Der Mönch in High Heels - Kodo Nishimura - E-Book

Der Mönch in High Heels E-Book

Kodo Nishimura

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Beschreibung

Der weltbekannte LGBTQIA*-Mönch schreibt über die Kraft der Selbstliebe »Du trägst eine besondere Schönheit in dir, die nur du in die Welt bringen kannst.« Kodo Nishimura Kodo Nishimura ist ein buddhistischer Mönch aus einer langen Linie japanischer Mönche. Und er ist LGBTQIA*-Aktivist sowie international bekannter Makeup-Artist. Er verbringt sein Leben zwischen einem Kloster in Tokio und den Fashion-Shows dieser Welt. An einem Tag trägt er traditionelle Mönchsgewänder und am nächsten glitzernde High Heels. Er ist stolz auf seine buddhistischen Wurzeln, seine Sexualität und seine Leidenschaft für Mode und Make-Up. Doch das war nicht immer so. Nishimura versteckt sein wahres Selbst viele Jahre vor seinen Lehrer:innen und Freund:innen. Erst, als er mit Mitte 20 nach New York geht, wo die LGBTQIA*-Gemeinde größer und offener ist, legt er seine Maske ab und wird glücklich. Wieder zurück in Japan, beginnt er seine Mönchs-Ausbildung und inspiriert viele Menschen in den verschiedensten Medien. In seinem Ratgeber erklärt er, wie wir zu uns stehen können, ohne uns für unsere Sexualität, Meinung, Träume und Ängste schämen zu müssen. Dabei erzählt Nishimura, wie ihm der Buddhismus geholfen hat, seinen Weg zu finden. Er möchte den Menschen näherbringen, dass die Essenz der buddhistischen Lehren für Gleichberechtigung steht. Dank praktischer Alltagsübungen, Meditationen und inspirierenden Anekdoten zeigt Nishimura einen heilenden Weg voller Harmonie und Selbstliebe. Mit einem extra Vorwort für die deutsche Ausgabe.

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Seitenzahl: 258

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Kodo Nishimura

Der Mönch in High Heels

Du darfst sein, wer du bist

Aus dem Englischen von Judith Elze

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Der weltbekannte LGBTQ+-Mönch schreibt über die Kraft der Selbstliebe

 

»Du trägst eine besondere Schönheit in dir, die nur du in die Welt bringen kannst.« Kodo Nishimura

 

Kodo Nishimura ist ein buddhistischer Mönch aus einer langen Linie japanischer Mönche. Und er ist LGBTQ+-Aktivist sowie international bekannter Makeup-Artist. Er verbringt sein Leben zwischen einem Kloster in Tokio und den Fashion-Shows dieser Welt. An einem Tag trägt er traditionelle Mönchsgewänder und am nächsten glitzernde High Heels. Er ist stolz auf seine buddhistischen Wurzeln, seine Sexualität und seine Leidenschaft für Mode und Make-Up. Doch das war nicht immer so. Nishimura versteckt sein wahres Selbst viele Jahre vor seinen Lehrer:innen und Freund:innen. Erst, als er mit Mitte 20 nach New York geht, wo die LGBTQ+-Gemeinde größer und offener ist, legt er seine Maske ab und wird glücklich.

Wieder zurück in Japan, beginnt er seine Mönchs-Ausbildung und inspiriert viele Menschen in den verschiedensten Medien. In seinem Ratgeber erklärt er, wie wir zu uns stehen können, ohne uns für unsere Sexualität, Meinung, Träume und Ängste schämen zu müssen. Dabei erzählt Nishimura, wie ihm der Buddhismus geholfen hat, seinen Weg zu finden. Er möchte den Menschen näherbringen, dass die Essenz der buddhistischen Lehren für Gleichberechtigung steht. Dank praktischer Alltagsübungen, Meditationen und inspirierenden Anekdoten zeigt Nishimura einen heilenden Weg voller Harmonie und Selbstliebe. Mit einem extra Vorwort für die deutsche Ausgabe.

Inhaltsübersicht

Widmung

Meine Botschaft an die deutschen Leser*innen

Als meine Eltern in Deutschland lebten

Mein Lieblingsspielzeug aus Deutschland und Österreich: Eine Vogelmarionette aus Holz

Die Meerjungfrau-Barbie

Transformers

Deutsche Austauschstudent*innen bei uns zu Hause

Andrea

Johannes

Einleitung

1. Es ist an der Zeit, dir treu zu sein

Was ist ein buddhistischer Mönch?

Was Buddhismus für mich bedeutet

Was ist wichtig für dich?

»Alle anderen« gibt es eigentlich nicht

Hör nicht auf das, was andere sagen. Hör auf das, was dein Herz dir sagt

Befreie dich von der Vergangenheit

Unterscheide deine Gefühle von denen anderer

Warum empfindest du so und nicht anders?

Lerne, auf dich zu hören

Schädliche Gedanken abstellen

Finde Selbstakzeptanz

Sei ehrlich zu dir selbst

Verwandle deine Schwächen in Stärken

2. Finde deinen Weg

Wie hat die Reise deines Lebens angefangen?

Was mochtest du als Kind?

Jedes Leben kennt auch dunkle Tage

Schmerz gehört zur Reise dazu, ist aber nicht ihr Ziel

Such dir deine wahre Familie

Erwarte nicht, dass sich etwas ändert, wenn du nicht selber damit anfängst

Hinterfrage deine Überzeugungen

Hast du erst einmal den ersten kleinen Schritt getan, wird der Rest einfacher

Mach dich bereit und sag der Welt, wer du bist

Schenke dir selbst endlich Luft zum Atmen

Der Edle Achtfache Pfad

Veränderung benötigt Hingabe

Bleib deinem Weg treu

Finde einen »Mittelweg«

Feiern wir die Diversität

3. Wir sind alle gleich

Ich versteckte meine Sexualität und meine Privilegien

Lass deine Kritiksucht los

Gäbe es kein sexuelles Begehren, wären die Menschen inzwischen ausgestorben

Entdecke die Vier Edlen Wahrheiten

Leg deine Vorurteile ab

Es gibt kein »Normal«

Solange du dich nicht wirklich öffnest, kannst du auch andere Herzen nicht berühren

Riskiere etwas und spring ins kalte Wasser

Warum bin ich Mönch geworden?

Wie du dich befreien kannst

Bleib offen und flexibel!

Wozu die alte Medizin verwenden, wenn es neue Medikamente gibt?

Verschaff dir Respekt

Hinterfrage die Dinge, auch wenn sie einen Pfeiler in der Lehre darstellen

Meditiere über deine Emotionen und Gefühle

Gebet

Sei selbst der Wandel, den du dir wünschst in dieser Welt

Erkenne an, dass alles Leben ineinandergreift

4. Verliebe dich in deine eigene Schönheit

Lass dich vom Beispiel Guanyins inspirieren

Mach dir Gedanken über deinen Stil

Kopfrasur

Es geht nicht nur um dich, sondern auch um dein Umfeld

Eyeliner und Mascara können dein Leben verändern!

Entdecke die »Kunst, dich bereit zu machen«

Geh deinem Traum nach!

Stell dir deine eigenen Regeln auf

Die fünf Gebote für ein schönes Make-up

Arbeite an deiner Grundhaltung

Lass deine Schönheit einfach unvergesslich werden

Nichts hält ewig

Wie du ein »längeres« Leben führen kannst

Wenn ein Stern geboren wird, gibt es chemische Reaktionen und Störungen

Sei dir über Ablenkungen im Klaren

Es macht mir nichts aus, wenn du mich nicht magst

Sei neugierig und unvoreingenommen

Wenn du Hilfe brauchst, bitte darum

Wenn du dich beschwerst, vergrößert sich das Problem um ein Vielfaches

Du hast einen harten Tag? Betrachte dein Leben, als wäre es ein Film

Greif deine Gedanken beim Schopf, sobald sie auftauchen

Level auf, bevor du den Boss triffst

Glaube daran, dass deine Träume wahr werden können

Menschen sind wie Stifte

Lass deine echten Farben leuchten

Zum Schluss

Lass uns die Diskriminierung bekämpfen, indem wir uns feiern

Der Kreislauf des Lebens

Dank

Für alle, die sich schon einmal schwergetan haben, im Innersten ehrlich mit sich zu sein.

Meine Botschaft an die deutschen Leser*innen

Zu Deutschland habe ich eine besondere Verbindung, denn in ihren 30ern hatten meine Eltern zwei Jahre hier gelebt und wollten deshalb auch nach meiner Geburt ihnen vertraute Orte hier besuchen. Ich war etwa sechsmal in Deutschland und Österreich, und wir lieben die Menschen und die Atmosphäre sehr. Für die Familie Nishimura ist es eine große Ehre, ein Buch bei einem deutschen Verlag zu veröffentlichen.

Als meine Eltern in Deutschland lebten

Im Jahr 1980 erhielt mein Vater als Universitätsprofessor ein Stipendium von einer buddhistischen Schule (dem Reinen Land) für eine Forschungsarbeit zusammen mit einem Professor an der Göttinger Universität. Mein Vater freute sich sehr auf die Arbeit, denn deutsche Unis besitzen eine Menge buddhistische Bücher und Manuskripte aus dem alten Indien. Er war damals bereits mit meiner Mutter verheiratet, also machten sie sich gemeinsam auf den Weg nach Deutschland. Zunächst lebten sie in der Nähe von Mannheim, um Deutsch zu lernen. Später zogen sie dann nach Göttingen um.

In der Sprachenschule trafen sie auf Menschen aus aller Welt. Meine Mutter spricht immer noch gern von einer wunderschönen Mitschülerin aus der Türkei, die an keinem Tag dasselbe anhatte. Tagtäglich habe sie die Kleidung in einem neuen Style getragen, ohne dass es extravagant oder teuer ausgesehen hätte. Ganz zwanglos, aber immer wieder neu. Meine Mutter machte das sehr neugierig, sie stellte sich vor, dass die Türkin aus einer wohlhabenden Familie sei. Ich höre gerne zu, wenn meine Eltern von ihren einzigartigen Mitschüler*innen aus der ganzen Welt erzählen. Auch ich liebe es, mich schick zu machen und ganz unterschiedlich aufzutreten. Ich halte es für unrealistisch und nicht nachhaltig, zahllose Kleidungsstücke zu besitzen, und finde es dagegen sehr motivierend, mich mit ein und denselben Kleidern unterschiedlich zu stylen. Was meine Eltern beschrieben, war die Welt, widergespiegelt in einem kleinen Klassenzimmer. In den 1980ern gab es, glaube ich, noch nicht viele Ausländer in Japan, und ich bin froh, dass sie die Chance hatten, andere Kulturen kennenzulernen und ihren Horizont zu erweitern, denn die Weltoffenheit würden sie später für ihr Kind noch brauchen! So konnte ich selbst Unvoreingenommenheit lernen und das Gefühl erlangen, in der Debatte über die Diversität der Menschen und Kulturen etwas beizusteuern zu haben.

 

Später zogen sie nach Göttingen, wo mein Vater einem Professor assistierte, indem er chinesische Sutras ins Deutsche übersetzte. Meine Mutter ist Pianistin, sie studierte Klavier bei einem Professor in einem nahe gelegenen Ort. In Göttingen lebten meine Eltern im Haus des verstorbenen Nobelpreisträgers Adolf Windaus, der herausfand, dass Vitamin D Kinder vor Rachitis bewahren kann. Sein Sohn und dessen Frau waren die Vermieter meiner Eltern, sie zeigten ihnen die Goldmedaille für den Nobelpreis. Es gab eine geistreiche Haushälterin namens Margot und riesige Porträts der Vorfahren im Eingangsbereich. Meine Eltern erzählen noch immer von den Windaus und wie sehr sie sie schätzen.

 

Im Alter von vier Jahren nahmen sie mich einmal mit dorthin. Ich lernte Frau Windaus kennen, die damals noch lebte. Sie war sehr groß und schlank und unglaublich anmutig mit ihren grauen Haaren und trug einen bei aller Einfachheit eleganten Rock. Sie nahm mich auf wie einen eigenen Enkel. Das Haus war eine prachtvolle Villa mit einem großen Eingangsbereich. Es gab einen wunderschönen Rosengarten hinter dem Gebäude und einen Flügel im Salon. Ich verstand zwar nicht, was geredet wurde, aber mir schien, dass sie, während meine Eltern dort lebten, einen herzlichen Umgang miteinander gepflegt hatten.

Ich glaube wirklich, dass meine Eltern von Deutschland inspiriert wurden. Mein Vater sagt, dass er dank seiner Studien in Deutschland in der Lage war, seinen Horizont zu erweitern und den Buddhismus tiefergehend zu erforschen. Deshalb haben mich meine Eltern unterstützt, als ich im Ausland studieren wollte. Noch heute sagen sie gerne Tschüss, bevor sie schlafen gehen.

Mein Lieblingsspielzeug aus Deutschland und Österreich: Eine Vogelmarionette aus Holz

Im Allgemeinen sind meine Erinnerungen vage, nur im Zusammenhang mit Spielzeug, das mir meine Eltern besorgten, werden sie ganz konkret. Von einigem möchte ich gern erzählen. Auf den Reisen wusste ich, ehrlich gesagt, nie so genau, ob ich gerade in Deutschland oder Österreich war. Das ist eine Schande, ich weiß, aber die Städtenamen klangen für mich alle gleich. Salzburg ist für mich ein denkwürdiger Ort in Österreich. Einer der ersten ausländischen Spielfilme, die ich als Junge sah, war Meine Lieder – meine Träume. Meine Mutter ist ein großer Fan von Julie Andrews, sodass wir dort die Drehorte besuchten: den Park und das Haus der Familie Trapp. Im Film gibt es eine Szene, in der die Kinder ein Marionettenmusical aufführen. In Salzburg wollte ich unbedingt ein solches Marionettentheater sehen. Meine Mutter hatte herausgefunden, dass es die Zauberflöte gab, und uns Karten besorgt. Hinterher kamen wir auf dem Weg zum Hotel an einem Straßenhändler vorbei, der eine Vogelmarionette mit einem grünen kegelförmigen Hut zum Verkauf anbot. Die Marionette war so süß, dass meine Eltern sie für mich erstanden. Sie war zwar nicht so schön zu bewegen wie die Marionetten im Film, aber solche faszinierenden Dinge öffneten mir das Herz und machten mich neugierig auf fremde Kulturen. Spielzeug kann ein großartiges Mittel sein, um Kindern eine andere Kultur nahezubringen.

Die Meerjungfrau-Barbie

Als ich sieben war, kam ich wieder nach Salzburg. Unser Hotel war in der Nähe von Klexx gelegen, einem Spielzeugladen mit einem Riesenschaufenster. Dort gab es Barbies als Meerjungfrauen, genannt »Glitzerhaar-Meerjungfrau«. Ich war hin und weg. Es gab drei Arten von Meerjungfrauen, eine blonde mit goldenem Schwanz, eine schwarzhaarige mit pinkfarbenem Schwanz und eine mit rotbraunem Haar und blauem Schwanz. Alle hatten eine kleine Krone auf dem Kopf und umwerfende sternförmige Accessoires für die Haare. Diese Haaraccessoires hätte man sich auch in die eigenen Haare stecken können! Ihre Haare waren lang, die Gesichter wunderschön, die Körper sinnlich. Ich hatte das Gefühl, noch zu klein für sie zu sein, und bewunderte sie nur durchs Schaufenster.

Ich wusste nicht, wie teuer sie waren, aber sie sahen unglaublich luxuriös und unerreichbar aus. Es war, als würde ihre Schönheit mich herausfordern: »Bist du groß genug, mich zu besitzen?« Jeden Tag bettelte ich meine Eltern an, wenn wir an dem Geschäft vorbeikamen. Meine Mutter erinnert sich, dass sie es eigentlich nicht gesund fand, einem Kind in allem nachzugeben, und mehrere Tage hart blieb. Doch irgendwie geschah ein Wunder, und ich durfte mir eine von ihnen aussuchen: die Meerjungfrau mit dem rotbraunen Haar und dem blauen Schwanz. Als ich die Schachtel öffnete, war ich unglaublich aufgeregt. Es schien mir komplett surreal, dass diese Puppe plötzlich mir gehören sollte – fast so, als hätte ich ein Date mit einer erwachsenen Frau!

Wieder in Japan zurück, stellte ich fest, dass die Meerjungfrau größer und kurviger war als zum Beispiel Sailor Moon oder meine anderen Puppen. Das neue Supermodel wurde Teil meiner japanischen Puppenklasse. Sehr unpassend, aber ich bin sicher, dass sich die Meerjungfrau an ihre neue Umgebung gewöhnt hat. Meiner Mutter bin ich sehr dankbar, dass sie mir diese Puppe kaufte, obwohl ich ein Junge war. Sie erinnert sich, dass sie mit anderen Müttern aus dem Kindergarten über meine Spielzeugvorlieben sprach. Die Mutter eines anderen Kindes sagte ihr damals anscheinend, sie habe kein Problem damit, ihrer Tochter Spielzeug für Jungen zu kaufen. Ich bin froh, dass es da so vorurteilsfreie Mütter gab. Eltern sollten ihre Kinder so feiern, wie sie sind, denn ich war wirklich glücklich und konnte meine Freude auch mit anderen teilen. Nur weil ich Puppen mag, heißt das noch lange nicht, dass ich verquer wäre. Wenn du das Gefühl hast, dass du in deinen Werten fremdbestimmt bist, würde ich dir gern beistehen, zu deinen eigenen zu finden. Denn noch einmal: Es ist nichts verkehrt daran, zu mögen, was du magst! Heute kann ich anderen helfen, indem ich Menschen noch schöner mache, als sie sowieso schon sind.

Transformers

Meinst du, ich hätte mich nur für Mädchenspielzeug interessiert? Tatsächlich mochte ich auch Roboter und Spielzeugautos. 1997 gab es eine CGI-Serie im Fernsehen mit dem Titel Transformers: Beast Wars (die deutschsprachige Erstausstrahlung fand 1998 auf RTL 2 statt). Es war eine Kriegsstory, in der Tiere in Kampfroboter verwandelt werden.

Als ich zehn war, nahm meine Mutter mich mit nach Berlin. Damit ich mich im fremden Land nicht langweilte, schlug ich ihr vor, mir vorab ein Spielzeug zu besorgen. Sie war einverstanden und kaufte mir einen Tintenfisch-Transformer. Wie erwartet, langweilte ich mich häufig im Zug oder im Hotel und wechselte beim Spielen ständig zwischen Tintenfisch und Roboter. Ich glaube, ich wetteiferte sogar mit mir selbst, wie schnell ich diesen Wechsel hinbekam. Aber langsam wurde es mir langweilig, und ich fühlte mich ein bisschen einsam auf dieser Reise, weil ich kein Deutsch konnte.

In Berlin besuchten wir eine alte japanische Freundin meiner Mutter aus ihrer Zeit an der Musikhochschule in Japan. Die Freundin war mit einem Deutschen verheiratet. Sie hatten zwei Söhne, von denen einer in meinem Alter war. Ich hatte etwas Angst, ob wir uns verstehen würden, weil ich mich oft unwohl mit anderen Jungen fühlte. Aber – welche Überraschung! – auch er hatte einen Roboter der Transformer!

Es war ein sehr gesprächiger und neugieriger Junge, der auch ein bisschen Japanisch konnte, und ich gab mir Mühe, mich einfach auszudrücken, damit wir uns unterhalten konnten. Wir vertrugen uns gut, und ich war glücklich, dass ich in Deutschland einen Freund gefunden hatte. Sein älterer Bruder, ein großer, stiller Typ mit Vollbart, gab mir das Gefühl, noch ganz klein zu sein. Er stand auf ein Videospiel mit dem Titel Age of Empires und zeigte mir, wie es funktionierte. Es ging darum, eine eigene Zivilisation aufzubauen und gegen andere Spieler zu kämpfen. Zurück in Japan, bat ich meine Eltern, mir dieses Spiel zu schenken. Ich war direkt süchtig danach, und verdarb mir in jenen Sommerferien die Augen. Es machte mir Spaß, so eine Zivilisation aufzubauen und ihre Armee zu stärken. Wegen solcher Spiele und Interessen wusste ich nicht, ob ich Junge oder Mädchen war. Denn ich fand Roboter und Kriegsspiele aufregend, obwohl eigentlich nur Jungs damit gern spielten, aber auch Prinzessinnen gefielen mir sehr.

Bevor ich Deutschland verließ, fragte uns der Junge, ob ich ihm in Japan einen Libellen-Transformer kaufen könnte, weil es sie nur dort gibt. Das taten wir gern und schickten ihm das Spielzeug. Ich war so stolz, dass ich einen Freund hatte, der in Deutschland lebte. Wie kostbar, wenn man Verbindung zu jemandem hat, der so weit weg lebt, eine andere Sprache spricht, ganz anders aussieht, und mit dem man trotzdem eine gemeinsame Sprache spricht und gemeinsame Interessen hat.

Deutsche Austauschstudent*innen bei uns zu Hause

Als ich zehn oder elf Jahre alt war, stellten sich meine Eltern als Gastfamilie für Austauschstudent*innen aus Deutschland zur Verfügung, um ihr Deutsch zu praktizieren. Ich war sehr aufgeregt, dass so jemand den ganzen Sommer über bei uns wohnen würde. Insgesamt kamen zwei, und beide Erfahrungen waren für mich prägend.

Andrea

Im ersten Jahr nahmen wir Andrea auf. Sie war vermutlich 19 zu der Zeit, eine charmante junge Frau mit einem braunen Pferdeschwanz. Ich glaube, sie stand damals auf die japanischen Animes. Anfangs war ich sehr aufgeregt, aber dann spielten wir sogar mit sogenannten Haribo-Gummibärchen. Ich biss sie in der Mitte durch und setzte sie anders und bunt wieder zusammen. (Ich bin sicher, dass ich nicht der Erste bin, der auf diese Idee gekommen ist.) Andrea brachte mir auf mein Verlangen ein paar schmutzige deutsche Wörter wie Furz, Popel oder Rülpser bei. Später lud ich sie ein, mit mir Street Fighter zu spielen. Bei dem Spiel wählst du dir einen Charakter aus und lässt ihn gegen andere Spieler kämpfen. Damit verbrachten wir einiges an Zeit, und ich glaube, wir gingen auch zusammen ins Disney Resort. Ich fühlte mich immer wohler mit ihr und dachte, wir könnten richtig gute Freunde werden.

Doch als sie am nächsten Morgen die Treppe herunter ins Wohnzimmer kam, war ich schockiert. Sie trug keinen BH unter ihrem T-Shirt, und plötzlich wurde mir klar, dass sie anders war. Das hatte ich noch nie erlebt, und ich fühlte mich total unwohl und fremd, denn Japanerinnen tun so etwas nicht. Aber sie benahm sich völlig normal. Heute weiß ich, dass daran nichts verkehrt war, dass es nur kulturell verschieden ist, wie viel wir von unserem Körper zeigen. Diese Unterschiede in den Kulturen und Werten begegneten mir also tatsächlich von früh an.

Johannes

Im zweiten Jahr nahmen wir Johannes auf. Als ich hörte, dass wir einen Deutschen erwarteten, stellte ich mir jemanden vor, der europäisch aussah. Doch er hatte dunkle Haut und sehr langes, hinten zusammengeflochtenes Haar. Noch nie hatte ich jemanden mit gemischtem ethnischen Hintergrund gesehen, geschweige denn einen biologischen Mann mit so langen Haaren. Das brachte mich sehr durcheinander. Ich ließ ihn nicht an mich heran, weil ich eifersüchtig war, dass er die Haare so lang tragen durfte, wo doch in meiner Schule die Jungen kurzes Haar zu tragen hatten. Es lag wirklich an meinem Vorurteil und an meiner Angst vor dieser Fremdheit. Ich war verunsichert, weil er so anders war als alles, was ich bisher gekannt hatte. Aus Ignoranz entwickeln Menschen Vorurteile, akzeptieren Anderssein nicht oder diskriminieren andere sogar.

 

Er mochte ebenfalls Animes und hielt sich gern in Comicläden auf. Eines Tages fragte er, ob ich ihm Card Captor Sakura, eins meiner Lieblingsmangas über ein magisches Mädchen, leihen würde. Ich war sehr zögerlich. Mich störte, dass sich jemand, der mir so fremd war, für etwas interessierte, das mir auch gefiel. Zugleich schämte ich mich, einen Comic zu besitzen, der eigentlich für Mädchen gemacht war. In mir tobten die blanke Eifersucht und mein innerer Zwiespalt, nicht sagen zu können, was mir gefällt, während er einfach sein durfte, wie er war, mit seiner einzigartigen Frisur und seinen Vorlieben unabhängig von Alter und Geschlecht. Wenn ich zurückdenke, war absolut nichts verkehrt daran, einen gemischten ethnischen Hintergrund zu haben, langes Haar zu tragen und Animes zu mögen. Vielleicht zeigte sich bei mir auch der gesellschaftliche Druck. Noch heute tut es mir leid, dass ich ihm meine Comics nicht geliehen habe. Sorry!

Später kam er noch einmal mit seiner Freundin Sarah aus Deutschland zu Besuch. Sie trug ebenso langes Haar wie Johannes. Es war wunderschön zu sehen, wie die beiden Styles zusammenpassten. Neu für mich war, dass sie vegetarisch lebte. Als Junge war ich noch nie jemandem begegnet, der sich so ernährte. Ich war neugierig, warum und wie das funktionierte, denn in Japan gab es kaum Vegetarier. Trotz meiner kühlen Haltung ihnen gegenüber waren sie unglaublich anständig und freundlich. Selbst wenn ich zunächst distanziert war, weiß ich, wenn jemand Charakter und eine große Persönlichkeit hat.

 

Noch heute schicken sie uns Weihnachtsgrüße. Und ich habe eine E-Mail erhalten, in der sie mir mitteilen, wie sehr sie sich über mein Buch freuen. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Chance hatte, Menschen zu begegnen, die meinen Standard von dem, »was normal ist«, verändert haben. Auch wenn es sich nur um kurze Episoden handelte, konnte ich viel über menschliche Reaktionen auf Kultur und Menschen anderer Länder lernen. Hätte ich diese Erfahrungen nicht gemacht, könnte ich mit Sicherheit nicht über die japanischen Werte hinausdenken. Diese Erlebnisse haben mir auf alle Fälle geholfen, mich von früh an zu befreien.

 

Danke nochmals dafür, dass ihr mein Buch auf Deutsch lest. Es ist mir eine große Freude. Ich hoffe, ich kann euch in die bunten Welten mitnehmen, die ich in meinem Leben bereist habe. Atmet die Luft der japanischen Tempel, hört den Krach der Pride Parade in New York ebenso wie den stillen Raum in unserem Gewahrsein. Wer weiß, vielleicht könnt ihr nach diesen Reisen eure Familie und eure Freund*innen befreien? Tschüss!

Einleitung

Ich bin Kodo Nishimura, buddhistischer Mönch, Make-up-Artist und Mitglied der LGBTQIA*-Community. Ich bin Mönch und lese Sutras – heilige Schriften –, ich schminke Leute, trage High Heels und glitzernde Ohrringe. Mit 26 fing ich an, stolz auf meine Sexualität zu sein, als Jugendlicher jedoch versteckte ich mein wahres Ich vor den Menschen, die mich umgaben, und lebte mit dem Gefühl, mich für mein Selbst schämen zu müssen. Ich hatte Angst, verurteilt und gedemütigt zu werden, fühlte mich schuldig und »anomal« und verbarg meine wahren Gefühle.

Als ich ein Kind war, wurden Homosexuelle in den japanischen Medien immer so dargestellt, als wären sie seltsam oder pervers. Männer in Frauenkleidern tauchten im Fernsehen meist als fiese Diven oder Schurken auf. Sie waren nie ehrbar oder gebildet. Von LGBTQIA* wurde generell ein schreckliches Bild gezeichnet. Zum Glück ist in Japan inzwischen eine Veränderung im Gange: LGBTQIA*-Rechte sind ein Thema in der Öffentlichkeit, und seit 2015 nehmen in vielen Städten die Zahlen der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu.

Trotzdem dachte ich wegen der Medien, der Kultur und der Gesellschaft, in der ich aufwuchs, dass ich mich für meine Sexualität schämen müsste. Erst außerhalb von Japan begegnete ich Menschen, die diese Diskriminierung überwunden hatten und ihre Sexualität selbstbewusst lebten. Ich lernte, dass Homosexualität etwas ist, das schon seit sehr langer Zeit existiert: Sie ist schon aus den Zeiten der Römer und Griechen überliefert. Außerdem lernte ich die LGBTQIA*-Geschichte kennen und erfuhr beispielsweise, dass Homosexualität ebenfalls in der antiken japanischen Gesellschaft weitverbreitet war. Selbst ein Teil der LGBTQIA*-Szene zu sein, konnte also gar nicht so schlimm sein.

Keiner kann behaupten, dass es verkehrt ist, du zu sein.

Das Zuhause meiner Kindheit war ein Tempel in Tokio, in dem mein Vater Priester war. Er stammte aus einer Bauernfamilie, konnte als zweiter Sohn aber nicht den Bauernhof erben. Im Alter von fünf Jahren wurde er nach Tokio zum Tempel eines entfernten Verwandten gebracht und von einem Paar adoptiert, das selbst keine Kinder hatte. Er durfte an der Uni sein Studienfach zwar nicht selbst wählen, promovierte aber im Fachbereich Buddhistische Studien und ist jetzt emeritierter Professor.

Schon als Kind wurde von mir erwartet, dass ich eines Tages die Leitung des Tempels übernehmen würde. Ich hasste es, wenn meine Freunde und andere fragten, ob ich denn schon Sutras lesen und wann ich mir den Kopf rasieren würde.

Trotz dieser Erwartungen übten meine Eltern diesbezüglich nie Druck aus. Außerdem akzeptierten sie, dass ich gern Prinzessin spielte und Bilder malte. Als kleiner Junge machte mir das großen Spaß. Aus dem Jahrbuch meines letzten Jahres im Kindergarten geht hervor, dass ich den anderen Kindern dort gerne zeigte, wie man am besten Aschenputtel spielt. Zu Hause wirbelte ich laut Aussagen meiner Mutter mit Vorliebe in ihrem Minirock herum. »Schau, ich bin ein Mädchen!«, sagte ich dann. Am liebsten tanzte ich zu dem Lied »Belles Lied: Unsere Stadt« aus dem Film Die Schöne und das Biest.

Ich war schon etwas älter, als mir eines Tages beim Saubermachen im Haus zufällig eine alte Audiokassette in die Hände fiel, auf der ich als kleiner Junge irgendwelche Lieder improvisierte und verschiedene Sprachen imitierte. Mich so fröhlich und scherzend auf der Kassette zu hören, überraschte mich sehr. Offensichtlich hatte ich damals eine Menge Selbstvertrauen gehabt und mich selbst viel mehr geliebt. Im Alter von ungefähr fünf Jahren hatte ich noch in den Spiegel geschaut und voller Überzeugung geseufzt: »Ich bin ja so perfekt. Kann überhaupt jemand hübscher sein als ich?« Wo war dieses kleine Ich hin? Dieses kleine Ich, dass sich so frei und voller Selbstvertrauen ausdrückte?

Wenn ich zurückdenke, dann begann sich das zu ändern, als ich auf die Grundschule kam. Dort wurde von den Jungen erwartet, dass sie sich wie Jungen verhielten, und die Mädchen hatten Mädchen zu sein. Die Leute machten sich lustig über mich, weil ich so »mädchenhaft« war, sodass ich mein wahres Ich sehr schnell tief in mir verschloss. In der Schule war ich jemand ganz anderes als zu Hause.

Dabei ging es in der Grundschule und Mittelschule noch, weil ich geschlechtsunabhängig Freundschaften schließen konnte. Zum Pokémonspielen hatte ich Freunde und zum Puppenspielen Freundinnen. Auch in der Mittelschule hatte ich gute Freund*innen, gemeinsam begeisterten wir uns für Harry Potter.

Viel schwieriger wurde es dann an der Oberschule – einer Privatschule, in der ich niemanden kannte und deren Kultur mir fremd war. Der Fokus lag ausschließlich auf einer Vorbereitung für die Aufnahme an die großen Universitäten. Hier verschloss ich mein Herz komplett. Als mich dann ein Klassenkamerad auch noch »Schwuchtel« nannte, fühlte ich mich unendlich beschämt und beleidigt.

In diesen letzten Schuljahren hielt ich mich gerade so über Wasser, war ständig depressiv und fühlte mich völlig verloren. Ich war weder gut in den akademischen Fächern noch in der Lage, Freundschaften zu schließen. Die Jungen interessierten sich nur für Baseball und Comedyshows. Die Mädchen tratschten über die Jungs. Ich dagegen mochte Disney-Prinzessinnen und wollte am liebsten im Ausland studieren. Niemand schien ähnliche Interessen zu haben. Weder unter den Schüler*innen noch unter den Lehrer*innen gab es jemanden, der mich wirklich gekannt hätte. Hier verbrachte ich die Jahre in dem verzweifelten Versuch, meine Einsamkeit zu verbergen. Und jeden Tag sagte ich mir: Ich bin doch kein schlechter Mensch. Warum muss ich nur so einsam sein?

Die Demütigung und Not befeuerten meinen Wunsch, Englisch zu studieren und fortzugehen. Zuflucht fand ich in der amerikanischen Kultur. Ich hörte Mariah Carey, Destiny’s Child und Michael Jackson und schaute mir Filme an wie 3 Engel für Charlie, Plötzlich Prinzessin und Sister Act – Eine himmlische Karriere. Die Protagonist*innen waren authentisch und hatten keine Angst, sich zu zeigen. Sie lehrten mich, meinem Herzen zu folgen.

Nach dem Oberschulabschluss ging ich zum Studieren in die USA. Endlich ein Ort, an dem mich die Menschen in meiner Einzigartigkeit akzeptierten. Allerdings hatte ich es hier mit Minderwertigkeitsgefühlen aufgrund meiner ethnischen Herkunft zu tun. Meine Erscheinung bereitete mir immer größere Komplexe, bis ich meine Augen, meine Größe und mein stilles Wesen regelrecht hasste.

Dann aber passierte etwas, das mein Leben veränderte. Mit 20 schloss ich ein Sprachencollege in Boston ab und schrieb mich in der Parsons School of Design in New York ein. Hier zeigten Studierende und Lehrende stolz, wer sie waren, und drückten sich frei aus. Stück für Stück räumten die alten Vorstellungen von »Normalität«, die mich gequält hatten, das Feld für etwas sehr viel Befreienderes. Und hier begann ich auch als Make-up-Assistent zu arbeiten.

Bis 2019 arbeitete ich in den USA als Make-up-Artist, darunter auch mit vielen Models und Stars. Aber obwohl sich der Horizont meines Lebens erweitert hatte, fühlte ich mich immer noch wie in einem Käfig. Warum? Weil ich mich gegenüber meinen Eltern noch nicht hatte outen können. Schon als Kind hatte ein unsichtbares Spinnennetz über meinem Kopf gehangen. Sosehr ich es auch gewollt hätte, konnte ich nicht aufsehen und lebte in der ständigen Angst, dass etwas Schreckliches passierte, wenn ich jemals das Kinn hob.

Als ich mit 24 Jahren nach Japan zurückkehrte, um eine Mönchsausbildung zu machen, traf ich die schwere Entscheidung, mich meinen Eltern gegenüber zu outen. Und das Spinnennetz löste sich in dem Moment, in dem ich ihnen mein wahres Ich zeigte, in nichts auf. Plötzlich konnte ich zum Himmel schauen und die Sterne sehen! Es war wie ein Sprung – SPLASH! – in einen Pool voller Pfirsichlimonade. Meine Welt färbte sich pink, ein süßer Duft lag in der Luft, und das Leben schwang sich in die Höhen wie eine spritzige Sprudelblase.

Seit meiner Rückkehr nach Japan bin ich bei verschiedenen Gelegenheiten im Fernsehen aufgetreten, man hat mich in Zeitungen, Zeitschriften und anderen Medien gefeatured. Ich habe sogar die Möglichkeit erhalten, an renommierten Universitäten und in Weltkonzernen sowie vor den Vereinten Nationen über meine Erfahrungen und Vorstellungen zu sprechen und einen Talk bei TEDx zu halten.

Heute kann ich stolz sagen, dass ich glücklich bin, als die Person geboren zu sein, die ich bin. Zugleich aber habe ich mehr als die Hälfte meines Lebens in einem tiefen farblosen Graben verbracht. Vielleicht liest jetzt gerade jemand dieses Buch, der denkt (wie ich es einmal tat): Ich kann mir nicht mal vorstellen zu offenbaren, wer ich wirklich bin. Selbst wenn das vielleicht ein paar wenigen gelingt, ist es für mich völlig unmöglich. Ich werde nie sagen oder tun können, was sich mein Herz wünscht.

Aus eigener Erfahrung sage ich dir: Ja, ich weiß, dass das sehr, sehr schwer ist. Aber du begrenzt dein Leben mit deinem eigenen Denken. Und genau da setzt mein Buch an, denn ich möchte dir helfen.

Jeder und jede von uns ist auf viele Weisen gebunden. Wir können unser wahres Selbst verstecken und uns so tarnen, dass wir aussehen wie die anderen.

Auch wenn es dir vorkommt, als wäre das der leichtere Weg, ist es in Wahrheit schwerer, wenn du deine wahren Gefühle verbergen und so tun musst, als wärst du jemand anders, um den Erwartungen anderer gerecht zu werden.

Mehr Information, die Begegnung mit Menschen und das Reisen machten mich so frei, dass ich der Welt endlich zeigen konnte, wer ich tatsächlich bin. Jetzt habe ich Freunde und Freundinnen, die verstehen, was ich denke und tue, und mich bei allem unterstützen, und auch meine Familie steht hinter mir. Ich habe das Gefühl, den Schurken in meinem Lebensfilm besiegt zu haben. Natürlich fühle ich mich manchmal noch durcheinander und deprimiert, aber im Prozess meines Coming-outs und meiner Selbstfindung habe ich mit Unterstützung der Menschen in meinem Umfeld verschiedene Lektionen gelernt, die ich in diesem Buch an dich weitergeben möchte, damit sie dich inspirieren können. Außerdem möchte ich Einsichten aus alten buddhistischen Lehren – aus der spirituellen Tradition, die mir heute auf meinem Weg behilflich ist – mit dir teilen.

Ein Passus aus dem Amida-Sutra, einem heiligen buddhistischen Text, beschreibt die Landschaft des Reinen Landes (auch als Land mit dem Namen »Höchste Freude« bezeichnet). Darin gibt es einen Teich mit Lotusblumen: »Die blauen entsenden blaue Strahlen, die goldenen goldene, die roten rote und die weißen weiße.« Das bedeutet, dass jede Blume in ihrer eigenen Farbe leuchtet und von einzigartiger Schönheit ist. Ich glaube, auch wir sollten alle in unserer jeweils ganz eigenen Farbe erstrahlen.

Jeder und jede von uns ist einzigartig, und diese Diversität ist wunderschön.