Der Karatehamster sattelt um - Tina Zang - E-Book

Der Karatehamster sattelt um E-Book

Tina Zang

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Beschreibung

+++ Yehaa! Neo ist wieder am Start +++ Neo ist fassungslos: sein Lieblingsmensch Jan verbringt die Herbstferien auf einem Reiterhof, wo er Westernreiten lernt. Ohne Neo! Doch wo ein Wille ist, ist auch ein Huhn: Ein Reithuhn für den Karatehamster. Die superschlaue rechnende Henne Henriette vom Gnadenhof Flinke Pfoten eignet sich dafür ganz wunderbar. Allerdings ist das schöne Tier in großer Gefahr, da ihre Besitzerin Laura erpresst wird. Schaffen es Kira und die flauschigen Helden Neo, Lee und Chan, diesen Fall ohne Jans Hilfe zu lösen?

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Seitenzahl: 200

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Der Karatehamster sattelt um

Tina Zang

 

Band 7 - Ein XXL-Abtenteuer

 

 

Neo, Lee und Chan sind wieder am Start!

Neo ist fassungslos: sein Lieblingsmensch Jan verbringt die Herbstferien auf einem Reiterhof, wo er Westernreiten lernt. Ohne Neo!

Doch wo ein Wille ist, ist auch ein Huhn: Ein Reithuhn für den Karatehamster. Die superschlaue rechnende Henne Henriette vom Gnadenhof Flinke Pfoten eignet sich dafür ganz wunderbar. Allerdings ist das schöne Tier in großer Gefahr, da ihre Besitzerin Laura erpresst wird. Schaffen es Kira und die flauschigen Helden Neo, Lee und Chan, diesen Fall ohne Jans Hilfe zu lösen?

 

Hol dir alle Abenteuer von Neo, Lee und Chan

1: Der Karatehamster legt los

2: Der Karatehamster startet durch

3: Der Karatehamster hebt ab

4: Der Karatehamster ist nicht zu bremsen

5: Der Karatehamster fackelt nicht lange

6: Der Karatehamster taucht ab

7: Der Karatehamster sattelt um

8: Der Karatehamster stellt die Weichen

9: Der Karatehamster hisst die Segel

 

Copyright © 2017 26|books, Auenwald

Christine Spindler

Bert-Brecht-Weg 13

71549 Auenwald

[email protected]

 

ISBN: 978-3-945932-32-2

 

Coverillustrationen: © Claudia Fries

Covergrafik Holz: © Maria Letta

Covergestaltung: Christine Spindler

 

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form sind vorbehalten. Die Handlung und handelnden Personen, sowie deren Namen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden und/oder realen Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

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http://www.26books.de

 

Inhaltsverzeichnis

Der Karatehamster sattelt um

Der Drops ist gelutscht und alles ist futsch!

Eine Woche Reiterhof? Ohne Jan ist alles doof!

Das ist der Trog, in den ich flog

Auf einem edlen Huhn lässt es sich herrlich ruh'n

Wird man erpresst, ist man gestresst

Abschiedsschmerz im Hamsterherz

Ist der Magen leer, fällt das Denken schwer

Braucht der Hamster Schwung, wagt er einen Sprung

Ich leiste einen Schwur: Ich meistere den Parcours

Der Becher scheppert und Lee wird deppert

Wenn man uns hört, ist alles zerstört

Zuerst darf ich skippen, dann will ich tippen

Fort ist das Huhn! Was machen wir nun?

Die komplette Henriette

Zoe lässt sich nicht blicken, doch wir können sie knicken

Der Vorspann ist dem Jungen wirklich gut gelungen

Wir sind zu Hause und lachen ohne Pause

Mir schlottern die Knie so sehr wie noch nie

Monologe zu dritt machen Hamster fit

Ein endloser Streit geht einfach zu weit

Es wird geschummelt und gegrummelt

Ein wilder Ritt gelingt zu dritt

Mit einem matschigen Fraß macht lernen gar keinen Spaß

Eine halbe Ewigkeit ist wirklich eine lange Zeit

Regenwurm und Hamsterturm

Das Wiederseh'n ist wunderschön

Ein Hamster ohne Huhn muss alles selber tun

Tina Zang

Der Drops ist gelutscht und alles ist futsch!

Was für ein grässlicher Nachmittag. Unsere Besitzerin Kira saß an ihrem Schreibtisch, machte Hausaufgaben und litt dabei offensichtlich Höllenqualen, denn sie jammerte fast unentwegt.

»Grausame Grammatikregeln!«, keuchte sie. »Wieso reicht es nicht, eine Sprache zu sprechen? Muss man sie auch noch zerpflücken?« Und später: »Bäh, ich hasse diese strunzblöden binomischen Formeln.«

Auch ich litt entsetzlich, und dazu brauchte ich weder Grammatik noch strunzblöde Formeln. Ich hockte auf der oberen Etage des Käfigs und war nur ein Schatten meiner selbst.

Auch wenn unser Käfig aus Glas ist wie ein Aquarium, gibt es darin kein Wasser, wir sind ja keine Blubberfische. In unserem Glaskasten findet man Einstreu, zwei Schlafhäuser, ein Laufrad, eine Wippe, eine Rutsche, eine digitale Briefwaage, einen Wackelbuddha, ein mit Gel gefülltes Polster, drei Wellensittichspiegel, ein Kletternetz und drei Hamster. Zwei der Hamster waren an diesem Nachmittag quietschfidel, einer war völlig mit den Nerven am Ende. Und dieser Hamster war ich.

Trübsinnig starrte ich vor mich hin. Es war erst wenige Tage her, da hatte ich Kiras bestem Freund Jan geholfen, eine Tierquälerin zu überführen. Dazu musste ich als Ablenkungsmanöver von einem Schreibtisch in ein Wasserbecken springen, während Jan den entscheidenden Beweis sicherstellte.

Diese Aktion hatte mich große Überwindung gekostet, denn Wasser ist uns Hamstern ein Gräuel. Wir verabscheuen es, nass zu werden. Ich verabscheue es sogar ganz besonders. Wie soll man tapfer, tollkühn und verwegen aussehen, wenn das Fell trieft und man vor Kälte zittert?

Da ich ein Leben voller Gefahren führe, werde ich leider sehr oft unfreiwillig nass. Doch der Sprung ins Wasserbecken war kein Unfall gewesen, ich hatte es mit Absicht getan. Mit Absicht! Todesmutig!!! Denn es war der wichtigste unserer bisherigen Fälle gewesen. Kira und Jan hatten sich bei den Nachforschungen zerstritten. Erst nachdem der Fall gelöst war, gelang es mir, sie wieder zu versöhnen.

Es war das Opfer wert, sagte ich mir. Und doch …

Ich konnte einfach nicht aufhören, den schrecklichen Moment im Geist wieder und wieder zu erleben. Wenn ich mit etwas anderem beschäftigt war - wie Laufradlaufen, Klettern oder Wippen -, fühlte ich mich wie immer. Drahtig, sportlich, unbesiegbar. Aber sobald ich eine Pause einlegte, passierte es. Die Erinnerung holte mich ein, ich erstarrte und bekam kaum noch Luft. So wie eben, als ich auf die obere Etage getrippelt war, um mich in Ruhe zu putzen.

»Mit den Hinterpfoten voraus«, murmelte ich. »Zwei endlose Sekunden freier Fall. Und dann … platsch. Eingetaucht bis auf den Grund.« Ein Beben ging durch meinen Körper, von den Schnurrhaaren bis zum Stummelschwänzchen. »Mit den Hinterpfoten voraus!«, wiederholte ich lauter.

»He, Ruhe da oben!«, rief Lee (das spricht man »Lieh«), der auf seinem gemütlichen Gelpolster hockte vor dem Schlafhaus, das er sich mit Chan (»Tschann«) teilt. »Ich versuche zu meditieren.«

»Und ich versuche, wieder der alte Neo zu sein«, sagte ich niedergeschlagen. »Tut mir leid, dass ich dich gestört habe.«

Lee sah zu mir hoch. »Was hast du gesagt?«

»Dass es mir leidtut«, wiederholte ich kläglich.

»O nein!«, stöhnte Lee. »Das ist ja furchtbar. Chan, komm schnell her. Wir müssen Neo helfen. Er ist völlig verstört. Er hat sich sogar entschuldigt. Das gab es noch nie.«

»Macht euch wegen mir keine Gedanken«, bat ich. »Lebt euer Leben und genießt jede Sekunde. Es kann so schnell vorbei sein. Mit Anlauf und Karacho und mit den Hinterpfoten voraus - platsch! - ins erbarmungslose Nass.«

»Oiweh.« Lee schüttelte den Kopf. »Neo, ich weiß, was los ist. Du bist traumatisiert.«

Chan stellte sich neben Lee und drehte einen Joghurtdrops zwischen den Vorderpfoten. »Was bedeutet tomatisiert?«

»Es heißt traumatisiert«, korrigierte Lee. »Und es bedeutet, dass man einen Schock erlitten hat und eine Therapie braucht, weil man sonst sämtliche Lebensfreude verliert.«

»Schon passiert«, sagte ich und ließ die Schnurrhaare hängen. »Lebensfreude gleich null. Platsch!«

Lee kam die Rampe hoch und legte mir eine Pfote auf den Rücken. Normalerweise hätte ich ihm jetzt gesagt, dass er mich gefälligst nicht anfassen soll, aber diesmal erduldete ich es fügsam.

»Ich kenne die ideale Therapie«, sagte er. »Ein ordentlicher Kreischanfall wird dir guttun. Lass alles raus. Den ganzen Frust, die Angst, die Verzweiflung. Mir hat das immer geholfen.«

»Kreisch«, hauchte ich unmotiviert. »Kreischi-kreisch.«

»Viel zu leise. Soll ich es dir vormachen?«, bot Lee an.

Chan stopfte sich den Drops in die Backentasche und schwankte die Rampe hoch. Er ist so rund, dass er wunderbar hochrollen könnte, wenn die Schwerkraft ihm nicht einen Strich durch die Rechnung machen würde. Aber runterrollen klappt immer prima.

»Warte, Lee«, sagte er. »Ich weiß was Besseres.« Er schob den Drops aus der Backe und hielt ihn mir hin. »Nimm den ins Maul und lass ihn ganz langsam und genüsslich auf der Zunge zergehen. Mir hat das immer geholfen.«

Ich sah den Drops an, dann Chan, dann Lee, dann wieder den Drops. »Lee, du warst noch nie so fürsorglich. Und Chan, du teilst sonst niemals freiwillig dein Futter. Seid ihr etwa auch atomisiert?«, fragte ich.

»Es heißt traumatisiert«, verbesserte Lee mit leicht gereiztem Unterton. »Nun lutsch schon den ollen Drops.«

Ich gehorchte. Er schmeckte süß und mehlig.

»Konzentrier dich auf den wundervollen Geschmack und das milde Joghurtaroma«, sagte Chan. »Das wirkt wahre Wunder.«

»Doppelt hilft besser«, meinte Lee. »Du könntest dabei gleichzeitig einen Kreischanfall kriegen.«

»Kreisch«, nuschelte ich. »Kreischi-krei…. grchkrchgrch.« Ich hatte mich verschluckt. Gleich würde mir schwarz vor Augen werden.

Lee schlug mir auf den Rücken, Chan griff mir ins Maul und angelte vergeblich nach dem Drops, während ich keuchte und röchelte und strampelte.

Was für ein unwürdiges Ende für einen Karatehamster. Aber man kann es sich nicht aussuchen, nicht wahr?

 

 

Eine Woche Reiterhof? Ohne Jan ist alles doof!

Plötzlich spürte ich, wie sich eine Hand um mich schloss, mich hochhob und mit dem Kopf nach unten hielt, so dass ich den halb aufgelösten Drops ausspucken konnte. Er landete direkt vor Chan.

»Lebst du noch?«, rief Lee zu mir hoch.

»Ich weiß nicht«, röchelte ich zu ihm runter.

»Alles klar, er lebt noch«, sagte Lee zu Chan. »Tote Hamster röcheln nicht.«

Chan schleckte den Dropsrest auf.

Kira, die mir gerade das Leben gerettet hatte, legte die Abdeckung auf den Käfig zurück und ging mit mir auf der Hand zu ihrem Bett. »Nach diesem Schreck kann ich unmöglich mit den Hausaufgaben weitermachen«, meinte sie zu sich selbst. »Ob Sandra mir das in die Entschuldigung schreibt? Kira konnte ihre Hausaufgaben nur zur Hälfte machen, weil ihr Hamster Neo einen Erstickungsanfall hatte.« Sie kicherte. »Fragen kann ich sie ja mal.« Gleichzeitig fing sie an, mich zu streicheln, ganz langsam und sanft. Es war erstaunlich wohltuend. Ich merkte, wie meine kleine Hamsterseele heilte. Wasserbecken, pah! Ich kann schließlich schwimmen.

Kira streichelte weiter und summte dabei leise vor sich hin. O, wie das guttat!

Gebt mir ein U-Boot und ich tauche sofort damit ab!

Jawohl, der alte, verwegene Neo gewann wieder Oberhand und war bereit für neue Abenteuer. Und das hieß: Bereit für Jan, den besten Jungen der Welt, der mich Sportsfreund nennt und mich so gut versteht, als könnte er meine Gedanken lesen.

Und siehe da, in dem Moment klopfte es an Kiras Zimmertür und Jan kam herein. Er hatte meine Gedanken anscheinend sehr flott gelesen.

»Hey, Kira. Hallo, Sportsfreund.« Er nahm mich aus Kiras Hand und setzte mich auf seine Schulter.

»Lass uns losziehen«, sagte ich. Er konnte zwar keine Hamstersprache, aber er spürte bestimmt, was ich wollte. »Lass uns ein supercooles Abenteuer erleben. Oder besser noch: ein staubtrockenes Abenteuer. Wie wäre es mit einem Ausflug in die Wüste, wo überall nur Sand ist und kein Tröpfchen Wasser?«

Im Käfig klatschten Lee und Chan sich ab.

»Er ist geheilt«, sagte Lee.

»Er ist entrheumatisiert«, freute sich Chan.

»Das heißt enttraumatisiert … Nein, warte mal.« Lee kratzte sich mit der Hinterpfote am Ohr. »Dieses Wort gibt es gar nicht.« Er setzte sich auf sein Polster, um über das Wort nachzudenken, während Chan seine restlichen Joghurtdrops zählen ging. Für Jan interessierten die beiden sich nicht besonders. Und für Abenteuer schon gleich gar nicht.

Jan nahm auf Kiras Schreibtischstuhl Platz. »Du hast ja Hausaufgaben gemacht«, wunderte er sich, als er die aufgeschlagenen Bücher und Hefte sah.

»Was bleibt mir anderes übrig?«, sagte sie grimmig.

»Aber wieso heute schon? In den Ferien hast du doch genug Zeit dazu. Oder willst du sie schnell hinter dich bringen?«

»Ach du meine Güte.« Kira lachte und schüttelte dabei den Kopf. »Ich habe ganz vergessen, dass ab Montag Herbstferien sind. Puh, jetzt komme ich mir vor wie eine Streberin. Was machen wir denn in den Ferien? Hast du einen Plan?«

»Hm«, sagte Jan und zögerte. »Die Sache ist die: Ich fahre morgen weg. Eine ganze Woche lang.«

»Was?«, rief Kira. »Wohin denn?«

»Auf einen Reiterhof. Ich lerne Westernreiten.«

»Davon hast du mir gar nichts erzählt.« Kira klang ein bisschen eingeschnappt.

»Und mir auch nicht«, sagte ich und klang mächtig verärgert.

Jan nahm mich von seiner Schulter und setzte mich auf ein Schulbuch. »He, kreisch mir doch nicht so ins Ohr, Kleiner.«

Aus dem Käfig rief Lee: »Für einen Kreischanfall ist es zu spät, Neo. Du bist fertigtraumatisiert. Oder heißt es austraumatisiert?« Er versank wieder in Grübelei.

»Es ist so«, sagte Jan zu Kira. »Als ich mich zu dem Ferienkurs angemeldet habe, warst du gerade sauer auf mich und wir haben nur ganz wenig miteinander geredet. Und dann kam eine Absage, und ich dachte, es hätte sich sowieso erledigt. Aber nun ist jemand kurzfristig abgesprungen und ich kann nachrücken.«

Aus irgendeinem Grund fing Kira daraufhin zu lachen an.

»Was ist daran witzig?«, fragte Jan.

»Na ja - jemand, der reiten lernen wollte, ist abgesprungen.« Und schon war sie wieder ganz ernst. Das geht bei ihr wahnsinnig schnell. Lee nennt das immer »Stimmungsschwankungen« und sagt, das hätten nur Mädchen, Jungs seien gegen Stimmungen immun.

»Das ist ja voll doof«, maulte Kira. »Was soll ich denn die ganze Woche ohne dich machen?« Im nächsten Moment wurde sie rot im Gesicht. Nicht nur ihre Stimmung, auch ihre Farbe schwankte heute.

»Ich schicke dir jeden Tag Fotos«, versprach Jan. »Und du schickst mir Fotos von Neo, okay? Er wird mir fehlen.«

Kira zog eine Augenbraue hoch. »Mein Hamster wird dir fehlen!?«

»Und du natürlich auch.« Jan wurde ebenfalls rot. Gegen Farbschwankungen war er nicht immun, das stand mal fest. »Lass uns am besten jetzt schnell nochmal etwas unternehmen. Wir könnten ins Dojo runtergehen und trainieren.«

»Ich habe eine bessere Idee«, sagte Kira. »Wir radeln zum Gnadenhof.«

Der Gnadenhof Flinke Pfoten ist eine Art Altersheim für alles, was Pfoten, Flügel oder Hufe hat. Der Hof gehört Martin, einem sehr netten Mann, der sich um alte und kranke Tiere kümmert, die niemand mehr haben will. Eigentlich wäre der Name Gnadenhof Lahme Pfoten viel passender.

»Dort gibt es drei Pferde«, fuhr Kira fort. »Martin kann dir sicher ein paar Tipps geben, wie man mit ihnen umgeht. Oder bist du schon mal geritten?«

»Noch nie«, sagte Jan. »Das ist wirklich eine gute Idee. Ich bin nämlich sehr aufgeregt und hoffe, dass ich mich in dem Reitkurs nicht blamieren werde. Außerdem waren wir seit der Renovierung nicht mehr auf dem Gnadenhof. Da hat sich bestimmt einiges verändert. Wo ist der Beutel?«

Damit meinte er den flauschigen Wollbeutel, den er sich um den Hals hängen konnte und in dem ich es schön warm hatte. Ich fand es zwar viel verwegener, auf Jans Schulter zu sitzen, wenn wir nach draußen gingen, aber für einen Hamster war es zu dieser Jahreszeit zu kalt.

Kira begann zu suchen. Sie sucht sehr oft, denn sie verstreut die meisten ihrer Sachen auf dem Boden. Ihre Stiefmutter Sandra Putz nennt das »einen Riesensaustall«, ich nenne es »Einstreu für Menschenzimmer«. In dieser Einstreu aus getragenen T-Shirts, Papptellern und Papierfetzen wühlte Kira jetzt.

Chan sah ihr vom Käfig aus zu. »Was bedeutet Renovierung?«, fragte er Lee.

»Dass auf dem Gnadenhof alles repariert, frisch gestrichen und geputzt wurde.«

Chans Augen glänzten, denn er putzt für sein Leben gern. »Das will ich sehen.« Er reckte sich am Glas hoch. »Ich will mit. Nehmt mich mit.«

»Und mich auch«, rief Lee.

»Willst du auch sehen, wie gestrichen und geputzt dort jetzt alles ist?«, fragte Chan.

»Nein, ich will den Wassertrog sehen, in den Neo mal gestürzt ist«, sagte Lee. Im nächsten Moment schlug er sich die Pfote vors Maul. »Hups, das hätte ich lieber nicht sagen sollen.«

Mir war zwar bei der Erinnerung sofort der Schreck in die Glieder gefahren, aber ich ließ es mir nicht anmerken, sondern tat so, als würde ich in Kiras Buch lesen. Dabei war der Sturz in den Wassertrog noch tausendmal schlimmer gewesen als mein Sprung ins Wasserbecken. Ich war damals nur um Schnurrhaaresbreite dem Tode entkommen. Zwei Jungs von der Blauen Bande hatten mich mit einem ferngesteuerten Flugzeug fliegen lassen. Kurz bevor das Flugzeug in die Scheunenwand krachte, hatte ich abspringen können. Eigentlich wollte ich auf dem Rücken des Hängebauchschweins Gertrud landen, doch ich verfehlte es und klatschte in den Wassertrog.

»Alles klar, Neo?«, fragte Lee besorgt.

»Alles bestens«, behauptete ich und tat so, als würde ich mich vor allem für das Buch interessieren, auf dem ich saß. »Wusstest du, dass Menschen nicht nur mit Zahlen, sondern auch mit Buchstaben rechnen? Hier steht a plus b mal a minus b. Wie soll das denn gehen?«

Meine Ablenkungstaktik funktionierte. Lee begann sofort mit Kopfrechnen, während Chan weiter versuche, Kiras und Jans Aufmerksamkeit zu erregen. »He, nehmt mich mit.«

Endlich sah Jan zum Käfig. »Na so was, Chan ist ganz aufgekratzt. Ob ich ihm auch fehlen werde?« Er hob die Abdeckung und nahm Chan auf die Hand. »Hey, Dickerchen, willst du mitkommen?«

»O ja«, sagte Chan zufrieden. »Außerdem bin ich nicht dick, sondern nur extraflauschig, sogar innen.«

»Ich habe aber nur einen Beutel gefunden«, sagte Kira und kickte die Sachen, die sie zur Seite geschoben hatte, wieder in die Zimmermitte. Dann hängte sie Jan den Beutel um und gab ihm dabei einen Kuss auf die Wange. Die beiden hatten sich wirklich sehr gründlich versöhnt. Von dem schlimmen Streit bei unserem letzten Fall war nichts mehr zu merken.

Jan grinste verlegen und ließ mich in den Beutel klettern. Er versuchte, Chan daneben reinzuquetschen.

»Hülfe, ich erpfffftiggge«, brachte ich mühsam hervor.

»Und ich verhungere«, sagte Chan. »Hier drin ist kein Platz für Reiseproviant.«

Jan setzte Chan in den Käfig zurück. »Es hat keinen Zweck. Lee hingegen würde gut noch neben Neo passen.«

Doch der hatte jegliches Interesse an einem Ausflug zum Gnadenhof verloren. »Lasst mich in Frieden«, sagte er und eilte zu seinem Polster. »Ich bin so lange traumatisiert, bis ich herausgefunden habe, was a plus b mal a minus b ist.«

 

Das ist der Trog, in den ich flog

Jan und Kira schlüpften in dicke Jacken. Jan schloss seine Jacke nur so weit, dass ich noch raussehen konnte, und drapierte seinen Schal um mich herum. Dann radelten die beiden los. Ich wollte mir ein bisschen Fahrtwind um die Nase wehen lassen, aber die tiefstehende Nachmittagssonne blendete mich, also verkroch ich mich im Beutel.

Gedämpft hörte ich, wie Kira Jan alles Mögliche über den Reitkurs fragte, und erfuhr dabei, dass sein Vater ihn morgen Vormittag hinfahren und am Samstag in einer Woche wieder abholen würde.

Ich stellte mir vor, wie Jan sich schon bei der ersten Reitstunde als Naturtalent erweisen würde. Er sprang aufs Pferd und galoppiert so unbekümmert los wie ich, wenn ich im Laufrad lief. Er schwang sein Lasso, wendete das Pferd, ritt in den Stall zurück, stieg ab und sagte: »Prima, jetzt kann ich reiten. Ich fahre wieder heim zu Kira und ihren Hamstern. Tschüss.« Das wäre super, denn dann müsste ich nicht eine ganze Woche lang vor Sehnsucht nach ihm vergehen.

»So, da wären wir«, hörte ich Kira sagen. Und kurz darauf rief sie: »Hi, Tom. Was machst du denn hier?«

Ich lugte aus dem Beutel. Und auf was fiel mein Blick? Etwa auf frisch Geputztes und Gestrichenes? Nein. Auf ein kleines Klettergerüst aus Metall, das an Zähnen befestigt war. Die Zähne gehörten Tom, einem der ehemaligen Mitglieder der Blauen Bande, die es inzwischen nicht mehr gab, weil Jan und ich den dreien das Handwerk gelegt hatten. Tom, Benni und Heiko hatten als Entschädigung für alles, was sie angestellt hatten, bei der Renovierung des Gnadenhofs geholfen. Von Tom drohte keine Gefahr mehr. Außerdem stand mein ferngesteuertes Flugzeug sicher daheim neben dem Käfig. Tom konnte diesmal also nicht sagen: »Lassen wir die Kiste steigen.« Ich brauchte keine Bruchlandung im Wassertrog des Hängebauchschweins zu befürchten.

Dennoch wollte ich gleich klarstellen, dass Tom sich besser nicht mit mir anlegen sollte. Ich versuchte, die Karategrundhaltung einzunehmen. Aber mach das mal in einem Beutel! Ein Ding der Unmöglichkeit. Mir blieb nur, die Vorderpfoten drohend von mir zu strecken und Tom kräftig anzufauchen.

»Ich arbeite hier ehrenamtlich«, sagte Tom zu Kira. »Ich füttere die Tiere und helfe beim Ausmisten der Ställe. Und wisst ihr was, das macht viel mehr Spaß, als Plakate mit blauer Farbe zu besprühen oder das Leben eines unschuldigen Hamsters zu gefährden.« Tom deutete auf mich. »Da ist er ja.«

Ich fauchte noch ein bisschen lauter.

»Keine Angst«, sagte Tom zu mir. »Ich tu dir nichts, du süßes, kleines Kerlchen.«

Hallo!? Süß und klein? Hatte er Tomaten auf den Augen? Ich bin verwegen und durchtrainiert bis in die Fellspitzen. Damit Tom das erkannte, reckte ich mich so weit wie möglich aus dem Beutel, bekam Jans Schal zu fassen und kletterte daran hoch, doch Tom beachtete mich längst nicht mehr.

Er fragte Kira und Jan: »Wusstet ihr, dass es hier eine Henne gibt, die rechnen kann?«

Kira seufzte. »O Mann, Mathe verfolgt mich wohl überallhin.«

Wie, Kira wurde verfolgt? Wie gut, dass ich nicht mehr im Beutel hockte, sondern aufs Jans Schulter zwischen Jackenkragen und Schal. Vom Beutel aus hätte ich mich nicht nach allen Seiten umsehen können. Von hier oben aber hatte ich den vollen Überblick. Ich drehte den Kopf in alle Richtungen, sah aber nur eine Ziege, die altersschwach und müde herumwankte. Außerdem sah ich das Hängebauchschwein Gertrud. Sie trank aus ihrem Wassertrog. Ja, genau aus dem Trog, in dem ich damals gelandet war, als Tom und sein Freund Benni mich hatten fliegen lassen! Ein Schaudern ging durch meinen Körper. Hastig wandte ich mich wieder den Kindern zu. Dabei hörte ich Lee in meinem Kopf sagen: »Mathe ist kein Name, das ist ein Schulfach.«

Na so was, wie kam Lee in meinem Kopf? Oder hatte am Ende etwas von seiner Schlauheit auf mich abgefärbt? Das war prima. Allerdings hoffte ich, dass Chans Verfressenheit nicht ebenfalls auf mich abfärben würde.

»Erzähl keinen Quatsch«, sagte Kira gerade zu Tom. »Hühnern kann man doch keine Mathematik beibringen.«

»Kann man schon, wenn man so viel Geduld und Einfühlungsvermögen hat wie Laura.« Tom wurde rot wie ein Sonnenuntergang. »Kennt ihr sie?«

Kira und Jan schüttelten die Köpfe.

»Laura ist die Tochter von Martin Flinke«, sagte Tom. »Sie hat Henriette, seit sie geschlüpft ist.«

Zuerst war in meinem Kopf nur Salat bei so vielen Informationen auf einmal. Aber dann kombinierte ich krallenscharf gleich drei Sachen gleichzeitig.

Erstens: Der Hof hieß deswegen Flinke Pfoten, weil der Besitzer mit Nachnamen »Flinke« hieß. Und ich hatte mich immer gewundert über den Namen, weil die Tiere hier ja überhaupt nicht flink waren.

Zweitens: Die Henne, die rechnen konnte, hieß Henriette und Laura hatte sie großgezogen.

Drittens: Tom bekam beim Gedanken an Laura hohen Blutdruck, genau wie Jan, wenn er mit Kira zusammen war.

Auch dieser Ausflug mit Jan - wie schon viele davor - erwies sich als ausgezeichnetes Training, und das nicht nur für meine Muskeln, sondern auch für mein Gehirn. Ich musste ständig etwas kombinieren.

Ein Grund mehr, warum Jan auf keinen Fall eine ganze Woche lang verreisen durfte. Bis er wiederkam, war ich womöglich völlig verblödet, egal wie sehr Lee mit seiner Klugheit auf mich abzufärben versuchte.

Tom sagte Tschüss und Kira und Jan gingen auf ein kleines, windschiefes Haus zu.

 

Auf einem edlen Huhn lässt es sich herrlich ruh'n

Ich muss gestehen, dass ich sehr neugierig auf die rechnende Henne Henriette war. Ob sie so eine Klugscheißerin war wie Lee, der einem ständig vorhielt, man sei doof und würde ihm damit entsetzlich auf die Nerven gehen?

Ein paar braune Hühner und ein Hahn liefen über den Hof und pickten Körner oder zupften an Grashalmen. Keines davon sah aus, als würde es dabei viel nachdenken oder gar rechnen. Vielleicht war Henriette bei Laura in dem Haus, an dem wir jetzt angelangt waren.

»Keine Klingel«, stellte Kira fest und klopfte.

»Immer nur hereinspaziert«, rief eine Frauenstimme von innen.

Kira drückte die Klinke, schob die Holztür auf und betrat einen engen Flur. Es war warm hier drin und es duftete. Ich hob das Schnäuzchen und schnupperte genüsslich.

»Hm, riecht das lecker. Wie frischer Plätzchenteig«, sagte eine Stimme in meinem Kopf. Diesmal war es Chans Stimme. Das wurde ja immer unheimlicher. Ich schlug mir mit den Pfoten auf die Ohren.

Ein Gesicht tauchte in einem Türrahmen auf. Es gehörte einer Frau, die ihre Haare hochgesteckt trug. Viele einzelne Strähnen hatten sich gelöst und hingen ihr ins Gesicht. »Ich backe gerade«, sagte sie. »Wolltet ihr zu meinem Mann oder zu Laura? Habt ihr nachher Lust auf Plätzchen?«

»Danke, Frau Flinke«, sagte Kira. »Plätzchen wären super. Und wir wollten einfach mit jemandem über Pferde reden.«

»Dann geht am besten zu Laura rauf, sie weiß eine Menge über Pferde. Ihr Freund ist gerade gegangen. Erste Tür rechts.«