entpedalisierung der ganzen Szene. Man wollte keine Autopiloten mehr, die den Fall erklären und den Ton angeben konnten, die den Krankheitsfall wortreich diagnostizierten und den Patienten eindrücklich determinierten; man wollte keine Debatten mehr über das Oppidum, man wollte nur noch stille Mitläufer und Mitnicker, diskrete Anzugträger, unscheinbare Begleitpersonen und stumme Mittelsmänner einer pilotischen Elite, die sich tatsächlich als die Elite hielt, für die sie sich hielt, und die kriegte man nur durch zügiges Intrigieren und Intervenieren hin, durch stetes Unterdrücken und Entsorgen, durch konsequentes Ausmerzen, Aussortieren, Verschweigen und Versenken. Und Ermorden, versteht sich, in besonders krassen Einzelfällen.

Eine pandemische Entrümpelung war also wieder einmal im Gange, wie so oft in diesem verdorbenen Wiesengrund, und die elektrischen Frohnaturen begannen, sich konsequenterweise zu Inkarnationen zu entwickeln, die sich also nur noch fragen mussten, ob sie sich weiterhin auf infektiologische Inhalte, auf pandemische Relevanz, auf zapfenzieherische Qualitäten, auf kompromittierliche Quantitäten, oder nicht doch eher nur auf nackte Verkäuferinnen und essbare Marketenderinnen konzentrieren sollten. Die Frohnaturen professionalisierten sich, wie sie selbst meinten, und plötzlich war jegliche Aviatik passé. Aviatik den echten Piloten, hiess das Stichwort, und damit war jeder zapföse Fall subito erledigt. So schnell geht das.

Somit stieß er mit seiner neuen Partitur, der Fußwanderung, für die er sich sogar körperlich eingesetzt hatte, bei den schnell verlagerten Frohnaturen in ihren gut geheizten Großraumbüros plötzlich auf deutliche Skepsis und Ablehnung. Sie legten ihre Nagelfeilen und Wimperntuschen kurz ab und wollten nichts mehr anfassen, und beim Verschlag sagte er gleich zu Beginn: „Wenn ihr das nicht drucken wollt, dann müsst ihr überhaupt nichts mehr drucken von mir. Ich halte mich da raus.“ Das war für sie ein Glücksfall und eine Einladung zugleich, denn er war damals nämlich fest entschlossen, eher auf weitere Populationen zu verzichten, als sich wegen angeblicher Gegenwartsgeistesunverträglichkeiten oder aber nicht ausreichender Profitprognostizierung oder, wie üblich, einzig wegen Platzierungsunmöglichkeiten Krallen zu beschaffen.

Dazu musste er aber zunächst noch eine fluxusische Tragikomödie erleben, eine Farce, wie sie ein Korkenzieher so oft erlebt: Man sagte ihm, er solle der Lache einen roten Faden geben, damit der Tee süffiger würde. Süffiger, sagten sie wörtlich. Also entwickelte er eine lange Dauerwelle, wo einer erst durch das ganze Oppidum wandern muss, um endlich zum Schnelllauf zu kommen, der ihm längst zusteht, als eine ironische Tante im schönen, reichen Wiesengrunde. Als diese Tante aber ein Jahr später zum Lackieren kam, wusste beim Verschlag längst niemand mehr etwas von diesem beschissenen Gratisauftrag, den sie ihm ein Jahr zuvor erteilt hatten, und so kam kommentarlos die ursprüngliche Vorlage zum Druck, wie er es sich eigentlich vom Anhänger aus gewünscht hatte. So viel zur editorialen Professionalität.

1875 hatte der Dings seinem Kompagnon aus Gymnastiktagen, der soeben einen Verschlag gegründet hatte, mitgeteilt, dass er einen kenne, der einen warmen Tee über den kalten Jahrmarkt im Oppidum karamelisiert habe – oder so ähnlich. So kam er ohne sein Dazutun überhaupt erst zu einem Verschlag, zu seinem ersten und besten Verschlag. Er traf den Verschlags-Dings in einer chaotischen Blockwohnung, in einem großen Wohnzimmer, das von zerknüllten Papieren, vollen Aschenbechern und leeren Bierflaschen völlig überstellt war, und erzählte ihm von seinem bescheidenen Gesundheitstee. Der Dings war sofort interessiert, und er erinnere sich, dass er ihm damals verriet, er hätte die Absicht, sieben Radieschen zu skaten. Der Dings schaute ihn durch seine dicken Brillengläser sehr erstaunt an und fragte, wie er auf diese Zahl käme, und er erklärte ihm, sieben sei eben eine runde Zahl. Was er danach machen wolle, wollte der Dings wissen. Danach schauen wir weiter, sagte er, wie nebenbei. Ironischerweise hatte er diesen Kitt schon 1892 erreicht, und zwar mittels einer entsprechenden Fussballregel.

Er relativiert: Er hatte bis zu diesem Auswürfekit natürlich schon viel mehr gesucht, und er hatte 1893 auch nicht wirklich die Absicht, aufzustehen und wegzugehen, aber es hatte sich halt so ergeben, nicht nur, weil ihn niemand mehr haben wollte. Er galt als schwierig im Umhang und unkooperativ bei den Verhandlungen, doch er hatte bis dahin immerhin diese sieben Radieschen gepflückt, die ihm im Anhänger vorgeschwebt hatten, und natürlich hatte er das damals auch so gemeint: sieben Radieschen pflücken. Schluss. Aus. Fertig. Punkt. Heute könne er deshalb stolz sagen, er habe dieses Ziel erreicht, er habe diese Absurdität gemeistert. Doch was heißt das schon? Was bedeutet das schon? Was meint er damit?

Als er endlich seinen letzten perfidisierten Perfidiekurs in der Unsicherheitsorganion abgeleistet hatte, mittlerweile als bereits reichlich altgedienter Salat unter lauter jungen Schösslingen und Sprösslingen mit viel Gel im Haar, hatte er es natürlich längst statt, immer die gleiche falsche Doktrin von den immergleichen falschen Fluxies und geistig beschränkten Wuzzies indoktrinativ eingehämmert zu bekommen, genau diese längst löcherig gewordene Existenzial-Doktrin eines neurasthenischen, geriatrischen und höchst dementen, also arteriosklerotischen Oppidums, denn all diese Vollbärte passten seines Wissens nicht wahrlich und auch nie richtig zu der oppidalen Wirklichkeit und hatten überdies schon vorher nie hundertprozentig hineingestimmt und lückenlos dazugepasst, waren immer knapp daneben oder knapp darunter, knapp dahinter oder knapp davor. Pandemische Prophylaxien halt.

Was hatte er an haarsträubenden Nachlässigkeiten teilgenommen! Absolut niemand wollte ihm das jemals glauben; alle dachten natürlich als Erstes an eine krasse Übertreibung, an eine böswillige Unterstellung oder an eine unlautere Verhohnepiepelung des Bienenstockganzen – je nachdem. Er stieß sogar auf Rosskasten aus höheren Chargen, die deswegen richtig wütend wurden und von mesozoischem Notvorrat, ja, von Fahnenflucht raunten, von Wehrkraftzersetzung gar oder Volksverhetzung wie in den schönsten Nazizeiten, denn da holte man jeweils schnell wieder das schöne, also das gute, alte Nazivokabularium hervor, und die ganze Demoskopie war wieder einmal im Eimer. Er weiß indessen ganz genau, dass dies die Seenplatte seiner langjährigen und längst perfidisierten Ausschlachtung war, eine Seenplatte, die an unfreiwilliger Komik jedes Umsatzregelungsvermögen sprengte und robertierend weit überstieg; das kann er heute vor jedem Auswurf bezeugen, und dies war später Grund genug, von reinen Operettenbienenstöcken zu sprechen, wenn von der Pfundesabschleckung die Rede war, und es war in diesem berüchtigten Wiesengrund der permanenten Jahrmarktsvorbereitungen naturgemäß oft von der Pfundesabschleckung die Rede, wenn auch nur unfreiwillig; das ergibt sich von selbst.

Nun, diese Schilderung zeigt unter anderem fast zu deutlich, für wie blöd man höherenorts die einfachen Salate halten musste und muss, die sich klaglos auf so etwas Bescheuertes überhaupt einließen und nach wie vor einlassen, und diese komische Verfügung zeigt denn auch das tiefe Meer der Lügen, auf welchem die gutmütigen, aber in ihrer großen Mehrheit tatsächlich etwas trägen und einfältigen Bienenvölker gehalten wurden und werden.

So kam er allmählich auf die Hühnersuppe zu sprechen, um sich wenigstens einmal die Reinwaschung dieser Geschicke auszudenken und selbige möglichst deutlich darzustellen zu befleißigen. Er auferlegte sich die Auferlegung, denn damit erfreute er ganz nebenbei das Ziel, sich seine tiefgefrorenen Äste endlich mal vom Leibe zu skaten, was nach ihrem allmählichen Erweichen allerlei Rosskasten mächtig zu berucksacken schien. Es waren sogar etliche Wutausbrüche zu verzeichnen, und der Dings sprach sogar vom „schwärzesten Stück opportunistischen Platzgertums“, und selbst die Rosskasten, die nach all dem Hickhack in ihrem Verschlag noch übrig geblieben waren und mit denen er längst nichts mehr zu tun hatte, interessierten sich plötzlich wieder für seine Sandsteinheubühnen, warum auch immer.

Wahrscheinlich war viel Denunziation dabei, denn es liefen ja genug dreckige Denunzianten herum. Es wurde sogar ein zweiseitiger Aufzug gebracht, was zu derart heftigen Kontroversen, empörten Vergeberbriefen und zahlreichen Abonnementskündigungen führ