Der neue Typus des Arbeitskraftunternehmers. Eigenwahrnehmung und Rolle der Arbeitskraft im Wandel - Lorena Feo Ziemann - E-Book

Der neue Typus des Arbeitskraftunternehmers. Eigenwahrnehmung und Rolle der Arbeitskraft im Wandel E-Book

Lorena Feo Ziemann

0,0
36,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Arbeit und dem Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit ist spätestens seit der Entstehung der Sozialdemokratie aktuell. Arbeitet man, um zu leben, oder lebt man, um zu arbeiten? So kann man diesen Konflikt treffend zusammenfassen. Die Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer haben sich dabei besonders seit Ende der 1990er Jahre radikal geändert. Die Erwerbsarbeit ist aus soziologischer Sicht einem starken und schnellen Wandel unterzogen. Arbeitskraft allein bedeutet in der heutigen Gesellschaft nicht mehr zwangsläufig auch Arbeitsleistung. Zugleich ist die Erwerbsarbeit geprägt von steigender Unsicherheit. Wie können heutige Arbeitnehmer dem entgegenwirken, und welche neuen Typen des Arbeitnehmers resultieren daraus? Diesen Fragen geht Lorena Feo Ziemann in ihrem Fachbuch nach. Dabei schlüsselt sie den Themenkomplex mittels des Konzepts des Arbeitskraftunternehmers auf, das eine stärkere Subjektivierung von Arbeit betont, und den Prozessen der steigenden Selbst-Regulierung und Selbst-Ökonomisierung der Arbeitnehmer Rechnung trägt. Ein besonderes Augenmerk legt sie dabei auf die steigenden Anforderungen an die Erwerbstätigen und unterstreicht die herausragende Rolle der Selbst-Kontrolle der Arbeitenden. Feo Ziemann plädiert für bildungsbiographische Ansätze zur weiteren Klärung ihrer Forschungsfrage. Aus dem Inhalt: - McDonaldization; - idealtypsicher Arbeitnehmer; - Fordismus; - Taylorismus, - Subjektivierung von Arbeit

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI
PDF

Seitenzahl: 84

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung: Wandelnde Nutzung von Arbeitskraft

2 Vom verberuflichten Arbeitnehmer zum Idealtypus des Arbeits-kraftunternehmers

2.1 Merkmale fordistisch-tayloristischer Normalarbeit

2.2 Subjektivierung von Arbeit

2.3 Der Arbeitskraftunternehmer: Theoretische Grundbetrachtung

3 Zur empirischen Darstellung des Arbeitskraftunternehmers

3.1 Typen der Erwerbsorientierung

3.2 Allein-Selbstständigkeit als Prototyp des Arbeitskraftunternehmers?

3.3 Der Arbeitskraftunternehmer in der IT- und Internetbranche

4 Schlussfolgerungen

4.1 Zusammenfassende Reflektion: Arbeitskraftunternehmer im Kontext subjektivierter Arbeit

4.2 Fazit und Ausblick

Literatur

1 Einleitung: Wandelnde Nutzung von Arbeitskraft

Arbeitet man, um zu leben, oder lebt man, um zu arbeiten? – Diese klassische Frage nach der Sinnhaftigkeit von (Erwerbs-)Arbeit lässt sich vor allem in Hinblick auf Wandlungsthesen in der Arbeitswelt stellen, die die Bedeutung des Individuums in den Vordergrund stellen (vgl. Voß 2012: 289). Auf Basis ihrer These des „Arbeitskraftunternehmers“ (Pongratz/Voß 1998, 2003), um die es in dieser Arbeit gehen soll, gehen die beiden Soziologen Hans J. Pongratz und G. Günter Voß auf eine Untersuchung der Erwerbsorientierungen von Arbeitnehmer/innen ein, um einen Einblick in die „Sinn-Konstruktionen“ von Beschäftigten bezüglich ihrer Arbeit zu erhalten (Pongratz/Voß 2003: 40). Zunächst sei ein Einblick in diesen Diskurs gegeben.

So wird im arbeitssoziologischen Kontext seit Anfang der 1990er Jahre mit einer Subjektivierung von Arbeit ein dahingehender „Wandel der Erwerbsarbeit“ (Kleemann et al. 2003: 69) konstatiert, der den individuellen Kompetenzen von Beschäftigten – ihrer Subjekthaftigkeit – eine gesteigerte Relevanz im Arbeitsprozess zuschreibt (insbesondere Baethge 1990; Kleemann et al. 2003). Unter „,Subjektivität‘“ begreifen Kleemann et al. dabei die Beschreibung der Einzigartigkeit/ des Spezifischen eines Individuums, was wiederrum in einer Interdependenz zu sozialen Einflüssen stehe und durch diese mitgeformt werde (Kleemann et al. 2003: 60). Jene Relevanz subjektiver Potenziale ermöglicht es Arbeitnehmer/innen und fordert es gleichwohl ab, ihre eigene Person in die Erwerbsarbeit miteinzubringen (ebd.: 62). Mit einer Subjektivierung von Arbeit geht häufig eine Diskussion von Entgrenzungsdynamiken einher, wobei sich auflösende Strukturen in verschiedenen Dimensionen gemeint sind, die erhöhte Strukturierungsleistungen von Erwerbstätigen erfordern (vgl. Gottschall/Voß 2005: 15; Kratzer 2003: 15-16).

Auf Basis dieser hier angedeuteten Prozesse bauen Pongratz und Voß den Idealtypus des Arbeitskraftunternehmers auf (1998, 2003). Essentiell für diesen seien vor allem seine selbstorganisatorische(n) Ausrichtung und Kompetenzen, die er benötigt, um sich in destandardisierten und entgrenzten Arbeitsverhältnissen zurechtzufinden. Darüber hinaus kennzeichnet ihn, dass er seine eigene Arbeitskraft als „Ware“ vertreibt, was ihn zu einem Unternehmer im übertragenen Sinne macht (Voß/Pongratz 1998: 131-132). Dabei gingen Pongratz und Voß Anfang der 2000er Jahre davon aus, dass der „Arbeitskraftunternehmer den Typus des verberuflichten Arbeitnehmers als Leittypus der gesellschaftlichen Formung von Arbeitskraft ablösen wird“ (Pongratz/Voß 2003: 10). Bei dem Konzept des Arbeitskraftunternehmers handelt es sich um eine These, die vor allem im arbeits- und industriesoziologischen Feld hohe Aufmerksamkeit erlangt hat und auch aktuell noch als populärer Bezugspunkt, vor allem im subjektbezogenen Kontext gilt (vgl. Altreiter 2019: 104). Dabei werden die Thesen durchaus auch strittig betrachtet (unter anderem Deutschmann 2001; Faust 2002). Hardering sieht vor allem in Hinblick auf eine zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors, in dem abseits von hochqualifizierten Bereichen häufig Standardisierungen und Begrenzungen zum Arbeitsprozess gehören, einen möglichen Widerspruch solch einer Verhältnis-Verschiebung (Hardering 2011: 64-65). Besondere Popularität besitzt in diesem Kontext die These der „McDonaldization“ (Ritzer 1983). Dabei spricht der amerikanische Soziologe George Ritzer in Hinblick einer „McDonaldization of society“ von einem prototypischen Beispiel, das die Fast-food-Kette McDonalds für Rationalisierungsprozesse in west­lichen Gesellschaften darstelle (ebd.: 100). Die Verbreitung üblicher Standards dieses Unternehmens sei nicht bloß im gastronomischen, sondern auch in weiteren gesellschaftlichen Teilbereichen zu beobachten (Ritzer 1995: 15-16). Neben einer hohen „Effizienz“, einer Quantifizierung und Kalkulierbarkeit von Produkten und Leistungen, und der Möglichkeit der „Vorhersagbarkeit“ (ebd.: 27-29), würden die Standards von McDonalds vor allem ein hohes Maß an „Kontrolle“ bieten (ebd.: 30). So würden insbesondere die Angestellten der Fast-food-Restaurants nach strikten Vorgaben und Standardisierungen arbeiten und dabei ständig vom Management daraufhin überprüft werden, damit sich alle Angestellten an die standardisierten und vorgeplanten Arbeitsprozesse halten (ebd.).

Versucht man die Thesen des Arbeitskraftunternehmers und der McDonaldisierung ansatzweise zu vergleichen (sofern man letztgenannte in einen Kontext der Erwerbsarbeit einbezieht), geht es bei beiden vor allem um unterschiedliche Ansätze der Umwandlung von Arbeitskraft in Arbeitsnutzen. Hierbei lässt sich ein „Transformationsproblem“ (Marrs 2010: 331) in der Erwerbsarbeit aufgreifen: So stehen insbesondere Arbeitgebende vor dem Problem, dass dem grundsätzlichen Vorhandensein von Arbeitskraft nicht gleich die Transformation in Leistung inhärent ist (ebd.). Dabei lassen sich historisch wandelnde Normen in Hinblick auf die Transformationsstrategien, beziehungsweise auf die Nutzung von Arbeitskraft aufzeigen (ebd.: 333). Insbesondere in weiten Teilen des fordistisch geprägten 20. Jahrhunderts waren in Deutschland, anlehnend an die Thesen des Amerikaners Frederick Winslow Taylor, Managementstrategien verbreitet gewesen, die auf Kontrolle und strikte Standardisierungen der Arbeitsprozesse und -ausführenden gesetzt haben (Hirsch/Roth 1986: 48-49; Marrs 2010: 333-336). Erst zum Ende des Jahrhunderts wurden vermehrt abweichende Transformationsstrategien in Form von „neuen Managementkonzepten“ thematisiert, die zunehmend auf „Dezentralisierung, Hierarchieabbau, Selbstorganisation und neue Beteiligungsformen“ zurückgriffen (Marrs 2010: 339).

Pongratz und Voß definieren insgesamt drei „historische Typen von Arbeitskraft“ (Pongratz/Voß 2003: 26). So sei die Frühindustrialisierung vom „Proletarisierten Lohnarbeiter“ geprägt gewesen, der im Gegensatz zum „verberuflichten Arbeitnehmer“ des Fordismus durch sein „rohes [handwerkliches] Arbeitsvermögen“ und sein geringes Ausbildungsniveau gekennzeichnet sei (ebd.: 26-27). Dem „verberuflichten Arbeitnehmer“ werde zwar ein höheres Maß an Eigendisziplin zugetraut, dennoch unterliege auch dieser systematischen Kontrollen in seiner Arbeitsausführung, die jedoch nicht mehr durch unmittelbares Dirigieren, sondern technologisch rationalisiert ausgeübt werde. Zudem verfüge der „verberuflichte Arbeitnehmer“ durch institutionelle Prozesse über höhere soziale Sicherheiten (ebd.: 27). In dieser Arbeit soll es vorwiegend um den Typus des „verbetrieblichten Arbeitskraftunternehmers“ gehen, den die Autoren dem Postfordismus zuschreiben (ebd.: 26). Die beim „verberuflichten Arbeitnehmer“ angesprochene Eigendisziplin sei beim Arbeitskraftunternehmer ein wesentliches Merkmal, nur dass hierbei eine „Selbst-Kontrolle“ im Gegensatz zu einer äußeren „Fremd-Kontrolle“ charakteristisch sei (ebd.: 27). Außerdem könne er auf geringere soziale Sicherheiten als der „verberuflichte Arbeitnehmer“ bauen und betreibe unter anderem von daher eine aktive „Selbst-Ökonomisierung“ und „Selbst-Rationalisierung“ (ebd.: 24-25). Auf eine eingängigere Analyse dieses Arbeitskrafttypus wird im Verlauf dieser Arbeit näher eingegangen.

Hierbei sei noch angemerkt, dass es sich beim Konzept des Arbeitskraftunternehmers um eine „subjektorientierte Interpretation des Wandels der Arbeit“ handelt (Voß 1998: 473). Karl Martin Bolte, der als wesentlicher Begründer der Münchner subjektorientierten Soziologie gilt (vgl. Voß/Pongratz 1997: 7-8), begreift eine subjektorientierte Soziologie als Perspektive, die sich auf menschliche Denk-, Handlungs- und Einstellungsweisen fokussiert. Essentiell sei dabei jedoch, dass dies immer im Kontext und im Wechselspiel mit gesellschaftlichen Strukturen geschehe (Bolte 1997: 35). Somit würde sich die subjektorientierte Soziologie, Voß und Pongratz nach, auf eine der traditionellen und zentralen Problemstellungen der Soziologie beziehen: „[…] die Frage nach dem Verhältnis von ,Individuum und Gesellschaft‘“ (Voß/Pongratz 1997: 14).

2 Vom verberuflichten Arbeitnehmer zum Idealtypus des Arbeitskraftunternehmers

Dieses Kapitel stellt einen Einblick in den Diskurs dar, in dem sich Pongratz und Voß bezüglich ihrer These des Arbeitskraftunternehmers bewegen. So beruht die Prognose der Verschiebung des gesellschaftlichen „Leittypus“ der Nutzung von Arbeitskraft auf der Annahme eines Rückgangs standardisierter Arbeitsprozesse und einer damit einhergehenden Neubewertung subjekthafter Kompetenzen von Beschäftigten (Pongratz/Voß 2003: 9-10). Auf Basis dieser Annahmen soll nun ein hervorgehobener Wandel der genutzten Arbeitskraft nachgezeichnet werden. Spricht man von einem Wandel in der Arbeitswelt, stellt sich zwangsläufig die Frage, unter welchen Ausgangsaspekten von einem Wandel gesprochen werden kann (vgl. Kleemann 2012: 14). Als Referenz werden somit zunächst die charakteristischsten Merkmale fordistisch-tayloristischer Beschäftigungsverhältnisse dargelegt (2.1). Anschließend wird die These der Subjektivierung von Arbeit analysiert (2.2), die schlussendlich als Ausgangspunkt der thematisierten These des Arbeitskraftunternehmers dient, die darauf eine theoretische Grundbetrachtung findet (2.3).

2.1 Merkmale fordistisch-tayloristischer Normalarbeit