Der Landsgemeindeplatz Trogen - Heidi Eisenhut - E-Book

Der Landsgemeindeplatz Trogen E-Book

Heidi Eisenhut

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Beschreibung

Französisch und italienisch inspirierte Steinpaläste mitten in einem Appenzeller Dorf lassen erahnen, welche Kulturen durch den europaweiten Textilhandel im 18. Jahrhundert in Trogen zusammentrafen. Im Auftrag der Familien Zellweger und Honnerlag schufen die Baumeister Grubenmann und Langenegger zusammen mit den Stuckateuren Moosbrugger rund um den Landsgemeindeplatz innert weniger Jahrzehnte ein einzigartiges Ensemble barocker und klassizistischer Architektur.

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Heidi Eisenhut · Moritz Flury-Rova· Vreni Härdi · Jürg Zürcher

Der Landsgemeindeplatz Trogen

Kanton Appenzell Ausserrhoden

Einleitung

Kurze Geschichte des Dorfes bis 1810

Der Landsgemeindeplatz bis 1810

Die älteste bildliche Darstellung

In der Hand einer Familie

Die Anfänge

Ein erster Höhepunkt

Kritik und Fortsetzung der Bautätigkeit

Der Abschluss

Würdigung

Die Bauten

Gemeindehaus

Rathaus

Krone

Zweiter Steinpalast

Reformierte Kirche

Zellweger’scher Doppelpalast

Fünfeckpalast

KVT-Haus

Tobler’scher Holzpalast

Sonnenhof

Honnerlag’scher Doppelpalast

Die Entwicklung des Dorfkerns vom 19. bis ins 21. Jahrhundert

Der Landsgemeindeplatz wird zum Verkehrsknoten

Der lange Weg zur Neugestaltung

Krisen und Fragen

Den Platz gross denken

Die Umsetzung

Anhang

Impressum

Trogen von Osten mit den historischen Häuserzeilen Berg (links oben) und Schopfacker (rechts unten).

Einleitung

«Ein kleiner Fleken, von nahen Wäldern, hohen Bergen und tiefen Schluchten umzingelt, dem Schein nach am Rande der Welt, von ihr durch den hohen Gäbris, die beinahe halsbrechende Ruppen strasse und einen tiefen Einschnitt in die Erde bis in die Goldach hinab beinahe zur Insel mitten im Lande gemacht, kann kein Paris, London, Wien, Dresden, München u[nd] auch kein Zürich sein», hielt der St. Galler Gelehrte Peter Scheitlin um 1828 in einem Fragment über Trogen fest. Ein solcher Flecken könne aber zeigen, habe gezeigt und werde zeigen, dass ein halbes Dutzend geistreicher Männer genüge, mit Sinn, Regsamkeit, Lebendigkeit und Tatkraft ein Dorf in die Höhe zu heben und selbst Städte neben sich verblassen zu lassen.

Das sind ungewohnte Worte für heutige Ohren. Und doch: beim aufmerksamen Hinhören eröffnen sie metaphorisch, was diesem besonderen Ort in Appenzell Ausserrhoden seine Anziehungskraft verleiht. Es ist die Dynamik weniger Menschen – vorab von Mitgliedern der Textilhandelsfamilie Zellweger – die innert dreier Generationen, zwischen 1747 und 1810, den Landsgemeindeplatz und mit ihm den Dorfkern von Trogen baulich derart wagemutig transformierten, dass schon Zeitgenossen darüber staunten. Scheitlin war in den 1820er Jahren wiederholt für mehrere Wochen Kurgast im Dorf. In jener Zeit verdichtete sich die Rolle Trogens als Zentrum für Bildung, Kultur und Wissenschaft mit Gründungen von Schulen, Vereinen und Zeitungen. Trotzdem blieb der Ort «am Rande der Welt»: Gut ausgebaute Strassen entstanden erst später, von 1837 bis 1866 (siehe S. 54–56). Sie veränderten den Dorfkern ein zweites und letztes Mal nachhaltig, denn erst mit ihnen wurde der Platz auch Verkehrsknotenpunkt.

Im Lauf des 20. Jh. beanspruchte der Verkehr mit seinen asphaltierten Fahrbahnen und Signalisationen immer mehr Platz. Mit der Neugestaltung und Pflästerung 2020–2021 gelang es, den Platz wieder stärker als Einheit erlebbar zu machen. Dies ist der Anlass dieses Kunstführers, der die Hintergründe dieser ausserordentlichen Entwicklung aufzeigt und die Bauten rund um den Platz vorstellt.

Kurze Geschichte des Dorfes bis 1810

Die Ersterwähnung von Trogen datiert in die zweite Hälfte des 12. Jh. und ist in einem Abgaberodel des Klosters St. Gallen zu finden. Dieses verzeichnet die Ablieferung von Hülsenfrüchten und Brot aus «Trugin». Namenkundlich als «bei den Brunnentrögen» gedeutet, war der «hof ze Trogen» kolonisatorischer Mittelpunkt des Klosters St. Gallen für die Urbarmachung des Gebiets um den Hügel Gäbris. Bereits im 14. Jh. ist Trogen urkundlich als Vogtei oder Amt bezeugt, verwaltet durch einen Ammann. 1401 beteiligte es sich unter eigenem Siegel zusammen mit der Stadt St. Gallen und den seit 1377 zum Schwäbischen Städtebund gehörenden «lendlin» Appenzell, Hundwil, Urnäsch und Teufen am sog. Volksbund der Gotteshausleute, der sich gegen Habsburg – die neue Schutzmacht des Klosters St. Gallen – wandte. 1403 erlitten die äbtisch-habsburgischen Truppen bei Vögelinsegg eine Niederlage gegen die Aufständischen. Bei der Konstituierung des Landes Appenzell nach Beendigung der Appenzeller Kriege 1429 wurde aus dem Amt Trogen die Rhode Trogen, zu der das ganze Appenzeller Vorderland mit Oberegg sowie Teile von Bühler und Gais im Gäbrisgebiet gehörten. Mit der Erhebung der neu erbauten Kirche 1463 zur Pfarrkirche Maria zum Schnee entstand innerhalb der Rhode Trogen die Kirchhöri Trogen, die auch die späteren Gemeinden Rehetobel und Wald umfasste. 1513 erfolgte der Beitritt des Landes Appenzell zum Bund der Eidgenossen, und 1525 schloss sich Trogen zusammen mit anderen Kirchhören des eidgenössischen Standes Appenzell der Reformation an. Nach der konfessionell bedingten Landteilung 1597 erhielt Trogen den Status des Hauptorts der äusseren Rhoden und wurde Landsgemeindeort, Gerichtsstätte und Tagungsort der Räte, mit einem 1598 erbauten Rathaus (12), das auch das Landesarchiv beherbergte, und dem gleichzeitigen Zeughaus (14). Die Rhoden im Appenzeller Hinterland bauten jedoch eigene Rathäuser; die Landsgemeinde wurde in ungeraden Jahren zunächst an wechselnden Orten und ab 1611 in Hundwil und in geraden Jahren in Trogen abgehalten.

Wappen von Trogen mit einem aufrecht in einem (Brunnen-) Trog stehenden Bären. Federaquarell von Johann Ulrich Fitzi, 1818, nach der Trogner Ratsherrenscheibe von 1628 in Herisau.

Animositäten und Rivalitäten der beiden Landesteile vor und hinter dem Fluss Sitter führten 1647 in ein bis 1858 bestehendes Doppelregiment: Die fünf Landesämter – Landammann, Landesstatthalter, Landesfähnrich, Landeshauptmann und Landessäckelmeister – wurden zweifach besetzt mit jeweils einem regierenden und einem stillstehenden Landesbeamten aus je einem Landesteil, und auch der Kleine Rat wurde doppelt bestellt. Häufig waren die Beamten miteinander verwandt oder verschwägert. Als sich die regierenden Familien im Lauf des 17. Jh. neben der hergebrachten Vieh- und Milchwirtschaft und dem Leinwandgewerbe mit dem Leinwandhandel einen neuen dynamischen Wirtschaftszweig erschlossen, verhärteten sich die Fronten. 1732–1734, im sog. Landhandel, entging Appenzell Ausserrhoden nur knapp einem Bürgerkrieg. Diese Auseinandersetzung, in der es um die Informationspflicht und Kompetenzen der Behörden ging, um das Recht auf Kritik und Opposition in einem System, das zwar die Landsgemeinde kannte, aber de facto vor der Sitter durch die alteingesessene Familie Zellweger (Partei der «Linden») und hinter der Sitter durch die soziale Aufsteiger familie Wetter (Partei der «Harten») autoritär und oligarchisch regiert wurde, prägte das innenpolitische Klima nachhaltig.

Das alte Rathaus von 1598. Im Vordergrund der Dorfbrunnen von 1723. Ausschnitt aus einem Federaquarell von Johann Ulrich Fitzi, um 1830.

Mit den Kirchenbauten von Rehetobel (1669) und Wald (1686) und der Loslösung von Teilen des Oberen Hirschbergs 1688 unter dem Namen Reute aus dem Rhodverband von Trogen reduzierte sich das Gemeindegebiet auf die heutigen Grenzen mit einer Fläche von 10 km2. Bis 1658 hatten sich bereits Grub, Walzenhausen und der ehemalige Kurzenberg mit Heiden, Wolfhalden und Lutzenberg selbständig gemacht. Aus der Rhode Trogen waren somit 9 von heute 20 Ausserrhoder Gemeinden hervorgegangen. Das ursprünglich zum Amt Trogen gehörende Speicher war nach den Appenzeller Kriegen bis zur Gründung einer eigenen Kirche 1614 nach St. Gallen kirchgenössig.

Dass Trogen seinen Gebiets- und politischen Bedeutungsverlust im Vorderland überstand, verdankte es seiner neu errungenen Stellung als Marktort für Leinwand ab 1667 und mehreren im Textilfernhandel erfolgreichen Generationen der in den 1580er Jahren im Zug der Gegenreformation aus Appenzell eingewanderten reformierten Wirtefamilie Zellweger. Vertreter dieser Familie und der mit ihr verschwägerten Geschlechter Honnerlag und Tobler veränderten zwischen 1747 und 1810 den Dorfkern grundlegend und verliehen ihm seine heutige Einzigartigkeit.

Das Land Appenzell. Karte von Gabriel Walser in der Appenzeller Chronik, 1740.

Der Landsgemeindeplatz von Süden. Lavierte Federzeichnung von Johann Ulrich Schellenberg, um 1757 …

Der Landsgemeindeplatz bis 1810

Die älteste bildliche Darstellung

Das Dorf Trogen mit dem Landsgemeindeplatz im Zentrum liegt auf 900 m ü. M. auf einem natürlichen, gegen Nordosten vorstossenden Geländesporn, der – weitherum sichtbar – in die Goldachlandschaft hineinragt. Gegen Südosten begrenzt das schroff abfallende Bruederbachtobel den Dorfkern, nach Nordosten, Süden und Südwesten säumen Häuserzeilen die teils steil abfallenden bzw. ansteigenden Wege nach Wald, Bühler und Speicher.

Das älteste bildliche Zeugnis des Landsgemeindeplatzes mit dokumentarischem Quellenwert entstand um 1757 und zeigt die Dorfmitte von Süden. Es handelt sich um eine lavierte Federzeichnung von Johann Ulrich Schellenberg zuhanden der «Topographie der Eydgnossschaft» von David Herrliberger. Sie stellt den zu flach und zu breit gezeichneten Platz gesäumt von Holzhäusern vor. Die niedrige alte Kirche markiert das untere Ende, links neben ihr steht der erste Zellweger’sche Steinpalast (6) von 1747–1748, das übernächste Haus ist das 1598 erbaute Rathaus (12). Am oberen Ende des Platzes wendet diesem das heute noch stehende KVT-Haus (8) seine Giebelfassade zu.

… und Federzeichnung von Johann Ulrich Fitzi, um 1830.