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Mick Saunter

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Beschreibung

Wie weit bist du bereit zu gehen, um deine Schuld zu begleichen?
Und wie weit würdest du gehen, um eine Schuld einzufordern?

Im Burry, einer Kleinstadt in West-Sussex, scheint alles ruhig und entspannt seinen Lauf zu gehen – bis Ethan, nach einer Drogennacht mit seinen Freunden und Freundinnen, wieder zu sich kommt, und spürt, dass er etwas Furchtbares getan hat, ohne dafür den Grund zu kennen: Gemeinsam mit einem Fremden hat er Haley zu Tode gequält.
Aber es gibt keine Leiche, keine Anzeichen für ein Verbrechen. Ashley behauptet, dass ihre beste Freundin nach der Party heimlich abgehauen sei, weil sie eine Auszeit von ihren Eltern braucht – Ethan habe alles nur geträumt, und die Polizei stellt die Ermittlungen ein. Doch Haley bleibt verschwunden, und ganz Burry ist traumatisiert, nimmt Anteil am Schicksal von Haleys Eltern Annabelle und Clifford Lang.

Nach vielen Jahren wird Ethan überraschend tatsächlich eines Mordes bezichtigt – aber nicht für den Mord an Haley. Und dieses Mal ist er vom Gegenteil so überzeugt wie damals von seiner Schuld: Diesen Mord kann er unmöglich begangen haben!

Ethan wird das Gefühl nicht los, das Haleys Verschwinden und der Mord irgendwie zusammenhängen. Stecken vielleicht die Väter der Freunde dahinter, die sich neuerdings seltsam verhalten? Welches Geheimnis umgibt sie? Und warum bringt sich plötzlich einer nach dem anderen um?

Ein nervenzerreißender Psychothriller voller Twists und Wendungen, in dem nichts so ist, wie es scheint – und den Du so lange nicht aus der Hand legen willst, bis Du endlich die Wahrheit erfährst.

"Der Irrtum" ist eine Neuauflage von "Geduldige Rache".

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Das Stapeln der Scheite
Im Leuchtturm
Das Entzünden des Feuers
In einem heißen Sommer
Der Opferplatz
Nymphe und Dämon
Katharsis
’n Stück Kuchen?
Zersplittert
Die Hölle
Sieben Jahre später
Der Kreis der Aufrechten
Züngelnde Flamme
Geträumte Schuld – oder schuldiger Traum?
Die Nachricht
Zurück – und wieder zurück
Der Großvater
Im Netz
Vatersorgen
Onkel Pete, die Sau
Bondaged
Fingernagel, abgekaut
Orale Befriedigung
Saures Aufstoßen
Rose und Robert
Deep Throat
Metamorphose
Auflodernd
Ein flotter Dreier – nicht ohne Spuren
Nackt im Wald
Ambers Grüße
In einem Club in Shinjuku, Tokios Vergnügungsviertel, Japan
Ashleys Wunsch und Einars Anteil.
Die Theorie
Schwefel und Feuer
Schäume, nichts als Schäume
Fremde Länder – fremde Sitten
Wo Rauch ist, ist auch Feuer
Todeswund
Die Flamme findet Nahrung
Ein Geständnis
Gut gemeint – doch bös getan
The Harkaway Resurrection – In der Nähe von Woomargama, New South Wales, Australien
Barnickle, angepisst
Für Elise – mit Mayonnaise
Zu nah!
Unterm Mantel
Hojojutsu, Ma’am!
Nichts Verdächtiges
Rose
Die Sonne der Normandie
Männer, die auf Ziegenkäse starren
Bis dass der Tod
Der Philanthrop
Transformation
Tiefer Brand
Eine neue Sicht
Lebe wild und gefährlich
Konjunktiv
Verbrauchsmaterial
Was, zur Hölle …?
Lille Holme
Die Schäfer
Wind in den Weiden
Kein Anschluss unter dieser Nummer
Schlappen, kenternd
Haley’s Garden – Valentia Island, Kerry, Irland
Sally
Die Konsequenz
Heimat
Hell loderndes Feuer
Canard á l’Orange
Dingsbums
Schlapphüte
Gottes Liebe
Knud
Toivo
Kongs Kumpel
Barnickle, hellwach
Vom Verknüpfen der losen Enden
Nur von hinten
Das Wichtigste
Hinterher weiß man mehr
Barnickle, am Rand des Höllentrichters
Sentimental Journey
Die schöne Welt des Internets
Ein Einziger
Clifford
Neun Jahre zuvor
Sofort
Nemesis
Keine Frau
Das Tor zur Hölle
Höllenfeuer
Mascha
Brennendes Herz
Das große, kleine Glück, wie schnell es zerbricht:
Der Splitter im Auge
Chaos
Seelenruhe
Gelöschte Glut
Erstklassige Arbeit
Im Gleichgewicht
Totenstill
Vom Ablegen der Vergangenheit
The only way to heal
Die Hauptpersonen
Weitere Veröffentlichungen

 

 

 

 

Mick Saunter

 

 

Der Irrtum

Im Burry, einer Kleinstadt in West-Sussex, scheint alles ruhig und entspannt seinen Lauf zu gehen – bis Ethan, nach einer Drogennacht mit seinen Freunden und Freundinnen, wieder zu sich kommt, und spürt, dass er etwas Furchtbares getan hat, ohne dafür den Grund zu kennen: Gemeinsam mit einem Fremden hat er Haley zu Tode gequält.

Aber es gibt keine Leiche, keine Anzeichen für ein Verbrechen. Ashley behauptet, dass ihre beste Freundin nach der Party heimlich abgehauen sei, weil sie eine Auszeit von ihren Eltern braucht – Ethan habe alles nur geträumt, und die Polizei stellt die Ermittlungen ein. Doch Haley bleibt verschwunden, und ganz Burry ist traumatisiert, nimmt Anteil am Schicksal von Haleys Eltern Annabelle und Clifford Lang.

 

Nach vielen Jahren wird Ethan überraschend tatsächlich eines Mordes bezichtigt – aber nicht für den Mord an Haley. Und dieses Mal ist er vom Gegenteil so überzeugt wie damals von seiner Schuld: Diesen Mord kann er unmöglich begangen haben!

 

Ethan wird das Gefühl nicht los, das Haleys Verschwinden und der Mord irgendwie zusammenhängen. Stecken vielleicht die Väter der Freunde dahinter, die sich neuerdings seltsam verhalten? Welches Geheimnis umgibt sie? Und warum bringt sich plötzlich einer nach dem anderen um?

Mick Saunter, 1957 in Wuppertal geboren, flog mit sechzehn vom Gymnasium, wurde Eisenwarenkaufmann, war Funker beim Bund, fuhr Lkw, verkaufte Versicherungen und arbeitete in einer Autowerkstatt. Lernte das Tischler-Handwerk und holte den Schulabschluss nach, gründete eine Familie, studierte Holztechnik, und plante über viele Jahre Läden in ganz Deutschland. In der Lebensmitte lernte er durch Zufall (den es gar nicht gibt: Nichts geschieht zufällig, sondern alles hat immer einen Sinn.) eine Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung kennen. Das veränderte in seinem Leben alles: Er begann mit geistig und psychisch behinderten Menschen zu arbeiten, leitete die Arbeitstherapie in einer Suchthilfeklinik und lebte als Heimleiter gemeinsam mit Menschen, die ständige Betreuung brauchen. Lernte, wie unendlich wichtig es ist, das Leben mit dem zu verbringen, was man wirklich will – und fing mit fast sechzig an zu schreiben.

 

www.saunter.de

Mick Saunter

 

 

Der Irrtum

 

 

 

 

Psychothriller

 

 

 

 

2024 © April 2024 Empire-Verlag

Empire-Verlag OG, Lofer 416, 5090 Lofer

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

 

Lektorat: Alexandra Sept

https://stift-und-papier.webnote.com

 

Korrektorat: Peter Wolf

 

Covergestaltung: © Traumstoff Buchdesign traumstoff.at

Covermotive: serz72, Niko Troebst und breakermaximus, Adobe Stock

 

 

 

 

 

 

 

»Wiederum sah ich alles Unrecht an, das unter der Sonne geschieht, und siehe, da waren Tränen derer, die Unrecht litten und keinen Tröster hatten. Und die ihnen Gewalt antaten, waren zu mächtig, sodass sie keinen Tröster hatten.

 

Da pries ich die Toten, die schon gestorben waren, mehr als die Lebendigen, die noch das Leben haben. Und besser daran als beide ist, wer noch nicht geboren ist und des Bösen nicht inne wird, das unter der Sonne geschieht. »

 

Altes Testament, Prediger Salomo, Predigt 4,12

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu Anfang

 

Das Stapeln der Scheite

 

Im Leuchtturm

Weit lehnt er sich über das Geländer, starrt hinaus auf die See, sieht dem kreisenden Lichtstrahl nach.

Plötzlich ist ihm, als würde er gemeinsam mit dem strahlend hellen Licht, durch die Fresnel-Linse gebündelt, viele Seemeilen in die Schwärze der Nacht geschleudert – so, als habe er seinen Körper verlassen, um schneller an sein Ziel zu gelangen.

 

War er soweit?

War er sich wirklich sicher, alles bedacht zu haben?

War es soweit?

 

Er hatte alles getan, was möglich war: Lange genug beobachtet.

Lange genug Informationen zusammengetragen.

Lange genug immer wieder alles überdacht.

Er hatte lange genug gewartet.

 

Immer wieder hatte er seinen Standpunkt verlassen, versucht, es mit den Augen der Anderen zu betrachten: Um ihre Sicht darauf zu verstehen. Er wollte keinen Aspekt außer Acht lassen, nicht vorschnell eine Entscheidung treffen und hatte wieder und wieder alles gegeneinander abgewogen.

Hatte versucht, ihre Gefühle nachzuerleben, ihre Leben in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Was ihre Gründe gewesen waren, so zu handeln.

So zu sein.

So zu bleiben.

Hatte reflektiert, was sein Grund war: Das zu werden, was er jetzt war.

Hatte innere Zwiesprache gehalten, mit ihr.

Mit seinem Schöpfer.

Seinen Dämonen.

Mit ihm.

 

Und endlich war er sich ganz sicher, dass es so und nicht anders geschehen konnte. Geschehen musste. So. Und nur so!

Zeit war das Entscheidende.

Die Zeit, die es braucht, um zu werden.

 

Ja, er war soweit. Sicher.

 

Als er die Tür öffnet, zerstiebt eine jäh aufkommende Bö den Schaum der brechenden Wellenkronen der gegen den Felsen anrollenden See. Rüttelt hart an dem stählernen Türblatt – als versuche der Wind mit aller Macht, sie gegen seinen Widerstand wieder zu schließen.

Er lehnt sich dagegen, schiebt sie weit auf: Sie steht vor ihm, und ihre Augen scheinen wie von innen zu glühen.

 

 

 

 

 

 

 

I.

 

Das Entzünden des Feuers

In einem heißen Sommer

Der Pub des »The Hound and the Huntsman« – Hotels in Two Bridges, Dartmoor, Grafschaft Devon, im Vereinigten Königreich

 

 

»Hey, Geburtstagskind! Nächste Woche bist du dra-han – das Fass wartet schon!«

Peter, der Captain der »The Ton-Ups« brüllte aus vollem Hals seinen Gruß herüber, um gegen die aus den Boxen dröhnenden einleitenden Gitarren-Riffs von Metallicas Enter Sandman anzukommen.

»Auf dich und deine Gesundheit! Cheeriooo!«

Er hob sein Glas mit Ale und trank es in einem Zug aus. Ethan sollte am nächsten Wochenende, wie gerade angedroht, in dem traditionsreichen Café-Racer-Bikerclub seine Vollmitgliedschaft erhalten, indem er in der rituellen, üblicherweise einigermaßen roh durchgeführten Aufnahme-Taufe in einem Fass, dessen Füllung niemand im Voraus dem Täufling mitteilen durfte, ohne mit der Wimper zu zucken untertauchen musste. Die anderen Tons, die die Theke im Pub des Hotels belagerten, grinsten und hoben ebenfalls ihre Gläser. Das Pub war gerammelt voll, Gäste aus dem Hotel und Leute aus dem Ort feierten in das Wochenende hinein und die Geräuschkulisse war dementsprechend laut. Trotzdem hatten einige Peters Toast mitbekommen, riefen »Happy Birthday!« und prosteten ihm zu.

Peter sprang, die wütenden Proteste des Barkeepers ignorierend, auf die Theke und schlug mit kreisenden Bewegungen seines rechten Arms auf eine imaginäre Luftgitarre ein, während die raue Stimme James Hetfields die zweite Strophe des Songs sang: über das Kind, das sich vor dem Einschlafen vor seinen Albträumen und dem Sandmann fürchtet – der, kaum dass das Licht ausgeht und die Nacht ins Zimmer kommt, auftaucht und nach ihm greift. Und als dann der Refrain mit »Exit light!« einsetzte, den alle Tons und viele der anderen Gäste grölend anstimmten, winkte er Ethan bedrohlich grinsend zu sich.

Das Geburtstagskind winkte lachend ab, hob sein Glas mit Cider, nippte aber nur leicht daran. Schließlich wollte er diesen Abend noch recht lange genießen und nicht schon innerhalb der nächsten Stunde vom Hocker fallen, wie es bei einigen seiner Freunde sicherlich bald passieren würde. Schließlich schienen sie die Einladung zu seinem Einundzwanzigsten scheinbar als ein Wettrennen darum wahrzunehmen, wer als erster betrunken war. »Immer dasselbe mit den Jungs«, dachte er grinsend, während er sich durch die Menge schob, um zurück an seinen Tisch zu kommen – vorbei an Bekannten und Fremden, die ihm auf die Schultern klopften, lachenden Frauen in Feierlaune, die ihn umarmten und unbedingt einen Geburtstagskuss geben wollten.

 

~

 

Phil, Sean und Haley, seine besten Freunde, warteten schon auf ihn. Ashley war gerade von der Toilette gekommen und setzte sich zu ihnen: Sie war eine gute Freundin Haleys und arbeitete als Pflegekraft in einer geriatrischen Klinik in Arundel. Die beiden jungen Frauen hatten sich vor ein paar Monaten im Club kennengelernt und rasch festgestellt, dass sie sich so gut verstanden, als würden sie sich schon seit vielen Jahren kennen. Sie unternahmen viel zusammen und hatten einiges gemeinsam – unter anderem den unbändigen Drang, ihre Freiheit in vollen Zügen auszuleben, bevor sie so alt und verheiratet wären, dass es dafür zu spät sei. Haley hatte sie ein paar Mal mit zu sich nach Hause genommen und Ashley war von ihren Eltern, ihrem schönen Zuhause und dem wunderbaren, weitläufigen Garten auf dem Anwesen begeistert. Sie selbst war alleinstehend, hatte keine Familie und war bei Pflegeeltern in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, zu denen sie aber nie eine engere Bindung aufbauen konnte: Mit siebzehn war sie ausgezogen, hatte sich mit den verschiedensten Jobs durchgeschlagen, bis sie endlich eine Ausbildungsstelle im Krankenhaus fand und in Burry, einer Kleinstadt in West-Sussex, nahe dem berühmten Schloss Arundel Castle, eine kleine, bezahlbare Wohnung mietete. Als die Langs, beide im ganzen Königreich bekannte und äußerst erfolgreiche Gartengestalter, von ihrer Geschichte erfuhren, gaben sie sich alle Mühe, sie wie eine zweite Tochter zu behandeln, wenn sie zu Besuch kam und es war beinahe so, als ob Ashley so etwas wie einen verspäteten Familienersatz gefunden hatte.

Mit Phil zusammen war sie heute Abend auf seiner alten Vincent Black Prince zu Ethans Feier gekommen. Um beide wurde er von vielen seiner Clubkameraden heiß beneidet: Ashley war eine fröhliche, aufgeschlossene junge Frau, sehr schlank und wohlproportioniert und mit ihrem taillenlangen, fast schwarzen Haar und dunklen, etwas schräg stehenden Augen hatte sie etwas Asiatisches an sich. Durch ihre etwas schnoddrige, lockere Art und ihr attraktives Äußeres regte sie die Phantasie mancher von Phils Clubkameraden so an, dass sie bei dem Gedanken an sie, ihre Hände nicht über der Bettdecke lassen konnten. Was oft gar nicht nötig gewesen wäre, denn Ashley hatte ebenso wie Haley durchaus ein Faible für ungezwungene Affären – so lange es dabei nach ihren etwas speziellen Interessen ablief. Aber seit sie mit Phil zusammen war, lief nichts mehr nebenbei. Und die Vincent war sowieso über jeden Zweifel erhaben: ein wunderbar restauriertes Stück britischer Motorrad-Geschichte – und nur solche, also alte englische Motorräder, waren bei den Tons zugelassen: Wer Mitglied werden wollte, musste ein echtes altes Briteisen fahren.

Phil und Sean waren schon ein gutes Jahr im Club, und auch Ethan sollte nun dazu kommen.

 

Der zwanzigjährige Phil Peyton, hatte gerade erst sein Studium der Wirtschaftswissenschaften in London begonnen und besaß dank des Geldes seines alten Herrn, ein vermögender Immobilien-Kaufmann und einflussreicher Politiker, das wohl seltenste Exemplar unter all den Oldtimer-Bikes, mit denen die Rockers, wie schon seit den Sechzigern, ihre illegale Rennen um den Häuserblock fuhren. Er und Sean hatten Ethan zu seinem Geburtstag ein Wochenende in Dartmoor geschenkt: Der Edel-Gasthof »The Hound and the Huntsman« in Two Bridges, diesem einsamen Ort in Devon, der die Stimmung der schwermütigen Moorlandschaft so wunderbar pittoresk verwirklichte, schien ihnen dazu gerade recht. Ethan und Haley waren mit Sean in seinem altem Pick-Up, gekommen, obwohl es in ihm »wie im Stall von Shaun dem Schaf stinkt!«, hatte Ethan festgestellt.

 

Sean Heep, Sohn des Duke von Harkaway, musste sich mit einem etwas weniger edlem Bike zufriedengeben: Obwohl er sich, als Nachkomme des Duke, »Lord« nennen durfte, war ihm nicht das Glück vergönnt, mit einem goldenen Löffel im Mund geboren zu werden. Seine Eltern, Marmaduke und Clarissa Heep, der Duke und die Duchesse, hatten große Mühe und Not, den Sitz ihrer bis zu den Kreuzzügen zurückreichenden Adelsfamilie zu halten: Ihre Schafzucht warf, wie überall in Europa, so gut wie nichts mehr ab – die Preise für Lammfleisch waren seit langem im Keller und die Wolle so gut wie unverkäuflich geworden. Mit den Eintrittsgeldern für den Besuch und die Führungen durch Harkaway House und seine Gärten hielten sie sich gerade eben so über Wasser, aber die Schulden wuchsen trotz aller Anstrengungen weiter und weiter.

In Anspielung auf die Trickfilmserie »Shaun the Sheep«, wurde er von seinen Freunden mit dem liebevollen Spitznamen »Sean the Heep« belegt. Er arbeitete in der Burry-Garage, der Autowerkstatt von Percival Smythe. Nach Feierabend restaurierte er Oldtimer, die er billig ankaufte, um sie nach der Wiederherstellung teuer zu verkaufen. Ab und zu schraubte er an der alten Triumph Tiger seines Vaters, die der ihm überlassen hatte, nachdem er ihm lange genug deswegen auf die Nerven gegangen war. Dessen Motorradzeit war seit langem beendet: Die T 100, mit ein paar Blessuren von einem schlimmen Sturz, der wohl dazu geführt hatte, dass Marmaduke das Fahren aufgegeben hatte und über den er nie sprechen wollte, war viele Jahre unter einer Plane versteckt in einem der Schuppen gestanden; neben ein paar alten verbogenen, merkwürdigen Fahrradrahmen, wie er sie noch nicht gesehen hatte. Ma meckerte ständig darüber, wenn sie wieder einmal etwas vom Werkzeug brauchte, das an der Rückseite des Schuppens hing, und sich zum wiederholten Male an dem »alten Gammelzeugs«, wie sie es nannte, vorbei quetschen musste; und Marmaduke versprach jedesmal, es beim nächsten Mal, wenn ein Schrotthändler vorbeikam, ihm mitzugeben.

Die Tiger rostete ein tristes Dasein vor sich hin, bis Sean sie aus ihrem Dornröschenschlaf erweckte; und die Lady verlangte – nicht nur, aber auch wegen ihres Alters – weiterhin immer wieder nach seiner ungeteilten Aufmerksamkeit, um mit ihr am Clubleben teilnehmen zu können.

 

Ethan hatte lange für die Erfüllung seines Traums im Laden seiner Eltern Überstunden gemacht, zusätzlich zu seinem Hauptjob in Melody Perkins Buchladen in Burry, und jeden Penny zurückgelegt. Er hatte erst vor gut zwei Wochen das Geld für seine Traummaschine zusammen bekommen: Peter, der Captain, besaß neben seiner famosen Dunstall-Norton noch eine BSA Rocket 3 – eine der letzten, die das Werk in Birmingham verließen, bevor es vom Insolvenzverwalter endgültig geschlossen wurde. Ethan hatte ihn lange bekniet, sie ihm zu verkaufen – und ihn letztendlich weichgekocht. Als er, nach Peters ausführlicher Anleitung, zum ersten Mal den Motor selbst antrat und sie sofort ansprang, begann er vor Glücksgefühl zu zittern. Und erst, als er von Peters Hof auf die Landstraße abbog und vorsichtig beschleunigte, wurde ihm klar, dass die alte Lady ab jetzt tatsächlich seine war.

Wenig später von seiner Jungfernfahrt zurück, war er direkt zum Haus der Langs gefahren. Hatte Haley, die juchzend die Treppe heruntergerannt kam und ihn stürmisch umarmte, stolz seinen Ersatzhelm in die Hand gedrückt und war mit ihr zu »Maggie’s Roadhouse«, dem Clubhaus der Tons gefahren. Phil, Sean und die anderen hatten ihn mit großem »Hallo« beglückwünscht – und ihm einen ersten Vorgeschmack auf seine bevorstehende Clubtaufe gegeben: Vier Mann, unter ihnen Phil und Sean, hatten ihn an Händen und Füßen gepackt, zum nahen Dorfbrunnen geschleppt und zur großen Freude der Herumstehenden nach drei von allen lautstark mitgezählten Schwüngen ins Wasser geworfen. Damit war er schon mal halb aufgenommen. Und das war noch ein Grund dafür, es heute besonders und so richtig krachen zu lassen!

 

~

»Na, du jetzt ganz Erwachsener – die Gläser sind schon wieder leer! Eth, wir brauchen dringend Nachschub für unseren Tisch!«

Phil drückte seinem Freund das Tablett mit den leeren Gläsern in die Hand, während Ashley ihn laut lachend wild umarmte. Er schob sie von sich, was sie mit einem leichten Schmollen quittierte. Sean sah die beiden mit einem seltsamen Ausdruck an und Haley verdrehte die Augen: Ihre Freundin war manchmal wirklich etwas aufdringlich; obwohl allgemein bekannt war, wie sehr sie hinter Phil her war.

»Ash, hör schon auf damit«, knurrte er, als sie sich wieder an ihn drängte und gab ihr einen flüchtigen Kuss. »Eth, sag mal, hast du die Goldwing auf dem Parkplatz gesehen? Wahnsinn, oder? Nagelneu! Die muss ein Vermögen kosten, mit der ganzen Zusatzausstattung.«

Ethan nickte. »Ja, bestimmt dreimal so viel, wie ich im Jahr verdiene. Mir wär so was zu schwer, zu unhandlich – wie ein rollendes Wohnzimmer, mit Sofa und Bar. Die wiegt bestimmt acht Zentner! Mit der kannst du garantiert nicht die Runde unter dreieinhalb Minuten fahren. Ist mehr was für ältere Herren, die sich gemütlich die Eier schaukeln lassen wollen, was? Bestimmt hat die eine Sitzheizung, um den alten, faltigen Sack zu wärmen und Stützräder kann man auch noch ausfahren – damit der Opi beim Anhalten nicht umkippt!«

Alle lachten laut. Er nahm das Tablett und wollte schon zur Theke, da trat ein Fremder an ihren Tisch: Er hatte schon eine ganze Weile im Schatten der Säule neben ihnen gestanden und augenscheinlich ihrem Gespräch zugehört.

»Entschuldigung«, seine tiefe, sonore und etwas kratzige Stimme durchdrang sogar die laute Musik. »Ich höre, ihr unterhaltet euch über meine Maschine. Also, wenn ihr euch traut: Ich würde euch gern vom Gegenteil überzeugen, mit meinem ,Wohnzimmer‹. Sie ist schneller als sie aussieht: Ich habe großen Wert bei meinem Customizer daraufgelegt, dass sie mit euch Racern mithalten kann!«

Die fünf sahen auf: Ein schlank gewachsener und offenbar sportlicher Mann von etwa siebzig Jahren, ziemlich groß, mit Glatze, üppigen grauen Vollbart und mit weit über die Mundwinkel hängendem Schnauzer, stand an eine Säule des Tresens gelehnt und sah sie aus freundlichen, stechend blauen Augen an. Seine Arme waren tätowiert, er trug eine Kette mit einem dicken Ring aus Silber um den Hals über einem weißen T-Shirt und sein Gesicht war durch eine große, helle Narbe, die sich von seiner Stirn über das linke Auge bis weit auf die Wange hinunterzog, entstellt. Er hatte einen ausgeprägten skandinavischen Akzent und Ethan musste sofort an einen der Wikinger aus den Thorgal-Comics denken, die sie in der Buchhandlung verkauften.

Phil hob den Blick und sah den Fremden mit zusammengekniffenen Augen an.

»Entschuldige, Mann, aber wir feiern hier gerade den einundzwanzigsten Geburtstag unseres Freundes. Wenn du ein Rennen willst, dann musst du dich an unseren Captain wenden«, sagte er unfreundlich und deutete zur Theke. Der Fremde hob beschwichtigend die Hände.

»Okay, alles klar, ich wollte nicht stören. Hey, aber gratulieren darf ich doch wohl! Kann ich euch auf was einladen??«

Ethan grinste lahm, es war ihm unangenehm, schließlich hatte er gerade noch den Fahrer der Gold Wing als Opa bezeichnet.

Ashley sah den großen Mann neugierig an.

»Und wer bist du?«

»Entschuldigt, ich habe ganz vergessen, mich vorzustellen: Ich bin der Sandmann!«

Erstaunt sahen ihn alle an.

Er lachte dröhnend.

»Nein, nur Spaß, es ging gerade mit mir durch, wegen des Songs vorhin – ich liebe ihn! Ich bin Einar, aber ich will mich nicht aufdrängen, sagt ruhig, wenn ich euch in Ruhe lassen soll.«

Fragend blickte er in die Runde.

Die Freunde sahen sich an. Ethan wollte seinen Tritt in den Fettnapf wieder gut machen, stand auf und gab Einar das Tablett. Sie waren fast gleich groß, stellte er fest, er war nur etwas kräftiger als der Fremde. Sie schüttelten sich die Hände.

»Wäre mir eine Freude: Ich bin Ethan – für alle das Gleiche nochmal!«

 

Als Einar zurückkam waren sie zusammengerückt, Haley hatte schon einen Stuhl herangezogen. Auf dem Tablett standen neben vollen Gläsern mit Cider, Lagerbier und Weißwein ein paar ineinander gestapelte Schnapsgläser und eine Flasche »Dartmoor Whisky First Release«. Ein Single Malt einer kleinen lokalen Brennerei, im Laden nicht unter hundertfünfzig Pfund die Flasche zu haben; hier an der Bar des Hotelpubs würde er wohl deutlich mehr kosten. Ethan gingen die Augen über.

Einar grinste.

»Ich dachte, wenn ich schon das Vergnügen habe, an so einem wichtigen Ereignis unter Bikerbrüdern teilnehmen zu dürfen, dann sollten wir das auch gebührend begießen.«

»Hey – und was ist mit den Bikerschwestern?«, protestierte Haley gespielt vorwurfsvoll. Ashley prustete ihren Weißwein über den Tisch.

»Unnskyld, Entschuldigung – natürlich ganz besonders für die Bikersisters!«

Er öffnete die Flasche, goss je zwei Fingerbreit in die Gläser und schob die beiden ersten zu den Frauen. Dann hob er sein Glas zum Trinkspruch.

»Skål! Auf alle, die unter uns sind, auf alle, die noch zu uns kommen – und auf alle, die schon von uns gegangen sind!«, sagte er geheimnisvoll und fasste dabei kurz an den Ring. Er sah jeden von ihnen nacheinander bedeutungsvoll in die Augen, lächelte, hob sein Glas und leerte es in einem Zug.

Seltsame Trinksprüche haben die in Skandinavien, dachte Ethan.

Aber als die Flasche wenig später zu drei Viertel leer war, hatte er es schon längst vergessen und dachte nur noch daran, was für ein Glückspilz er an diesem Abend war.

Der Opferplatz

»Psst, leise – oder wollt ihr etwa die Naturgeister wecken?«

»Oder die Moorhühner?«

Haley sah sich vorwurfsvoll um.

Ashley gackerte wie ein Huhn, und Phil gab ein schauriges »Huuuuh!« von sich.

Die einzige Lichtquelle, die sie dabei hatten, war eine stilecht auf alt gemachte Petroleumleuchte mit moderner LED-Technik, vom Nachtportier im Hotel: Dort kannte man solche nächtlichen Aktionen der Gäste und ein paar davon standen immer für sie parat – zusammen mit ernsten Hinweisen darauf, dass es tatsächlich auch heute noch äußerst gefährlich sei, die Wege im Moor zu verlassen.

Phil hatte vorgeschlagen, zu einem alten, verlassenen Steinkreis in der Nähe zu fahren: Er wäre doch der ideale Ort für das, was sie vorhätten. Begeistert hatten alle zugestimmt. Einar behauptete noch, so gut wie nüchtern zu sein – Nordmänner würden schließlich schon etwas mehr an Alkohol brauchen, um nicht mehr Herr über ihre Sinne zu sein als ein paar junge verzärtelte Angelsachsen, was energische Proteste hervorrief: Ethan und Sean beharrten darauf, ebenfalls noch fahrtüchtig genug zu sein – allerdings war Sean schon so angeschlagen, dass Ethan sich ans Steuer setzen musste. Im Pick-Up fanden nur sie und Haley Platz, also fuhren Phil und Ashley mit Einar in seinem Mietwagen die paar Kilometer bis zum Wanderparkplatz ins Moor. Von dort war es noch eine Viertelstunde Fußmarsch bis zur alten Kultstätte.

Kichernd hatten sie sich auf den Weg gemacht. Die frische Nachtluft tat ihnen gut, half ihnen, ihre Köpfe wieder etwas klarer zu bekommen. Jetzt saßen sie um die Leuchte herum und sahen erwartungsvoll auf die große Ledertasche, die ihr neuer Freund jetzt öffnete.

»So, Freunde: Ihr seid jetzt die Ersten, denen ich meine Entdeckung vorstelle. Ich glaube, das passt heute besonders gut, an so einem Tag wie Ethans Geburtstag, oder?«

Er griff in die Tasche und holte fünf kleine Fläschchen mit braun-rotem Inhalt hervor, die mit dicken Strichen markiert waren. Stellte sie vor sich auf den Boden, verschloss die Tasche wieder und legte sie hinter sich an den großen Findlingsstein, vor dem er saß. Dann sah er sich die einzelnen Flaschen nochmal genau an, ordnete sie zu und gab dann jedem eine.

»Bitte, nicht vertauschen: Ich hab sie vorhin für eure Größe und euer Gewicht gemischt. Wenn ihr sie vertauscht, könnte die Wirkung nicht gut sein, ihr versteht?«

Alle nickten.

»Gut. Also: Ihr trinkt sie in einem Zug leer, dann legt ihr euch hin – die Wirkung tritt ungefähr in zehn, vielleicht auch erst in fünfzehn Minuten ein; solange könnt ihr euch ja diesen unglaublichen Sternenhimmel ansehen. Es kann gut sein, das euch erstmal schlecht wird – aber das vergeht wieder!«

Bedeutungsvoll sah er in die Runde. »Ich bin wirklich sehr gespannt, wie es für euch wird!«

Die fünf sahen sich an, grinsten. Drehten die Verschlüsse der Flaschen auf, stießen an und kippten die ölige Flüssigkeit hinunter. Sie schmeckte süß-bitter, erinnerte ein wenig an einen italienischen Aperitif und hinterließ ein taubes Gefühl auf der Zunge.

»Na ja, an den Geschmack muss man sich erst noch gewöhnen! Schmeckt er bei dir genauso?«

Phil zog Ashley grob zu sich, schob ihr die Zunge in den Mund, was sie leidenschaftlich erwiderte; dann legten sie sich knutschend ins Gras. Sean rutschte etwas von ihnen ab und lehnte sich an einen der großen Steine, die einen Kreis von etwa sieben Metern Durchmesser bildeten.

Haley sammelte die Fläschchen und die Verschlüsse ein, gab sie Einar, der sie in seiner Tasche verstaute und setzte sich dicht neben Ethan.

Irgendwie, fand er, sah sie ihn ganz seltsam an. So, als ob sie auf etwas von ihm warten würde. Er wusste nicht so recht, was er sagen sollte und lächelte verlegen. Es war so wie immer: Er würde sie so gerne in den Arm nehmen, sie halten, sie küssen; ihr sagen, wie lange er schon in sie verliebt war – und nicht mehr nur freundschaftliche Gefühle für sie hegte.

Aber das ging nicht: Sie waren doch einfach nur allerbeste Freunde, waren Best Buddies!

 

~

 

Sie wussten alles über den Anderen, waren zusammen aufgewachsen. Hatten seit ihrer Kindheit keine Geheimnisse voreinander und erzählten sich einfach alles. Deshalb wusste er auch als Einziger von ihren Abenteuern mit anderen Kerlen, zu denen sie sich immer wieder, über irgendwelche Dating-Apps, in anderen Städten und Dörfern verabredete: Haarklein erzählte sie ihm, wie und mit wem sie Sex hatte und welche Praktiken sie dabei kennenlernte. Sie empfand sich trotzdem als Jungfrau, was damit zu tun hatte, dass sie sich das sogenannte Letzte ganz altmodisch für den »Richtigen« aufsparte: der, den sie liebte, wirklich und bedingungslos, und der für sie das Gleiche empfand. Sex ohne Verpflichtung zu genießen war das eine, das konnte sie von tieferen Gefühlen trennen – aber ohne Liebe würde sie es nie bis zum Geschlechtsverkehr kommen lassen: Das wollte sie mit dem Mann teilen, der der Richtige für ihr Leben sei; und mit dem sie irgendwann eine Familie gründen wollte. Außerdem war sie ein gutes und gläubiges Mitglied der Anglikanischen Kirche – und da war Geschlechtsverkehr vor der Ehe verpönt.

Aber das alles musste noch eine Weile warten: Erst wollte sie ihre Freiheit noch eine Weile auskosten. Aus Burry weggehen, die Welt noch kennenlernen und erleben, wie es sich außerhalb der dörflichen Kleinstadtenge lebt: ohne die ständigen Verpflichtungen und die Kontrolle durch andere – erst dann würde sie endgültig sesshaft werden. In Burry durfte deshalb auch niemand von ihren Ausschweifungen erfahren: Die Moral in der Provinz, die einen Großteil der englischen Mittelschicht, dem sogenannten »Middle England« darstellte, war nach wie vor wie die derjenigen, die auch an der Unantastbarkeit der britischen Monarchie festhielten: äußerst konservativ – obwohl man auch dort durchaus schon im 21. Jahrhundert angekommen war.

Ethan hatte dazu nie etwas gesagt. Er war anders, konnte sich überhaupt nicht vorstellen, an einem anderen Ort oder auf eine andere Art und Weise zu leben. Er mochte es, wie das Leben in seinem Heimatort einem ruhigen, verlässlichen Fluss folgte: Hier fühlte er sich wohl und geborgen, er liebte seine Arbeit im Buchladen, die Gemeinschaft mit seinen Freunden. Aber wenn sie ihren Glauben so auslegen und ihre Freiheit auf diese Art und Weise ausleben wollte, dann sollte sie es tun, er wollte ihr nicht im Weg stehen.

Auch wenn er bei jeder neuen ihrer Eskapaden und ihren überdeutlich offenen Berichten darüber schrecklich litt: Sie waren seit der der Grundschule befreundet und auch als sie in die Pubertät gekommen waren, hatte sich das nicht geändert. Aber irgendwann, ganz plötzlich, war da in ihm auf einmal mehr, ein anderes Gefühl für sie als zuvor. Es hatte lange gedauert, bis ihm irgendwann klar wurde, was es war: Liebe – und Verlangen.

Und obwohl sie so vertraut miteinander waren: Er brachte es nicht fertig, ihr von seinen wahren Gefühlen für sie zu erzählen – er wollte ihre tiefe Freundschaft nicht gefährden.

Aber vielleicht würde sich das heute ja ändern – wenn das, was der fremde Biker ihnen da gerade zu trinken gegeben hatte, tatsächlich so wirkte, wie er es geschildert hatte, und sie ein nie gekanntes Freiheitsgefühl fühlen würden.

 

~

 

Zu vorgerückter Stunde – es war schon nach elf, der Barkeeper hatte, dank eines großzügigen Trinkgelds, darauf verzichtet, die Runde der letzten Bestellung zu läuten – waren die meisten der Tons im Wettbewerb des Wett-Trinkens ausgeschieden und hatten sich auf ihre Zimmer zurückgezogen; ein paar belagerten noch die Bar oder spielten Billard im Nebenzimmer. Die Tische waren bis auf ihren leer, der Barmann räumte bereits die leeren Gläser und Flaschen fort und fegte die überall herumliegenden Chips- und Erdnussreste zusammen.

Einar konnte unterhaltsam erzählen und seine charismatische Ausstrahlung hatte ihn schnell zum Mittelpunkt ihrer Runde gemacht. Er erzählte von seinen Reisen rund um den Globus und dass er jetzt ein paar Tage Urlaub mit dem Motorrad mache, um sich den Süden von England und dabei ganz besonders Cornwall anzusehen, von dem er schon so viel gelesen und gehört habe. Heute habe er sich vom Hotel einen Wagen geliehen, um sich ein paar der Sehenswürdigkeiten anzusehen und nicht wieder den ganzen Tag in der schweren Lederkluft herumlaufen zu müssen. Er betonte, wie sehr er sich freue, dass das Schicksal ihn ausgerechnet nach Two Bridges habe kommen lassen – um sie kennen zu lernen.

Was denn sein Name bedeute, wollte Haley wissen.

»Er stammt aus Island und bedeutet so etwas wie Einzelkämpfer – aus den altisländischen Worten für allein und Kämpfer. Passt zu mir«, grinste er, mit einem spöttischen Zug um den Mund und nahm einen Schluck aus seinem Glas.

»Also, dann bist du aus Island?«

Einar sah gedankenverloren zur Seite, so, als erinnere er sich an etwas.

»Habe ich auch schon mal gedacht, dass ich da gut hingepasst hätte; aber ich stamme aus Schweden«, sagte er nachdenklich.

Dann grinste er wieder und hob sein Glas.

»Auf Ethan und seine Freunde! Skål!«

Sie verstanden sich großartig und die Stimmung war so ausgelassen fröhlich, dass Ethan Phil und Sean umarmte und ihnen sagte, dass er es ihnen niemals vergessen werde, dass sie diesen Abend für ihn organisiert hatten.

Sean sah Phil einen Moment unsicher an. Der grinste kurz verlegen und klopfte Ethan auf die Schulter.

»Alles gut, Alter! Hauptsache, du hast Spaß!«

Sean fragte Einar, was er denn beruflich mache, dass er sich so ein teures Motorrad leisten könne. Der winkte ab: Er sei einfach nur ein alter Biker, habe immer auf See und auf Ölplattformen gearbeitet, der viel Glück mit seinen Geldanlagen gehabt hatte, das sei auch schon alles. Er habe sein ganzes Leben immer nur hart gearbeitet und gespart – jetzt könne er sich endlich etwas leisten und nutze das Geld für seine Reisen: um die Länder zu sehen, in die er immer schon mal wollte und dabei interessante Menschen wie sie kennenzulernen.

Ashley beugte sich über den Tisch.

»Und deine Narbe? Wenn das nicht zu privat ist.«

Einars linke Hand strich vorsichtig über das vernarbte Gewebe und tastete es sanft, beinahe zärtlich ab.

»Nein, ist es nicht: Das war eine Bierflasche ohne Boden, die mir ein unfreundlicher Kollege im Hibernia-Ölfeld vor Neufundland durchs Gesicht gezogen hat. Sein Fehler – und mein Glück: Er kam in den Knast und bekam eine lebenslange Sperre für sämtliche Plattformen der Firma und ich eine ordentliche Portion Schmerzensgeld – die Grundlage für mein Kapital.«

Plötzlich unterbrach er sich und machte ein Gesicht, als ob ihm gerade eine Idee käme.

»Sagt mal – ist es bei euch auch so wie bei mir: Dass ihr euch auf dem Bike so frei fühlt, dass ihr am liebsten ewig so weiterfahren wollt? Also bei mir ist es jedenfalls genauso: Immer wenn ich von einer Tour zurück bin und meine Maschine abstelle, dann bin ich jedes Mal etwas traurig. Dann fehlt mir immer was, dass mich dieses Gefühl von Freiheit behalten lässt.« Ja, nickten alle, das würden sie nur zu gut kennen.

Einar lehnte sich vor, sah sich mit einer verschwörerischen Miene um.

»Ich möchte euch was erzählen. Von etwas, das noch fast niemand kennt. Aber bitte: Ihr müsst es unbedingt für euch behalten, ja? Es muss wirklich nicht überall bekannt werden!«

Er berichtete davon, wie er, auf einer winterlichen Trekkingtour mit einem alten Freund, einem Sámi, etwas Großartiges kennenlernte. Er hatte ein sehr schweres Jahr hinter sich gehabt und die Belastungen hatten alle Energie in ihm aufgebraucht – er war völlig ausgebrannt und hatte Angst, seelisch nicht mehr auf die Beine zu kommen. Die Weite, die Einsamkeit und die Stille des Winters in Sápmi, dem ehemals »Lappland« genannten Teil Nordskandinaviens, hatten ihm schon früher gutgetan; und würden ihm, so war seine Hoffnung gewesen, wieder zu seiner alten Kraft zurückhelfen.

Als er eines Abends am Feuer seinem Freund davon erzählte, hatte der ihn eine Weile schweigend angesehen. War in den Wald gegangen, kam mit einem sehr unappetitlich aussehendem Baumpilz zurück und braute ihm einen Sud daraus: Er schmeckte scheußlich, aber nach kurzer Zeit entstand ein nie gekanntes Freiheitsgefühl in ihm, das jede Belastung klein und bewältigbar erscheinen ließ. Sein Geist wurde wieder klar und analytisch – es war, als sei alles Schwere, alles Dunkle mit einem Mal verschwunden und wieder beherrschbar geworden. Völlig verblüfft über die Wirkung hatte er seinen Freund nach Nebenwirkungen gefragt, ob es süchtig mache, irgendwas. Der lachte darauf und sagte, dass es ungefähr die gleichen Nebenwirkungen habe, wie wenn ein Mann mit einer schönen Frau guten Sex habe: Danach sei man ermattet, aber für eine lange Zeit glücklich – und mehr nicht; dass es die Sámen schon seit Jahrhunderten dazu nutzten, die seelische Belastung der nördlich des Polarkreises viele Monate dauernden Dunkelheit zu überstehen – und ein wunderbares Aphrodisiakum und Potenzmittel sei es außerdem auch noch.

Ethan und seine Freunde hingen an seinen Lippen und wollten mehr über die Wirkung wissen.

Einar lächelte.

»Wie wär’s: Probiert es doch am besten selbst aus. Ich habe seitdem immer was dabei!«

Ethan war wie elektrisiert und fast schlagartig nüchtern: Wenn sie dieses Teufelszeug gemeinsam nehmen würden – vielleicht würde er es dann schaffen, seine Hemmungen gegenüber Haley abzulegen?

Als hätte er Ethans Gedanken gelesen, fügte Einar hinzu: »Und an so einem Abend wäre es doch genau passend, oder? Endlich bist du ganz frei von den Beschränkungen, Ängsten und Sorgen, Ethan, endlich bist du auch vor dem Gesetz volljährig, und kannst alles allein entscheiden. Was meint ihr?«

Er blickte fragend in die Runde: Ein fragendes, leicht spöttisches Lächeln umspielte seine Lippen, und als sein Blick bei Ethan hängen blieb und dessen Gesichtsausdruck sah, lehnte er sich zurück, und strich mit einer auf eine merkwürdige Art und Weise Zufriedenheit ausstrahlenden Geste über seinen Bart.

Vielleicht wäre dies ja die Gelegenheit, ihr endlich seine Liebe zu gestehen, ihr nahe zu kommen, dachte Ethan – sie anders zu berühren, als nur eine freundschaftliche Umarmung oder ein Kuss auf die Wange!

Und vielleicht würde sie ja auch erkennen, dass er der Richtige sei: der, den sie irgendwann finden wollte!

Nymphe und Dämon

Tatsächlich: Nach einer guten Viertelstunde bemerkte Ethan, dass es in ihm zu arbeiten begann – ein Gefühl der Leichtigkeit und eine wohltuende Wärme schienen sich von der Körpermitte her auszubreiten. Es war sehr angenehm – so ähnlich, wie es sich mit einer gewissen Menge an Alkohol im Blut anfühlte, die einem eine scheinbar belebende Wirkung vorgaukelte. Genauso wie Einar beschrieben hatte, war es auf einmal, als ob eine grenzenlose Freiheit in greifbarer Nähe sei, dass alle Belastungen, alle Schranken und Ängste sich immer weiter und weiter auflösten.

Lächelnd lehnte er sich zurück und strahlte seine Freunde an, die alle ebenso zufriedene Gesichter machten wie er. Er rutschte näher zu Haley: Jetzt würde sein sehnlichster Wunsch tatsächlich Wirklichkeit!

Plötzlich veränderte sich seine Wahrnehmung: Von einem Moment auf den anderen war ihm, als ob sich ein Schleier über seine Augen legte. Haleys Anblick wurde unscharf, verschwamm zu einem seltsamen Durcheinander an Gesichtszügen. Ihm wurde heiß, sehr heiß, und eine unglaubliche Übelkeit schwappte wie eine Welle über ihn. Er zog seine Jacke aus, sein Hemd, Schuhe, Socken – es wurde nicht besser. Er knöpfte die Hose auf, schob sie herunter. In seinen Ohren begann es zu rauschen und sein Nacken schmerzte mit einem Mal höllisch, er schüttelte vorsichtig den Kopf, versuchte die Schmerzen zu vertreiben.

Haley schien es blendend zu gehen – sie stand auf, hüpfte aufgedreht und übermütig herum. Ihre Pupillen waren riesig und dunkel, sie strahlte vor Glück und zog sich gerade ihr Shirt über den Kopf.

Sein Schwanz begann sich zu regen, als er sie in ihrem verrutschten BH sah: Trotz seiner Benommenheit spürte er, wie er hart wurde.

»Uff, mir wird warm! Ist das von dem Zeug?«

Sie schwitzte, ihre Stirn und ihr Bauch glänzten im schwachen Licht der Leuchte.

Einar lächelte.

»Ja, das kann gut sein. Warte ab, es wird noch besser – bestimmt!«

Sie warf ihre Mähne nach hinten: Trotz aller Hitze fühlte sie sich frei, lebendig, unbeschwert – und bekam Lust auf Sex.

Große Lust.

Aber warm war ihr, unglaublich warm! Sie musste noch mehr ausziehen, unbedingt. Sie streifte ihre Sneaker ab, öffnete den Gürtel, schob ungeduldig die Jeans über die Hüfte, ihre schlanken Beine hinunter, stieg heraus und warf sie beiseite. Und obwohl sie jetzt nur noch BH und Slip anhatte, wurde die Hitze nicht weniger: Sie hatte das Gefühl, dass jede Stelle ihres Körpers glühte. Was war das nur für ein Zeug? Gehörte das dazu? Sollte das so sein?

»Aber es fühlt sich schon ziemlich cool an, wirklich! Wow! Und bei dir, Ethan? Ethan?«

Besorgt erkannte sie, dass es ihm nicht gut ging.

»Einar? Was ist mit ihm?«

Ethan rieb sich die Augen, kämpfte verzweifelt gegen die immer stärker werdende Müdigkeit, die Übelkeit, ließ sie aber nicht aus den Augen. Haley sah seine Erektion, die seinen Slip unübersehbar ausbeulte.

Er stand auf, wollte zu ihr, sie berühren, ihr alles sagen – aber seine Beine verweigerten ihre Dienste. Mühsam schleppte er sich zu einem der großen Steine, lehnte sich dagegen, versuchte trotz des Nebels, der sich immer dichter über sein Bewusstsein legte, zu erkennen, was da nur wenige Meter von ihm entfernt geschah – aber er schaffte es einfach nicht, seine Augen offen zu halten, sie fielen ihm immer wieder zu. Er merkte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis ihn der Schlaf übermannte.

Wütend riss er seine Augen auf: Einar war aufgestanden, stand neben Haley, legte einen Arm um sie und sah ihn merkwürdig an.

»Mach dir keine Sorgen, es kann sein, dass es bei ihm ein wenig anders wirkt und länger dauert, bis die eigentliche Wirkung einsetzt. Lass ihn einfach noch etwas in Ruhe, das wird schon. Komm, ich will dir etwas zeigen.«

Er zog sie mit sich, ging zu einem der wie ein Tisch abgeflachten, großen Findlingssteine, die im Kreis standen. Nach einem kurzen Zögern wandte sie sich den anderen zu. Sie lachte, als sie sah, womit Ashley beschäftigt war: Sie hockte vor dem ebenfalls wie betäubt wirkenden Sean und fummelte am Reißverschluss seiner Hose. Auch sie war bereits halbnackt, jetzt ließ sie von ihm ab, griff nach hinten und hakte den Verschluss ihres BH auf.

 

Bevor seine Augen wieder zufallen, sieht er Phils faszinierten Blick: Seine Augen folgen gebannt Haley, die sich lachend ganz auszieht und völlig nackt und wunderschön, wie eine Nymphe aus der griechischen Mythologie, im Spiel von Licht und Schatten um die Stele tänzelt und wie in einer Vision meint er, Einars wahres Wesen zu erkennen: gehörnt und bockbeinig – wie ein lüsterner, alter Teufel sitzt er auf dem Opferstein; und seine Augen sind schwarz und böse.

 

Verdammt, das kann doch wohl alles nicht wahr sein! Jetzt lass mich nicht allein, bitte, komm zu mir, schießt es ihm durch den Kopf, bevor er endgültig das Bewusstsein verliert.

Ich will dir doch endlich sagen, dass …

Katharsis[Fußnote 1]

»Los, jetzt setzt du dich da hin. Bleib sitzen! Was ist denn nur los, um Himmels willen? Wo bist du die ganze Nacht gewesen? Sean, hol mal Verbandszeug! In meinen Packtaschen muss was sein!«

Ethan verbarg sein Gesicht in den Händen, wurde von wildem Schluchzen geschüttelt.

»Haley! Haley isch dot! Schie isch dot, schie isch … schie isch dot! Höht ihr! Dot! Isch hab schie umbebracht!«

Er war kaum zu verstehen – seine Zunge war dick geschwollen und schmerzte furchtbar, sein Gesicht um den Mund herum blutverschmiert und geronnene Reste Blut klebten im Mundraum und an den Wangen: Er hatte sie sich an der Spitze fast durchgebissen, ohne zu wissen, wann und warum.

Sean kam gerade mit Eiswürfeln aus dem Barfach der Zimmerbar und einer Rolle Verbandsmull und ließ sie erschrocken fallen. Phil sank zurück in den Sessel, aus dem er gerade aufstehen wollte.

»Was sagst du da? Du … du hast Haley umgebracht? Was redest du denn da?«

Entsetzt sahen sie ihn an: Er bot ein Bild wie aus einem Splatter-Film. Die Vorderseite seines Hemds war voller getrocknetem Blut, seine Hände und sein Gesicht blutverschmiert und aus einem Schnitt in seiner Hand tropfte noch mehr Blut auf den Boden. Zuerst dachten sie, er hätte einen Unfall gehabt, aber er war völlig aufgebracht, schrie Unverständliches, Wirres durcheinander – Haley sei tot, er habe sie umgebracht, aber er wisse es nicht genau, vielleicht sei sie doch noch am Leben und sie müssten ihm unbedingt helfen und sofort mit ins Moor fahren!

 

Auf dem Weg dorthin bekamen sie aus ihm heraus, dass er aus einem unruhigen Schlaf aufgewacht war. Sein Kopf dröhnte, er schwitzte und sein ganzer Körper schmerzte, er fühlte sich völlig erschöpft. Er war allein, seine Hände waren voller Blut: In seiner linken Hand klaffte ein tiefer, stark schmerzender Schnitt, aber er hatte keine Ahnung, woher er den hatte; und er hatte sich scheinbar im Schlaf auf die Zunge gebissen – so sehr, dass sein Mund voller Blut war. Angewidert spuckte er es aus, rieb sich über die Lippen; und als er sich völlig verwirrt umdrehte, fiel sein Blick auf die Steinsäule und den sie umgebenden Steinkreis, der im langsam heller werdenden Licht des frühen Morgens ruhig und still ein Bild des Friedens abgab.

Plötzlich, mit einem Schlag, waren schreckliche Bilder in seinem Kopf, eine Erinnerung wie aus der Hölle, wie aus einem Albtraum aus Gewalt, Qual und Tod, an genau dieser Stelle – und es fühlte sich an, als sei es erst vor wenigen Minuten geschehen.

 

~

 

Von etwas geweckt ist er hochgeschreckt, sieht sich verwirrt um. Im flackernden Licht der rußenden Fackeln steht Einar, der Fremde aus dem Pub, neben der Stele, an der eine nackte Frau gefesselt ist. Ihr Gesicht ist mit einem Tuch verdeckt; er erschrickt, als er die langen, rotblonden Haare sieht: Verdammt, ist das Haley?

Als ihm klar wird, was Einar mit ihr macht, springt er auf – taumelt, fällt wieder zurück. Er fühlt sich schrecklich, alle Glieder schmerzen, als wäre er verprügelt worden. Alles an ihm klebt – er ist nackt, er stinkt, als hätte er sich angepisst und sein Arsch schmerzt, als hätte er nach tagelanger Verstopfung einen faustgroßen Klumpen ausgeschissen. Er richtet sich erneut auf – und wie durch eine beschlagene Scheibe sieht er, wie Einar mit einem Stock, einer Gerte mit aller Kraft wieder und wieder auf ihren blutüberströmten Rücken einschlägt. Ethan sieht ihr Blut aufspritzen, als sie tief in ihre Haut schneidet. Sie schreit schrill auf, der Schmerz muss entsetzlich sein – ihre Qual schneidet tief in seine Seele. Jetzt legt Einar die Gerte beiseite, bückt sich; und als er sich wieder aufrichtet, hält er ein großes Messer in Hand.

Ethan ist, als würde er sich von außerhalb seines Körpers betrachten, als würde er neben sich stehen. Alles erscheint wie durch einen Nebel: Stolpernd, von der Wirkung der Droge noch betäubt, stürzt er sich auf den Schweden, greift mit der bloßen Hand in das Messer, um es ihm zu entreißen. Die scharfe Klinge schneidet tief in seine Hand, aber er spürt keinen Schmerz. Doch der Mann wehrt seinen Angriff spielerisch ab. Packt seine freie Hand und dreht sie mit eisernem Griff blitzartig und so fest herum, dass er sich umdrehen muss, sonst würden die Sehnen seiner Hand abreißen. Sein rechter Arm wird so weit nach oben hinter seinen Rücken gebogen, dass er das Gefühl hat, seine Schulter müsse jeden Augenblick auskugeln – der Schmerz löscht alle anderen Empfindungen aus, sein Gehirn scheint zu zerplatzen und seine Benommenheit weicht plötzlicher, völliger Klarheit. Mit brutaler Kraft drückt Einar ihn gegen den Rücken der Frau, sein Gesicht in ihre Haare: Es muss Haley sein, kein Zweifel – er erkennt das große Schlangentattoo auf ihrer Schulter. Er spürt auf der Brust, wie ihr warmes Blut den Stoff seines Shirts durchdringt; und dann, gegen seinen verzweifelten Widerstand, schiebt Einar Ethans Hand mit dem Messer nach vorn, gegen ihren Hals.

»Was willst du nun tun, mein Freund«, flüstert seine heisere Stimme, ganz nah an seinem Ohr. »So kann sie nicht weiterleben, nicht wahr? So, wie du sie zugerichtet hast! Das wird nie wieder ganz verheilen, es wird entsetzliche Narben geben. Schau dir an, was du mit ihr gemacht hast! Schau nur ganz genau hin!«

Er drückt seinen Kopf herunter: Entsetzt sieht Ethan aus nächster Nähe die zahllosen, diagonal nach links und rechts laufenden, klaffenden Schnitte in der blutigen, zerfetzten Haut ihres Rückens. Alles verschwimmt vor seinen Augen, verschwindet in einem roten Dunst und ein bohrender, unfassbarer Schmerz bohrt ins Innerste seines Kopfes.

 

Er soll das getan haben?

Er hat doch gesehen, wie der Fremde zugeschlagen hat!

Oder – war das ein Traum?

Hat er wieder eine Halluzination?

 

»Warum hast du das getan, mein Freund«, wispert die Stimme, »warum? Nur weil sie dich nicht lieben wollte? Weil sie lieber mit anderen herumgemacht hat und dir immer wieder davon erzählt hat? Weil es dich trotzdem angemacht hat, wenn du dir nachts in deinem Zimmer vorstelltest, wie sie es mit einem deiner Freunde trieb, und die sich auf ihr entluden – und du, nachdem es dir selbst gekommen war, vor Scham wütend wurdest: auf dich, weil du dich nicht kontrollieren konntest? Meintest du, das wäre die richtige Strafe dafür, dass sie dir in aller Ausführlichkeit erzählte, wie sie den Geschmack von Sperma erforschte, genau beschrieb, wie es ist, in den Arsch gefickt zu werden – während du nur daran denken konntest, dass du es noch nicht mal fertigbrachtest, ihr zu sagen, sie solle damit aufhören, mit den anderen: Du wärst doch der Richtige – und dass du nichts mehr davon hören wolltest? Sie sollte endlich wirklich für immer damit aufhören, nicht wahr? Mein Freund? Ein für alle Mal, ja? Aber, vorher sollte sie dafür büßen: für die endlose Qual, die sie dir bereitete! Ja, genau so, nicht? Was also willst du jetzt als Nächstes tun? Willst du es endlich beenden? Willst du?«

 

Ethans Hand wird gegen seinen Widerstand mit unglaublicher Kraft ein Stück quer über ihren Hals gezogen: Die breite Klinge schneidet leicht in die weiche, zarte Haut unterhalb ihres Kehlkopfes: Blut quillt hervor, läuft über seine Hand. Ein spitzer, gequälter Schrei der Verzweiflung dringt durch das Tuch des fest zwischen den Zähnen sitzenden Knebels.

 

Er ist wie gelähmt, als er die Worte des Anderen hört: seine intimsten Gedanken, seine Gefühle. Scham, grenzenlose Scham füllt seinen Kopf.

 

Wie kann er davon wissen?

Er hat doch niemandem davon erzählt!

 

Heiße, blinde Wut steigt in ihm auf. Wut auf sich, dass er das alles mit sich hat machen lassen. Wut auf Haley, dass sie das die ganzen Jahre mit ihm gemacht hat. Sie hätte das doch spüren müssen, seine Abscheu, seine Verzweiflung – seine Liebe! So oft hatte er es in seiner Verzweiflung kaum geschafft, die schwarzen Gedanken niederzuringen, von Rache, von Strafe – zu sehr schmerzte es ihn, mitzuerleben, was sie tat. Warum machte sie das nur? Und warum konnte er es ihr nicht einfach sagen, wie sehr es ihn verletzte?

Schlagartig fühlt sich sein Kopf seltsam an: Es ist, als ob sich in seinem Gehirn kleine Blitze entladen und es beginnt, darin unerträglich zu kribbeln. Seine Muskeln spannen sich, seine Hand mit dem Messer darin zuckt klonisch und unkontrolliert. Er hört ihren vom Knebel gedämpften Schrei, in höchster Todesangst schrill und in höchstem Diskant – dann wird ihm schwarz vor Augen.

 

~

 

Die Erinnerung daran war so deutlich, so klar, so unglaublich – und jetzt war nichts davon zu sehen. Aber es war wirklich geschehen, das fühlte er. Ganz sicher!

 

Er wollte Hilfe holen, erzählte er den Freunden. Sei zum Parkplatz gerannt, aber der war leer. Er wollte den Notruf anrufen, aber sein Handy war im Hotel. Dann sei er losgerannt, voller Panik: in der verzweifelten Hoffnung, dass er auf jemanden treffe, der ihm helfen könnte, ein Telefon habe, dass ein Auto vorbeikomme, um ihn mitzunehmen, irgendetwas – aber vergebens. Niemand war so früh an einem Sonntagmorgen unterwegs; und so war er über eine Stunde gelaufen.

Als sie wenig später im Moor ankamen, fanden sie nichts: keine Leiche, kein Blut, kein Messer, keine Seile, mit denen sie angeblich am Stein festgebunden war, nichts – die uralte Kultstätte aus der Bronzezeit bot ein Bild der Ruhe und des Friedens: Rein gar nichts deutete darauf hin, dass hier auch nur irgendetwas von seiner Horrorgeschichte passiert war – nicht einmal etwas von ihrem kleinen Drogenexperiment war zurückgeblieben.

 

Im Hotel drehte Ethan fast durch vor Verzweiflung, als sie nach Haley suchten, weder sie noch Ashley fanden – und feststellten, dass ihr gemeinsames Zimmer leer war und ihre Sachen verschwunden waren.

»Ethan! Eth! Mensch, hör auf damit! Beruhig dich! Jetzt beruhig dich doch erstmal, verdammt!«

Sean hatte ihn bei den Schultern gepackt und schüttelte ihn heftig. Vom Nachbarzimmer war ein erbostes Rufen zu hören. Phil schloss hastig das Fenster.

»Jetzt hör auf zu schreien, verdammt! Du mischst ja das ganze Hotel auf, Mann!«

Er drückte ihn auf die Bettkante.

»Bist du dir denn wirklich sicher, dass es Haley war?«

Ethan wischte sich über den Mund – die Wunde an der Zunge war wieder aufgeplatzt und blutete.

»Ja, natürlich war schie es! Wer scholl es denn schonst gewesen sein! Es war bestimmt kein Traum, ich … ich war dabei, bestimmt! Ich war dabei, wie sie … ich hab …«, er verstummte, die entsetzliche Erinnerung packte ihn, schüttelte ihn durch.

»Ich weiß nicht, was passiert ist! Da war die Peitsche, ich stand da, sie schrie vor Schmerzen wie eine Wahnsinnige … ihr Blut spritzte! Und das Messer … ich stand auf einmal hinter ihr, mit dem Messer – ich weiß nicht, was dann passierte. Ich bin zu ihr, hab das Messer genommen und … und sie …«

Er verschluckte sich, hustete, frisches Blut spritzte ihm aus dem Mund.

»Alles war auf einmal rot, alles, Haley, die Steine, das Messer – alles!«

Er würgte an den unglaublichen Worten, die einfach nicht herauswollten.

»Ich glaub, ich … ich … ich hab ihr den Hals durchgeschnitten!«

Sean sah mit einem panischen Ausdruck in den Augen zu Phil – sein Blick flatterte vor Furcht über das, was da auf einmal im Raum stand. Phil saß mit geschlossenen Augen wie erstarrt im Sessel, unfähig, sich zu rühren. Dann ging ein heftiger Ruck durch ihn.

»Aber … aber … Mensch, Eth – das kann doch gar nicht sein! Warum solltest du so etwas tun? Nie im Leben!«

Er stand auf und hockte sich vor ihn.

»Weißt du, was ich glaube? Du hast einfach nur beschissen geträumt und warst noch nicht ganz wach, das ist alles. Oder es waren die Nachwirkungen von dem verdammten Teufelszeug.«

Ethan stieß ihn wütend zurück.

»Und warum war ich dann da allein? Kannst du mir das vielleicht auch erklären?«

Phil rappelte sich auf.

»Nein, keine Ahnung. Ashley und ich haben Sean hierhergebracht, bei ihm hatte das Zeug scheinbar auch nicht richtig funktioniert, er war völlig neben der Spur. Einar meinte, es wäre wohl besser, wenn wir ihn ins Bett brächten und auf ihn aufpassten. Ich glaube, er war tierisch über die Wirkung erschrocken. Er würde dich und Haley dann mitbringen – er meinte, er würde noch warten, bis du wieder einigermaßen fit wärst. Ich dachte, ihr wärt längst auf euren Zimmern!«

»Und wo sind sie jetzt, Einar und Haley? Warum haben sie mich denn zurückgelassen? Hast du dafür auch eine Erklärung? Wo ist Einar, verdammt noch mal – dem haben wir das alles zu verdanken! Wo ist er?«

Sean und Phil sahen sich hilflos an.

»Er wollte doch ganz früh los, er hätte heut‹ noch eine weite Strecke vor sich. Hat er doch heute Nacht noch gesagt, er wollte weiter nach Cornwall – erinnerst du dich denn nicht? Und Ashley: Sie soll doch mittags im Krankenhaus zum Dienst zurück sein. Sie und Haley sind sicher schon ganz früh mit dem Zug los, du weißt doch, wie pünktlich sie sind; und uns haben sie schlafen gelassen – keine Ahnung, verdammt!«

Die letzten Worte hatte er geschrien: Die möglichen Konsequenzen über das, was da laut Ethans Bericht passiert sein sollte, hatten auch seine Grenzen des Ertragbaren durchbrochen.

»Kann doch sein, oder?«

Ethan sprang auf.

»Dann ruf sie doch endlich an! Worauf wartest du eigentlich?«

Phil sah zweifelnd zu Sean; aber der stand in einer Zimmerecke, und schüttelte immer wieder seinen gesenkten Kopf: Er war kreidebleich, buchstäblich weiß wie die Wand – niemals hätte Phil sich vorstellen können, dass ein Mensch innerhalb so kurzer Zeit so blass und verfallen aussehen könnte.

Er nahm zögernd sein Handy vom Tisch. Dann tippte er auf Haleys Kontakt: Er horchte, aber nach wenigen Augenblicken legte er auf.

»Es ist besetzt. Warte, bei Ashley vielleicht … nein, dasselbe. Los – wir fragen mal den Portier!«

Aber der Nachtportier hatte um sieben seinen Dienst beendet und sein Kollege konnte ihnen nicht weiterhelfen: Wenn etwas Besonderes gewesen wäre, hätte er es bestimmt bei der Übergabe erfahren.

Ethan verstummte, ließ sich in einen der Sessel im Foyer fallen und sackte völlig in sich zusammen. Seine Freunde standen ratlos neben ihm.

Andere Hotelgäste stiegen aus dem Aufzug, gingen zum Frühstücksraum und sahen die drei im Vorübergehen neugierig an. Plötzlich war ein Lärmen und Lachen aus der oberen Etage zu hören, ihre Clubkameraden kamen fröhlich und übermütig schwatzend polternd die Treppe heruntergeeilt. Als sie die Gesichter der drei sahen, verstummten sie augenblicklich, stellten sich zu ihnen und wollten wissen, was denn los sei.

Ethan straffte sich, erhob sich, und sah seine Freunde entschlossen an. »Bringt mich jetzt bitte zur Polizei!«

’n Stück Kuchen?

»Hey, hey, hey! Ruhe hier! Ihr seid hier nicht in einem Pub!« Detective Sergeant Loreena MacLaughlan sah die Gruppe Motorradfahrer, die den Flur der CID Moretonhampstead and Bovey Tracy Police belagerten, genervt an. Phil, Sean und alle Ton-Ups hatten Ethan begleitet. Jetzt standen sie dicht gedrängt vor der Polizistin und wollten wissen, wie es mit ihm weitergehe.

»Euer Kumpel wird anständig behandelt, schließlich hat er sich ja selbst angezeigt! Wir haben den Fall aufgenommen und müssen jetzt erst mal weitere Nachforschungen anstellen.«

»Und wann können wir ihn wieder mitnehmen?«

Peter, der Captain der Tons, hatte sich nach vorn geschoben.

»Vorläufig gar nicht, das müsst ihr verstehen: Er sagt, er habe einen Mord begangen – da ist es nicht mit einem Protokoll und einem ,Dankeschön Sir für Ihre Information‹ getan! Am besten, ihr haut wieder ab, ihr könnt hier erst einmal nichts mehr für ihn tun, okay? Wir passen schon auf ihn auf. Also los, raus mit euch! Mr Peyton, Mr Heep – Sie bitte nicht, wir müssen noch Ihre Aussagen protokollieren.«

Sie lächelte einigermaßen freundlich, aber ihr Ton ließ keine weiteren Fragen zu. Die Biker murrten, dann verließen sie das Gebäude, während Phil und Sean von zwei Beamten in verschiedene Büros gebracht wurden.

MacLaughlan ging zum Teeautomaten, stellte zwei Becher darunter und wartete, bis sie gefüllt waren.

Der Junge brauchte erst mal etwas, um zur Ruhe zu kommen, dachte sie und beschloss, ihm noch ein Stück von dem Reindling zu holen. Sie hatte den Kuchen erst gestern Abend nach dem Rezept ihrer österreichischen Großmutter gebacken, die ganze Wohnung hatte stundenlang nach Hefeteig, Zimt und Rosinen geduftet. Mit dem Tee ging sie zu ihrem Schreibtisch, schnitt zwei große Stücke Kuchen ab, legte sie auf einen Pappteller, und stellte ihn mit den Bechern mit Tee auf ein Tablett. Dann griff sie sich einen Schreibblock und ging zum Vernehmungsraum.

Als sie die Türe öffnete sprang Ethan auf. Der Police Constable, der hinter ihm stand, wollte ihn schon mit Nachdruck wieder auf den Stuhl setzen, aber sie winkte ab.

»Lassen Sie, Officer, lassen Sie nur. Mr McKennitt, bitte, nehmen Sie wieder Platz, wir müssen Ihre Aussage noch protokollieren. Nehmen Sie einen Tee, vielleicht auch ein Stück Kuchen, wir haben alle Zeit, die wir brauchen.«

Ethan setzte sich widerwillig. Ein Pflaster klebte in seiner Armbeuge – ein Arzt hatte vor wenigen Minuten eine Blutprobe genommen, die schon auf dem Weg ins Labor war. Die Wunde an der Zunge könne man nähen, sagte er, nachdem er sie untersucht hatte, aber wirklich nötig sei es nicht – es sehe schlimmer aus, als es sei. Der Constable schob ihm den Teller mit dem Kuchen zu.

»Wollen Sie ’n Stück? Der ist echt gut, wirklich! Sie versäumen was, wenn Sie ihn nicht wenigstens versuchen«, und lächelte ihm aufmunternd zu.

Ethan starrte auf den Teller, dann auf den auf der anderen Seite des Tisches liegenden transparenten Kunststoffbeutel, in dem sein blutbeflecktes T-Shirt steckte und schob den Kuchen wortlos zurück. MacLaughlan sah den Blick des Officers und drückte ihm den Teller in die Hand. Dann schaltete sie das auf dem Tisch stehende Mikrofon ein.

»Also, Mr McKennitt: Sie behaupten Ihre beste Freundin Haley Lang getötet zu haben, wissen aber nicht warum. Wir haben alles, was wir an Beamten in Bewegung setzen konnten, zu der alten Druiden-Stätte in Two Bridges geschickt. Sie drehen dort jeden Stein um – aber ich kann Ihnen sagen, bisher haben sie nicht den geringsten Hinweis auf Ihre geschilderte Tat gefunden. Das Einzige sind ein paar verbrannte Grashalme um die Steinsäule, sicher von irgendwelchen Fackeln oder so was – die aber ebenso gut von einem der dort immer wieder abgehaltenen Esoteriker-Treffen stammen können. Unsere Leute brauchen zwar noch ein bisschen, aber so wie es aussieht …«

Ethan sprang wieder auf. Der Constable verschluckte sich, hustete Kuchenkrümel aus, während er versuchte, mit dem leeren Teller in der Hand, ihn niederzudrücken.

»Sie müssen mir glauben! Wirklich! Ich … ich weiß auch nicht, was da passiert ist, warum sie nicht da ist – aber es ist wahr! Verdammt noch mal, ich hab sie doch gesehen! Ich hatte das Messer und … und was ist mit dem Schnitt in meiner Hand?«

Wild riss er an dem Verband, schlug dabei dem verblüfften Officer den Teller aus der Hand, und Kuchenkrümel rieselten auf das Mikrofon. Die frisch aufgerissene Wunde begann wieder zu bluten, es tropfte auf die graue Tischplatte, auf ihren Schreibblock.

MacLaughlan stöhnte gereizt auf, langte nach den auf dem Tisch stehenden Karton mit Papiertüchern, griff hinein und holte eine Handvoll heraus.

»Zum Teufel … Constable Morrison, bitte holen Sie einen Ersthelfer, das muss neu verbunden werden!«, und drückte die Tücher auf die Wunde, warf dabei einen Blick auf den langen, tiefen Schnitt. Also wenn er sich den mit Absicht beigebracht hatte, dann müsse er sich aber wirklich gut im Griff haben, dachte sie.

»Hier, halten Sie sie, ich wisch die Schweinerei eben auf«, nahm eine zweite Handvoll aus der Schachtel und wischte damit die Tischplatte ab.

Während ein frischer Verband angelegt wurde, bekam MacLaughlan die von Phil und Sean unterschriebenen Protokolle, überflog sie und nickte zustimmend.