Der Ketzer von Konstanz - Corinna Wolf - E-Book

Der Ketzer von Konstanz E-Book

Corinna Wolf

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Beschreibung

Konstanz, 15. Jahrhundert. Jan Hus kämpft für seine Überzeugungen: Die Kirche Jesu ist in keinem Gebäude zu finden, Vergebung kann nicht gekauft werden. Die katholische Kirche sieht das anders. Als Jan unter die Räder der Machtbestrebungen von Päpsten, Kardinälen und dem deutschen König gerät, droht seine Botschaft den politischen Auseinandersetzungen zum Opfer zu fallen. Jans Glaube wird dabei auf die härteste Probe seines Lebens gestellt, während in der unsichtbaren Welt die Mächte des Himmels und der Dunkelheit um die Herzen der Menschen kämpfen. Am Ende bleibt die Frage: Ist die Welt schon bereit für Veränderung - oder kann Jan etwas bewirken, was über sein irdisches Leben hinaus wirkt? Ein Roman über Hingabe, Mut und Berufung, der persönlich herausfordert.

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SCM Hänssler ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe,die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung,die sich für die Förderung und Verbreitung christlicherBücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7632-3 (E-Book)ISBN 978-3-7751-6219-7 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: Satz & Medien Wieser, Aachen

© der deutschen Ausgabe 2024 SCM Hänssler in der SCM Verlagsgruppe GmbH Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen Internet: www.scm-haenssler.de · E-Mail: [email protected]

Lektorat: Imke FrühUmschlaggestaltung: Jan Henkel, www.janhenkel.comTitelbild: Schwan, istockphotoAutorenfoto: © privatSatz: Satz & Medien Wieser, Aachen

Für alle Krieger des Lichts,in Konstanz und überall,die bereit sind, alles zu geben,damit der Leib Christioffenbar wird.

Inhalt

Über die Autorin

Über das Buch

Übersicht der Romanfiguren

Prolog

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Epilog

Danksagung

Leseempfehlungen

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Über die Autorin

CORINNA WOLF (Jg. 1987) lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in Konstanz. Sie ist Psychologin in eigener Praxis. Ihre große Leidenschaft sind Geschichten, die in uns den Glauben erwecken, dass Gott noch Größeres mit uns vorhat, als wir uns selbst vorstellen können.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Über das Buch

Wieviel bist du bereit, für deinen Glauben zu geben?

Konstanz, 15. Jahrhundert. Jan Hus kämpft für seine Überzeugungen: Die Kirche Jesu ist in keinem Gebäude zu finden, Vergebung kann nicht gekauft werden. Die katholische Kirche sieht das anders. Als Jan unter die Räder der Machtbestrebungen von Päpsten, Kardinälen und dem deutschen König gerät, droht seine Botschaft den politischen Auseinandersetzungen zum Opfer zu fallen. Jans Glaube wird dabei auf die härteste Probe seines Lebens gestellt, während in der unsichtbaren Welt die Mächte des Himmels und der Dunkelheit um die Herzen der Menschen kämpfen. Am Ende bleibt die Frage: Ist die Welt schon bereit für Veränderung – oder kann Jan etwas bewirken, was über sein irdisches Leben hinaus wirkt?

Ein Roman über Hingabe, Mut und Berufung, der uns persönlich herausfordert.

»Das bewegte Leben einer herausragenden Persönlichkeit der Kirchengeschichte mit Einblicken in die Welt der Engel und Dämonen zu verweben, ist brillant und verleiht diesem Roman eine geistliche Tiefe, die man viel zu selten findet.«

ANNETTE SPRATTE, Autorin

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Übersicht der Romanfiguren

Bei allen Namen, die mit * markiert sind, handelt es sich um historische Personen.

Jan Hus*, Theologe, Prediger und Reformator aus Böhmen

Jan (Pavel) von Chlum*, Ritter des Königs Sigismund

Wenzel von Duba*, Ritter des Königs Sigismund

Anezka von Stitny, Jan Hus' früheres Mündel und seine Vertraute, Kauffrau in Prag

Lefl von Larzany*, Burgherr von Krakovec in Böhmen

Elizka, Freundin und Mitbewohnerin von Anezka in Prag

Hieronymus von Prag*, böhmischer Gelehrter, Philosoph und Kirchenreformer

Pater Stephanus, Priester/Mönch, Freund von Hus während seiner Zeit in Konstanz

Elise, Haushälterin von Hus in seiner Unterkunft in Konstanz

Kalena, Tochter des Großneffen von Elise, Besucherin von Hus' Predigten in seiner Unterkunft während der ersten Wochen in Konstanz

Stefan Paletsch*, böhmischer Theologe und Prediger, erst Freund von Hus und Mitstreiter für die Lehren Wycliffs, dann leidenschaftlicher Gegner und Ankläger während des Konzils

Michael de Causis*, Priester, Anwalt und Notar aus Böhmen

König Sigismund von Luxemburg*, König von Ungarn und Kroatien ab 1387, römisch-deutscher König ab 1411 (Krönung 1414 in Aachen), König von Böhmen ab 1419, römisch-deutscher Kaiser ab 1433

Barbara von Cilli*, zweite Ehefrau von König Sigismund, ungarische und römisch-deutsche Königin, Alchemistin und Astrologin

(Gegen-)Papst Johannes*, (mit bürgerlichem Namen Baltasare Cossa), einer der drei Päpste während der abendländischen Kirchenspaltung, als Einziger am Konzil in Konstanz anwesend, das er gemeinsam mit König Sigismund einberief

Kardinal Pierre d'Ailly*, französischer Theologe, Astronom und Mystiker, früherer Kanzler der Universität Sorbonne

Jean Gerson*, französischer Theologe, Mystiker und Kanzler der Universität Sorbonne

Pater Franziskus, ältlicher Mitbewohner von Pater Stephanus in der Abtei auf der Reichenau

Peter, Bruder von Kalena

Giacomo Arrigoni, Bischof von Lodi*, Theologe, Prediger und Gastgeber für König Sigismund und Papst Johannes während der Vorbereitungen für das Konzil

Patrick, Erzdiakon und Mitarbeiter des Bischofs von Lodi, Kindheitsfreund von Pater Stephanus

König Wenzel von Luxemburg*, König von Böhmen, Halbbruder von König Sigismund

Jakobellus von Mies*, böhmischer Priester, Prediger und Schriftsteller, Freund und Schüler von Jan Hus

Otto von Hachberg*, Bischof von Konstanz

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Prolog

Jan versuchte vergeblich seine Beine wenigstens ein bisschen zu strecken, um die krampfenden Muskeln etwas zu lockern. Der viel zu kleine Schrank, in den die Wachen ihn seit Wochen immer wieder einschlossen, hatte die Sehnen seiner Beine so sehr verkürzt, dass der kurze Ausflug nach draußen mit seinem alten Freund ihn mit Schmerzen zurückließ, die wie Blitze von seinen Unterschenkeln in seinen Rücken schossen. Die Wachen mussten sich keine Sorgen machen, dass er versuchen würde zu flüchten. In seinem derzeitigen Zustand würde er nicht weit kommen, selbst wenn er sich irgendwie aus dem Schrank befreien könnte. Dass sie ihn für seine letzten Stunden überhaupt noch einmal darin eingesperrt hatten, war reine Grausamkeit.

Im Dunkeln gab es nicht viel Ablenkung von den Schmerzen, die in Wellen durch seinen Körper liefen. Er ließ seinen Kopf gegen das Holz hinter sich sinken, schloss die Augen und versuchte, regelmäßig zu atmen, die Schmerzen hinter sich zu lassen und sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Manchmal funktionierte es. Heute schossen ihm die Tränen in die Augen. Es waren nicht die Schmerzen, die ihm dem Atem verschlugen, sondern die Erinnerungen an diesen einen Moment heute Morgen, als er mit seinem alten Weggefährten Stefan Paletsch am Rhein gestanden hatte und dieser seinem Blick in Richtung Sonnenaufgang gefolgt war. Wie viel Zeit seither vergangen war, konnte Jan nicht sagen. Er verlor meist sein Zeitgefühl in dem dunklen Schrank. War es nur zwei oder vielleicht schon sechs Stunden her, seit Paletsch sich geweigert hatte, ihm die Beichte abzunehmen, ihm aber dafür seinen letzten Wunsch erfüllt hatte, noch einmal den Sonnenaufgang sehen zu dürfen?

Mit einem heiseren Auflachen erinnerte er sich an sein Eintreffen in Konstanz. Wie er hoffnungsvoll auf seine Chance gewartet hatte, seinen Teil beizutragen für die große Veränderung der Kirche. Wie er darauf gewartet hatte, dies in einer Diskussion mit den Kardinälen zu tun, ihnen den Irrtum ihrer Wege vor Augen zu halten. Dem Papst selbst darzulegen, was die Heilige Schrift denen zu sagen hatte, die den Leib Christ anführen wollten. Ohne Angst, ihren sündigen Lebenswandel anzuprangern, ihnen entgegenzuschleudern, dass sie die Macht ihrer Position missbrauchten, um sich zu bereichern oder schlicht noch mehr Macht zu erlangen.

Jan hatte alles hinter sich gelassen, was ihn hatte aufhalten wollen, nach Konstanz zu kommen: die Intrigen seiner Feinde, den Protest seiner Freunde und auch seine eigene Schwachheit. Das konnte ihm niemand nehmen. Aber er hatte so falsch verstanden, was sein Auftrag von Gott gewesen war, wofür er ihn nach Konstanz geschickt hatte. Jan hatte gedacht, es ginge um die Wahrheit – darum, sie laut auszusprechen, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, die Mächtigen nicht zu schonen. Aber nur Gott kannte die Wahrheit. Wer war er, sich anzumaßen, sie verkünden zu können? Die wahren Beweggründe der Herzen derer zu kennen, die am Konzil erschienen waren? All seine Begegnungen in Konstanz hatten ihm nur deutlich gemacht, wie wenig er wusste. Die menschlichen Motivationen waren kompliziert. Aber in einem hatte er von Anfang an recht gehabt: Es ging um Macht. Nur hatte er erst in den letzten Monaten verstanden, dass es nicht seine eigentliche Aufgabe gewesen war, diejenigen, die diese Macht innehatten, auf ihre Sünden hinzuweisen.

Jan hatte keineswegs die Angewohnheit, sich mit dem Christus zu vergleichen, aber da er nun bald sterben würde, erlaubte er sich einmal solche Gedanken: Auch Jesus hatte seine Zeit nur am Rande damit verbracht, die Mächtigen anzuklagen. Seine zentrale Aufgabe war eine andere gewesen. Er hatte den Weg frei gemacht für die Entscheidung. Mit seinem Tod und seiner Auferstehung war jeder Mensch nur eine Entscheidung vom Himmelreich entfernt. Selbst am Kreuz hatte er es noch zu seinem Nebenmann gesagt: »Glaube jetzt, und du wirst noch heute das Himmelreich sehen.« Am Ende ging es immer um Entscheidung. Gott hatte den Menschen als sein Ebenbild geschaffen, mit der Fähigkeit, sich zu entscheiden. Für Glaube und Gehorsam, für Gottes Reich und seinen Weg. Für den Christus, für Gnade und Vergebung. Oder aber für Macht, Selbstherrlichkeit und die Idee, Gott keine Rechenschaft schuldig zu sein.

Diese Entscheidung für Gottes Reich war es, die Jan getroffen hatte. Vermutlich hatte er sie schon getroffen, bevor er nach Konstanz gekommen war. Er hatte sie nur nicht verstanden. Vorhin, als er mit Paletsch am Rhein gestanden und in den Sonnenaufgang über Konstanz geschaut hatte, da hatte diese Entscheidung wie ein greifbares Etwas in der Luft gelegen. Paletsch musste es auch gespürt haben. Denn da war dieser Moment gewesen, als dessen Augen sich geweitet hatten, er die Luft angehalten und die Hand gehoben hatte, als wolle er sie nach etwas ausstrecken. Und Jan hatte mit ihm die Luft angehalten und gebetet, dass sein Freund diesen Schritt gehen würde. Er hatte die Wärme des Sonnenaufgangs auf der Haut gespürt und Gott angefleht, dass Paletsch sich für dieses Licht entscheiden würde, das seinen Weg ausleuchten und seinem Leben eine Bedeutung geben konnte, die weit über seine bisherigen Taten hinausgehen würde. Doch dann hatte sein alter Freund die Hand und den Kopf gesenkt, und ihm war gewesen, als ob das Licht der Morgensonne seine Intensität verloren und die eben erst erwachte Natur um sie herum enttäuscht geseufzt hätte. Und der Moment war vorbei gewesen. Paletsch hatte Jan nach drinnen begleitet, sich verabschiedet, und sie hatten beide gewusst, dass es ihr letztes Gespräch gewesen war.

In der Dunkelheit seines winzigen Gefängnisses erlaubte sich Jan zu weinen. Er weinte um seinen alten Freund und dessen verpasste Entscheidung. Er weinte um seine neuen Freunde, die er in Konstanz gewonnen hatte und die den Weg ohne ihn weitergehen würden. Er weinte um Anezka und alle in Prag, die sicherlich ihre Sache auch ohne ihn weiterbringen würden. Aber er wäre gern dabei gewesen. Und dann weinte er auch für einen Moment über den Weg, den er zu gehen hatte, und spürte dankbar den Trost des Vaters, der sich wie ein wärmender Mantel um ihn legte.

Nicht mehr lange …

»Bitte«, betete er in die Dunkelheit, die ihn umgab, »bitte lass sie mich noch einmal sehen. Zeig mir noch einmal, wofür ich sterben werde.«

Er spürte, wie er sanft in eine andere Wirklichkeit hinüberglitt. Und als er den Sand unter seinen Füßen und den leichten Wind in seinen Haaren fühlte und alle Schmerzen von ihm abfielen, breitete sich eine solche Erleichterung und Dankbarkeit in ihm aus, dass er fast das Gefühl hatte zu schweben. Seine Zehen gruben sich in den weichen, warmen Untergrund, der ihn mit diesem besonderen Ort verband. Um diesen Moment ganz auszukosten, ließ er seine Augen noch geschlossen. Ihm war klar, was er sehen würde, wenn er sie öffnete. Und als er spürte, wie jemand neben ihn trat, legte sich ein Lächeln auf seine Lippen.

»Später, wenn es soweit ist, wirst Du dann auch neben mir stehen?«, entfuhr ihm die Frage, deren Antwort er schon kannte. Aber er wusste, er würde sie noch einige Male hören müssen, um das tun zu können, was der heutige Tag ihm abverlangen würde.

Natürlich. Ich bin immer da.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

1

Prag, Juli 1414

Jan versuchte, sich auf die Bewegungen des Pferdes zu konzentrieren und die Erinnerung an den Traum der letzten Nacht abzuschütteln. Er träumte ihn seit Jahren immer wieder, eigentlich schon, seit er ein Lateinschüler gewesen war. Heute blieb das Gefühl, das der Traum immer hinterließ, hartnäckiger an ihm kleben als sonst. Er hatte schon lange aufgegeben, darüber nachzugrübeln, was der Traum zu bedeuten hatte. Auch, weil ihm immer schien, dass darin noch irgendetwas fehlte. Der Traum war immer gleich:

Er stand am Strand, sah auf das Meer hinaus, während das erste Licht des Morgens den Himmel langsam immer heller färbte. Die Sonne war noch nicht zu sehen, aber er wusste, sie würde sich jeden Moment über den Horizont schieben, und mit ihr … etwas, das sein Herz schneller schlagen ließ. Dort am Strand schien alles so klar zu sein. Er wusste, dass dieser Moment die Welt verändern würde. Er kannte seinen Platz, seine Aufgabe im großen Ganzen der Umwälzung, die unaufhaltsam auf sie zukam, hatte seinen Teil erfüllt. Er schloss die Augen, und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Auf seiner Haut spürte er die Wärme der ersten Strahlen der aufgehenden Morgensonne. Doch bevor er die Augen wieder öffnen konnte, wachte er auf. Jedes Mal raste sein Herz, klebte sein Laken an ihm und er hatte den Drang, aufzuspringen und zu tun, was ihm aufgetragen worden war. Jedes Mal überwog einen Moment später die Verwirrung, weil er nicht wusste, was es war, das er zu tun hatte, was dieses Etwas war, das auf ihn zukam.

Er schob den Traum endgültig beiseite und stieg von seinem Pferd ab, als das Stadttor von Prag in Sicht kam. Den gutmütigen kleinen Hengst mit Namen Grabstyn hatte er von seinem Gastgeber Lefl von Larzany geliehen, auf dessen Burg Krakovec er seit einigen Monaten wohnte. Sie lag weniger als eine Tagesreise von Prag entfernt. Er und das Pferd kannten den Weg inzwischen im Schlaf, so oft waren sie ihn die letzten Monate geritten.

Krakovec war schon die zweite Burg, die seit seiner Verbannung aus Prag Jans Heimat geworden war. Zuvor hatte er in der Ziegenburg von Johann von Austi gewohnt, der ebenso wie Larzany seine Lehren unterstützte und ihm Zuflucht geboten hatte, als er Prag hatte verlassen müssen.

Doch inzwischen machte Jan sich Vorwürfe, diesen Schritt gegangen zu sein. Predigte er nicht immer, dass jeder Mensch selbst dafür verantwortlich war, Gewissensentscheidungen vor Gott zu treffen? Dass niemand behaupten konnte, vor seinem Gott nicht die Verantwortung für seinen Lebenswandel zu tragen, indem er sagte, dass andere es ihm so vorgegeben hatten? Warum hatte er sich für die Flucht entschieden? Aus Überzeugung, das Richtige zu tun, das Interdikt zu beenden, das Prag lahmgelegt hatte? Auf Befehl des Papstes hatten nämlich alle Geistlichen in der Stadt ihren Dienst niedergelegt. Niemand konnte getauft, verheiratet, beerdigt werden. Die geistliche Nahrung des Gottesdienstes wurde verweigert, die Kirchenglocken blieben stumm. Und das alles nur, um ihn zu überzeugen, die Stadt zu verlassen.

Jan schüttelte den Kopf. Ob seine Mutter geahnt hatte, welche Wellen die Predigten ihres Sohnes schlagen würden, als sie damals alles darangesetzt hatte, als Witwe das Geld zusammenzutragen, um ihn auf die Lateinschule zu schicken? Er selbst hatte oft genug ungläubig die Stirn gerunzelt, wenn er allein in seinem Schreibzimmer auf der Burg saß und sich vergegenwärtigte, dass Menschenmengen in den Straßen Prags protestiert hatten, um seiner Botschaft Gehör zu verschaffen, dass er unzählige Male vor mehreren Tausend Menschen in der Bethlehemskapelle gepredigt hatte. Wenn er die Augen schloss und sich der Erinnerung hingab, konnte er es spüren: die Verheißung der Reformation, die in der Luft lag, die Gewissheit, dass es die Botschaft für diese Generation war, die es zu verkündigen galt, um jeden Preis, und dass er nicht allein war mit dieser Überzeugung.

Vielleicht bewegte er sich mit diesen Gedanken nahe an sündigem Stolz, doch es hatte ihm immer geholfen, wenn die Einsamkeit ihm in den letzten Jahren zu schaffen gemacht hatte. Er hatte sein ganzes erwachsenes Leben in Gemeinschaft verbracht, umgeben von den wachen Geistern seiner Mitgelehrten und Mitkämpfer für die wahre Gemeinde des Christus. Er konnte sich schwer abfinden mit der Stille und den langen Tagen allein auf der Burg, auch wenn seine Gastgeber mehr als freundlich und großzügig waren. Aber es war nicht nur das Alleinsein, das ihn plagte.

Seit er als junger Lateinschüler begonnen hatte, die Bibel zu lesen und zu verstehen, was dort geschrieben stand über die Beziehung des einzelnen Menschen zu Gott, hatte er den Heiligen Geist wahrgenommen als eine Präsenz in seinem Leben, eine wahrhaftige Gegenwart Gottes, die er tagtäglich erlebte. Mancher seiner Weggefährten hatte ihn gefragt, ob aus dieser Begegnung seine Überzeugungen inspiriert worden waren, und vielleicht war es so. Er wünschte sich diese Art der Begegnung mit Gott für jeden Menschen: Mann, Frau und Kind. Aber dennoch fußten seine Predigten auf der Heiligen Schrift. Er hatte nie die Stimme erhoben mit einer Behauptung, die er nicht im Wort belegen konnte. Seine persönlichen Erlebnisse waren nie zentraler Punkt seiner Predigt gewesen, sondern die Erkenntnisse, die sein wacher Geist, der nie aufhörte, die Schrift zu erforschen, in Gottes Wort entdeckte. Doch er stritt nicht ab, dass er als Gläubiger schon immer vieles wahrgenommen hatte, was wohl nicht immer erklärbar war, sondern ein persönliches Erlebnis zwischen ihm und dem Christus darstellte.

Vermutlich war es aber diese Neigung, die Neigung viel zu fühlen, die in den letzten Jahren dazu geführt hatte, dass er in manchen Momenten eine aufsteigende Angst nicht von sich weisen konnte. Eine Angst, die ihm weismachen wollte, dass sein Tod bevorstünde, dass seine Feinde den Sieg über ihn errungen hatten und bereits das Feuer seiner Hinrichtung aufschichteten. Konfrontiert mit dieser Angst hatte er in seinen dunkelsten Stunden in den letzten Monaten begonnen, jede seiner Entscheidungen zu hinterfragen. Nachts hatte er wach gelegen und gegrübelt. Hatte er sie im Sinne des Christus getroffen, oder war er doch dem Rat der Angst gefolgt und vom Weg Gottes für sein Leben abgewichen? Doch auch wenn er bisher keine Antwort auf diese Fragen gefunden hatte, wusste er um die Gnade Jesu. Mit dem Sonnenaufgang am nächsten Morgen hatte er die Angst hinter sich gelassen und sich entschlossen, umso mutiger aufzutreten und nicht zu schweigen.

Er hatte auf den Feldern gepredigt, in den Gaststätten, in den Häusern, wo auch immer sie ihm zugehört hatten. Er hatte nicht geschwiegen, auch wenn es für ihn gefährlich war zu reden. Denn er übergab die Aufgabe seines Schutzes an Gott selbst, der ihn gerufen und beauftragt hatte. Und seine Angst konnte ihn auch nicht dazu bringen, der Stadt Prag dauerhaft fernzubleiben. Trotz seiner Exkommunizierung und des Großen Kirchenbannes durch den Papst, der alle Menschen schon schuldig sprach, wenn sie ihm nur Brot und Wasser reichten oder ihn aufnahmen, war er oft durch das Tor nach Prag geritten, die Kapuze ins Gesicht gezogen, unbehelligt von den Wachen. Er hatte in der Bethlehemskapelle vor all denen gepredigt, die nicht aufhören würden, die Botschaft der Erneuerung der Kirche voranzubringen. Und so hatte er es auch heute vor.

In Gedanken versunken war Jan am Wegesrand stehen geblieben, und sein Hengst hatte angefangen, das frische Gras dort abzurupfen. Trotz der Jahreszeit wehte ein kühler Wind, und es hatte genug geregnet, dass die Wiesen und Felder in sattem Grün dalagen. Jan zog die Zügel an und ermutigte Grabstyn zum Weitergehen, bevor die Wachen am Tor noch auf ihn aufmerksam wurden, wie er da so unbewegt am Straßenrand stand. Je näher er dem Tor kam, umso mehr fühlte er Aufregung in sich hochsteigen. Obwohl er nun schon so oft unbehelligt in die Stadt gekommen war, meldete sich jedes Mal die leise Stimme der Angst, die ihm das Bild des Scheiterhaufens vor sein inneres Auge malte.

»Jesus Christus, mein König, schütze mich, und gib mir Freiheit, deine Botschaft zu verkünden«, betete er leise, als er sich der Stadtmauer näherte.

Zwei bewaffnete Engel, die bisher einige Schritte hinter ihm gegangen waren, überholten ihn bei seinen Worten und zogen ihre Schwerter. Ein leichter Lichtglanz ging von ihnen aus und legte sich auf Jan, der nur spürte, wie ihn Frieden überkam. Die Wachen am Tor hoben kaum den Kopf, als der gedrungene Reiter in Bauernkleidung und einem staubigen Umhang auf das Tor zuritt. Aber ein anderes Wesen stand im Torbogen und fixierte den Gast und die Engel, die ihn begleiteten. Von der Gestalt her war es einem sehr dürren Menschen mit ledriger Haut ähnlich. Es streckte eine Hand aus, als wolle es den Wachen auf die Schulter tippen. Doch einer der Engel machte einen Schritt auf das Wesen zu und hob drohend das Schwert. Die Gestalt hob beide Hände in einer Geste der Unterwerfung, doch ihr Mund war zu einem spöttischen Lächeln verzogen, und die zu Schlitzen zusammengepressten Augen folgten der kleinen Gruppe in die Stadt hinein.

Jan holte tief Luft und ließ erleichtert die Schultern sinken. Er war in der Stadt und würde in nur wenigen Minuten wieder dort sein, wo er hingehörte: inmitten all derer, die sein Feuer und seine Begeisterung für eine neue Gemeinde Christi teilten.

Jan von Chlum und Wenzel von Duba standen in einfacher Kleidung als Besucher getarnt an die Wand der Bethlehemskapelle gelehnt und lauschten geduldig der Predigt eines Schülers von Jan Hus, während ihr Blick über die Masse der mehr als zweitausend Gläubigen im Gebäude schweifte. Als Ritter des deutschen Königs Sigismund waren sie nach Böhmen gesandt worden, um Jan Hus zu überzeugen, zum Konzil nach Konstanz zu reisen. Sie sollten seine Sicherheit auf dem Weg dorthin gewährleisten. Der König hatte sie ausgewählt, weil sie schon länger recht offene Anhänger der Thesen von Jan Hus waren. Auf dem Weg zur Burg Krakovec, wo sie hofften, den Magister anzutreffen, hatten sie in Prag haltgemacht und beschlossen, ohne großes Aufsehen eine der berühmten Versammlungen in der Bethlehemskapelle zu besuchen, wo Hus jahrelang gepredigt hatte. Die Kapelle war keineswegs das kleine Gotteshaus, das ihr Name nahelegte. Es war auch keine Kirche im eigentlichen Sinne, sondern ein Ort, an dem Menschenmengen von bis zu dreitausend Personen fast täglich Predigten lauschen konnten. Und es war ein Ort, der unauslöschlich mit dem Magister Hus verbunden war. Gegenüber den Rittern an der Wand waren Ausschnitte aus einer von Hus' neueren Schriften in Tschechisch an die Wand geschrieben worden. Er hatte sie wohl im Exil verfasst, wie einer der Nebenstehenden ihnen bereitwillig mitgeteilt hatte.

Glaubt an den Christus, um Erlösung zu finden und Vergebung von den Sünden. Niemand kommt zum Vater als durch ihn. So gehorcht nun niemandem, der Euch zum Glauben aufruft an die Gottesmutter und den Papst!

Ein paar Meter weiter war geschrieben:

Kein Priester erschafft den Leib und das Blut Christi. Der Christus selbst hat uns aufgefordert, das Brot und den Wein zu seinem Gedenken zu nehmen! So bleibt es Brot und Wein, nährt uns aber geistlich und kann an jedem Ort in der Gemeinschaft der Gläubigen, die der Leib Christi ist, genommen werden.

Jan von Chlum musterte die Inschriften mit verschränken Armen. Auf ihren Reisen für den König hatten er und Wenzel von Duba Tschechisch gelernt, was ein weiterer Grund dafür gewesen war, dass Sigismund sie für diesen Auftrag ausgewählt hatte.

»Allein für den Inhalt dieser Inschriften könnten sie ihn in Konstanz schon wegen Ketzerei verurteilen«, kommentierte er an Wenzel gewandt. »Kein Wunder, dass die Bannbulle den Befehl enthielt, die Kapelle dem Erdboden gleichzumachen. Diese Gläubigen hier können froh sein, dass sie genügend Patrizier auf ihrer Seite haben, dass die Stadt riskieren kann, sich dem Befehl zu widersetzen.«

Er sprach so leise, dass ihn nur sein Freund neben ihm verstehen konnte. Wenzel von Duba ließ nicht erkennen, dass er ihn gehört hatte, aber von Chlum kannte ihn gut genug, um an seinen hochgezogenen Schultern abzulesen, dass ihn genauso beschäftigte, dass der Magister es ihnen offenbar nicht leicht machen würde, ihn zu beschützen.

In diesem Moment wurde ihre Aufmerksamkeit nach vorne gelenkt, und sie richteten sich beide auf, um besser sehen zu können, was vor sich ging. Eine Art Tumult war entstanden. Der Prediger hatte innegehalten, und stattdessen ging ein Flüstern durch die Menschenmenge.

»Er ist es«, schrie schließlich jemand nach hinten.

Ein unglaublicher Jubelsturm hallte durch die Kapelle. Innerhalb von Sekunden kippte die Stimmung vom vorherigen Murmeln zu einer euphorischen Begeisterung, der mit Stampfen, Klatschen und lauten Schreien Ausdruck verliehen wurde. Und dann trat Jan Hus auf die Kanzel. Die Ritter waren für einen Moment versucht, sich die Ohren zuzuhalten, so lautstark dankte die Menge dem Magister für sein nicht ungefährliches Kommen.

»Was macht er hier?«, zischte von Duba dem anderen Ritter zu und griff sich unwillkürlich an die Seite, wo das Schwert fehlte. Das hatten sie bei ihren Knappen und dem Schreiber zurückgelassen, um nicht aufzufallen.

Von Chlum antwortete nicht. Sosehr es ihren Auftrag erschwerte, dass der Magister sich offenbar nicht an Regeln hielt, sosehr passte sein Verhalten doch zu diesem Mann und seiner Botschaft. Es wunderte den Ritter nicht, dass Hus gegen den Befehl des Papstes verstieß, den er in der Vergangenheit wohl schon als Antichristen bezeichnet hatte, und hier vor denen auftrat, die seine Verkündigung mit so viel Überzeugung weitertrugen. Wenn man den Geschichten Glauben schenkte, die bis an den deutschen Königshof gedrungen waren, hatten schon drei seiner Anhänger mit ihrem Leben dafür bezahlt. Die drei jungen Handwerker hatten wohl bei der Verkündigung des Ablasshandels die Priester offen der Lüge bezichtigt und waren in der Folge von den Ratsherren der Stadt öffentlich hingerichtet worden.

Die Menge beruhigte sich schließlich so weit, dass Hus sprechen konnte.

»Hier stehe ich, weil ich mich nicht Menschen unterwerfe, sondern Gott!«, rief er ohne Einleitung in die Menge. »Wir alle müssen für unser Handeln Rechtfertigung ablegen. Aber nicht das Urteil der Menschen ist es, was meine Entscheidungen bestimmt, sondern das Urteil meines Gottes. Jesus Christus unterwerfe ich mich. Vor ihm will ich stehen und reinen Gewissens sein! Und woher kann ich es wissen? Wer versichert mir, dass meine Sünden vergeben sind? Ist es ein Priester, der selbst der größte Sünder ist?«

»Nein!«, schrie ihm die Menge entgegen.

»Ist es der Erzbischof, der mir aus reiner Habgier den Ablassbrief verkauft und damit die Gnade Gottes und das Opfer des Christus verlästert?«

»Nein!«

»Ist es der Papst, der selbst in Prunk und Sünde lebt, die Heilige Schrift nicht einmal studiert hat?«

»Nein!«

»So ist es, Brüder und Schwestern! Niemand von ihnen kann die Sünde vergeben. Nur Gott kann Sünde vergeben, nur durch Gnade wird mir das Opfer des Christus zuteil! Und nur durch seinen Geist, der zu meinem Geist spricht, findet meine Seele Frieden in der Gewissheit, dass meine Sünden geworfen sind ins äußerste Meer!«

Wiederum jubelte die Menschenmenge, und von Chlum und von Duba sahen in den Augen der Umstehenden die Tränen. Nebeneinander standen einfache Bauern aus dem Umland, Bettler von der Straße, Kaufleute und ihre Angestellten, Studenten der Universität und reiche Adlige. In diesem Moment waren sie sich einig, egal, woher sie kamen.

Die Ritter selbst konnten sich Hus' Worten nicht entziehen, spürten in diesem Moment die große Freiheit, die Verheißung von etwas, das sich im Raum ausbreitete, während er sprach. Aus der Ferne hatte es die beiden Ritter schon überzeugt, was sie von der Lehre des Magisters gehört hatten, aber in diesem Moment entschlossen sie sich endgültig, alles daranzusetzen, dass dieser Mann vom Konzil gehört werden würde.

Schon wenige Minuten, nachdem Hus seine Predigt begonnen hatte, sahen die Ritter eine Frau neben ihn treten, die ihn unterbrach und aufgeregt auf ihn einredete. Sie schienen vertraut miteinander zu sein, aber weniger wie Mann und Frau, eher wie Vater und Tochter. Der Magister legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter und nickte.

Hus wandte sich wieder der Menschenmenge zu.

»Brüder und Schwestern, es scheint, ich muss schon wieder vor der Ungerechtigkeit fliehen. Die Schergen meiner Gegner sind auf dem Weg hierher. Ich bin bereit mich ihnen zu stellen, aber möge Gottes Plan es sein, dass ich noch weiterhin seine Botschaft verkünden darf. Bevor ich Prag verlassen habe, stellte ich Euch diese Frage, und ich wiederhole sie heute, um mir Euren Rat einzuholen: Soll ich gehen, oder soll ich bleiben?«

»Geht!«, rief die Menschenmenge. Wieder begann der ganze Saal zu stampfen und zu klopfen und im Rhythmus immer wieder zu rufen: »Geht! Geht! Geht!«

Von Chlum beugte sich zum Ohr seines Ritterkollegen.

»Wir sollten ihm folgen und ihn schützen!«, rief er über das Tosen der Menge.

Von Duba folgte mit dem Blick Hus, der von der Kanzel stieg und dann von einem Mann und einer Frau begleitet die Kapelle zu einem Seitenausgang verließ. Er schüttelte den Kopf.

»Nein, er hat Schutz, er braucht uns nicht. Noch nicht!«

Von Chlum musterte ihn einen Moment.

»Ich gehe davon aus, Ihr meint nicht die zwei unbewaffneten Menschen, die gerade mit ihm die Kapelle verlassen haben?«

Von Duba antwortete mit einer Mischung aus einem Schulterzucken und Kopfschütteln. Von Chlum holte tief Luft und nickte dann.

»Nun gut, verlassen wir uns in dieser Sache auf Gott und kehren zurück zu unseren Knappen und dem Schreiber, damit wir möglichst schnell Hus auf die Burg folgen können.«

Vorne hatte inzwischen der Schüler des Magisters den Weg wieder auf die Kanzel gefunden und wartete geduldig darauf, dass es ruhiger wurde. Die Ritter pressten sich durch die aufgeregte Menschenmenge in Richtung des nächsten Ausganges, um ihre Unterkunft aufzusuchen.

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2

Jan verließ die Bethlehemskapelle mit einem Gefühl von Resignation. Drinnen hörte er noch das Stampfen und Rufen der Gläubigen. Nur wenige Minuten hatte es gedauert, aber dort, auf der Kanzel, hatte er wieder gespürt, wozu er berufen war. Es war nicht das Rampenlicht, die Aufregung um seine Person oder dass so viele Menschen ihm zuhörten. Nein, was ihn so begeisterte, war, dass er in diesen Minuten in der Kapelle wieder geglaubt hatte, dass der Leib Christi real war. Dass die Gemeinschaft der Gläubigen, die wahre Kirche, alles zu überwinden imstande war und die Welt erneuern würde. Dass all diejenigen, die das Vertrauen in ihr Amt missbrauchten und nur Macht und Geld anhäuften, von diesen teils einfachen Menschen in der Kapelle zur Buße geführt werden konnten. Dass Gott eingreifen und für seine wahre Kirche kämpfen würde.

Doch schon nach wenigen Minuten hatte er den Rückzug angetreten, schon wieder floh er vor seinen Feinden. Schon wieder würde er allein sein auf der Burg, allein mit seinen Gedanken und sich fragen, ob er die richtigen Entscheidungen getroffen hatte. Er war sich nicht sicher, ob er sich wünschen sollte, dass all die Gläubigen dort im Gebäude von seinen inneren Kämpfen wüssten, damit sie nicht in Selbstverdammnis verfielen, wenn sie von Ängsten und Zweifeln heimgesucht würden. Oder ob er froh war, dass sie nur den starken Magister Hus kannten, der sich mit seiner ganzen Kraft der Botschaft verschrieben hatte und keinen Deut von seinem Weg abwich.

Rechts und links neben ihm gingen sein früheres Mündel Anezka und Christian von Prachatitz, sein Nachfolger als Rektor der Universität und einer seiner treuesten Unterstützer.

»Ihr müsst die Stadt wieder verlassen, Hus. Sosehr mich Eure Anwesenheit freut, Ihr seid hier nicht sicher. Mit jeder Woche steigt der Druck, und ich kann mir nicht mehr sicher sein, wer noch vertrauenswürdig ist. Ihr wisst, ich habe alles versucht, aber König Wenzel ist der ganzen Sache und vermutlich auch der Königskrone müde. Am Hof kursiert das Gerücht, er habe Euren Fall an seinen Bruder König Sigismund übergeben.«

Jan nickte.

»Ich weiß, Christian. Ich danke Euch für alles, was Ihr für mich und für die Sache getan habt. Mir fällt es immer schwerer zu wissen, was die richtigen Entscheidungen sind. Ich werde vorerst auf die Burg zurückkehren und versuchen, im Gebet eine Antwort zu erhalten, wohin mein Weg mich führt.«

Der Magister und der Direktor umarmten sich. Als Christian gegangen war, wandte sich Jan der jungen Frau zu, die dem Gespräch auffällig schweigsam zugehört hatte. Er kannte Anezka gut genug, um zu wissen, dass sie sich ihre Energie aufhob für was auch immer sie als Nächstes sagen würde. Er schob sie in eine Gasse zwischen zwei Gebäuden, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, und zog sie dann in eine Umarmung.

»Wie geht es Euch?«, fragte er schließlich, als sie weiter schwieg.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

»Wir haben auf dem Weg noch genug Zeit, Freundlichkeiten auszutauschen. Ich werde Euch nämlich begleiteten.«

Mit erhobenem Kopf forderte sie ihren früheren Vormund heraus, ihr zu widersprechen.

Jan musterte sie einen Moment nachdenklich. Anezkas Vater war ein erfolgreicher Kaufmann und Patrizier Prags gewesen, der den Grund und Boden gespendet hatte, auf dem nun die Bethlehemskapelle stand. Jan hatte ihn bei seinem Antritt als Direktor der Bethlehemskapelle vor zwölf Jahren kennengelernt, und der alte Kaufmann mit Namen Kreuz hatte ihn schnell zu schätzen gelernt. Als er zwei Jahre später gestorben war, hatte er vor seinem Tod Jan das Versprechen abgenommen, dass er die Vormundschaft für seine noch minderjährige Tochter übernehmen würde, während der Großteil seines Besitzes an seinen Bruder ging, der seinen Betrieb fortführen konnte. Anezka war schon in jungen Jahren ungewöhnlich scharfsinnig gewesen und hatte ihren Vater selbst um diese Vormundschaft gebeten, weil sie Jans Lehren so begeistert aufgenommen hatte.

Als Mädchen konnte sie nicht Jans Vorbild folgen und an die Lateinschule gehen, aber das hatte sie in den letzten Jahren nicht davon abgehalten, mit ihrem Erbe und Jans Unterstützung eine kleine Gemeinschaft aus Frauen aufzubauen, die sich dem geistlichen Wachstum verschrieben hatten. Das Talent zur Kauffrau hatte sie von ihrem Vater geerbt und verkaufte mit den anderen Frauen genug selbst hergestellte Stoffe und Handelswaren, um sich ihren Lebensunterhalt eigenständig verdienen zu können. Ihre Stellung als Kauffrau in der Stadt ermöglichte ihr auch gewisse Freiheiten als junge und ledige Frau. Und trotzdem war es riskant, sie mit auf die Burg zu nehmen.

Jan seufzte innerlich, wenn er an seine Rückkehr dorthin dachte. Er konnte Gesellschaft gut gebrauchen, und Anezka war über die Jahre eine fast ebenso anregende Gesprächspartnerin geworden wie seine gelehrten Kollegen und Freunde an der Universität. Ihre fehlende Bildung glich sie mit Wissendurst aus. Das Lesen und Schreiben hatte er ihr selbst beigebracht.

»Wie werdet Ihr wieder zurück nach Prag kommen?«

Ein überraschtes Lächeln glitt über Anezkas Gesicht, und sie ließ die Arme sinken, als Jan nicht protestierte. Für einen Moment sah sie jünger aus als ihre dreiundzwanzig Jahre. Diesen Eindruck hatte Jan oft, wenn ihre Begeisterung und ihr Feuer für ihre Überzeugungen an die Oberfläche traten. Gleichzeitig war sie eine unnachgiebige und gewiefte Handelspartnerin, wenn es sein musste. Er war ihr nicht nur einmal in Diskussionen unterlegen, wenn sie etwas hatte durchsetzen müssen. In den letzten Jahren war es bei solchen Diskussionen meist um seine Sicherheit gegangen.

»Ich habe schon einen Wagen mit Waren von einem unserer Jungen bereit machen lassen, den wir auf dem Weg abholen können. Er wird uns begleiten, und auf dem Rückweg kann ich mich mit ihm und den Waren einem der Handelszüge anschließen, die Richtung Prag reisen.«

Jan nickte und verhinderte nicht, dass sich seine Erleichterung auf seinem Gesicht widerspiegelte. Auch wenn er immer noch das Bedürfnis hatte, sein früheres Mündel zu beschützen, hatte sie ihm in den letzten beiden Jahren seines Exils mehr als einmal bewiesen, dass sie damit umgehen konnte, wenn er schwach war. Sie war eine der wenigen Personen, vor denen er sich das erlaubte.

Als sie die Gasse verließen und sich in Richtung des Hauses nicht weit von der Bethlehemskapelle wandten, in dem Anezka und die anderen Frauen lebten, zog er sich die Kapuze wieder tief ins Gesicht. Ohne sich absprechen zu müssen, gingen sie mehrere Meter voneinander entfernt. Obwohl ihnen die meisten Bürger der Stadt wohlgesonnen waren, mussten sie es nicht darauf anlegen, dass Jan erkannt wurde, und die meisten wussten um Anezkas Verbindung zu ihm. Vermutlich suchten seine Gegner bereits überall nach ihm. Die Zeit lief ihm davon, und nicht nur an diesem Tag in Prag. Das Konzil in Konstanz warf seine Schatten voraus, und auch nach zwei Jahren Exil zeichnete sich nicht ab, dass er nach Prag zurückkommen konnte. Früher oder später würde er eine Entscheidung treffen müssen …

Wenig später hatte Jan sein Pferd wieder, und Anezka wurde begleitet von einem der jungen Knaben, den sie und die anderen Frauen als Unterstützung bei der Auslieferung der Wagen angestellt hatten. Er zog den kleinen Karren mit den Stoffen und schien begeistert bei der Aussicht, die Stadt verlassen zu dürfen. Anezka hatte sich die Haare zurückgebunden und trug einen ihrer feineren Mäntel, der die Geschichte glaubwürdiger erscheinen ließ, dass sie als Kauffrau unterwegs war. Mit ihrem größeren Pferd und Jans einfacher Kleidung legte ein beiläufiger Blick fast nahe, dass auch er einer ihrer Angestellten war. Sie fühlten sich in ihrem Auftritt sicher genug, um wieder als Gruppe durch die Gassen zu gehen, beide ihre Pferde am Zügel. Als sie sich jedoch dem Stadttor näherten, zerschlug sich die Hoffnung, mit dem Strom der Passanten einfach unbemerkt hinauszugelangen. Die Wachen am Tor kontrollieren jede Person einzeln, verlangten sogar, dass die Planen auf den Karren abgedeckt wurden.

»Wir waren zu langsam. Sie suchen nach Euch!«, flüsterte Anezka, während sie unauffällig versuchten, langsamer zu gehen.

Anezkas Junge sah sie irritiert an. Dann wanderte sein Blick zwischen Jan und den Wachen am Tor hin und her und seine Augen weiteten sich. Anezka stellte keine unbedarften Helfer ein, und ihm schien zu dämmern, mit wem er unterwegs war und dass das Verhalten der Wachen vermutlich etwas mit seiner Begleitung zu tun hatte. Er machte jedoch keine Anstalten, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, sondern zupfte stattdessen Anezka am Ärmel und machte mit großen Gesten deutlich, dass er sich erleichtern musste. Während er in einer der engen Gassen zwischen den Häusern verschwand, drehte sich Jan zu Anezka über den Wagen, als wolle er die Waren kontrollieren.

»Haut er ab?«

»Nein, er verschafft uns ein paar Minuten, um zu überlegen, was wir tun sollen.«

Jan zog beeindruckt die Augenbrauchen nach oben.

»Intelligenter Junge.«

»Und loyal. Das werde ich mir merken.«

Anezka kaute auf einem Daumennagel, wie sie es schon früher getan hatte, wenn sie nervös gewesen war. Sie sorgte sich nicht um sich selbst, sondern um ihren Vormund.

»Was machen wir jetzt?«

Jan rieb sich die Stirn und kniff die Augen zusammen. Er war es leid, sich wie ein Krimineller verhalten zu müssen.

»Wenn ich in der Stadt bleibe, werden sie mich in ein paar Tagen finden. Ich kann mich nicht ewig in irgendeinem Keller verstecken.«

»Ihr könntet schon. Ihr wollt nur nicht«, entgegnete Anezka.

Frustration klang in ihrer Stimme mit. Sosehr sie für die Veränderung der Kirche brannte, so lag ihr doch Jans Sicherheit noch mehr am Herzen. Entgegen dem Magister war sie der Überzeugung, dass die aufflammende Reformationsbewegung in Prag ohne ihn dem Untergang geweiht war.

»Ich werde es einfach versuchen. Was bleibt mir anderes übrig?«

»Jan, sie kontrollieren jeden Einzelnen, der durch das Tor geht. Da könnt Ihr auch gleich auf einer Kiste stehen und hier predigen.«

Jan schwieg nachdenklich.

»Das ist nicht Euer Ernst, oder?«, fragte sie ungläubig.

»Predigen liegt mir mehr als dieses Herumschleichen und Verstecken.«

»Und mir liegt daran, dass Ihr es noch eine Weile tun könnt. Habt Ihr vergessen, was sie mit den drei Gesellen gemacht haben, die es gewagt haben, öffentlich gegen den Ablass zu protestieren? Erst haben sie Euch versprochen, sie nicht hinzurichten, und kaum war die Menschenmenge fort, haben sie ihnen den Kopf abgeschlagen. Wenn Ihr hier erwischt werdet, steht Ihr morgen auf dem Scheiterhaufen.«

Mit jedem Wort war die Stimme der jungen Frau lauter geworden. Der Magister legte ihr beschwichtigend eine Hand auf den Unterarm.

»Was ist dann Euer Vorschlag?«

In diesem Moment kam der Junge zurückgeschlendert und lehnte sich gegen den Wagen. Irgendwoher hatte er einen Apfel, von dem er nun genüsslich abbiss, als könnte nichts sein sonniges Gemüt trüben. Anezka konnte sich nicht gegen das Lächeln wehren, das ihre Mundwinkel zucken ließ. Theo fand immer irgendein Weib, das ihm etwas zu essen gab. Manchmal hatte sie das Gefühl, er kam mit mehr Waren zurück, als er losgezogen war, wenn sie ihn ausliefern schickte.

»Die Straßen runter kontrollieren Wachen des Rates die Fußgänger«, sagte er, ohne eine Miene zu verziehen. Er schüttelte den Kopf, als Anezka und Jan sich beide sofort umdrehten.

»Ihr seid nie auf dem Markt vor wütenden Händlern davongelaufen, wie?«

»Ihr wohl schon«, stellte Anezka mit strengem Blick fest, den sie jedoch nicht lange durchhielt.

Sie hatte genug andere Streiche gespielt, auch wenn sie nie auf dem Markt hatte stehlen müssen, um etwas zu essen in den Bauch zu bekommen. Ihr war klar, dass der Junge nicht so viel Glück gehabt hatte. Sie hatte sich ihre Helfer bewusst von der Straße rekrutiert und sichergestellt, dass sie von da an nicht mehr hungrig ins Bett gehen mussten. Theos Handeln heute hatte ihr bewiesen, dass sie auf diese Art die vertrauenswürdigsten Arbeiter bekommen hatte.

»Ich habe keine Wahl, ich werde einfach durch das Tor gehen und auf ein Wunder hoffen. Wenn ich es hindurch geschafft habe, kommt Ihr nach. Wenn ich verhaftet werde, geht direkt zurück zur Bethlehemskapelle und sucht nach meinem Anwalt Jesenic.«

Anezka packte Jans Hände und sah ihm in die Augen.

»Seid Ihr sicher?« Ihre Stimme zitterte ein wenig.

Jan drückte ihre Hände.

»Glaubt Ihr, dass Gott mit mir ist? Dass ich sein Werk tue?«

»Ohne Zweifel.«

»Dann werden wir unsere Hoffnung auf ihn setzen. Was auch immer gleich passiert. Sein Wille geschehe.«

Anezka nickte und versuchte die Tränen zurückzuhalten. Sie verkniff sich eine Umarmung, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sie zu ziehen.

Jan holte tief Luft, dann drehte er sich um und ging auf das Tor zu.

Während sich der Magister und Anezka beraten hatten, waren die beiden Engel, die Jan schon die ganze Zeit begleitet hatten, zu den Wachen am Tor getreten. Einer von ihnen zog sein Schwert und drängte damit jenes Wesen zurück, das wie schon Stunden zuvor nahe bei den Wachen stand, ihnen ins Ohr flüsterte und auf manche Reisenden zeigte, die daraufhin gezielt kontrolliert wurden.

Der zweite Engel hielt einen Moment inne und beobachtete die beiden Wachen, um sich dann einem von ihnen zuzuwenden. Er trat zu dem Mann, der um die vierzig war, und legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter. Erstaunt hielt dieser plötzlich inne und sein Blick schien sich nach innen zu wenden. Abwesend winkte er die Passanten vorbei. Nach wenigen Minuten ging Jan langsam auf ihn zu, die Mütze des Umhangs ins Gesicht gezogen. Als der Soldat Jan ansah, weiteten sich seine Augen wie die des jungen Theo zuvor, und er streckte eine Hand aus, um Jan am Arm festzuhalten. Anezka sah die Szene von Weitem und hielt die Luft an, während sie unentwegt betete. Selbst Theo knetete nervös seine Hände.

Jan erstarrte und sah der Wache ins Gesicht. Sein Gegenüber öffnete den Mund, sagte dann aber nichts, sondern sah Jan nur unentschlossen an. Sein Blick wanderte zu seinem Kollegen, der gerade den Wagen eines Händlers durchsuchte, dann wieder zu Jan. Er presste die Lippen zusammen und schien eine Entscheidung zu treffen. Mit einem kurzen Nicken ließ er Jan los und bedeutete ihm weiterzugehen.

»Passt auf Euch auf«, sagte er und drehte sich zum Nächsten in der langen Reihe derer, die noch das Tor passieren wollten, bevor der Abend kam und es geschlossen wurde.

Jan ging langsam weiter und musste ein Lachen unterdrücken, als ihn die Erleichterung durchströmte wie ein Wasserfall, der die Angst davonspülte.

»Ehre sei Dir, mein Gott, der Du mir Kraft zum Kämpfen gibst und mir meinen Weg ebnest. Du beflügelst meine Schritte«, betete er leise den Psalm, der ihn schon so oft getragen hatte.

Ohne sich umzudrehen, setzte er seinen Weg fort, während die Sommersonne seinen Rücken wärmte und für den Moment jede Zukunftssorge in weite Ferne rückte. Mit Gottes Hilfe hatte er es aus der Stadt geschafft. Jesus Christus war der wahre König, ihm war nichts unmöglich. Solange er an der Seite dieses Königs kämpfte, mochten alle Heere gegen ihn aufstehen, sie würden ihn nicht zum Schweigen bringen können.

Wenig später holte Anezka ihn ein und war ebenso begeistert und ermutigt wie Jan. Selbst Theo ließ sich von ihnen anstecken und schien das Abenteuer zu genießen, mit einem gesuchten Ketzer unterwegs zu sein. Jan entschloss sich, wenigsten für einen Tag alles andere zu vergessen und einfach den Weg und die Gesellschaft zu genießen. Das hatte er in den letzten Jahren gelernt: die Gegenwart Gleichgesinnter nicht für selbstverständlich zu erachten. Er wusste nicht, wie lange sie ihm vergönnt sein würde.

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3

Die Ritter Jan von Chlum und Wenzel von Duba saßen am Tisch im großen Saal der Burg Krakovec. Neben ihnen nahm der Adlige Lefl von Larzany, dem die Burg gehörte, einen tiefen Schluck aus seinem Weinkelch. Alle drei sahen geduldig dem Magister zu, wie er mit gerunzelter Stirn vor der langen Tafel auf und ab schritt, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.

Am Fenster stand mit vor der Brust verschränkten Armen und wütendem Gesichtsausdruck Anezka. Als Jan immer noch nichts sagte, warf sie die Arme in die Luft.

»Ihr zieht nicht ernsthaft in Erwägung, nach Konstanz zu gehen, oder? Wieso glaubt Ihr, Euch auf die Zusagen des deutschen Königs verlassen zu können, wenn nicht einmal der böhmische König vertrauenswürdig ist?«

»So wie die Dinge stehen, wird vermutlich bald dieselbe Person beide Königskronen tragen«, kommentierte Jan von Chlum Anezkas Ausbruch unbeeindruckt.

»Wisst Ihr überhaupt, wen Ihr da zu seinem Verderben nach Konstanz schleppt?«, rief Anezka in Richtung der Ritter.

Jan drehte sich zu ihr, um sie zu beschwichtigen und daran zu erinnern, wen sie vor sich hatte. Doch nun ergriff Wenzel von Duba das Wort, der bisher seit seiner Ankunft nur wenige Worte geäußert hatte.

»Ja, das tun wir.«

Er sprach nicht laut, aber mit genügend Autorität, dass Anezkas Wut etwas verpuffte.

»Wir haben Eure Schriften studiert und Euch vor einigen Tagen in Prag in der Bethlehemskapelle gehört. Und Eure Aussagen an den Wänden dort gelesen«, ergänzte von Chlum, als Wenzel nicht weitersprach.

Jan, der neben Anezka getreten war, drehte sich überrascht zu den Rittern um.

»Ihr wart dort?«

Von Chlum nickte. »Wir hatten kurz darüber nachgedacht, Euch unseren Schutz auf dem Rückweg anzubieten, hatten dann aber den Eindruck, dass Ihr uns nicht braucht.«

»Nun, wir hatten einen brenzligen Moment am Tor, wo Eure Hilfe sicherlich nützlich gewesen wäre. Allerdings konnten wir dann wie durch ein Wunder passieren, obwohl eine der Wachen mich erkannte.«

Bei Jans Worten musterte von Chlum seinen Ritterkollegen Wenzel, der nur mit den Schultern zuckte. Jan wollte gerade nachfragen, was die wortlose Kommunikation zwischen den beiden zu bedeuten hatte, als Larzany wieder zum eigentlichen Punkt zurückkehrte.

»Hus, ich beherberge Euch gerne, solange es nötig ist und respektiere Eure Entscheidung, was das Konzil angeht. Aber Ihr seid exkommuniziert, mit dem Großen Bann belegt, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Euch das einholt. Abgesehen davon sehen meine Frau und ich wohl, dass es Euch nicht glücklich macht, Tag für Tag in Eurer Kammer über dem Schreibtisch gekrümmt zu sitzen. So löblich es ist, dass Ihr den Inhalt Eurer Predigt dabei für die festhaltet, die Euch nicht hören können, so scheint mir doch, dass die Kanzel der Ort ist, wo Ihr Eure eigentliche Berufung erlebt. Wenn der deutsche König Sigismund Euch nun freies Geleit zusichert, ist das nicht die Gelegenheit, auf die Ihr gewartet habt? Eure Thesen endlich denen vorzutragen, die die Geschicke der weltweiten Kirche lenken? Sie zur Umkehr zu bewegen, damit endlich die Erneuerung passiert, für die Ihr Euer ganzes Leben schon kämpft?«

Von Chlum nickte nachdrücklich.

»Ich versichere Euch, von Duba und ich werden dafür sorgen, dass Ihr unbeschadet nach Konstanz kommt und die Zusage des Königs dort eingehalten wird. Das Konzil wird Anfang November eröffnet. Ihr habt noch genügend Zeit, Euch alle notwendigen Zeugnisse hier zu sammeln und Euch vorzubereiten. Und wenn bekannt wird, dass König Sigismund Euch freies Geleit zugesichert hat, könnt Ihr Euch auch wieder relativ sicher in Prag bewegen. König Wenzel habt Ihr dann auf Eurer Seite, denn der König muss dringend die Konflikte in der Stadt befrieden, bevor die deutschen Universitäten gegen die Ketzer in Prag rebellieren. Und auch die Patrizier und der Stadtrat werden sich nicht dem König widersetzen, noch dazu, wenn Ihr ankündigt, Euch dem Konzil in Konstanz zu stellen. Und was Eure Gegner an der Universität angeht: Die können sich auch auf den Weg nach Konstanz machen, wenn es Ihnen nicht passt, dass Ihr dort sprecht.«

Jan nickte langsam, und Anezka ahnte, dass die Ritter und sein Gastgeber ihn schon fast überzeugt hatten. Eine nicht kleine Rolle spielte dabei sicherlich, dass Jan das Leben im Exil auf der Burg nicht guttat. Sie hatte ihn noch nie so niedergeschlagen und von Selbstzweifeln geplagt erlebt. Er hatte ihr anvertraut, dass ihn immer wieder eine Art Vorahnung von seinem Tod plagte. Sie führte das aber eher auf die Einsamkeit zurück und war mehr als bereit, ihm Gesellschaft zu leisten. Allerdings musste sie zugeben, dass sie auch keine rechte Idee hatte, wie die Dinge insgesamt zu einer Lösung kommen sollten. Die Frau des Burgherrn würde sie zwar sicherlich beherbergen, aber was war es auf Dauer für ein Leben, das Jan hier führen konnte? Als geduldeter Wanderprediger in den Kirchen im Umland? Auch wenn immer mehr Bürger aus der Stadt hierherreisten, um ihn zu hören, war es nur eine Frage der Zeit, bis die große Aufmerksamkeit, die seine Predigten schon immer auf sich gezogen hatten, ihn in Gefahr bringen würde. Und nicht nur ihn. Auch allen um ihn herum drohte der Kirchenbann, wenn herauskam, dass sie ihn aufgenommen hatten.

Frustriert drehte sie sich um und lief aus dem Zimmer.

Schweigen breitete sich im Zimmer aus, während Jan grübelte und die Ritter und Larzany ihm Zeit gaben. Schließlich nickte er seufzend und straffte seine Schultern.

»Ich kann mich hier nicht ewig verstecken. Auch wenn ich immer der Meinung war, dass der Richter zu den Angeklagten kommen muss, sehe ich ein, dass das Konzil eine besondere Zusammenkunft ist. Ich werde der Aufforderung zu meinem Erscheinen dort nachkommen, wenn der König mir freies Geleit zusagt, und werde die Gelegenheit ergreifen, öffentlich und nicht nur hinter verschlossenen Türen vorzutragen, was ich zu sagen habe. Die ganze Welt soll hören, warum ich diesem Papst, der in Sünde und Schande lebt, meinen Gehorsam verweigern muss.«

Von Chlum und Larzany nickten erleichtert, und Wenzel klopfte in einer Geste der Zustimmung auf den Tisch.

»Anfang Oktober brechen wir auf. Ihr habt genügend Zeit, Eure Zeugnisse zu sammeln. Auch der Geleitbrief des Königs wird bis dahin angekommen sein.«

Von Chlum wandte sich an Larzany.

»Gewährt Ihr uns so lange Unterkunft?«

Larzany nickte.

»Natürlich, es ist mir eine Ehre, die Ritter des Königs Sigismund zu beherbergen. Solange sie auf der richtigen Seite stehen«, fügte er mit einem Augenzwinkern an, das nur halb humorvoll wirkte.

Wenzel runzelte die Stirn.

»Als Ritter stehen wir immer auf der Seite unseres Königs.«

Larzany hob beschwichtigend die Hände.

»Schon gut. Noch habt Ihr den Magister nicht persönlich kennengelernt. Ich bin gespannt, wie Ihr in einigen Monaten dazu steht. Er hat eine Begabung, Menschen für seinen Auftrag und seine Person zu begeistern, die ihm selbst nicht einmal bewusst zu sein scheint.«

Alle drei wandten sich zur Fensterreihe des Saales um, wo Jan mit abwesendem Blick aus dem Fenster schaute und gedanklich bereits eine Strategie erarbeitete, wie er die notwendigen Zeugnisse und notariell beglaubigten Aussagen erhalten konnte, die er für sein Auftreten vor dem Konzil brauchte. Wie konnte er es möglichst öffentlichkeitswirksam anstellen? Das Wichtigste war ihm, dass die Gemeinde Christi, die Gläubigen, nicht wie so oft keinen Einblick erhielten. Er wollte ihnen alles offenlegen, sie Teil dessen sein lassen, was geschah. Ein öffentlicher Aushang schien ihm die beste Strategie. Eine Einladung, eine letzte Gelegenheit, öffentlich vor allen Priestern, dem Erzbischof und allen, die es hören wollten, seine Predigt zu bezeugen. Dann könnten seine Gegner öffentlich Einspruch erheben, wenn sie denn den Mut dazu hatten. Oder für immer schweigen.

Die Ritter und der Burgherr sahen ihm nach, als er mit einem gemurmelten »Ich muss das notieren …« den Raum verließ.

»Er erinnert mich an Euch«, kommentierte von Chlum Jans Abschied an Wenzel gewandt.

Dieser runzelte irritiert die Stirn.

»Ich rede nicht so viel.«

Unter dem gutmütigen Gelächter der beiden anderen Männer setzten sie sich wieder an den Tisch, um die organisatorischen Angelegenheiten des Aufenthaltes der Ritter auf der Burg zu regeln.

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4

Anezka warf die Tür zu ihrem Raum mit mehr Wucht als beabsichtigt zu und legte die zwei Bücher in ihrer Hand achtlos zu dem wachsenden Stapel auf dem Schreibtisch in ihrem sonst so makellosen Zimmer. Ohne den dünnen Schal abzunehmen, mit dem sie sonst immer ihre Haare bedeckte, wenn sie in die Kapelle ging, ließ sie sich auf den Sessel am Fenster fallen und starrte nach draußen.

Sie fühlte sich rastlos und nervös, wie jeden Tag, seitdem Jan entschieden hatte, nach Konstanz zu gehen. Seit einigen Wochen war sie wieder in Prag, und auch Jan konnte es gerade riskieren, einige Tage hier zu verbringen, seit seine öffentlichen Aufrufe an den Erzbischof und Klerus, ihm seine Ketzerei nachzuweisen, ohne Antwort geblieben waren. Er musste zwar immer wieder auf die Burg zurückkehren, um nicht ein weiteres päpstliches Interdikt mit Niederlegung aller geistlicher Tätigkeiten in der Stadt zu riskieren, aber nicht einmal Anezka machte sich aktuell Sorgen, dass er verhaftet werden könnte. Seine Entscheidung, vor dem Konzil in Konstanz zu erscheinen, hatte ihm Zeit erkauft. Zudem waren die beiden Ritter zu so etwas wie seiner Leibgarde geworden und begleiteten ihn fast überallhin.

Gerade hatte Anezka zum wiederholten Mal versucht, Jan von der Reise abzubringen, mit ebenso wenig Erfolg wie zuvor. Er war stur, wenn er sich einmal entschieden hatte. Sie kannte ihn inzwischen gut genug, um es eigentlich zu wissen. Jan hatte ihr wie immer langmütig und nachsichtig zugehört, um ihr dann geduldig noch einmal zu erklären, warum er der Einladung nach Konstanz folgen würde. Doch sie war ebenso entschlossen gewesen, ihm deutlich zu machen, dass er das Risiko nicht eingehen konnte. Das war ihre letzte Gelegenheit gewesen. Morgen würde er auf die Burg zurückkehren und bald schon mit den Rittern nach Konstanz aufbrechen. Vor Jahren, als sie in Begleitung ihres Vaters zum ersten Mal eine seiner Predigten gehört hatte, war ihr sofort klar gewesen, welche Bedeutung seine Botschaft hatte. Wenn seine Worte Gehör fänden, würde es nicht nur die Kirche verändern, sondern auch die Gesellschaft.

Über die Jahre hatte sie zugesehen, wie seine Predigten mehr und mehr Zuhörer anzogen. Viele von ihnen waren wohlwollend, aber es gab fast genauso viele Kritiker. Der Gedanke an Letztere schürte die Wut in ihr: all die bequemen und machtversessenen Männer, die an alten Traditionen festhielten, als könne es sie vor den Veränderungen bewahren, die unaufhaltsam kommen würden. Wenn sich ihnen niemand entgegenstellte, würden sie weiterhin den Zugang zur Erlösung für Geld verkaufen, um ihre Macht zu sichern und ihren Prunk zu finanzieren, würden weiterhin den einfachen Menschen den Zugang zum Wort Gottes und zur Kommunion verweigern. Und nicht zuletzt würde die Frau als schwacher Abglanz des Mannes weiterhin nur über einen Mann Errettung finden.

Anezka riss sich das Tuch von den Haaren und lief aufgeregt im Zimmer auf und ab. Wie konnte Jan ernsthaft in Erwägung ziehen, sie und alle seine Nachfolger hier im Stich zu lassen? Wenn er nach Konstanz zog, würde er Monate fort sein. Und niemand konnte wissen, ob er überhaupt als freier Mann zurückkommen würde. Alles, wofür sie gekämpft hatten, worum sie alle in endlosen Gesprächen gerungen hatten, würde dahin sein.

Anezka blieb in der Mitte des Zimmers stehen, ging widerstrebend auf die Knie, und versuchte, sich auf Gott zu konzentrieren, wie Jan es ihr beigebracht hatte.

Deine eigene Wut verändert nicht die Welt. Überlass es Gott, wütend zu sein auf die Ungerechtigkeit. Deine Aufgabe ist es, ihm zu folgen, so hallte in ihr wider, was er ihr immer wieder gesagt hatte, wenn sie gleich zu den Waffen greifen wollte, um der Neuordnung von Kirche und Gesellschaft nachzuhelfen. Nach einer Weile beruhigten sich ihre Gedanken und sie spürte eine gewisse Ruhe in sich. Jan hatte seine Entscheidung vor Gott geprüft, das wusste sie. Wer war sie, das Ergebnis infrage zu stellen?

»Es tut mir leid«, flüsterte sie schließlich. »Wenn es Dein Weg ist …«

Sie runzelte die Stirn und eine Träne fand den Weg über ihr Gesicht.

Jan war für sie wie der ältere Bruder, den sie früh verloren hatte. Niemand kannte sie so gut wie er, verstand das Feuer, das in ihr brannte.

»Ich darf ihn nicht verlieren!«

Sie spürte den Trost in sich, den sie so dringend brauchte, und eine zarte Hoffnung, dass alles nicht vergebens war.

»Beschütze ihn«, betete sie, »und beschütze auch uns, damit wir das tun können, wozu Du uns in diese Zeit, an diesen Ort geschickt hast.«

Sie neigte ihren Kopf zu Boden und legte in ihre Gebete all das Feuer, dass zuvor ihre Wut geschürt hatte.

Als Elizka einige Stunden später ein Essen für sie heraufbrachte, fand sie Anezka auf dem Boden schlafend vor. Es war nicht das erste Mal, dass sie sanft eine Wolldecke über Anezka breitete und den Teller auf dem überfüllten Schreibtisch abstellte. Obwohl sie zehn Jahre älter war als die junge Frau, war diese es gewesen, die ihrem Glauben neues Leben eingehaucht hatte, als sie als junge Witwe nicht gewusst hatte, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. Anezka hatte sie zusammen mit anderen Frauen um sich gesammelt. Gemeinsam verdienten sie sich nicht nur ihren Lebensunterhalt, sondern waren zu einer Glaubensgemeinschaft geworden, die sich genauso ernsthaft um die Dinge des Reiches Christi bemühte wie viele Gelehrte und Priester in der Stadt.

Sie bewunderte Anezkas Hingabe, die Leidenschaft, mit der sie alles tat. Und sie war Jan mehr als dankbar, dass er ihr beigebracht hatte, diese Energie in sinnvolle Bahnen zu lenken. Als sie Anezka für einen Moment im Schlaf beobachtete, fragte sie sich wieder einmal, ob sie alle eine Chance hatten, eine wirkliche Veränderung zu bewirken. Doch bevor ihre Zweifel sie übermannen konnten, ging sie und tat das Einzige, was ihren oft so kleinen Glauben zu stärken vermochte: Sie betete selbst.

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5

Jan von Chlum und Wenzel von Duba saßen in der hintersten Reihe des großen Saales eines Gasthauses in Sulzbach und versuchten, sich ihre Anspannung nicht anmerken zu lassen. Als sie vor einigen Stunden angekommen waren, war hier gerade der Gerichtstag des Ortes in vollem Gange gewesen, was sie von der Hausherrin bei der Anmeldung beiläufig erfahren hatten. Sie waren von Hus inzwischen gewöhnt, dass er jede Gelegenheit nutzte, mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen, und keine Diskussion mit Gelehrten und Interessierten ausließ. Aber hier in Sulzbach hatte er die Ritter noch einmal überrascht, als er, ohne zu zögern, in den Gerichtsaal marschiert und nach vorne auf die verblüfften Richter zugeschritten war, um dann laut zu verkünden:

»Ich bin Jan Hus aus Prag. Ich bin auf dem Weg nach Konstanz, um mich dort den Verhören des Konzils zu stellen, da Rom mich unrechtmäßig verfolgt und als Ketzer verurteilt hat. Sicherlich habt Ihr das Schlimmste über mich gehört. Hier stehe ich nun und bin bereit, auf all Eure Fragen zu antworten. So stellt sie nun an mich, da Ihr diese Gelegenheit habt!«

Der Gerichtstag war unterbrochen worden, und seit Stunden diskutierte Jan mit den Anwesenden voller Eifer über die unterschiedlichsten Themen: von der Frage der Sündenvergebung durch Beichte über den Ablass bis hin zu der Frage nach der Existenz des Fegefeuers. Inzwischen waren sie bei dem Thema angelangt, was den Rittern das Lieblingsthema des Magisters zu sein schien: die Kirche Jesu Christi.

»Hat nicht Jesus selbst zu Petrus gesagt: ›Du bist der Fels, auf dem ich meine Gemeinde bauen will‹?«, fragte gerade einer der Richter an Hus gewandt.

»Natürlich, so steht es geschrieben«, antwortete Hus dem Richter.

Er schaffte es wie immer, dass die ganze anwesende Menge sich angesprochen fühlte, indem er eigentlich sie ansah und zu ihnen sprach, nur ab und zu den Blick zum Richter wandte.

»Aber bedeutet das nun, dass die Kirche ein Gebäude ist? Dass sie angeführt wird von einem einzigen Menschen? Spricht Jesus diese Worte nicht zu Petrus, nachdem dieser ihn erkannt hat und sagte: ›Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes‹? Und sagt die Schrift nicht auch, dass die Gemeinde der Leib Christi ist, die Gläubigen seine Glieder? Wenn wir nun seine Glieder sind, sein Leib, brauchen wir da einen Mittler zwischen uns und Gott, der über uns steht? Sagt nicht der Christus selbst: ›Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater als durch mich‹?«