Der Lautlose - John Gardner - E-Book

Der Lautlose E-Book

John Gardner

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Beschreibung

Wenn ein Agent Urlaub macht, kann selbst süßes Leben bitter werden … Das Wochenende an der Riviera – mit Iris und traumhaftem Luxus – hatte Oakes sich verdient. Doch nicht nur sein Chef neidet ihm den Genuß, viel mehr noch seine Kollegen von der anderen Seite. Oakes geht in die Luft, und das hat ungeahnte Folgen ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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John Gardner

Der Lautlose

Aus dem Englischen von Rolf Inhauser

FISCHER Digital

Inhalt

Prolog: ParisAugust 19441 LondonSamstag, den 8. Juni 1963Boysie2 LondonSamstag, den 8. Juni 1963Mostyn3 Côte d’AzurSamstag, den 8. Juni 1963Sheriek4 Côte d’AzurSamstag, den 8. Juni 1963Coral5 Côte d’AzurSamstag/Sonntag, den 8. und 9. Juni 1963Iris6 Côte d’AzurSonntag, den 9. Juni 1963»L« –7 Côte d’AzurSonntag, den 9. Juni 1963Quadrant8 EnglandMontag, den 10. Juni 1963Krone9 EnglandDienstag, den 11. Juni 1963Vulture10 EnglandDienstag, den 11. Juni 1963Koordinator

Prolog: Paris

August 1944

Mostyn kämpfte um sein Leben. Zweimal hatte er den Kleinen schon in den Rinnstein geworfen, doch jetzt fielen sie beide über ihn her. Während der Kleine seine Hände festhielt, griff ihm der Lange schon nach der Kehle. Seine Kräfte ließen nach. Er schwitzte und war wütend: wütend auf sich selbst, weil er sich hatte überrumpeln lassen. Das kam davon, wenn man seine Deckung vernachlässigte, obwohl man immer noch im Einsatz stand.

Heute morgen hatte er die ersten britischen Panzer über die Place de la Concorde rollen sehen. Und als er zu Jacques’ Wohnung zurückging, hatte er noch sorglos vor sich hin gepfiffen. So dicht vor dem Ziel – und nun das hier! Wie konnte er sich nur in der letzten Sekunde von den beiden Männern erwischen lassen, die sechs Wochen lang vergeblich nach ihm gesucht hatten!

Der Lange hielt seine Kehle umklammert. Mostyn fühlte, wie er an die Hausmauer gedrängt wurde, spürte die kalten Steine im Nacken, als er das Kinn auf die Brust preßte, um die großen heißen Hände daran zu hindern, ihm die Luft abzudrücken.

Aber der riesige Kerl war stärker. Mostyn sah alles nur noch verschwommen. Er konnte kaum atmen. Der Schmerz lähmte ihm allmählich Schultern und Arme, als er in panischer Angst um sich schlug, um sich zu befreien. Was für ein erbärmlicher Tod – in einer Seitenstraße des Boulevard Magenta, während ganz Paris an diesem herrlichen Nachmittag seine Befreiung feierte.

Irgendwo hinter den rauschenden Kaskaden der Springbrunnen an der Place de la Concorde glaubte er wieder die Panzer zu hören. Ein letzter Versuch. Er riß die Arme hoch und trat dem Langen zwischen die Beine. Der andere brüllte auf vor Schmerz, fiel nach hinten und stieß einen deutschen Fluch aus, bevor er sich wieder auf Mostyn stürzte. Aus dem Augenwinkel sah Mostyn plötzlich weiter oben auf der Straße eine Bewegung. Immer noch mit den Männern ringend, drehte er schnell den Kopf. Ein baumlanger Soldat rannte jetzt aus dem grellen Sonnenlicht – er trug die gefleckte Tarnjacke. Mostyn schrie – erschrocken über seine vor Angst hohe Stimme: »Hilfe! Schnell! Ich bin Engländer! Geheimdienst!«

Der Lange sah um sich, stutzte und ließ ihn los. Einen Augenblick zögerte er noch, dann stolperte er davon. Der Kleine verlor das Gleichgewicht, als er sich von der Wand losschnellte und seinem Genossen zu folgen versuchte. Aber sie sollten nur drei, höchstens vier Schritte weit kommen. Für Mostyn, der keuchend an der Mauer lag, klangen die Schüsse wie Trommelfeuer. Und dann, ganz plötzlich, war alles vorüber. Die beiden Deutschen lagen am Boden wie zwei unordentliche Kleiderbündel. Der Lange lag mit dem Kopf auf dem Gehweg, das Gesicht zur Erde gekehrt. Seine Schädeldecke war nur noch eine rote zerfranste Masse. Der Kleine lag auf dem Rücken. Die Kugel war ihm durch den Hals gedrungen. Seine nach oben gerichteten Augen hatten den vorwurfsvollen erstaunten Blick eines Menschen, der sich von seinem Schöpfer unvorbereitet und mit unerwarteter Schnelligkeit abberufen fühlt.

Mostyn sah sich den Sergeanten, seinen Retter, an. Nach seiner Ausrüstung zu urteilen, gehörte er zu der Besatzung eines Panzers. Kartentasche und Fernglas hatte er um den Hals hängen. Der große automatische Colt schien ihm zu schwer zu werden. Seine Hand senkte sich, als würde sie vom Gewicht des Colts herabgezogen. Eine dünne blaue Rauchfahne schlängelte sich aus der Mündung und färbte sich grau, als sie den Lauf entlang über seine Hand hinwegzog.

Aber was Mostyn den Atem stocken ließ, waren die Augen des Sergeanten: eiskalte blaue Augen, die mit unendlicher Genugtuung auf die beiden Leichen hinunterschauten.

Mostyn war schon immer stolz darauf gewesen, daß er in den Augen anderer Menschen lesen konnte. In diesen hier stand die Wahrheit nur allzu offen. Dieser Mann, ein Techniker des Todes, hatte geschossen, weil Töten für ihn eine Lust war. Der geborene Verbrecher, dachte Mostyn, ein Berufsverbrecher, der das Leben eines Menschen ebenso lässig auslöscht wie ein Streichholz.

Der Sergeant sah immer noch auf die Leichen, den Mund zu einem bösen Lächeln verzerrt. Es würde sich lohnen, den Kerl zu beobachten, dachte Mostyn. Eines Tages könnte er ihm vielleicht noch einmal von Nutzen sein.

1 London

Samstag, den 8. Juni 1963

Boysie

Boysie Oakes kratzte mit dem Rasiermesser vorsichtig den letzten Schaum von seinem Kinn und prüfte mit dem Mittelfinger die Glätte der Haut. Zufrieden spülte er darauf das Messer, feuchtete einen Waschlappen an und tupfte damit den restlichen Schaum ab. Als er sich das Gesicht abtrocknete, betrachtete er sich einen Augenblick prüfend im Spiegel, ob er Spuren nachlassender Spannkraft entdecken konnte.

Für einen Mann in den Vierzigern war Boysie in ausgezeichneter Verfassung. Er drehte den Kopf, um seine linke Gesichtshälfte besser betrachten zu können. Eine Frau hatte sie einmal seine »Mona-Lisa-Seite« genannt. Seine auffallend stahlblauen Augen besaßen immer noch die durchdringende Klarheit von früher. Die winzigen Lachfalten und Krähenfüßchen waren bei ihm Merkmale von Zuverlässigkeit und Reife und nicht verräterische Anzeichen des heranrückenden Alters. Die Jahre hatten weder seine buschigen Augenbrauen noch sein Haupthaar schütter werden lassen. Ein grauer Schimmer um die Schläfen war das einzige Zugeständnis an das nahende Alter.

Boysie drückte einen kleinen Klecks Lentheric Onyx auf die linke Hand und verteilte die Creme auf seinen langen Fingern, ehe er sie mit beiden Händen auf Wangen und Kinn verrieb. Mit halbgeschlossenen Augen beobachtete er, wie die Hautcreme in die Poren eindrang, sog dabei den frischen Geruch des Parfüms ein. Aus einer schwarz-goldenen Dose nahm er zuletzt noch etwas Puder und bearbeitete damit seine Gesichtshaut.

Nachdem er die Requisiten seiner Schönheitspflege wieder im Glasschrank verstaut hatte, trat er von dem Vergrößerungsspiegel zurück und strich sich mit dem rechten Handrücken über die frischrasierte Wange. Seine Hautfarbe, täglich aufgefrischt durch eine halbe Stunde Höhensonne, sah kräftig aus und glänzte wie gutpoliertes Leder. Weder unter den Augen, noch an der Nasenspitze konnte man die verräterischen roten Äderchen erkennen.

Boysie hatte seine Morgentoilette beendet, verließ das Badezimmer und betrat durch den mit Teppichen ausgelegten Flur sein elegant eingerichtetes Schlafzimmer. Der Plattenspieler klickte leise, als die nächste Platte auf den Teller hinunterfiel. Bachs Goldbergvariationen erfüllten die Wohnung mit festlicher Musik. Die getragenen Töne des Cembalos brachten Boysie eindringlicher als sonst sein großes Glück zu Bewußtsein.

Vor zehn Jahren hatte er noch nichts von Goldbergvariationen gewußt oder von Matisse, von dem ein Original in Öl über dem Kopfende seines ausladenden Doppelbettes hing. Boysie steckte sich eine Filterzigarette an und warf einen kurzen Blick in den breiten Wandspiegel. Was er darin sah, schien ihn zufriedenzustellen: sein Körper, durch und durch männlich, hart, durchtrainiert und kerzengerade. Voller Eitelkeit stellte er sich vor dem Spiegel in Positur wie auf einer ganzseitigen Zeitungsreklame: in himmelblauer Unterwäsche. Er gab seine selbstgefällige Träumerei auf, nahm einen langen Zug von der Zigarette, legte sie auf den Aschenbecher, der auf dem Nachttisch neben einer Luxusausgabe des Kamasutram stand, und streifte ein cremefarbenes maßgearbeitetes Hemd über. Er wählte eine bronzefarbene Krawatte aus thailändischer Seide, die gut zu dem Courtelleanzug paßte, der schon auf dem Bett bereitlag.

Was man auch immer von Mostyn halten mochte, dachte Boysie, in meinen Augen ist er ein ganz durchtriebenes Schwein. Eigentlich stand er ja tief in Mostyns Schuld. Eine gänzlich neue Welt hatte sich für ihn in dem Augenblick aufgetan, als er die amtliche Geheimakte zusammen mit jenem geheimnisvollen Papier unterzeichnet hatte, das ihn zum Sklaven des Geheimdienstes machte. Kunst, Literatur, Musik, Schauspiel, gutes Essen, Wein, die Kenntnisse eines Feinschmeckers (wenn nicht gar den Feinschmeckergaumen selbst) – all das hatte er nur Mostyn zu verdanken. Nicht zu vergessen die jährlichen 4000 Pfund, die regelmäßigen Prämien und den schneeweißen, nach eigenen Angaben gebauten Jaguar.

Fertig angekleidet, streifte er seine Uhr über die linke Hand und sah flüchtig auf das Zifferblatt: 10.30 Uhr, Zeit zum Aufbruch. Schon zum zweitenmal an diesem Morgen hatte Boysie ein flaues Gefühl in der Magengrube. Dieses Gefühl stellte sich bei ihm vor jeder Flugreise ein. Er ging hinüber in sein Wohnzimmer, wo ein Koffer, abgenutzt und mit vielen Etiketten beklebt, schon fertig gepackt und abgeschlossen dastand. Er goß sich einen doppelten Courvoisier ein und öffnete mit einem Druck auf einen verborgenen Knopf das Geheimfach in seinem nachgebauten Sheraton-Schreibtisch. Die kleine automatische Pistole mit dem Perlmuttgriff lag dort in einer Schatulle, eingebettet in purpurrotem Samt. Er prüfte den Mechanismus, ließ die Waffe in die eingearbeitete Halfter seiner Gesäßtasche gleiten und rückte den Patentgürtel so über den Kolben, daß die Pistole nicht verrutschen konnte. In den Patronenrahmen, der in die Innenseite seines Jacketts eingenäht war, steckte er drei volle Reservemagazine. Mostyn würde einen Anfall bekommen, wenn er von der Kanone wüßte, dachte Boysie. Daß es ihm nur dann erlaubt war, bewaffnet zu gehen, wenn er sich im Einsatz befand, war eine der wenigen Vorschriften des Departements, die Boysie haßte. Wenn Mostyn nur von der Existenz der Waffe hörte, würde er schon in die Luft gehen, daran bestand kein Zweifel. Was aber Mostyn, jetzt der stellvertretende Chef, von Boysie glaubte, und was Boysie von sich selbst wußte, das war so verschieden wie Tag und Nacht. Es ging niemanden etwas an, daß er die Pistole bei sich trug – eigentlich mehr ein Spielzeug als eine tödliche Waffe. Das war sozusagen ein kleiner privater Scherz, den er sich mit Mostyn erlaubte. Dennoch stand ihm jedesmal der kalte Schweiß auf der Stirn, wenn er sich allzu anschaulich die Folgen ausmalte, die eine Entdeckung seines Geheimnisses nach sich ziehen würde.

Das Telefon schrillte im Arbeitszimmer. Das mußte Iris sein. Er nahm den Hörer ab, und ihre Stimme, eine Mischung aus Honig und grobem Sand, klang an sein Ohr: »Boysie?«

»Ja, Schätzchen?«

Er fühlte, wie sich sein Körper beim bloßen Klang ihrer Stimme anspannte. Sechs Monate ging das nun schon so – ein halbes Jahr Belagerungskrieg. Sie beherrschte das Spiel recht gut. Eine Affäre mit der anschmiegsamen Iris verlangte Geduld. Man konnte nicht mit ihr zuerst im Savoy Grill schlemmen und sie anschließend zu sich aufs Zimmer nehmen. Natürlich hatte es Augenblicke der Enttäuschung gegeben, aber im großen und ganzen hatte Boysie dieses hinhaltende Liebesspiel sehr genossen, das, wenn alles gutging, heute nacht in einem Bett unweit der Palmen und der Brandung des Mittelmeeres enden würde. Wieder ging ihm der Gedanke an Mostyn wie ein Gespenst durch den Kopf. Man nahm eben nicht Mostyns Privatsekretärin zu einem etwas anrüchigen Wochenendausflug an die französische Riviera mit – und hatte auch noch Erfolg. Na, wollen hoffen, daß sie es auch wert ist, dachte Boysie.

»Boysie? Ich geh’ jetzt aus dem Haus. Alles klar?«

»Alles klar, Schätzchen. Mach dir nur keine Sorgen. Ich werde sofort den Beamten vom Dienst anrufen.« Sekundenlang fragte er sich, ob er entgegen seiner Gewohnheit nicht zu sehr drängte. »Glaubst du, daß alles gutgehen wird?«

»Sicher. Nur keine Angst. Dein Chef erscheint samstags nie vor Mittag, und dann, Schätzchen, befinden wir uns längst in weiter Ferne.« Wieder zog sich sein Magen zusammen. Er hörte nichts mehr und glaubte schon, sie wären getrennt.

»Schätzchen?«

»Ja, Boysie?«

»Vergiß nicht, du darfst mich nicht mal im Flugzeug erkennen. Setz du dich vorn hin, ich nehme einen Platz weiter hinten. Wir treffen uns dann zufällig am Taxistand außerhalb des Flugplatzes Nizza. Verstanden?«

»Ja, ja!«

»Du mußt durch die Zollabfertigung gehen, durch die Schwingtür und dann …«

»Ich weiß, Boysie«, unterbrach sie ihn, »ich bin schon mal da gewesen.«

»Und wo bist du noch überall gewesen, Schätzchen?«

»Du würdest dich wundern.«

»Das glaub’ ich. Freust du dich denn?«

»Natürlich.«

»Du sagst das wie eine Braut, Liebling.«

»Bis später, Boysie.«

Sie hatte aufgelegt. Er lächelte und wählte dann die Whitehallnummer. Das Amtszeichen tönte am anderen Ende, dann meldete sich eine geschäftige Frauenstimme: »Mandrake-Klub!« Das war der Deckname für heute.

»Ich bin angemeldet. Nummer Zwei, bitte!« Lieber vorsichtig sein, für den Fall, daß Mostyn der Abwechslung halber doch schon mal früher erschienen war.

»Möchten Sie Nummer Zwei persönlich sprechen?«

»Ja.«

»Er ist noch nicht da.«

»Okay, dann geben Sie mir zwo fünf.«

»Gut. Einen Augenblick, bitte.« Er hörte es klicken und dann eine Männerstimme: »Zwo fünf, Hausmeister.«

»Hier ist ›L‹«, sagte Boysie.

»Ja, was gibt’s?«

»Ich hab’ dienstfrei und möchte mal wieder die Sonne ohne Wolken sehen …«

»Augenblick … Ja, in Ordnung, ich habe nur den Dienstplan nachkontrolliert.«

»Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich bis Dienstag morgen außer Landes bin. Im Notfall bin ich über Hotel Miramont, Menton, Seealpen, erreichbar. Unter meinem Namen.«

»Verstanden. Danke, ›L‹. Benehmen Sie sich!«

»Sie auch.« Im stillen schickte Boysie ihn zum Teufel.

Er legte den Hörer auf und grinste vor sich hin. In der Nähe von Whitehall, in einem grauen Gebäude, saß ein junger Mann in Hemdsärmeln vor einer ganzen Batterie von farbigen Telefonen und notierte auf seinem Dienstblock: »10.38 Uhr. Persönlicher Anruf von ›L‹. ›L‹ ist von heute vormittag bis Dienstag vormittag im Ausland. Anschrift: Hotel Miramont, Menton, Seealpen, Frankreich. Ist nicht im Einsatz. Unter seinem eigenen Namen zu erreichen. Notiz für Colonel Mostyn und weitergeben an den ablösenden Offizier vom Dienst.«

Er schob den Zettel über den Tisch zu der blonden Sekretärin, die an einem kleinen Schreibmaschinentischchen vor ihm saß. Sie lächelte gewinnend und spannte einen Bogen Papier in die Maschine. Der diensthabende Offizier des Geheimdienstes starrte vor sich hin und spielte noch einmal mit dem Gedanken, die Honigblonde zu überreden, den Sonntag mit ihm in seiner Wohnung in Knightsbridge zu verbringen – eine vergebliche Hoffnung. Er wußte nur zu gut, daß es verboten war, mit dem Personal anzubändeln.

Es war nicht zu übersehen, daß Boysie vor Angst zitterte. Das Fliegen war für ihn eine Qual. Er konnte sich dagegen wehren, wie er wollte: unmittelbar vor dem Start überfiel ihn immer wieder diese scheußliche Angst. Das Stechen im Magen, das er schon in seiner Wohnung gefühlt hatte, war nur der Vorbote der panischen Furcht gewesen, die jetzt langsam in ihm hochkroch. Der Sicherheitsgurt lag fest um ihn, und er schloß die Augen. Sofort stand das schreckliche Bild vor ihm. Das leicht vibrierende Düsenflugzeug auf dem Rollfeld. Die Bremsen werden gelöst, die Räder rollen über die Startbahn, der steile Aufstieg beginnt. Dann, in etwa 300 Fuß Höhe, der unheimliche Schauder: Motorausfall oder irgendein anderer Defekt.

Totenstille, als die Maschine sich senkrecht zum Himmel aufbäumt und dann pfeifend hinunterschießt. – Er hörte sogar die Schreie der Fluggäste, als er hinter festgeschlossenen Lidern den Feuerball und die verbogenen Metallteile beobachtete, die auf ihn zuwirbelten. Mit prophetischer Klarheit standen die Schlagzeilen der Abendzeitungen vor seinem inneren Auge: KATASTROPHE AUF DEM LONDONER FLUGHAFEN! Daneben die Fotos der Trümmer – das abgerissene Höhenruder, ein Feuerwehrmann, vom Rauch halb eingehüllt, und dann weiter unten in Spalte sieben sein Name auf dem fettgedruckten Verzeichnis der Opfer …

Als sich das Flugzeug der Wendemarke am Ende der Startbahn näherte, fiel ein Sonnenstrahl durch das Lukenfenster neben ihm, und sekundenlang spiegelte das Licht die linke Augenbraue in den Gläsern seiner Sonnenbrille wider. Winzige Schweißtropfen sah er in diesem buschigen Gestrüpp hängen. Er fuhr mit der Hand über die Stirn und blinzelte erschrocken, als er merkte, daß durch die plötzliche Bewegung der Schweiß unter seinen Armen in kleinen Bächen an seinem Brustkorb hinunterzurieseln begann. Die Hände waren unnatürlich heiß, und sein Magen verkrampfte sich.

Er wagte nicht umherzuschauen. Ein flüchtiger Blick, als sie vom Flugsteig auf das Rollfeld gefahren wurden, hatte genügt. Die Mitreisenden schien dieser gewaltige Satz in die ungewohnte Region der Luft und Wolken kaltzulassen. Sie sahen ganz ruhig und entspannt aus, sie schwatzten sogar. Das war es ja, was ihn so bekümmerte – das furchtbare Gefühl des Alleinseins, das noch verstärkt wurde durch das Bewußtsein, der einzige angstgepeitschte Mensch unter diesen gefühllosen Lebewesen zu sein. Er ärgerte sich über diese Schwäche, weil sie so sehr seinem Charakter widersprach.

Er versuchte sich einzureden, daß seine Angst unsinnig war. Die Statistik bewies doch, daß die Möglichkeit, mit einem Verkehrsflugzeug umzukommen, unendlich gering war, ja noch geringer als die Möglichkeit, beim Überqueren des Piccadilly Circus umzukommen.

Immer wenn er flog, war es für ihn dieselbe Hölle; und jedesmal schwor er sich, nie wieder zu fliegen. Aber in seinem Beruf ging es um Minuten, und die Kunden warteten nicht auf ihn. Er fragte sich, ob Iris von alldem wußte. Gott sei Dank saß sie nicht neben oder hinter ihm. Was würde sie wohl denken, wenn sie erfuhr, daß Boysie Oakes – Henker im Sicherheitsdienst – schon bei dem Gedanken an das Fliegen vor Angst zitterte.

Als er nach vorn blickte, sah er ihre Hand auf der Armstütze, fünf Reihen von ihm entfernt. Ihr Zeigefinger strich ständig über den Rand des Aschenbechers, als ob sie das Metall zu glätten versuchte. Vielleicht war das bei ihr das äußere Zeichen einer mühsam unterdrückten Erregung. Vielleicht hatte sie genauso große Angst wie er. Aber das würde er nie erfahren. »Guten Morgen, meine Damen und Herren, Kapitän Andrews und seine Mannschaft heißen Sie an Bord dieser Comet der BEA willkommen. In ein paar Minuten werden wir nach Nizza abfliegen. Wir werden bei einer Höhe von …« Die Stewardeß plapperte die Begrüßungsworte mechanisch auf englisch und französisch herunter. Boysie wurde blaß, als die übliche Aufforderung an die Fluggäste gerichtet wurde, die Sicherheitsvorschriften zu lesen, gefolgt von dem beruhigenden Satz, das wäre eine reine Routineangelegenheit.

In der Kanzel erledigte man die letzten Handgriffe, während sich das Flugzeug der Startbahn näherte – »… Seitensteuerbegrenzung weg, Leuchtschrift an, Wechselstromgleichrichter an, Treibstoffhähne überprüfen, Funkkontrolle …« Von der Platzkontrolle freigegeben, rollte die Maschine mit einer scharfen Drehung auf die Startbahn zu. Der Kapitän drehte das Bugradsteuer. Die Maschine war startbereit.

»Alles in Ordnung, versuchen wir’s!« Kapitän Andrews blickte auf die Instrumente. »Volle Kraft, bitte.« Der Bordmechaniker beugte sich zwischen den Pilotensesseln nach vorn, legte seine Hand auf die Gashebel und hielt sie fest, während der Kapitän die Triebwerke auf volle Stärke brachte.

»Volle Kraft.«

»Wir rollen.«

Die Drehzahlmesser zeigten unverändert 8000, als sie hinausrollten. Die Geschwindigkeit nahm zu, das Bugrad blieb in der Mitte der Startbahn; der Horizont war noch unverändert; die Zeiger der Luftgeschwindigkeitsmesser bewegten sich vor einer halbkreisförmigen Skala. Der Kopilot brüllte durch den Lärm:

»Luftgeschwindigkeit auf beiden Seiten … einhundert Knoten … V – 1 … ziehen!« Andrews betätigte das Höhenruder. Der Bug hob sich, und der Boden blieb unter ihnen zurück.

Der Kapitän brachte die Düsenmaschine mit voller Kraft zum Aufstieg, und in Sekundenschnelle erreichten sie eine Höhe von 500 Metern. Das ohrenbetäubende Heulen der Düsen, das die Nerven der umliegenden Bewohner des Flugplatzes immer strapazierte, nahm schnell ab.

Boysie, der noch ganz starr dasaß, wurde es übel. Er griff nach der kleinen braunen Tüte, die vom Netz des Vordersitzes herabhing, und übergab sich geräuschvoll. Sein Nachbar musterte ihn unangenehm berührt und wandte sich ab … Später, als das »Bitte nicht rauchen und Sicherheitsgurte anlegen« verschwunden war, sammelte die Stewardeß die Tüten ein und servierte dafür einen doppelten Courvoisier, um die empfindlichen Mägen zu beruhigen.

»Gestern abend muß mir was nicht bekommen sein«, schwindelte Boysie, »seit ich auf bin, fühl’ ich mich schon nicht wohl.« Sein Nachbar tauschte einen vielsagenden Blick mit der Stewardeß. Boysie drückte auf einen runden Knopf unter seiner Armlehne und brachte den Sessel in eine fast waagrechte Lage. Er schloß die Augen und versuchte die summende Leere aus seinem Kopf zu vertreiben.

Wie immer in Augenblicken äußerster Spannung oder großer Belastung, begannen seine Lippen sich zu bewegen. Er dachte an Mostyn, den er für alle Schrecken verantwortlich machte, und er wünschte ihm die Pest an den Hals.

Allmählich, als wären die unhörbaren Beleidigungen ein Beruhigungsmittel gewesen, entspannte er sich. Am Ende all dieser Ängste stand ja Iris – die hübsche, geschmeidige, kräftige, rothaarige Iris.

Mit dem Sturmfeuerzeug, das seine Initialen B.O. trug, zündete er sich eine Zigarette an und betrachtete die schlanke Stewardeß, als sie sich zu einem Passagier hinunterbeugte. Hätte Boysie geahnt, welche Verwirrung sein so sorgfältig geplanter Rivieratrip stiftete, auf die Knie wäre er gefallen und hätte inständig um Rückkehr gefleht.

 

In einer rosa und weiß getünchten Villa, hoch oben auf einer Felsenterrasse, an der Stelle, wo die Straße zwischen Nizza und Monaco sich in einem sanften Bogen nach Beaulieu-sur-Mer hinunterschlingt, legte ein Mann namens Sheriek den Telefonhörer auf die Gabel.

»Unsere Leute in London arbeiten wirklich ausgezeichnet, Liebling«, sagte er zu einem Mädchen, das gerade dabei war, seine Fußnägel zu lackieren. »Er ist auf dem Weg hierher. Leider hat er noch eine Frau im Schlepptau, aber ich glaub’ nicht, daß die uns viel Mühe machen wird. Man hat mir auch mitgeteilt, daß der Koordinator für dieses Unternehmen – irgendein großes Tier – gleichfalls auf dem Weg hierher ist. Jetzt müssen wir uns ein bißchen bewegen, mein Schatz. Wir müssen Initiative entwickeln, ehe man uns dazu auffordert.«

 

Auf dem Londoner Flughafen wählte ein junger Mann in einem groben Leinenanzug die Whitehallnummer und verlangte Nummer Zwei.

2 London

Samstag, den 8. Juni 1963

Mostyn

Etwa fünf Minuten nachdem die Comet über das Londoner Stadtgebiet mit heulenden Motoren hinweggeflogen war, bezeichnete James George Mostyn in voller Lautstärke Boysie Oakes als einen Bastard. Nicht ganz zufrieden mit seinem Urteil setzte er noch hinzu, daß Iris MacIntosh eine Hure sei.

Das Telefon klingelte, als Mostyn die Tür seines Arbeitszimmers öffnete. Ungeduldig rief er nach Iris, bis ihm einfiel, daß sie ja ihr freies Wochenende hatte. Das Telefon klingelte so hartnäckig, daß Mostyn, ohne seinen Hut abzulegen, zum Schreibtisch eilte, sich auf eine Ecke setzte und den Hörer abnahm. Er schob mit dem Griff seines schwarzen Regenschirms den Hut in den Nacken und knurrte »Mostyn!« in den Hörer.

»Fliege«, brummte eine Stimme am anderen Ende.

»Was?« fragte Mostyn irritiert. Schließlich gab es über 200 solch kurzer Schlüsselwörter, die er als stellvertretender Chef im Gedächtnis haben mußte. Ein nicht gerade einfaches Kunststück, wenn man bedachte, daß diese Schlüsselnamen ständig wechselten. Diese Chiffre war verhältnismäßig einfach zu enträtseln, obwohl Mostyns Denkvermögen an diesem Vormittag durch einen Kater stark beeinträchtigt war. Die Party in der Botschaft am vergangenen Abend hatte sich schließlich zu einer intimen Angelegenheit entwickelt. Sie endete mit einem etwas ausschweifenden Abenteuer. Die geschiedene Frau eines ehemaligen konservativen Parlamentsmitgliedes hatte dabei eine entscheidende und auch irgendwie erschöpfende Rolle gespielt. »Fliege«, wiederholte Mostyn mit spöttisch gedehnter Stimme. »Hallo, ihr Hohlköpfe.«

Martin, der Mann vom Flughafen, blickte aus der Telefonzelle über das weite Rollfeld und stöhnte. Mostyns kleine Späßchen waren schon Legende, und diesen Kosenamen hatte er schon vor zwei Jahren gehört, als er noch im Ausbildungslager war. Mostyn machte es sich auf seiner Tischkante etwas bequemer – ein gedrungener, breitschultriger Mann von 51 Jahren mit den verschmitzten braunen Augen einer Wasserratte. Er begann seinen Regenschirm hin und her zu schwenken, indem er ihn mit Daumen und Zeigefinger so lenkte, daß er die Spitze seiner derben braunen Schuhe knapp verfehlte.

»Und was kann ich für Sie tun, Fliege?« Wie immer klang seine Stimme gelangweilt, und Martin fragte sich, ob sich seine Nachricht überhaupt lohnte.

»Na ja, wahrscheinlich ist es nichts Besonderes; aber ich dachte mir, daß Sie vielleicht doch besser wüßten, daß …«

»Sie können nie gewissenhaft genug sein, Fliege.«

»… daß einer von Ihren hellen Leuten soeben das Land verlassen hat.«

»Und wer soll das sein?« Mostyn wußte, daß drei Agenten übers Wochenende außer Landes zu tun hatten, und er vermutete, daß die zentrale Kontrollstelle es versäumt hatte, Fliege darüber zu informieren.

»Es ist ›L‹.«

Es war, als ob eine Injektionsspritze, ausgelöst durch einen verborgenen Mechanismus, Mostyn genau ins Hinterteil getroffen hätte. Sein Körper wurde mit einemmal steif, das herablassende Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, und seine Schultern sackten zusammen. Als er wieder sprach, hatte seine Stimme den schmeichelnden Ton verloren.

»Wer?«

»›L‹.«

»Wann?«

»Eben in diesem Augenblick.«

»Wohin?«

»Nach Nizza, mit einer BEA-Maschine.«

»Moment mal.«

Hut und Schirm flogen auf den Boden, und Mostyn war schon auf der anderen Seite des Schreibtisches, bevor Martin Zeit gehabt hatte, seinen Satz zu beenden. Mostyn riß den Schlüsselbund aus der Tasche und wollte gerade seine Privatschublade aufschließen, als sein Blick auf die Notiz fiel, die der diensthabende Offizier genau in die Mitte der ledereingefaßten Schreibunterlage gelegt hatte. Er überflog die Nachricht und atmete langsam auf. »… außer Landes … bis Dienstag morgen … Hotel Miramont … nicht im Einsatz.« Natürlich. Jetzt fiel es ihm wieder ein. Boysie hatte ja dienstfrei.

»Alles okay, Fliege«, seine Stimme klang wieder ganz normal, »er hat Urlaub.«

Trotzdem hatte ihm die Nachricht einen ziemlichen Schock versetzt. Mostyn war immer argwöhnisch, wenn Boysie irgend etwas Unerwartetes tat. Irgend etwas stimmte da nicht, wenn Boysie so still und heimlich verreiste. Verdammt, der Bursche war erst gestern nachmittag hier im Büro gewesen und hatte nichts davon erwähnt. Warum diese plötzliche Flugreise?

»Da ist noch eine andere kleine Sache.«

»Ja?« Mostyn war jetzt auf der Hut.

»Na ja, vermutlich hat es auch nichts auf sich. – Ich hab’ noch einen von den Passagieren erkannt.«

»Ja?«

»Eh … Ihre Sekretärin Iris … wie heißt sie doch gleich?«

»MacIntosh. Iris MacIntosh!« Mostyns Stimme überschlug sich fast, und sein sonst so blasses Gesicht färbte sich dunkelrot. »Iris im selben Flugzeug wie ›L‹?«

»Ja, aber sie gingen nicht zusammen.«

»Ha«, stieß Mostyn voller Hohn hervor.

»Ja, ich beobachtete sie in der Wartehalle des Flughafens Beide ignorierten einander.«

»Das beweist es ja gerade!«

»Es sah so aus, als hätten sie sich noch nie in ihrem Leben gesehen.«

Mostyn stieß ein ordinäres Wort hervor.

Kaum hatte er den Hörer aufgelegt, da machte er einige sehr lautstarke Bemerkungen über Boysies Herkunft und Iris’ Moral. Er brüllte so heftig, daß das dicke Mädchen mit dem schlechtsitzenden Büstenhalter, das dem stellvertretenden Chef offenbar immer dann von der Agentur geschickt wurde, wenn Iris Urlaub hatte, den Kopf durch die Tür steckte.

»Sie haben gerufen, Colonel Mostyn?«

»Verdammt noch mal, nein, ich habe nicht gerufen«, schrie er, »aber da Sie nun schon mal hier sind, gehen Sie gleich zum Personalbüro runter und holen mir die Personalakte von Iris MacIntosh – hier!« Er schrieb den Namen auf und warf ihr den Zettel zu.

Nachdem die Sekretärin aus dem Zimmer gestürzt war, setzte er sich hin, stützte den Kopf in die Hände und überdachte noch einmal die Situation. Was, zum Teufel, war bloß in die beiden gefahren? Beide kannten doch die Vorschriften. In diesem Fall war es bestimmt nicht nur ein kleines neckisches Abenteuer von Boysie. Unmißverständlich hieß es doch in den Bestimmungen:

»Zivilpersonal des Geheimdienstes, das unter Stufe 1 der Dienstliste fällt, ist es verboten (laut Abschnitt B, Paragraph 1 der Geheimdienstordnung), mit aktiven Mitgliedern des Geheimdienstes in Verbindung zu stehen, mit ihnen zu verkehren, öffentliche oder private Veranstaltungen zu besuchen oder sich mit ihnen zu treffen, es sei denn, sie sind dienstlich dazu bevollmächtigt und tun es auf Anordnung ihres direkten Vorgesetzten. Verletzung dieser Vorschrift ist zugleich ein Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht und öffentliche Sicherheit (siehe Abschnitt A, Paragraph 4, S.S.S.O.) und wird bei Zivilangestellten mit sofortiger Entlassung und Gefängnis bis zu zehn Jahren bestraft. Aktive Mitglieder werden vor ein geheimes Kriegsgericht gestellt.«

Man konnte es auch in einem Satz ausdrücken, den Mostyn seinen Untergebenen einschärfte: »Spione dürfen unter keinen Umständen, aber auch gar keinen Umständen die Büromiezen nach Dienstschluß treffen.«

Das war ganz verständlich. Alle Agenten, ob im Einsatz oder nicht, würden sonst zu sehr in Versuchung geraten, anzubändeln. Manche kannten nur fünf oder sechs ihrer Kollegen von den Hunderten, die für die Organisation arbeiteten. Auf der anderen Seite wiederum hatte ein großer Teil des Zivilpersonals eine viel umfassendere Übersicht über die Stärke, den Umfang, die Organisation und die Aufgaben. Das Verbot jeglichen Umgangs miteinander diente nicht nur der Moral, sondern auch der inneren Sicherheit in diesem komplizierten Aufbau.

Aber wie, zum Teufel, hatte das Ganze bloß anfangen können? Boysie trieb sich doch eigentlich gar nicht in den Büros herum. Mostyn wollte eben einen Fluch ausstoßen, als ihm die Erinnerung kam. Natürlich, damals in der Schreckensnacht, vor sechs Monaten! Weil er keinen Boten gehabt hatte, hatte er sie mit dem verschlüsselten und versiegelten Auftrag zu Boysies Wohnung am Chesham Place schicken müssen. Verdammt!

Er griff zum Telefonhörer: »Ich möchte zum Festland rübertelefonieren. Geben Sie mir …« Er stockte und blickte auf den Notizzettel. »Geben Sie mir Hotel Miramont in Menton an der Côte d’Azur. Den Empfang, bitte.« Und dann setzte er noch hinzu: »Sagen Sie, ein Mr. Bellchambres brauchte eine Auskunft.«