Der Kormoran-Krieg - Rainer Nahrendorf - E-Book

Der Kormoran-Krieg E-Book

Rainer Nahrendorf

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Beschreibung

Kein Vogel erregt Angler, Teichwirte und Berufsfischer auf der einen Seite und Natur- und Artenschützer auf der anderen so sehr wie der Kormoran. Für die einen ist er ein Hasstier, die schwarze Pest, eine Plage, für die anderen der Vogel des Jahre 2010, ein Sündenbock und Symbolvogel für den Artenschutz. Der Autor begibt sich zwischen die Fronten von Naturschützern und Berufs- und Hobbyfischern. Er wagt einen Vermittlungsversuch. Die hohen Zahlen und der Fraßdruck des Kormorans führen zu schweren wirtschaftlichen Schäden in Teichwirtschaften und gefährden Fischarten wie die Äsche in Fließgewässern. Um die Schäden zu begrenzen, wird in fast in allen Bundesländern ausnahmsweise die tödliche Vergrämung der Vögel erlaubt. Die Folge: 19 000 in der Jagdsaison 2016/2017 geschossene Kormorane allein in Deutschland und 80 000 in Kerneuropa - zu viele nach Meinung des Autors. Abschüsse sollten die Ultima Ratio sein und auf Fälle begrenzt werden, in denen ein großer wirtschaftlicher Schaden zweifelsfrei nachgewiesen wird oder der Bestand einer Art in einem Gewässer bedroht ist. Sie entlasten die Gewässer nur für kurze Zeit, bis zugeflogene Kormorane die Lücken wieder füllen. Ein gesamteuropäisches Kormoranmanagement mit einer Reduzierung der Kormoran-Bestandszahlen hält der Autor für eine Illusion, politisch und gesellschaftlich nicht durchsetzbar. Die Brutdynamik der Kormorane würde zur Wiederholung von Verfolgungsaktionen führen, die in weiten Teilen der Bevölkerung Empörung auslösen würden. Der Autor plädiert für eine verstärkte Entwicklung und Förderung nichttödlicher Schutzmaßnahmen sowie Runde Tische zur Schaffung lokaler Friedenschlüsse. Deutschland ist auf dem Weg in eine von den sozialen Netzwerken befeuerte Empörungsgesellschaft. Wenn sich aber nur noch Wutbürger gegenüberstehen, ist der gesellschaftliche Friede in Gefahr. Das Buch ist multimedial angelegt. QR-Codes und Weblinks führen zu Videos und Webcams.

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Rainer Nahrendorf

Der Kormoran-Krieg

Warum die Waffen nicht schweigen

Mit Links zu Videos und WebcamsKeine Haftung für das Nutzen von QR-Codes und Weblinks sowie für die Inhalte externer Webseiten

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

© 2019 Rainer Nahrendorf

Gestaltung: Dr. Bernd Floßmann, www.IhrtraumvomBuch.de

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

978-3-7482-4440-0 (Paperback)

978-3-7482-4441-7 (Hardcover)

978-3-7482-4442-4 (e-Book)

Coverfoto: © Frank Schulenburg, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=72355059

Inhalt
Impressum
Der Autor
Vorwort. Ein bisschen Frieden …
I. Eine Verfolgungsgeschichte
Blickpunkt: NABU-Webcams auf Fehmarn: Die Kormorane von Wallnau
II. Das Kormoranmassaker im Anklamer Stadtbruch
III. Ein Entspannungsversuch
Blickpunkt: Der Zug der Wallnau-Kormorane
IV. Eskalation: Erklärung zum Vogel des Jahres provoziert die Angler
V. Selbstregulierung durch die Natur?
Blickpunkt: Die Feinde der Wallnau-Kormorane
VI. Die Illusion eines europäischen Kormoranmanagements
Blickpunkt: Eine Fundamentalkritik am US-Kormoranmanagement
Blickpunkt: Wo die Fische vom Himmel fallen.
VII. Maßnahmen zur Kormoranabwehr
Blickpunkt: Vogelabwehr im Obstanbau
VIII. Lokale Konsenslösungen über Runde Tische
IX. Zusammenfassende Schlussbemerkung: Versöhnen statt spalten
Anhang
Fotonachweise

Der Autor

Rainer Nahrendorf, Jahrgang 1943, ist in Hamburg aufgewachsen, organisierte nach seinem Examen als Diplom-Politologe an der FU-Berlin zwei Wahlkämpfe in der Hansestadt und war Assistent des Hamburger Privatbankiers und Bankenverbands-Präsidenten Alwin Münchmeyer. 1972 wechselte er zum Handelsblatt, gehörte der Redaktion 34 Jahre an, davon mehr als 12 Jahre der Chefredaktion. Anderen Mut zu machen war schon als Chefredakteur seine Führungs- und Handlungsmaxime. Dieser Maxime folgte er als Buchautor.

Mit seinem 2008 erschienenen Buch „Der Unternehmer-Code“ macht er Mut zur Selbstständigkeit. Das ebenfalls 2008 veröffentlichte Buch „Der Pinocchio-Test“ ist ein investigativer Beitrag zur Zeitgeschichte, der Wortbrüche und Lügen in der Politik entlarvt. Es macht Politikern Mut, bei der Wahrheit zu bleiben. Das 2016 publizierte E-Book „Wie viel Lüge verträgt die Politik? Und wie viel Wahrheit der Wähler?“ enthält und ergänzt den Pinocchio-Test.

Die 2010 erschienene „Chancengesellschaft“ wendet sich gegen das Zerrbild einer Hartz IV-Absteigerrepublik, gegen den verbreiteten Statusfatalismus und schildert beispielhafte Aufsteigerkarrieren von Andrea Nahles bis Werner Wenning. Es macht Mut zum Aufstieg in Deutschland. So wie „Der Unternehmer-Code“ die Kernkräfte von erfolgreichen Unternehmern beschreibt, schildert die Chancengesellschaft die Kernkräfte von Aufsteigern, was sie antreibt und befähigt, tatkräftige Unternehmer ihres eigenen Lebens zu sein.

Als „Wahrheitsfanatiker“ sieht sich der Autor nicht, sondern als Erzähler, der kleine und große Leser schmunzeln lassen möchte. Sein 2016 veröffentlichtes Mäuse-Märchen „Das abenteuerliche Leben der Maus Henriette“ ist ein Lesespaß für Klein und Groß. Das 2017 erschienene und als Naturbuch empfohlene Buch „Kalle und die Nachtjäger der Eifel“ wirbt unter jungen Lesern, Freunde der gefährdeten Fledermäuse zu werden. Mit dem im Dezember 2017 veröffentlichten Buch „Geier Georg auf der Flucht“ können Leser über faszinierende Landschaften fliegen. Sie brauchen nur die in das Buch integrierten QR-Codes einzuscannen. Die Liebes- und Lebensgeschichte vom Geier Georg verändert die Wahrnehmung dieser verkannten Tiere. 2018 folgte das multimediale Natur-Büchlein „Die Gauner der Lüfte- Krimis aus der Vogelwelt- Von Räubern und Trickbetrügern“. Die Naturbücher Rainer Nahrendorfs integrieren spektakuläre Videos per QR-Code und Weblinks und vermitteln faszinierende Naturerlebnisse. Anlass für sein neues Buch „Der Kormoran-Krieg - Warum die Waffen nicht schweigen“ war die persönliche Betroffenheit des Autors als Fliegenfischer und Naturfreund.

Vorwort. Ein bisschen Frieden …

Kein Vogel erregt die Gemüter von Anglern, Teichwirten und Berufsfischern auf der einen Seite und Natur- und Artenschützern auf der anderen so sehr wie der Kormoran. Für die einen ist er ein Problemvogel, ein Hasstier, die schwarze Pest, eine Plage, für die anderen der Vogel des Jahre 2010, ein Sündenbock und Symbolvogel1 für einen funktionierenden Artenschutz. Viel gewonnen wäre, wenn die Konfliktparteien dieses Schwarz-Weiß-Denken aufgäben. Die Hege spielt auch in der Berufs- und Hobbyfischerei durch die Nachzucht- und Besatzmaßnahmen eine wichtige Rolle. Sie sollen nicht nur die Fangerträge sichern, sondern auch Arten erhalten. Nachzucht- und Besatzmaßnahmen ermöglichen erst die Rückkehr einiger Fische wie Lachse2 in Gewässer3, in denen sie seit langem nicht mehr vorkamen. Teichwirte, Berufs- und Hobbyfischer sind nicht nur Naturnutzer, sondern auch Naturschützer.

Der Kormoran war um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Schweden, Dänemark, Deutschland und Belgien fast ausgerottet. In den Niederlanden und Polen hatten 3 000 bis 4 000 Brutpaare überlebt. Seit er durch die EG-Vogelschutzrichtlinie 1979 EU-weit unter Schutz gestellt wurde, ist er zu einem Siegeszug in Europa gestartet. Allein in Deutschland gab es 2016 fast 26 000 Brutpaare, im südwestlichen Ostseeraum (Dänemark, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein) fast 50 0004. Abzuwarten bleibt, ob die Bundesregierung mit ihrer Annahme recht hat, dass der Kormoran in Deutschland die Kapazitätsgrenzen seines Lebensraumes erreicht hat5. Für Kerneuropa – ohne Russland, Weißrussland, Moldawien und die Ukraine – bezifferte die EU-Kormoran­plattform die Zahl der Brutpaare schon für das Jahr 2006 mit 233 000. Die Zahl der in Europa lebenden Kormorane wird auf 500 000 bis 2,4 Millionen geschätzt - je nach Gebietsabgrenzung, Arten und Zählzeitpunkt. Für Deutschland schätzt die Bundesregierung die Zahl der Kormorane auf 130 000.

Während die Zahlen für Brutpaare noch halbwegs verlässlich sein mögen, macht die Bezifferung von Gesamtzahlen wenig Sinn. Die meisten Kormorane sind keine Standvögel, sondern Teilzieher oder Langstreckenflieger bis in eine Lagune Sardiniens, an die Küsten Nordafrikas oder an das Schwarze Meer. Da wird die Zählerei zum Glücksspiel. Unbestritten ist, dass es mittlerweile sehr viele sind und, weil die Fraßschäden für Fischer, Teichwirte und Angler hoch sind, für diese einfach zu viele. Eine tragische Ironie ist es für Angler, dass sie mit ihrem Besatz nicht nur zum Erhalt von Fischarten beitragen und ihre Fangaussichten verbessern, sondern das Überleben der Kormorane sichern.

Mensch und Tiere sind häufig Nahrungskonkurrenten. Jeder Bauer weiß, dass die Feldmäuse, die sich ungefähr alle drei Jahre nach einem milden Winter und trockenen Sommer massenhaft vermehren, seine Getreideerträge schmälern können. Jeder Gartenbesitzer weiß, dass er wenige Kirschen und rote Johannisbeeren ernten wird, wenn es sie nicht durch Netze vor Vögeln schützt. Aber wirken Netz- oder Fadenüberspannungen und Knallkanonen auch zur Abwehr der schlauen Kormorane?

Die Anglerverbände fordern ein europaweites Kormoranmanagement, das den Artenschutz auch für Fische durchsetzt. Aber gibt es dafür in Europa eine politische Mehrheit und taugt es als Problemlösung? Eine gute Einführung in das kontroverse Thema dieses Buches bieten die zu Beginn des Anhangs abgedruckten Auszüge aus der Webseite des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zum Artenschutz am Beispiel des Kormorans. Ich empfehle den Lesern diese Seite als Startlektüre nach diesem Vorwort.

Dieses Buch ist multimedial angelegt. Durch das Anschauen der im Internet verfügbaren Videos aus mehreren Ländern kann der Leser die Probleme, die hohe Kormoranzahlen verursachen, besser nachvollziehen und das Pro und Kontra im „Fall Kormoran“ abwägen. Das Einscannen der QR-Codes und das Anklicken der Weblinks geschieht auf eigenes Risiko. Für die Richtigkeit der Inhalte und Rechtmäßigkeit der verlinkten Quellen kann der Autor keine Gewähr übernehmen. Verantwortlich ist dafür der jeweilige Urheber. Die Eu-Urheberrechtsreform kann Konsequenzen für dieses Buch haben. Welche dies sein könnten, war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht zu erkennen. Bei der Auswahl der zahlreichen Videos hat der Autor auf stark emotionalisierende Videos verzichtet. Wer einen Konflikt entschärfen will, sollte ihn nicht zugleich anheizen, so sehr die emotionalen Videos das Verständnis für die unterschiedlichen Positionen erleichtern würden. Die Filme und Dokumente sind per QR-Codes und Web-Links in den Anhang zu diesem Buch integriert. QR-Code-Scanner gibt es als kostenlose APP. Sie können die Videos nicht nur auf Smartphones und Tablets sehen, sondern auch auf dem PC. Dazu müssen Sie den Titel in die YouTube-Suchmaske eingeben.

Finden Sie einen Film oder ein Dokument nicht, tragen Sie bitte den Titel oder ein erweitertes Stichwort in die Suchmasken von YouTube oder von Google ein. Dies gilt auch für den Fall, dass Sie die Links nicht nutzen können. Vielleicht haben Sie Glück. Sollte ein aufgeführtes Video nicht mehr im Internet verfügbar sein, ist es vom Server gelöscht. Das bedaure ich. Die Fundstellen sind in den Fußnoten verkürzt angegeben. Den exakten Titel finden Sie im Quellenverzeichnis.

Dieses Buch will die Frage beantworten, warum die Waffen nicht schweigen. Es will den Dialog zwischen den Streitparteien und einvernehmliche Lösungen fördern. Das ist, wenn sich „Schadenszenario“ und Harmlosszenario“ so konträr gegenüberstehen, vielleicht ein vermessener Vorsatz. Sich zwischen die Stühle zu setzen, ist ein unbequemer Platz. Aber dieses Risiko muss jeder Autor eingehen, der einen Vermittlungsversuch wagt. Ich habe das Ping-Pong der Argumente, die in Pressestatements, Artikeln, Vorträgen und Videos immer wiederkehren, nachgezeichnet und überlasse dem Leser das Urteil, wer die besseren hat.

Aber das sollte nicht entscheidend sein. Wichtiger wäre ein versöhnlicher Händedruck. Dieser Wunsch hat einen persönlichen Hintergrund. Der Autor war über viele Jahre Pächter eines Salmonidengewässers und Mitglied eines Fliegenfischervereins in der Eifel6, in dem nur mit Schonhaken gefischt wurde. Er ist zugleich ein Natur- und Vogelfreund. Diese zwei Seelen in ihrer Brust werden viele Angler spüren und die Konkurrenz mit den häufig erfolgreicheren Reihern und Kormoranen ertragen.

Die Natur hat nun einmal ältere Rechte, die der Mensch bei seinen Eingriffen respektieren muss. Sie sollten deshalb so naturschonend wie möglich sein. Konkret: Abschüsse sollten die Ultima Ratio sein und auf Fälle begrenzt bleiben, in denen ein großer wirtschaftlicher Schaden zweifelsfrei nachgewiesen wird oder der Bestand einer Art in einem Gewässer nachweisbar bedroht ist. Die auf der Ebene von Bundesländern getroffenen Regelungen zum Schutz von Fischbeständen und zur Abwehr erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden durch Kormorane führten in der Jagdsaison 2016/17 nach Angaben der Fischereibehörden zum Abschuss von mindestens 19 000 Vögeln7.

Die Kormoranverordnung des Landes Baden-Württemberg weist ausdrücklich auf diese „Ultima Ratio“ hin. Sie bestimmt: „Das Töten von Kormoranen darf nicht erfolgen, wenn weniger schädigende Maßnahmen dauerhaft geeignet sind, die natürlich vorkommende Tierwelt zu schützen oder erhebliche fischerei­wirtschaftliche Schäden abzuwenden“. Aber welche Maßnahmen sind dies und wie dauerhaft geeignet sind sie?

Mit der vorgefassten Ultima-Ratio-Meinung ist dieses Buch geschrieben. Ein Mut machendes Zeichen ist, dass das Aufhängen eines toten Kormorans an einem Kreuz vor der Hirschauer Bucht im Chiemsee im Sommer 2014 bei Naturschützern und Fischern gleichermaßen Empörung ausgelöst hat. Verhärtete Fronten und Wutbürger auf beiden Seiten führen im Kormorankonflikt nur dazu, dass sich Stellungskrieg fortsetzt. Dieser Krieg hat aber jetzt schon zu lange gedauert. „Runde Tische“ können Kompromisse zwischen Naturnutzern und Naturschützern erarbeiten. Wenn sich die Besonnenen durchsetzen, ist ein bisschen Frieden möglich. Mein Dank gilt Christof Herrmann vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie in Mecklenburg-Vorpommern, dem Kormoranbeauftragten für die bayrische Teichwirtschaft Tobias Küblböck und meinen vielen anderen Gesprächspartnern in Behörden und Verbänden, die mir Auskünfte erteilt und den teilweisen Abdruck ihrer Veröffentlichungen erlaubt haben sowie meiner Frau Sigrid. Sie hat wieder einmal viel Geduld mit mir gehabt und Korrektur gelesen.

1 Der Kormoran. Vogel des Jahres 2010. LBV/NABU (Link im Anhang).

2 Fisch-Transponder in Kormoran-Nestern (siehe Anhang)

3https://www.dafv.de/referate/gewaesser-und-naturschutz/item/229-die-rueckkehr-der-lachse.html

4 Christof Herrmann, Kormoranbericht Mecklenburg-Vorpommern 2017

5 BT-Drucksache 18/1130

6 ASV Mayfly in Birresborn (siehe „Mein liebstes Hobby“ und „Kormorane in Rheinland-Pfalz“ im Anhang)

7 Jahresbericht 2017 zur Binnenfischerei (siehe Anhang)

I. Eine Verfolgungsgeschichte

Seit etwa 12 000 Jahren leben Kormorane in Nord- und Mitteleuropa. Knochenfunde aus steinzeitlichen, keltischen, römischen und frühmittelalterlichen Ausgrabungen veranschaulichen, dass sie eine Beute der damaligen Jäger waren. Beliebt waren sie schon im Mittelalter nicht. Dies zeigt der Ausspruch „Ei der Dauss“. Dauss war ein Synonym für Teufel und „Dauss“ der damalige Volksname für den Kormoran8. Aber Menschen jagten nicht nur Kormorane, sie machten sie auch zu ihren Fischereigehilfen, denn der „kahlköpfige Wasser- oder Meerrabe“ ist ein exzellenter Fischfänger. Er taucht zwar auf seinen Fischjagden in der Regel nur ein bis drei Meter tief, schafft es jedoch auch in Tiefen bis zu 16 Metern9 und nach anderen Angaben bis zu 30 Metern. Sogar Rekordtauchgänge von 70 Metern werden berichtet. Er ist ein bewunderter und gefürchteter Tauchkünstler der Spitzenklasse. Diese Tauchleistungen haben Fischer in China und Japan seit dem dritten Jahrhundert zu nutzen gewusst. Seit dieser Zeit ist die Kormoranfischerei mit gefangenen und abgerichteten Kormoranen nachweisbar.

Die Kormorane begleiten ihren Meister auf dem Boot, tauchen auf Kommando, und kehren mit den Fischen zum Boot zurück. Ein Schlundring oder Schnüre am Hals kurz über dem Rumpf verhindern, dass sie die von ihnen gefangenen Fische selber verschlucken. Der Meister nimmt ihnen die Fische ab und hält die Kormorane mit der Fütterung von kleinen Fischen, Fischstücken oder Garnelen bei Fanglaune. In Japan wurden Fangleistungen bis zu 150 Fischen in der Stunde beobachtet10. Eine nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung hat die Kormoranfischerei heute nicht mehr. Die vielen Touristenschiffe, die den Li-Fluss in der südchinesischen Provinz Yunan hinunterfahren, verdrängen die Kormoranfischer. Hier, wie am japanischen Fluss Nagara, ist die Kormoranfischerei zur Touristenattraktion geworden.

Eine Attraktion und Freizeitbeschäftigung der Adeligen war sie ab der Mitte des 16. Jahrhunderts an englischen und französischen Höfen und in einer zweiten Phase zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Holland11.

Fleisch und Eier von Kormoranen wurden weltweit vor allem von Fischern gegessen. Diese Nutzung stand vor allem in früheren Jahrhunderten im Vordergrund. So wurden die Kolonien der Ohrenscharbe (nordamerikanischer Kormoran, Phalacrocorax auritus) an den Küsten Neuenglands und Neufundlands im 17. Jahrhundert von den dort ansässigen Siedlern zu diesem Zweck genutzt. Die Eskimos stellten aus den Häuten der Meerscharben Kleidung her.

Schon im Jahre 1377 wurde eine Kormorankolonie bei Breslau12 zerstört. Mehrere schriftliche Belege für eine massive Verfolgung des Kormorans mit einer Zerstörung der Brutkolonien gibt es dann seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Warum die Kormorane verfolgt wurden, macht Christof Herrmann13 mit der ersten Schilderung einer Schwarmjagd im Pommerschen Volksblatt aus dem Jahre 1832 deutlich. Damals entstand am Jamund-See (im Originaltext „Möllensee“) eine Kormoransiedlung. Dieser Bericht belegt, dass der Kormoran in der Zeit vor Begründung dieser Kolonie in Pommern kaum bekannt war.

„Als im Frühjahr 1832, wahrscheinlich durch die strenge Kälte des Winters aus Norwegen vertrieben, das erste Paar dieser gefräßigen Vögel in Pommern erschien und am Möllensee nistete, ahnten wir die uns bevorstehende Plage nicht. Einige Gutsherrschaften befahlen ihren Jägern, die fremden, nie gesehenen Gäste durchaus schonend zu behandeln. Es währte aber nicht lange, so wurde man durch die außerordentliche Vermehrung der Seeraben und durch ihren furchtbaren Fischraub aufgeschreckt. Die Art, wie sich die Tiere Nahrung verschaffen, ist merkwürdig. Fünfzig bis sechzig von ihnen bilden einen Halbkreis, die eine Hälfte taucht unter und die andere bleibt auf der Oberfläche des Wassers und während sie so, senkrecht übereinander, ihren Zug nach einer Bucht nehmend, mit Füßen und Flügeln ein Geplätscher verursachen und häufig in ihrer Stellung abwechseln, treiben sie die Fische nach dem Orte hin, wo sie sich ihrer mit Leichtigkeit bemächtigen können … Ihre Nester bauen sie am liebsten auf hohe Bäume eines Werders und brüten alle 3 bis 4 Wochen Junge aus, weshalb ihre Vermehrung so groß ist. So schonend man diese Seeraben anfänglich behandelte, so sehr bemüht man sich jetzt, sie zu vertilgen.“14

Herrmann schildert in seinem Artikel wie eine auf der Insel Usedom wieder gegründete Kormorankolonie im Jahre 1860 ein gewaltsames Ende nahm. „Über viele Jahre war sie ein beliebtes Ziel für Jagdausflüge, wobei die Schützen, insbesondere beim Abschuss von Ästlingen, ihre Zielfertigkeit übten. Im Jahr 1860 stattete sogar Prinz Friedrich Karl von Preussen mit seinem Gefolge der Kolonie einen Besuch ab und schoss an einem einzigen Nachmittag an die 200 Kormorane. Ein dem damaligen königlichen Oberförster Goetze zugeschriebener Bericht über einen Besuch einer königlichen Kommission im Sommer 1862 taxierte den Schaden auf 100 000 Mark, den die Kormorankolonie jährlich dem Staat zugefügt habe. Goetze zog dieses Resümee: „ … Es blieb daher nichts weiter übrig, als zu dekretieren, dass so viele Kormorane als möglich abgeschossen, die ganze Kolonie aber pro futuro des Landes verwiesen werden müsse. Es wurden denn auch die Forstbeamten mit dieser Exmission beauftragt und im Herbste desselben Jahres noch 680 Stück Kormorane abgeschossen15.“

Im Frühjahr 1863 erschienen die Kormorane erneut an ihrem Brutplatz, kamen jedoch aufgrund der rigorosen Verfolgung nicht zur Brut und verließen schließlich Usedom.

Mit der Ausbreitung und starken Bestandszunahme des Kormorans im ausgehenden 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden, schreibt Herrmann, die Bemühungen zu seiner Zurückdrängung bzw. Ausrottung intensiviert. „Die Bildung von rasch anwachsenden Kolonien an der deutschen Ostseeküste und im Binnenland führte in allen Fällen schon sehr bald zu Aktivitäten zu ihrer Vernichtung …Sie bewirkten, dass Kolonien oftmals schon nach kurzer Zeit aufgegeben und an anderen Stellen neu begründet wurden. Aus diesen Gründen ist die Brutverbreitung des Kormorans im 19. Jahrhundert durch einen häufigen Wechsel der Koloniestandorte geprägt. Trotz der intensiven Verfolgung konnte sich die Art jedoch über mehrere Jahrzehnte im größten Teil ihres Siedlungsareals halten. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts bzw. zu Beginn des 20. Jahrhunderts verschwand der Kormoran aus mehreren Ländern als Brutvogel.“16

Die Motive für die Kormoran-Bekämpfung lagen, so Herrmann, in den vermeintlichen fischereiwirtschaftlichen und auch forstwirtschaftlichen Schäden. „So ist es nicht verwunderlich, dass Fischer, Grundbesitzer und Forstbehörden auf jede Ansiedlung von Kormoranen mit entschiedenen Maßnahmen zur Zerstörung der Kolonien reagierten. Unterstützt wurden sie dabei durch staatliche Institutionen und auch Kommunalverwaltungen. Die Zerstörung von Kormorankolonien gehörte zu den regulären Dienstaufgaben staatlicher Forst- und Fischereibehörden …In Brandenburg wurden in den 1830er Jahren sogar Schützen des Gardejäger-Bataillons aus Potsdam zur Kormoran-Bekämpfung eingesetzt … Teilweise wurden auch Abschussprämien gezahlt. So zahlte der Magistrat von Stettin in den 1870er Jahren für ein Paar Fänge des Kormorans eine Schussprämie von 2,5 Silbergroschen – ein Betrag, welcher jedoch offenbar zu niedrig war, um die Kormoranverfolgung in dem gewünschten Maße zu stimulieren17“.

Ganz im Gegensatz zu heute spielten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch die ornithologischen Vereine eine bedeutende Rolle bei der Kormoranverfolgung. Sie sahen neben der avifaunistischen ( sammeln, archivieren, prüfen, publizieren, der Autor) Beobachtung und der Förderung von nützlichen Vogelarten die Bekämpfung von schädlichen Vogelarten als eine ihrer Aufgaben an. Die „Fischräuber“, der Kormoran und der Graureiher, zählten zu den Schädlingen. Insbesondere für den ornithologischen Verein Stettin und seine Mitglieder sind laut Herrmann regelmäßige Aktivitäten zur Bekämpfung der Kormorane in der Umgebung dokumentiert. Herrmann beschreibt dann die allmähliche Unterschutzstellung des Kormorans in Deutschland ab den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts, später dann durch das Bundesnaturschutzgesetz und die Spezifizierung des Paragrafen 4 des Gesetzes. Unter die Anordnung zum Schutz der nichtjagdbaren wildlebenden Vögel fiel damit auch der Kormoran. Nach der Bundesartenschutzverordnung von 1980 gehörte der Kormoran Phalacrocorax carbo zu den besonders geschützten Arten.

Wie Dr. Jan Jacob Kieckbusch und Dr. Wilfried Knief auf der BfN-Kormoran-Fachtagung im September 2006 in Stralsund18