Der krumme Hartmann - Lutz Spilker - E-Book

Der krumme Hartmann E-Book

Lutz Spilker

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Beschreibung

Zwei Dinge waren schon immer da: Das Leben und der Tod. Hartmann ist Bestatter und lebt in einem idyllischen Dorf. Irgendwann blieb dort die Zeit stehen und eigene Gesetze fanden Geltung. Jeder kennt im Dorf jeden und jeder kennt auch das Leben jedes anderen. Hartmanns Leben passiert wie ein Uhrwerk. Tagein tagaus derselbe Weg von der Arbeit nach Hause oder umgekehrt. Wären da nicht diese merkwürdigen Fußstapfen neben seinen eigenen, die sein Schatten offensichtlich verursacht. Hartmann ist wohlhabend aber dennoch genügsam und er ist verliebt in die junge lebenshungrige Landgräfin. Nichts scheint die Idylle zu trüben. Aber Hartmanns Schatten ist eifersüchtig.

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Ein Roman

von

Lutz Spilker

DER KRUMME HARTMANN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Softcover ISBN: 978-3-384-02451-0

Ebook ISBN: 978-3-384-02452-7

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

Die im Buch verwendeten Grafiken entsprechen den Nutzungsbestimmungen der Creative-Commons-Lizenzen (CC).

Sämtliche Orte, Namen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind daher rein zufällig, jedoch keinesfalls beabsichtigt.

Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mit Hilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, sind ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Autors oder des Verlages untersagt.

Alle Rechte vorbehalten.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Zwei Tage später

Kapitel 5

Kapitel 6

Einige Tage später

Kapitel 7

Eine Woche später

Kapitel 8

Wenige Tage später

Kapitel 9

Zwei Tage später

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Am nächsten Morgen

Einige Monate später

Pfingsten stand wieder bevor

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Ärmer als die Kirchenmaus und Müssen aus dem Schloss heraus!

Kapitel 22

Am nächsten Morgen

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Charaktere

Über den Autor

Der krumme Hartmann

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort

Über den Autor

Der krumme Hartmann

Cover

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»Das Leben verfolgt uns wie unser eigener Schatten. Nur wenn alles Schatten ist, ist kein Schatten. Das Leben verfolgt uns nur dann nicht, wenn wir uns ihm ausliefern.«

Fernando Pessoa

(* 13. Juni 1888 in Lissabon; † 30. November 1935 ebenda), eigentlich Fernando António Nogueira de Seabra Pessoa, war ein portugiesischer Dichter, Schriftsteller, Angestellter eines Handelshauses und Denker, der sich mit zahlreichen Mysterien auseinandersetzte. Er verfasste seine Werke hauptsächlich unter den drei Heteronymen Alberto Caeiro, Ricardo Reis, Álvaro de Campos und dem Halb-Heteronym Bernardo Soares.

Vorwort

Wir befinden uns in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts in einem idyllischen Dorf eines Tals in der nördlichen Schweiz.

Strom und warmes Wasser existierten ausschließlich bei den Begüterten.

Papiergeld kam erst im Jahre 1907 in Umlauf und das Hauptverkehrsmittel war die Kutsche.

Zwei Dinge waren jedoch schon anwesend: Das Leben und der Tod.

Kapitel 1

Kalt war es und der Atem erzeugte kleine Wolken in der Luft. Dem Auge bot sich ein weißer Himmel. Schneebehangene Äste wiegten sich im Wind und ab und zu fiel eine Flocke herunter, schien in der Luft zu tanzen und schwebte sanft zu Boden. Es war wieder ein langer Tag gewesen. Die Knochen werden nicht jünger und weder ein dicker Mantel, noch ein langer Schal vermögen die Wohligkeit eines wärmenden Ofens zu erwecken. Hartmann hatte es nicht weit nach Hause. Seit fast einem halben Jahrhundert nahm er diesen Weg.

Schön sollten sie aussehen, seine toten Freunde. So nannte Hartmann die Leichen, die er täglich herrichtete: Seine toten Freunde. Ein angedeutetes Lächeln, ein wenig Rouge auf den Wangen und schon begannen sie zu leben. Hartmann verstand etwas von seinem Beruf, darin machte ihm keiner was vor. Eigentlich hatte er Schmied werden wollen, aber Hartmann war nicht kräftig genug. Er ging schon als Kind stark gebeugt, als schleppe er ständig einen Sack voll Brennholz mit sich. Es läge an den Bandscheiben, an den Muskeln und an der Wirbelsäule, hatte der Arzt gesagt.

Man hatte es dabei belassen und nie mehr etwas dagegen unternommen. Früher fehlte den Eltern das Geld dazu, später war Hartmann an diesen Zustand gewöhnt und jetzt wäre ohnehin nichts mehr zu ändern, sagte der Arzt. Im Dorf kannte ihn daher jeder als ›der krumme Hartmann‹. Der Name passte zu ihm. Jemand, der mit Toten spricht und sie anmalt, muss entweder sonderbar oder krumm sein. Wäre er Schmied geworden, hätte er sich sicherlich mit Hufeisen und dem Pferd unterhalten. Jetzt sprach er mit den Toten. An jedem Tag starb irgendwo in der Gegend ein Mensch und der landete meist bei Hartmann.

Bevor die Leichname in ihre Särge gelegt wurden, sollen sie zur Aufbahrung im Kreise der engsten Verwandten gut aussehen, wie Hartmann meinte. Leichen sollten nicht aussehen, als handelte es sich um Tote. Aschfahle Haut und eingefallene Gesichter mochte niemand sehen. Wenn man die verstorbene Person so in Erinnerung behalten wollte wie zum Zeitpunkt vor dem Tode, dann musste sie auch so aussehen, war Hartmanns makaberer Leitsatz. Diesen Service ließ er sich gut bezahlen.

Beim Sarg und bei den Blumen konnte er nicht viel aufschlagen. Das Wiederbringen eines Lächelns, das Zurückholen des Lebens durch das Aufbringen von Schminke, das war sein Verdienst, und darin sah er seine Kunst. Einer seiner besten Bekannten arbeitete in der Stadt beim Theater als Maskenbildner und der hatte ihm schon vor vielen Jahren gezeigt, wie es geht. Zusammen hatten sie an Puppen geübt. Hartmann hatte keine Puppen besessen. Wenn er allein übte, übte er immer an Toten, die er anschließend wieder sorgfältig abwusch. Es dauerte seine Zeit, bis er einigermaßen gut war. Jetzt war er perfekt.

Das alles war schon viele Jahre her. Aber auch dieser Freund war irgendwann auf Hartmanns Tisch gelandet. Fromm wäre er gewesen, also faltete Hartmann ihm die Hände. War er Rechtsoder Linkshänder? Das ist beim Händefalten wichtig. Hartmann faltete die Hände seines toten Freundes so, als sei dieser Rechtshänder gewesen. Dann liegt der rechte Daumen über dem linken. Manchmal sind es bloß Kleinigkeiten, die das gesamte Erscheinungsbild beeinflussen und das wirkt sich nicht selten auf den Preis aus.

Ein Gespräch mit den Angehörigen war für Hartmann immer schon selbstverständlich gewesen. Glattrasierte und zufrieden dreinschauende Tote erwecken Argwohn, wenn sie ihr Leben lang als Griesgram bekannt waren. Hartmann lernte sehr schnell, dass gutgemeinter Eigensinn oftmals das Trinkgeld schmälert. Und wie jeden Tag, den der Herr werden ließ, ereilte ihn der Glockenschlag der Turmuhr am Marktplatz und verkündete den Feierabend.

Hartmann löschte das Licht, verriegelte die Fenster, verschloss die Türe hinter sich und begab sich auf den Heimweg, den er nach all den Jahren wie im Schlaf beherrschte. Knöchelhoch lag der Schnee und breitete sich wie eine riesige, weiße Decke aus. Die Sonne stand schon tief und Hartmanns Schatten lag auf dem Schnee wie ein umgefallenes Schild. Wenn er ging, ging sein Schatten auch, und wenn er einen Arm hob, tat es sein Schatten ihm gleich.

Hartmann alberte mit seinem Schatten herum und glaubte, einen Hund zu dressieren, weil sein Schatten jede seiner Bewegungen umgehend erwiderte. Zu Hause angekommen verlor Hartmann das Interesse an dem kuriosen Spiel und widmete sich den Aufgaben, die ihn abends erwarteten. Er war Selbstversorger, wie er sagte. Eigentlich war das lediglich eine charmante Umschreibung für seinen Familienstand. Er lebte allein. Niemals interessierte sich eine Frau für ihn, er blieb stets ›der krumme Hartmann‹.

Also kochte, wusch und fegte er selbst. Mit den Jahren schrumpfte sein Anspruch. Er besaß von allem nur das Nötigste, wem hätte er imponieren wollen? Seine Mahlzeiten gestalteten sich daher einfach und preiswert. Privaten Besuch bekam er nie. Geschwister hatte er keine und Hartmanns Eltern waren schon vor vielen Jahren gestorben. Haus und das Geschäft hinterließen sie ihm schuldenfrei, dazu ein Paket voller Aktien einer amerikanischen Tabakfirma. Hartmann war kein Freund des Tabaks und schenkte dem Paket wenig Beachtung. Irgendwann wusste er gar nicht mehr, wo er es aufbewahrte. Das Geschäft war kein riesiges Unternehmen. Es ernährte ihn jedoch bestens. Zur Straße hin zeigte sich neben der Eingangstüre ein Schaufenster und nach hinten erstreckten sich noch andere Räumlichkeiten.

Irgendwann würde er das Haus im oberen Stock ausbauen lassen, um darin wohnen zu können. Das wäre erheblich praktischer. Ins Schaufenster stellte er immer eine volle Vase Zantedeschia. Ein Metzger legt Fleisch, Wurst und Schinken in die Auslage, Hartmann bevorzugte frische Blumen, statt Kränze oder Urnen. »Das Leben ist oftmals schnell vorüber«, sagte er sich, »und für den Tod muss niemand Werbung machen, der kommt von allein.«

Jedenfalls lagen auch seine Eltern einst auf seinem Tisch und wenn ihn jemand aufsuchte, war das Treffen meist beruflicher Natur. Alles andere hätte Hartmann verwundert.

Nein - Freunde besaß er keine, aber auch keine Feinde und das war für ihn erheblich wichtiger. Und so vergingen die Jahre ohne nennenswerte Spuren zu hinterlassen. Morgens verließ Hartmann das Haus, in dem er schon seine Kindheit verbrachte und kehrte dort abends wieder ein. Manchmal fragte er sich schon nach dem Sinn des Lebens; nach dem Sinn seines Lebens. Wie oft schon wähnte er sich wie ein Hamster in einem Rad, in das er bei Sonnenaufgang kletterte und das er bei Sonnenuntergang wieder verließ. Geschuftet hatte er und erschlagen fühlte er sich von Jahr zu Jahr mehr, doch es brachte ihn keinen Zoll weiter.

Am Ende des Tages ging Hartmann zu Bett. Eine kleine Lampe auf dem Nachttisch wies ihm den Weg in der Dunkelheit und erzeugte - wie schon zuvor der Schein der Sonne - einen Schatten.

Der Vollmond schien ins Fenster und beleuchtete den Raum. Als Hartmann das Licht der Lampe löschte, bemerkte er zunächst nicht, dass der Schatten gar nicht verschwand, so hell schien der Mond. Am nächsten Morgen besann sich Hartmann auf sein Tagwerk und die Aufträge, die auf ihn warteten.

Er begab sich in gewohnter Manier auf den Weg zur Arbeit und stapfte durch den harschen Schnee. Jeder seiner Schritte hinterließ eine Spur. Doch was geschah dort neben ihm? Er blickte auf weitere Spuren im Schnee, die ebenfalls von einer Person stammen mussten! Aber von wem? Es war niemand sonst da! Hartmann stand alleine auf weiter Flur und jeder Schritt, den er tat, entstand ein weiteres Mal neben ihm exakt im selben Augenblick. »Schatten machen keine Spuren im Schnee«, dachte er und schaute aus seinem Augenwinkel vorsichtig zur Seite. »Was passiert neben mir, wenn ich mich bewege«, war sein Gedanke und er atmete flach, verharrte für Sekunden und glaubte zu träumen, nicht bei Sinnen oder sogar übergeschnappt zu sein und schob den Gedanken, dass es real sein könnte, weit aus seinem Bewusstsein. Geister existierten für Hartmann nicht und wenn sich jemand im Reich der Toten auskennt, dann er! Jede Medaille besitzt zwei Seiten und die zu betrachten ist kein Geheimnis. Darin bestand Hartmanns Zauberei, denn jede Kreatur bekommt vom Herrgott ein Leben; ein Dasein. Doch nach dem Dasein existiert kein Leben mehr. Danach regiert der Teufel. Er sucht jeden auf und holt jeden heim. Und irgendwann ist für jeden die Zeit gekommen. Die letzte Stunde hat geschlagen und dann liegt ein Jeder auf seinem Tisch. Hartmanns Maschen waren grob und löchrig, aber seiner eigenen Ansicht nach fehlerfrei gestrickt. Sein ganzes Leben war einfach. Es musste genau so sein: Jederzeit überschaubar. Kompliziert war allein das Wort ›kompliziert‹. Also befasste sich Hartmann mit dem Einfachen.

Das Einfachste war der Umgang mit Toten. Tote widersprechen nicht, träumen nicht, stolpern nicht und werfen nichts um. Sie liegen einfach da und leben nicht mehr. Männer, Frauen und Kinder. Wie ein altes Möbel werden sie irgendwann beseitigt. Alte und Junge. Beliebt war Hartmanns Beruf nicht und ebenso wenig versprach es ein Leben in Luxus, wie das der Großbauern.

Da tanzten die Mägde mit hoch erhobenen Schürzen und Röcken auf dem Tisch und ließen die lüsternen Blicke der Knechte und Bauern zu, weil sie nichts darunter trugen. Die Bäuerin verbrachte die Abende mit ihresgleichen in einem anderen Raum, wohl wissend der Vergnüglichkeiten der Männer. Damit die Wäsche möglichst lange hielt, wurde sie geschont und das ließ sich erreichen, indem sie kaum getragen wurde; bei der Arbeit schon gar nicht. Die Mägde waren die derben Griffe zwischen ihre Beine und in die Bluse gewohnt. Sie kicherten dabei und schürten die Geilheit der Mannsbilder. Und wenn sich die Knechte nächtens in die Lagerstätten der Mägde schlichen und sich neben sie legten, verschwanden deren Hände sofort unter der Decke der Bettgefährtin, um sie überall anzufassen. Die Kerle ließen sich fast jede Nacht mit der Hand befriedigen. Kamen sie zu spät und das favorisierte Bett war schon besetzt, gesellten sie sich ins Nächste. Auf dem Weg zur eigenen Kammer erweckte der Geruch an ihren Fingern Aufmerksamkeit. Dieses Gemenge aus Scheidenflüssigkeit, Urin und Analschweiß wirkte wie ein Rauschmittel.

Aber auch tagsüber winkten sie den Knechten verstohlen zu, wenn sie weit hinten auf dem Acker standen. Dann eilte ein Knecht forscheren Schrittes zu ihnen, drückte sie sachte zu Boden und hob ihre Röcke und Schürzen hoch. Sie nestelte derweil seinen Hosenstall auf, führte sich seinen pulsierenden Schwanz ein und gab ihm dennoch zu jeder Zeit das Gefühl, die Oberhand zu besitzen. Unwirsches Verlangen hätte ihre Bluse zerfetzt, warum sie diese vorsorglich öffnete. Die prallen Wogen der Weiblichkeit boten sich seinen rauen Händen, wenn er das schneeweiße Fleisch ungalant massierte.

Manchmal, wenn das Treiben nicht ohne Folgen blieb, wurde eine Magd schwanger. Entweder verließ sie weisungsfrei den Hof und kam nie wieder oder sie gebar einen Bastard. Dann arbeitete sie bis zur Geburt, trennte sich von diesem neuen, aber ungeliebten Leben und scharrte es in den Acker. Oder man warf das unerwünschte Bündel in den Schweinetrog. So verhielt es sich oft. Kein Balg entstand jemals als Frucht gegenseitiger Zuneigung und Zeit opferte dafür sowieso niemand. Zeit war zum Arbeiten da und nur dafür hielten die Mägde und Knechte ihre Hand auf. Entweder sparten sie den Lohn oder gaben es im Wirtshaus für Wein und Würfel aus. Der Bauer duldete keine Kinder. Säuglinge ohne einen bekennenden Vater schon gar nicht. Der Knecht wollte seinen Spaß und die Magd wollte keine Spielverderberin sein. Also besaß sie das gute Gefühl, es allen recht getan zu haben. Kam des Bauers Sohn zu ihr und schwängerte sie, wurde aus dem Bankert ebenso Schweinefutter, nicht jedoch ein Stiefgeschwister mit Anrecht auf das Hoferbe. Die Arbeit ging weiter und jeder war zufrieden. Und irgendwann gehörten sie auch zu Hartmanns toten Freunden.

Kapitel 2

Und dann zog das Leben binnen weniger Momente wie ein lackiertes Pferd auf einem Karussell am inneren Auge vorbei. Und die Toten sangen ihr letztes Lied, wie Hartmann es nannte. Er wuchtete jeden nackten Toten in eine Sitzposition, indem er ihn bei den Schultern packte und seinen Oberkörper nach vorne beugte. Damit presste er die letzte Luft aus den Lungen und das erzeugte sehr häufig einen seufzerartigen Ton. Vielleicht war es sogar der letzte Atemzug, den die Person machte, bevor sie starb. Hartmann machte es besser selbst so, als dass es ungewollt bei der Leichenschau geschah, was auch schon vorkam und die Anwesenden in Panik versetzte. Auch Restluft aus dem Darm erzeugt bei Toten eigenwillige Geräusche und hinterlässt einen äußerst üblen Gestank. In Hartmanns kleinem Unternehmen roch es nach all den vielen Jahren immer ein wenig so. Leichen erzeugen ihre eigenen Ausdünstungen und hinterlassen einen eigentümlichen, üblen Geruch, der sich auch nicht durch mehrfaches Lüften vertreiben ließ, wie Hartmann immer wieder feststellen musste. Er fluchte zwar wie ein Stallknecht in sich hinein, aber es half nichts. Hätte nicht jeder im Dorf von seinem Beruf gewusst, würde man es riechen, befürchtete Hartmann.

Vielleicht haben sich manche der Toten von Hartmanns Tisch irgendwann selbst gefragt, ob der Herrgott mit ihnen gnädig verfahren wird, weil sie sündig waren. Einige seiner toten Freunde starben keines natürlichen Todes, sie wurden umgebracht. Entweder waren sie das Opfer der Justiz und sie mussten solange am Galgen hängen, bis der Tod sie von ihren Qualen erlöste, oder sie wurden ein Opfer der Kriminalität und verließen das Leben auf unliebsame Art und Weise. Hartmann hielt die Hand für weniger auf, wenn sie der Richter freigab und überstellte. Die Arbeit wäre weniger, hieß es. Man müsse sie nur waschen und herrichten, hieß es auch. Unter herrichten wurde auch allgemein das Säubern der Finger- und Fußnägel verstanden. Zur Aufbahrung kam es bei Gehenkten nie. Auch bei vielen Opfern aus der Kriminalität kam es nicht immer dazu. Schmerzverzerrte Gesichter oder fehlende Körperteile wollte niemand sehen. Ausgestochene Augen oder abgerissene Ohren hätte Hartmann ersetzen können, aber niemand würde die Kosten dafür übernehmen wollen. Bei Sexualdelikten kam es ab und zu vor, dass den Frauen die Brust abgetrennt oder Männer entmannt wurden. Wenn eine Spurensuche mit Hunden erfolgte, schnappten sich die Vierbeiner die abgetrennten Hoden oder Penisse zuerst. Auch taten sich viele Personen damit schwer, sich die Verwandtschaft mit einem kriminellen Zeitgenossen einzugestehen. Auf dem Land bleibt das kein Geheimnis und nur deshalb woanders hinzuziehen, war keines Menschen Wunsch. Also fand keine öffentliche Beisetzung statt. Auch der Aushang im Kasten beim Bürgermeister blieb leer.

Für diese Zwecke besaß Hartmann dann verschnittene und unbeschlagene Weichholzsärge, die sehr stark an einen Futtertrog erinnerten. Diese Beerdigungen fanden ohne Beisein der Öffentlichkeit und bei fortgeschrittener Dunkelheit statt. Der Totengräber hob ein abgelegenes Grab aus und der Rest passierte bei Laternenschein. In diesen Gräbern türmten sich schon andere sterbliche Hüllen. Der Weichholzsarg vermoderte im Nu und die Knochen der Verblichenen fielen einfach nach unten. Dort befand sich allerdings auch schon eine Leiche und nicht selten wurde ein Grab erst gewechselt, wenn es voll war. Angefangen beim Bürgermeister und den Dorfältesten wusste jeder davon, selbst der Pfarrer; schließlich war es seine Idee. Er wollte den Hof des Friedens sauber halten und traf daher diese Entscheidung. Am liebsten hätte er die Missetäter samt den Verstümmelten den Tieren im Wald zum Fraß vorgeworfen. Aber der Bischof stimmte dem nicht mehr zu. Früher wäre es so gewesen, sagte der Bischof. Früher regierte der König und die Jagdaufseher spurten aufs Wort, sagte der Bischof.

Hartmann betrachtete sich selbst als streng christlich erzogen, aber nicht spezifisch religiös. Für ihn gab es nur einen Gott und der sah so aus, wie ihn der Pfarrer stets beschrieb. Hartmann war gläubig; gottesfürchtig wäre das passende Wort. Er ging regelmäßig in die Kirche und ebenso zur Beichte. Er beichtete stets dasselbe: Unkeuschheit! Da es keine Frau zu Hartmann trieb, sorgte er selbst für sein Sexualleben und verschaffte sich abends Erleichterung. Und genau das war der Hauptbestandteil seiner Beichte. In der Anfangszeit seines Berufslebens erregten ihn junge Frauen, wenn sie nackt auf seinem Tisch lagen und er sie wusch. Manche sahen völlig unversehrt aus. Sie wurden von einer Kutsche überfahren oder von ihrem Mann erwürgt, weil er sie mit einem anderen erwischte. Zwei oder vielleicht dreimal befriedigte sich Hartmann mit einer Toten. Er war nie mit einer lebendigen Frau intim, aber es wäre anders. Das spürte er deutlich und ließ es von diesem Tage an. Er hat es auch nie gebeichtet.

Hartmann wunderte sich oftmals über das Zustandekommen der Buße. Manchmal waren die abzuleistenden ›Vater Unser‹ und die zu betenden ›Glaubensbekenntnisse‹ unterschiedlicher Anzahl, wobei die Sünde stets gleich blieb. Hartmann maß den Dingen keine besondere Aufmerksamkeit zu, aber es fiel ihm auf. Natürlich kniete er sich nicht in die Kirchenbank und betete seine Strafen ab; er zählte. Irgendwann schätzte er, wie lange er für ein ›Vater Unser‹ benötigt und multiplizierte diese Zeit mit der Anzahl der abzugeltenden Gebete. Für jedes Gebet existierte in Hartmanns Kopf eine Zahl. Wichtig war dabei bloß, dass seine Hände gefaltet erschienen und er kniete. Als er damit begann, zählte er kaum zwanzig Lenze. Jetzt spult Hartmann das Programm runter, als sei es etwas zum Alltag Gehörendes. Das scharfkantige Eichenholz, auf dem er kniend betete, empfand er allein als ausreichende Strafe. Hartmann traf allerdings die Einsicht, dass Buße immer mit Pein einhergehen muss.

Manchmal begegneten sich die schwarz gekleideten Herren und Hartmann fragte sich jedes Mal, ob sich der Pfarrer auch selbst befriedigt und auf den harten Bänken Buße leistet. Auch traf Hartmann den Pfarrer im Wirtshaus an, wenn dort wieder über Gott und die Welt geredet wurde. Der Pfarrer war immer noch derselbe wie der, den Hartmann schon vom Religionsunterricht her kannte. Die Haare waren damals schon grau und der Bauch war damals schon rund. Die Haare waren voller, aber der Bauchumfang hat sich seither nicht geändert. Hartmann war kein Streber. Er saß in der ersten Reihe, brachte nicht die besten, aber auch nicht die schlechtesten Zeugnisse nach Hause und ging den Keilereien auf dem Schulhof immer aus dem Weg. Er war nicht dünn oder unterernährt, sondern hager. Schmächtig war er und mit einem Wirbelsäulenschaden gestraft.

Und dann ging er wieder zur Feierabendrunde über, wie er es nannte. Die Lichter löschen, die Fenster verriegeln und die Türen verschließen. Zuletzt drehte er den Schlüssel herum und begab sich auf den Heimweg. Hätte er im Haus mehr Platz, könnte er sein Geschäft dort unterbringen und sich die Rennerei sparen. Aber er bräuchte nicht nur Platz zum arbeiten, sondern auch zum lagern. Einige Modelle der Särge konnte er günstig vorkaufen und einlagern. Besonders die Weichholzsärge ließen sich problemlos lagern, weil sie erst vor ihrem Einsatz zusammengebaut wurden. Die Einzelteile ließen sich stapeln. In seinen privaten vier Wänden befand sich dafür keine Möglichkeit. Das Haus war alt und eng. Unten waren der Flur, das Wohnzimmer und die Küche und oben befanden sich das Schlafzimmer und das Badezimmer. Das Klosett befand sich auf dem Hof hinterm Haus und unter dem Bett im Schlafzimmer befand sich ein Nachttopf. Da war die Ausstattung des Geschäfts erheblich moderner. Dort befand sich die Örtlichkeit schon in einem separaten Raum. Aber das Geschäft bot keinen Platz zum wohnen. Mittlerweile war Hartmanns Verdauungssystem so konditioniert, dass er wirklich nur in Grenzfällen auf die ungeliebten Alternativen seines Hauses zurückgriff.

Hartmann war diese Überlegungen schon etliche Male durchgegangen. Wenn es wie aus Eimern gegossen regnete oder Schnee lag, begann er darüber nachzudenken, wie er der Lage Herr werden konnte. Jahr um Jahr verging bisher, ohne eine zufriedenstellende Lösung zu finden. Er hätte anbauen können. Sein Geschäft lag zentral und der Ausbau des Dachgeschosses böte die angestrebte Lösung. Aber erstens hatte er dafür kein Geld und zweitens wollte er sich bei seiner Bank keine Blöße geben, wenn er ein Darlehen beanspruchte. Sein Geschäft gehörte zu den ersten Unternehmen im ganzen Kreis und war der Stolz des Dorfes. Die Schankwirtschaft war zwar beliebter, aber Hartmann war bekannter. Zur Wirtschaft kam nicht jeder; zu Hartmann kamen alle. Die Hufschmiede, Friseure, Zahnärzte und Bestatter hatten immer zu tun. Hartmanns Vater wusste es bereits weiland.

Die Sonne stand schon tief und warf einen langen Schatten von Hartmann in den Schnee. Und wieder machte sein eigener Schatten auf sich aufmerksam. Es entstanden wieder diese Fußspuren im Schnee direkt neben den seinigen. Es sah so aus, als liefe dort eine weitere, sich allerdings synchron zu Hartmann bewegende Person. Hartmann erschrak erneut, blieb stehen und stand für einen Moment dort wie eine Marmorstatue. Völlig erstarrt. Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Völlig ungeordnet rasten Gedanken wirr durch seinen Kopf und hinterließen ein Chaos. Hartmann stand vor einem Rätsel. Ein Schatten, der Fußstapfen im Schnee hinterlässt. Wer sollte ihm das glauben? Er glaubte es selbst kaum. Vorsichtig ging er weiter und beobachtete die Ereignisse neben ihm aus dem Augenwinkel. Jedes Mal, wenn er einen Schritt tat und einen Abdruck seiner Schuhe im Schnee hinterließ, erfolgte dasselbe neben ihm. Merkwürdig. Hartmann zweifelte und wusste gar nicht mehr, ob es nicht vielleicht immer schon so war. Er geriet innerlich ins Wanken und verringerte trotz der frostigen Temperatur seine Geschwindigkeit. Wenn es kalt wurde trug Hartmann stets seine wollenen Handschuhe, bei denen er die Fingerspitzen abgeschnitten hatte, um die Hausschlüssel besser fühlen zu können. Die zog er jetzt aus, blieb stehen, drehte seinen Kopf zur Seite, legte seine Hand an die Stirn und fühlte nach seiner eigenen Temperatur. Er war zwar nur Bestatter und kein Arzt, aber Fieber hatte er nicht. Soviel medizinische Kenntnisse besaß auch er. Aber irgendwas verhält sich anders. Den ganzen Tag hatte er nicht auf seinen Schatten geachtet. Licht war stets irgendwo. Und wo Licht ist, ist auch Schatten.

Vielleicht war Hartmanns Schatten anders. Er stapfte weiter. Die Situation schlug Hartmann aufs Gemüt und machte ihm Angst. Er dachte sich eine List aus und verharrte unvermittelt mit einem Knie in der Luft. Da! Sein Schatten reagierte so, als würde Hartmann weitergehen und streckte das Bein entsprechend aus! Hartmanns Schatten ist gar kein Schatten! Er reagiert nicht wie ein Schatten, sondern eigenmächtig! Hartmann riss die Hände vors Gesicht und geriet in Panik. Sein Schatten schien ein unabhängiges Dasein zu führen. Aber wie lange schon? Hartmann fühlte sich betrogen, ausgenutzt und hintergangen. Sein eigener Schatten ließ sich von ihm des Betrugs überführen. Hartmann hatte keine Erfahrung mit dem Umgang eines solchen Szenarios. Niemand besaß damit Erfahrung! Demzufolge kam auch niemand infrage, den er zwecks einer Auskunft aufsuchen könnte. Er war auf sich gestellt. Da stand er nun wie festgewurzelt im Schnee. Er fror und zitterte am ganzen Körper. Schon lange hätte er zuhause am warmen Ofen sitzen und sich an einer heißen Tasse Brühe erfreuen können. Aber er stand im Schnee und traute sich nicht mehr, sich zu bewegen. Er beobachtete seinen Schatten wie einen Gefangenen. So genau schaute er noch nie auf ihn. Still lag er da im Schnee und bewegte sich nicht. Hartmann atmete und sein Schatten ebenso. Hartmann stieß kleine Wölkchen aus, sein Schatten nicht. Gut so. Hartmann wiegte seinen Kopf ganz langsam und sachte hin und her und behielt seinen Schatten dabei akribisch im Auge. Alles passierte wie immer. Gewohnheitsgemäß. Synchron. Nichts anderes hatte Hartmann erwartet. Also war das eben Passierte bloß eine Sinnestäuschung gewesen? Wahrscheinlich! Und wenn es keine Täuschung war? Dann stand Hartmann vor einem echten Problem.

Er beschloss, zunächst sein Haus aufzusuchen. Ein Haus bietet Schutz, vermittelt Sicherheit und lässt Ruhe entstehen. Hartmann benötigte von jedem dieser Dinge eine große Menge; besonders Ruhe. Schuhe abklopfen, Türe aufschließen, den Ofen heizen und das Licht entzünden. Und da war er wieder: Hartmanns Schatten. Er war immer da, aber Hartmann beachtete ihn nie. Jetzt auf einmal schob sich der Schatten in Hartmanns Bewusstsein. Hartmann versuchte, sich genauso zu verhalten, wie sonst auch. Aber irgendwie wollte es ihm nicht gelingen. Ständig schaute er nach seinem Schatten, als ob er die Obhut für einen kleinen Hund übernommen hätte, den man ihm zur Pflege gab. Eigentlich warf er seinem Schatten Kontrollblicke zu. Er wollte ihn dabei ertappen, wenn er sich wieder anders verhält, als er selbst. Das wäre für Hartmann ein Beweis gewesen! Aber wofür bloß? Was hätte er bewiesen? Und wem könnte er diesen Beweis vorlegen? Wer würde mit ihm ein Geschäft machen wollen, wenn er und sein Schatten zweierlei wären? Allein das würde niemand verstehen. Hartmann verstand es selbst nicht. »Schatten sind keine Lebewesen«, sagte Hartmann zu sich selbst, »Schatten sind Schatten … bloß Schatten!«

Die Müdigkeit holte Hartmann ein und er beschloss, ins Bett zu gehen. Es waren immer die gleichen Handgriffe, Hartmann konnte sie bereits im Schlaf: Ofen aus, Licht aus, Türe zu. Aber jetzt war irgendetwas anders. Hatte er etwas vergessen? Der Ofen war aus, das Licht ebenso und die Türe zum Wohnzimmer war ebenfalls zugezogen. Alles war so getan, wie es immer getan wurde, aber etwas war anders.

Hartmann sah neben sich und wusste es plötzlich! Trotz des gelöschten Lichts blieb sein Schatten da. Jetzt bekam Hartmann wirklich Angst. Er entzündete ein Streichholz und bemerkte keine Veränderung, als es erlosch. Es stand kein knurrender Hund neben ihm, kein wilder Ochse bedrohte ihn und auch kein ungezähmtes Pferd bäumte sich vor ihm auf. Allein die Gegenwart seines eigenen Schattens ließ ihn erschaudern. Er wird ihn ignorieren müssen, um nicht dem Wahnsinn zu verfallen. Nein – Hartmann hatte noch nie zuvor davon gehört, dass jemand durch seinen eigenen Schatten zum Wahnsinn getrieben wurde, er wäre wirklich der Erste und genau das wollte er um jeden Preis vermeiden. Sein Leben musste genauso weitergehen wie immer. Was war geschehen? Nichts. Und nichts anderes geschieht daraufhin.

Hartmann stieg die Stufen zum ersten Stock seines Hauses empor. Durch große Fenster im Flur schien der Mond in seiner Pracht und transportierte ausreichend Helligkeit, um sich orientieren zu können. Er öffnete die Türe zum Schlafzimmer, zog sich wie jeden Abend aus und schenkte den Dingen seiner direkten Umgebung Aufmerksamkeit. Alles andere schien für ein paar Momente versunken zu sein und existierte nicht. Dann griff er unters Kopfkissen, zerrte sein Nachthemd hervor und versprach sich jeden Tag selbst, es zu wechseln, weil es schon wieder nach Schweiß roch. Hartmann gab fast all seine Textilien zur Wäscherei. Von da kamen sie sauber und gebügelt wieder zurück. Ihm fehlte jede Ambition dazu, also ließ er es. Er streifte sein Nachthemd über, legte sich in sein Bett und zog die Decke weit über den Kopf, um nichts mehr hören und sehen zu können. Und dann ereilten ihn die Fragen, warum er das plötzlich tut. Diese Prozeduren vollführte er sonst nie. Er ging zu Bett, schlief irgendwann ein und wachte am kommenden Tag wieder auf. Aber er zog sich seit seiner Kindheit keine Decke mehr über den Kopf.