Der Mann im Baum - Joachim Schmidt - E-Book

Der Mann im Baum E-Book

Joachim Schmidt

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Beschreibung

Gibt es einen Himmel, wo sich die braven Menschen nach dem Tod hinbegeben können? Oder Gibt es eine Hölle und ein Fegefeuer, wo sich böse Menschen aufhalten müssen? Oder Gibt es etwas ganz Anderes, etwas viel Umfassenderes, als das, was wir uns jemals vorgestellt haben? Wer weiß schon wirklich was es gibt?

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Joachim Schmidt

Der Mann im Baum

Es war rein zufällig. Die Sonne stand mir im Rücken und ich fotografierte einen Baum. Dabei hatte ich nicht bemerkt, wie mein Schatten auf den Stamm des Baumes fiel.

Dann wurde mir klar, dass ich ihn nur auf diese Weise sichtbar machen konnte.

Die folgenden Zeilen sind für all diejenigen gedacht, die gerne anders träumen.

Joachim Schmidt

Der Mann im Baum

Nichts ist unmöglich

© 2015 Joachim Schmidt

Umschlaggestaltung,: Joachim Schmidt

Lektorin: Christina Biber-Hörger

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN:978-3-7323-3398-1(Paperback)

978-3-7323-3399-8(Hardcover)

978-3-7323-3400-1(e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Vorwort

Gibt es einen Himmel, wo sich die braven Menschen nach dem Tod hinbegeben können? Oder

Gibt es eine Hölle und ein Fegefeuer, wo sich böse Menschen aufhalten müssen? Oder

Gibt es etwas ganz Anderes, etwas viel Umfassenderes, als das, was wir uns jemals vorgestellt haben?

Wer weiß schon wirklich was es gibt?

Joachim Schmidt

ist Autor mehrerer Bücher,

ein Grenzgänger

zwischen Diesseits und Jenseits.

Bisher erschienen:

-Hinter den Tapeten

-Das Geheimnis des Ringinger Erdstalls

-Leonard in der Wo-Anderswelt

-Leonard und Anika in der Wo-Anderswelt

(Fortsetz. v. Leonard i. d. W.)

-Der Rabe und die vier Außenseiter

-Der Kelch

-Tomavic und die Zufälle (Fortsetz. v. Der Kelch)

-Das Schicksalsrad

-Die Gezeitenfrau

-Peter, Patrizia und das Ulmer Münster

Der Mann im Baum

„Er muss mit ungeheurer Geschwindigkeit in die Kurve gerast sein. Unmöglich, sie ohne abzubremsen zu packen.“

„Wahrscheinlich war er besoffen.“

„Ich weiß nicht, man kann nichts riechen, was aber nichts heißen will.“

„Vielleicht stand er unter Drogen?“

„Na ja, diese Fragen sollen unsere Mediziner beantworten. Müssen bald hier sein. Ein Glück im Unglück, dass der Wagen kein Feuer gefangen hat, so wie der aussieht, wie eine Ziehharmonika. Sobald alles aufgenommen wurde und der Leichnam abtransportiert ist, kann der Abschleppwagen anrücken, kümmern Sie sich drum.“

„Selbstverständlich, Chef.“

„Herr Kommissar, Herr Kommissar!“

„Was gibt’s denn? Wer sind Sie überhaupt? Wollen Sie eine Aussage machen? Haben Sie etwas gesehen?“

„Ja, ich war auf dem Heimweg, als dieser Verrückte an mir vorbeiraste. Der hatte mindestens 200 Sachen drauf. Das muss ein Selbstmörder gewesen sein.“

„Bitte keine voreiligen Schlüsse, vielleicht hatte das Auto einen technischen Defekt.

„Das glaube ich nicht, der Typ war verrückt.“

„Bitte hinterlassen Sie dort bei meinem Kollegen im Auto Ihre Personalien. Wir werden Sie bestimmt noch genauer befragen müssen.“

„Klar hatte hier die Psyche des Fahrers vermutlich den größten Anteil am Unfall, der muss tatsächlich total von der Rolle gewesen sein. Ob ihm bewusst war, was er da machte?“,fragte der Kommissar seinen Assistenten.

„So eine Situation kann auch von einem Herzinfarkt ausgelöst worden sein.“

„Oder er besaß aus irgendeinem Grund den Tunnelblick, dann war er von der Umwelt völlig abgeschottet.“

„Kann alles Mögliche gewesen sein. Ich glaube, wir brauchen nicht weiter zu rätseln. Es genügt, schauen Sie nach seinen Personalien, damit wir die Hinterbliebenen benachrichtigen können und suchen Sie nach seinem letzten Aufenthaltsort. Erkundigen Sie sich dort, ob man Auffälligkeiten bei ihm beobachtet hat. Sie kennen ja den Ablauf.“

„Bis später.“

„Ok, dann bis später auf dem Revier, Chef.“

*

Es war kein so schönes Fest gewesen. Manfred hatte es auf seinem Grundstück abgehalten, auf dem die Natur nur so überquoll vor Pflanzen, Sträuchern und Bäumen. Ein kleiner Urwald im Verborgenen. Siebzig Jahre, so alt wie er und noch viel älter, zählten durchschnittlich die Jahresringe der Kiefern, aber auch alte, knorrige Eichen und breitgeästete Linden gehörten zum Baumbestand. Jedes Gehölz ein Individuum von besonderem Aussehen. Sie wurden so gut wie nie gestutzt.

„Kommt, wir machen die Bilder vor den Bäumen! Schaut doch nur, dieser Stamm mit seiner robusten Rinde als Hintergrund, wäre das nicht herrlich dekorativ?“

Etwas zögerlich standen die Gäste auf und schauten sich dabei schmunzelnd an.

„Er ist mal wieder in seinem Element, um nicht zu sagen, wieder einmal ein bisschen verrückt“, flüsterte ein Gast.

„Macht euch nicht lustig über meine Freunde. Diese Bäume sind Lebewesen wie ihr. Sie wachsen, blühen, tragen Früchte, ernähren vielerlei Tiere, spenden uns Menschen ihr Holz, damit wir im Winter nicht frieren. Aber warum sage ich euch das? Worte nützen sowieso nichts, ihr müsst das selbst spüren.“

„Wie sollen wir das spüren, Alter, bist heute schon ganz schön verpeilt. Hast wahrscheinlich zu tief ins Glas geschaut, was? “, bekam er als Antwort und viele lachten jetzt beifällig immer noch lauter.

„Ihr habt keine Ahnung, kommt jetzt endlich hierher und gruppiert euch um den Baum. Ihr seid nur einmal so jung wie heute und wer weiß?“

„Sollen wir einen Kreis um den Stamm bilden und Ringelreihen spielen?“, lachte ihn sein bester Freund an und fühlte sich dabei besonders witzig, als genau in diesem Augenblick etwas auf seinen Kopf fiel. Direkt auf seinen etwas zu breit geratenen Scheitel.

„Ha, ha, schaut nur, die Vogelkacke auf seiner Stirn!“ Manfred, der von den meisten nur Manne genannt wurde, dachte: Jetzt habe ich die Lacher bestimmt auf meiner Seite. „Der Bewohner des Baumes hat sich auf seine Weise revanchiert.“

„Der Baum soll sich revanchiert haben? Wie meinst du das? Spinnst du denn jetzt total, das war doch ein Vogel.“

„Natürlich war das ein Vogel, ein Ast hätte größere Auswirkungen gehabt, das kannst du mir glauben! Aber der Baum hatte Mitleid mit dir und wollte dir nur ein Lektion erteilen, wollte dir mitteilen, dass er alles versteht und hat den Vogel damit beauftragt.“ Kai schaute Manfred zunächst ganz verdutzt an, dann sprach er zu den anderen Anwesenden in einem warnenden Unterton:

„Habt ihr so etwas schon mal gehört? Heute scheint unser Manne total von der Rolle zu sein, ein Baum korrespondiert mit einem Vogel, wow! Dein Geburtstag scheint irgendetwas mit dir zu machen, hast du Fieber? Oder bist du jetzt in dem Alter, wo…? Wir wissen ja, dass du schon immer etwas merkwürdige Ansichten hattest, aber ein Baum soll…“, er fing wieder an zu lachen.

„Schon gut, schon gut, du verstehst meine Späßchen auch nicht mehr. Kommt jetzt bitte alle her, bevor sich die Wolken vor die Sonne schieben.“ Manne, jetzt leicht genervt, brachte die Kamera in Position.

Der Selbstauslöser der Kamera klickte, Glücklicherweise konnte man später auf dem Bild nicht sehen, wie sich eine kleine Spinne freundschaftlich auf Mannes Schulter abgeseilt hatte.

*

Alles um ihn herum war dunkel. Er hörte nur ein starkes Rauschen, wie das eines wilden Gebirgsbaches. Wo befand er sich? In den Bergen? Oder war alles nur ein Traum? Ihn schauderte leicht. Irgendetwas befand sich in seiner Nähe. Etwas, was er nicht sah und nicht hörte, aber spürte.

„Wer bist du?“, wollte er gerade fragen, als sich auch schon eine Antwort in ihm breit machte.

„Sei willkommen, auch wenn ich dich nicht eingeladen habe, aber ich kenne dich und weiß, wie du zu uns stehst. Hättest das alles auch anders haben können, nicht so brutal und gewalttätig gegen dich und mich gerichtet.“

„Gewalttätig? Was meinst du damit und wer bist du überhaupt?“

„Du kennst mich nur aus deinen Träumen und kannst mich jetzt zum ersten Mal real wahrnehmen. Hast aber schon immer tief in deinem Unterbewusstsein gewusst, dass ich existiere.“

„Was meinst du damit? Ich sehe dich nicht, willst du dich mir nicht zeigen?“

„Das Ganze ist etwas kompliziert und ich hoffe, dein Geist gerät nicht außer Kontrolle, wenn du gleich mehr erfährst. Wie weit reicht deine Erinnerung zurück?“

„Meine Erinnerung? Ja, ich weiß nicht, bin ich nicht mit dem Auto unterwegs gewesen?“

„Ja, du warst mit dem Auto unterwegs und dein Körper stand unter Hochspannung. Du wolltest, dass es passiert.“

„Was passiert?“

„Du hattest einen Unfall und bist auf meinen Körper geprallt.“

„Auf deinen Körper?“

„Ja, du bist auf mich, äh ich meine, auf diesen Baum in der Kurve gefahren, weil du zu schnell unterwegs warst und den Unfall unbewusst provoziertest.“

„Oh, ich glaube jetzt dämmert es. Und wo befinde ich mich nun? Im Himmel, oder weil es so dunkel ist und ich niemanden sehe, in der Hölle?“

„Nein, nein, du bist nicht im Himmel und auch nicht in der Hölle, du befindest dich auf der Erde, aber genau genommen befindest du dich mit mir zusammen in meinem Baum-Leib.“

„In deinem Baum-Leib?“, also doch nur ein Traum? Ich hab schon geglaubt, ich sei vielleicht tot und in der Hölle gelandet.“

„In der Hölle ganz bestimmt nicht. Komm, steh auf und streck dich nach oben, dann wirst du mehr erkennen.“

*

„Und Sie behaupten also, dass der Unfallverursacher mit Absicht auf diesen Baum gefahren ist? Was veranlasst Sie, das zu denken?“

„Es ist mehr ein Gefühl. Ich habe ihn schon aus der Ferne beobachtet, wie er die Kurven nahm. Alle hat er geschnitten, nur in diese letzte Kurve ließ er sich regelrecht hineintreiben. Wissen Sie, ich fahre auch Auto und weiß, von was ich rede. Diese Kurve wollte er nicht meistern.“

„Das klingt mir nicht überzeugend genug. Haben Sie sonst noch etwas bemerkt, was vielleicht von Wichtigkeit für uns sein könnte?“

„Eigentlich nicht, bis auf…“

„Bis auf was?“

„Ja, ich weiß ja nicht, das klingt wahrscheinlich zu verrückt. Ich sah kurz vor dem Aufprall des Autos am Baum ein helles Licht und in diesem Licht eine Gestalt, wie ein Schatten, dann war alles vorbei. Das Kühlwasser verpuffte und ich legte mich sofort auf den Boden, weil ich dachte, dass dieses Fahrzeug jeden Augenblick explodieren könnte.“

„Gut“, meinte der Kommissar, „wenn Sie sonst nichts mehr wahrgenommen haben, können Sie wieder gehen. Vielleicht sehen wir uns noch einmal. Oft fällt einem Beobachter Tage später noch etwas ein, das ihm zunächst nicht so wichtig erschien.“

„Ich glaube, das war alles, es ging ja so schnell.“ Die Zeugin verließ das Büro und als der Assistent eintrat, meinte sein Chef nur:

„Diese Aussage hat keine wirkliche Beweiskraft, sie will sich meiner Meinung nach nur wichtig machen. Angeblich sah sie eine helle Erscheinung oder so was. Das kann natürlich auch die Elektrik im Auto verursacht haben und hilft uns nicht wirklich weiter.“

„Die Obduktion der Leiche brachte auch nichts zu Tage. Kein krankes Herz oder Ähnliches, nur dort, wo er zuletzt war und seinen Geburtstag mit Freunden verbracht hatte, fiel er auf.“

„Durch was?“

„Er wollte, dass ein Bild von allen Anwesenden unter einem seiner besonderen Bäume gemacht wurde und dabei gab es etwas Ärger.“

„Er musste schon ziemlich viel Ärger mit sich herumgeschleppt haben, wenn er so aggressiv Gas geben musste. War er betrunken oder angetrunken?“

„Es konnte fast nichts festgestellt werden. Vielleicht Spuren von Alkohol, die höchstens von einem Viertel Wein stammen konnten, nicht mehr. Er hatte ja schließlich Geburtstag, außerdem trank er auch sonst kaum Alkohol. Einen seltsamen Heiligen nannten ihn seine Freunde. Angeblich zeigte er eine große Vorliebe für die Natur. Er wanderte oft alleine und glaubte, er könne mit der Natur reden.“

„Gut, gut, das bringt uns alles nicht weiter.“

„Warten Sie, Kommissar, anscheinend hatte er eine Freundin, eine so richtig esoterisch angehauchte Atem-Therapeutin, mit der er sich öfter traf, die aber niemand seiner alten Freunde richtig kannte.“

„Kennen Sie ihre Adresse?“

„Nein, aber sie muss in der Stadt eine Praxis haben, das bekommen wir heraus.“

„Kümmern Sie sich darum, die kann uns vielleicht etwas mehr über seine psychische Verfassung sagen.“

„Wird gemacht.“

„Ach übrigens Melzer, kann es sein, dass…? Ich hatte heute Nacht einen Traum, in dem ich gestorben bin und mich danach aus meinem Körper befreit habe. Ach, was erzähle ich Ihnen da, ist ja alles verrückt! Solche Träume haben nicht wirklich etwas zu bedeuten.“

„Gut, dann geh ich jetzt. Mit Träumen kenne ich mich tatsächlich nicht so aus. Vielleicht weiß da diese Therapeutin mehr darüber. Soll ich sie fragen, wenn ich sie antreffe?“

„Nein, warten Sie, vielleicht ist es besser, wenn Sie mir ihre Adresse zukommen lassen, um den Rest kümmere ich mich dann selbst.“

„Alles klar, Chef.“ Mehr hineindeutend, als diese kurze Unterhaltung hergab, verließ Melzer lächelnd das Büro.

*

Während Manne sich aufrichtete, vernahm er immer noch diese glucksenden Geräusche.

„Das ist die Versorgung, mach dir darüber keine Gedanken, noch nicht. Du musst zuerst realisieren, was mit dir passiert ist.“

Manne fühlte sich länger und länger werden und plötzlich wurde es um ihn heller und heller.

„Was ist das? Ich sehe ja die ganze Umgebung! Diese Leute und ein kaputtes Auto. Ist das nicht mein Auto? Was ist passiert?“

„Ja, es war dein Wagen und ja, du kannst jetzt die ganze Umgebung auf einmal betrachten. Du bist jetzt ein Bestandteil dieses Baumes und gleichzeitig mein Partner. Ich helfe dir, hier anzukommen.“

„Wie meinst du das mit: Bestandteil dieses Baumes? Ich sehe keinen Baum.“

„Dann schau mal an dir herab, was siehst du?“

„Eine graue Rinde und wenn diese Äste zum Baum gehören, dann habe ich das Gefühl, dass sie auch zu mir gehören.“

„Da liegst du gar nicht so verkehrt. Du bzw. deine Seele ist während des Unfalles hier bei mir gelandet. Das ist eine Ausnahme, denn normalerweise gehst du nach deinem Ableben in eine andere Dimension ein. Eine Dimension, die eurer Seele entspricht, wo es alle Menschen nach ihrem irdischen Ableben hinzieht.“

„Und wer bist du? Wenn das alles stimmt, was du mir da erzählst. Ich möchte dich wenigstens sehen, aber ich sehe dich nicht.“

„Dann schaue nicht mehr nach außen, sondern mehr nach innen. Was siehst du jetzt?“

„Bist du ein Baumgeist?“

„Ja, so kannst du mich nennen. Wenn ich dir alles gezeigt habe, werde ich gehen.“

„Nein, nicht gehen, ich fühle mich jetzt schon allein.“

„Ja, da siehst du einmal, wie wir Bäume leben. Jeder für sich und trotzdem fühlen wir uns nicht allein, denn wir sind alle miteinander verbunden.“

„Verbunden? Über die Wurzeln?“

„Nein, nein, nicht über das Wurzelwerk, mehr sphärischer Natur.“

„Und was soll ich hier dann machen? Mir wird sicherlich langweilig auf die Dauer oder kann ich den Baum auch verlassen?“

„Freunde dich zuerst mit deiner neuen Umgebung gründlich an. Bis du so weit bist, werden nach eurer Zeit schon mehrere Wochen vergehen, und bis du dich dann endlich wie ein Geist des Baumes fühlst, vergeht noch eine längere Zeit. Nebenbei wirst du Verantwortung übernehmen müssen. Weißt du, dieser Baumkörper hat schon ein paar Jahresringe auf seinem Buckel, wie ihr dazu sagen würdet.“

„Verantwortung? Welcher Art? Ich, bzw. der Baum, stehen doch nur hier und tun nichts.“

„Ha, ha, tun nichts! Du wirst dich schon noch mit ihm richtig vertraut machen müssen, dann wirst du merken, wie er dich beschäftigt und was er benötigt.“

Manne dachte nach: „Aber warum sehe ich dich immer noch nicht?“

„Weil ich mit dir und mit dem Baumkörper eins bin. Auch du und ich sind praktisch eins. Unser Körper ist wie ein leichter Schleier. Er befindet sich überall im Baum. Wie die Seele eines Menschen in ihrem fleischlichen Körper, nur mit dem Unterschied, dass wir Baumgeister uns nicht mit unserem grobstofflichen, hölzernen Körper identifizieren.“

*

„Guten Tag Frau Gabriele.“

„Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?“

„Helfen, ja, vielleicht können Sie das wirklich. Sie kennen doch den Herrn Manfred Sievert?“

„Ja, warum? Was ist mit ihm?“

„Schauen Sie, hier ist meine Legitimation. Ich bin Kommissar Birnbaum und ich muss Ihnen eine traurige Nachricht überbringen. Herr Sievert hatte einen tragischen Autounfall. Er ist vor der Stadt, gleich hinter dem Waldgebiet, in einer Kurve auf einen Baum gefahren.“

„Mein Gott, Manne! Ist er verletzt?“

„Er ist leider dabei ums Leben gekommen. Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?“

„Warten Sie, das muss ich erst einmal verkraften. Dieser arme Kerl! Er hat sich von niemand verstanden gefühlt. Er hat immer behauptet, er könne die Bäume fühlen und mit ihnen reden. Wissen Sie, es gibt Menschen, die besitzen von Geburt an eine solche Sensibilität und haben dann natürlich in unserer verkopften Gesellschaft ihre Probleme damit. Und jetzt ist er auch noch auf einen Baum gefahren. Das ist schon grotesk.“

„Waren Sie eng befreundet?“

„Nicht so eng, wie Sie vielleicht denken, aber befreundet schon. Wir führten immer wieder gute Gespräche, gingen auch ab und zu aus. Ich glaube, er genoss es jedes Mal. Wahrscheinlich wollte er mehr, hat es aber nie ausgesprochen.“

„Wie kann man sich denn mit Bäumen unterhalten? Halten Sie das für möglich oder war das nur Einbildung? Bäume besitzen doch keine Stimme.“

„Im herkömmlichen Sinne natürlich nicht, aber offensichtlich ein Bewusstsein, das sich sensiblen Menschen öffnen kann.“

„Ist ja irre und Sie können das auch?“

„Manchmal, wenn ich ganz in mir versunken bin, dann höre ich auch ihre Stimmen.“

„Jetzt etwas ganz anderes, vielleicht können Sie mir privat etwas weiterhelfen.“

„Um was geht es? Wissen Sie, bei mir kommt bald der nächste Klient und ich muss noch etwas vorbereiten.“

„Na gut, wann haben Sie noch Termine frei? Dann möchte ich mich hiermit ganz offiziell für eine Stunde bei Ihnen anmelden. Am besten wäre es nach Dienstschluss so zwischen fünf und sechs.“

*

Der Baumkörper hatte durch den Aufprall starken Schaden genommen. Ein großes Stück Rinde war durch das Blech abgerissen worden und am Holz sah man einen tief eingedrückten Teil. Die Wurzeln aber konnten dem Druck standhalten. Sie waren fest im Boden verankert. Nur die Insekten, Würmer und Maulwürfe hatten kurz beim Aufprall zusammengezuckt.

Tage später lief ein kleines Mädchen, vielleicht acht Jahre alt, zum Baum und betrachtete die große, immer noch feucht-wunde Stelle.

„Du armer Baum, das muss ja weh getan haben!“

„Ja“, hörte sie, „ist aber nicht mehr schlimm, braucht nur etwas Zeit zum Verheilen.“ Das Mädchen nickte verständnisvoll.

„Würdest du mir einen Gefallen tun?“, fragte der Baum.

„Ja, natürlich“, antwortete das Mädchen.

*

„Ich soll Ihnen Grüße ausrichten, Frau Gabriele Heilmann.“

„Grüße? Ja von wem?“

„Von Manfred.“

Gabriele erbleichte: „Wie, Grüße? Wann hast du mit ihm geredet?“

„Vor einer Stunde.“

„Vor einer Stunde, mein Gott, das kann nicht sein, Herr Sievert ist doch vor ein paar Tagen bei einem Unfall ums Leben gekommen.“

„Nein, nein, er lebt! Ich habe doch mit ihm gesprochen und er hat mich zu Ihnen geschickt.“

„Wo hast du mit ihm gesprochen?“ fragte Gabriele und mit ihrer Neugier begann ihr Herz immer stärker zu klopfen.

„Na beim Baum, dort habe ich mit ihm geredet, ich glaube, entweder wohnt dort seine Seele oder er ist im Baum. Ich wollte jedenfalls mit dem Baum reden, weil ich Mitleid mit ihm hatte und er hat mir geantwortet.“

„Wieso bist du dir so sicher, dass er es war und nicht jemand anderer, der sich vielleicht hinter dem Baum versteckt hielt?“

Jetzt lachte Melanie: „Ich bin doch nicht blöde, da war niemand hinter dem Baum. Ich kann Stimmen unterscheiden, die aus dem Hals eines Menschen kommen und denjenigen, die ich in mir höre.“

„Gut, Melanie, ich danke dir. Wenn die Stimme noch einmal zu dir spricht, dann schau bitte trotzdem hinter den Baum und benachrichtige mich. Warte, du bekommst was von mir für deine Nachricht.“ Mit diesen Worten lief sie ins Nebenzimmer und holte eine Tüte Gummibärchen, die es ihr allemal wert schien, diesem netten Mädchen zu überreichen.

*

„Guten Tag, Herr Birnbaum.“

„Nennen Sie mich doch der Einfachheit halber Gerd. Birnbaum ist so ein merkwürdiger Name, dass ich mich meist geniere, wenn ich so genannt werde.”

„Also gut, Gerd, jetzt bin ich gespannt, warum Sie zu mir gekommen sind.“

„Man sagt, Sie seien eine esoterische Frau und…“

„Wenn ich Sie kurz unterbrechen darf, nicht esoterisch, ich interessiere mich mehr für spirituelle Begebenheiten, das ist nicht das Gleiche.“

„Oh, entschuldigen Sie, das wusste ich nicht. Wissen Sie, mir ist diese Thematik fremd, ich hoffe aber trotzdem, dass Sie mir Auskunft geben können. Es handelt sich um einen Traum.“

„Oh, wie interessant, Traumdeutung ist mein großes Hobby und ich führe selbst ein Traumtagebuch. Erzählen Sie einfach, dann sehen wir weiter, denn Träume deuten geht nur zusammen mit dem Träumer.“

„Es ist nicht das erste Mal, dass ich von meinem eigenen Tod träume, aber, dass ich selbst mitbekomme, wie ich meinen Körper verlassen habe, das macht mir ehrlich gesagt schon ein wenig Angst.“

„Können Sie sich an Ihr Gefühl erinnern, das Sie dabei empfunden haben? Oder an die Umstände, warum Sie zu Tode gekommen sind? Das gäbe ein wenig Aufschluss, warum sich dieser Traum bei Ihnen einstellte.“

„Träume sind also nicht zufällig?“

„Nein ganz und gar nicht, sie sind überaus vielschichtig. Sie können Vorahnungen aufzeigen, unbewusste Ängste mitteilen, Problemlösungen anbieten usw.“

„Das ist ja spannend. Also ich hatte ein sehr befreiendes, leichtes Gefühl.“

„Sehe ich das richtig, es war nicht mit Trauer verbunden? Dann handelt es sich bestimmt nicht um eine Nahtod-Mitteilung, sondern eher um eine Klärung des Themas Tod. Beschäftigte Sie dieses Thema in der letzten Zeit besonders?“