Der Palast - Rodica Doehnert - E-Book + Hörbuch

Der Palast Hörbuch

Rodica Doehnert

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Beschreibung

Berlin, Hauptstadt der DDR, im Frühling 1989. Noch liegt das Land im politischen Dornröschenschlaf – die alten Genossen regieren und glauben an einen unbesiegbaren Sozialismus. Im Friedrichstadt-Palast schert man sich nicht um die morbide Staatspolitik. Hier wird die große Show Jubiläum als Höhepunkt des 40. Jahrestages der DDR vorbereitet. Es geht es um Höchstleistungen für die Tänzer, die Musiker, für Regie und Technik. Christine Steffen, Tänzerin in der berühmten Girlreihe, wird endlich ihr lang ersehntes erstes Solo bekommen. In diesen aufregenden Stunden, die Christines Karriere eine entscheidende Wendung geben sollen, steht sie plötzlich ihrer Doppelgängerin gegenüber. Schnell stellt sich heraus: Marlene ist Chris' unbekannte Zwillingsschwester aus Bayern. Was ist geschehen, dass die Schwestern getrennt wurden? Warum wussten sie nichts voneinander? Chris und Marlene beschließen, ihrer ost-westdeutschen Familiengeschichte auf den Grund zu gehen. Zwei Frauen auf der Suche nach ihren Wurzeln, vor dem Hintergrund der Deutschen Teilung und Wiedervereinigung. Berührend, aufwühlend und versöhnend.

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Zeit:7 Std. 14 min

Sprecher:Anna Thalbach

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DER PALAST

RODICA DOEHNERT

RODICA DOEHNERT

DER PALAST

ROMAN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

1. Auflage 2022

© 2022 by Lago Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Ursula Kollritsch

Umschlaggestaltung & Layout: Isabella Dorsch

Umschlagabbildung: Shutterstock.com/SunshineVector, sergio34

Illustrationen im Innenteil: Katharina Borgs

Satz: Christiane Schuster | www.kapazunder.de

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95761-209-0

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95762-300-3

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95762-301-0

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.lago-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

1989

INHALT

BUCH I DIE BEGEGNUNG

BUCH 2 SPIEL MIT DEM FEUER

BUCH 3 AUFBRUCH

EPILOG

NACHWORT DER AUTORIN

DANKSAGUNG

GLOSSAR

Ring the bells that still can ring

Forget your perfect offering

There is a crack, a crack in everything

That’s how the light gets in

LEONARD COHEN IN »ANTHEM«

BUCH I

DIE BEGEGNUNG

Einstmals saßen die Frauen und Männer, die Kinder und Greise und all die anderen Mitglieder einer Sippe ums Feuer und hörten die Geschichten ihres Medizinmannes. Geschichten von Heilung, von Wachstum, von Stärke, von Liebe und von den Kämpfen, den inneren und den äußeren. Sie lernten das Leben in seiner Vielfalt zu respektieren, Abgründe zu überwinden, Chaos zu beherrschen, dem Licht entgegenzuwachsen. Sie erfuhren sich als ein Ganzes, in dem jeder seine besondere Aufgabe zu erfüllen hatte. Sie lernten den anderen in seinem Sosein zu respektieren. Vielheit in Einheit war ihre Stärke.

ERSTES KAPITEL

Auf einem Flug zwischen Bangkok und Berlin ist Zeit für eine lange Geschichte. Wie ich das Mädchen mit den Mauersteinen kennenlernte.

Vor fast zwanzig Jahren hielt ich mich zu Recherchen in Thailand auf. Eine Zeitungsmeldung, dass ein achtjähriger siamesischer Junge nach einem Flugzeugabsturz über dem Dschungel einen großen Teil der Passagiere gerettet hatte, inspirierte mich zu einer Geschichte. Unter den Geretteten war auch eine deutsche Familie. Später war der Junge an Krebs erkrankt, zufällig erfuhr jene Familie davon und holte ihn zu einer Behandlung nach Deutschland.

Ich hatte mich einige Tage in Chiang Mai im Norden Thailands aufgehalten und in einem Dorf im Regenwald mit den Einheimischen gelebt. Es waren bewegende Tage. Als ich meine neuen Freunde verließ, um nach Bangkok weiterzureisen, waren sie Teil meiner Geschichte geworden und ich trug sie in meinem Herzen.

In Thailands Hauptstadt überraschten mich die unzähligen jungen Europäer, Männer und Frauen, die sich trotz Hitze, Staub und Armut der einheimischen Bevölkerung in den Hostels eingerichtet hatten und das Nachtleben genossen. Ich besichtigte die goldenen Tempel und fuhr den breiten Fluss auf und ab. In den Abendstunden saß ich auf kühlen Terrassen und schrieb. Wo ich auch war, boten mir Straßenhändler ihre Souvenirs an, bunte Sonnenschirme, kleine Gottheiten aus Stein, Gusseisen oder Kunststoff, Lampions und Blumenketten aus Papier. Zu meiner großen Verwunderung waren im Sortiment der Verkäufer auch Brocken der Berliner Mauer, die achtundzwanzig Jahre lang Ost- von Westberlin, Ostdeutschland von Westdeutschland, den Ostblock vom Westblock getrennt hatte. Diese schwer bewachte Grenze war das Symbol des Kalten Krieges gewesen zwischen einem Teil der Welt und dem anderen.

Ich hatte im Osten des geteilten Landes, in der DDR, gelebt. Als ich zu denken anfing, gab es diese Mauer schon, und als ich erwachsen geworden war, fiel sie in einer Nacht. Der Kalte Krieg war plötzlich zu Ende gegangen. Die Menschen stiegen auf die Mauer, ließen die Sektkorken knallen und sangen in allen Sprachen. In den nächsten Monaten zerschlugen sie die Mauer als Symbol für den Frieden, der von nun an ihr Leben bestimmen sollte. Deutschland wurde wieder ein vereintes Land.

Und nun, Jahre nach diesem spektakulären Ereignis, entdeckte ich in Bangkok Mauersteine aus meiner Heimat und fragte mich, wie die wohl Tausende Kilometer weit hierhergekommen sein mochten. Es mussten Millionen sein, denn jeder fliegende Händler verkaufte sie. Wahrscheinlich waren diese Souvenirs inzwischen in vielen Ländern der Welt im Angebot. Einige Tage später auf dem Rückflug nach Berlin sollte ich mehr über die Steine erfahren.

Ich verstaute mein Handgepäck im Fach über der Sitzreihe und schob mich auf meinen Platz. Am Fenster saß bereits eine junge Frau. Wir begrüßten uns auf Englisch, stellten aber schnell fest, dass wir beide Deutsche waren. Das machte die Nähe, die wir für über vierzehn Flugstunden haben würden, angenehm. Pünktlich hob die Maschine ab, wir richteten uns häuslich ein, um die Flugzeit so komfortabel wie möglich zu verbringen. Während ich meine Tasche unter die Füße schob, die Flugsocken anzog, Bücher und Laptop zurechtlegte, löste meine Nachbarin die Spange, mit der sie ihr langes blondes Haar am Hinterkopf festgesteckt hatte, und zog ihre Beine auf dem Sitz dicht an den Körper.

Ich hielt sie für eine der jungen europäischen Touristinnen, die ich im Nachtleben der thailändischen Hauptstadt beobachtet hatte. »Wie lange waren Sie in Bangkok?«, wollte ich wissen.

»Fast zwei Jahre«, antwortete sie und streckte mir ihre schmale Hand entgegen. »Ich heiße Lilia. Von mir aus können wir du sagen.«

»Gern.« Ich ergriff ihre Hand, stellte mich vor und fragte neugierig: »Zwei Jahre? Studierst du in Bangkok oder arbeitest dort?«

»Ich habe mein eigenes Business gegründet«, sagte Lilia selbstbewusst.

»Wirklich?« Ich war verblüfft. »Was ist das für ein Geschäft?«

»Bist du aus dem Osten oder aus dem Westen?«, fragte sie statt einer Antwort.

»Ostberlin. Ich habe in der DDR gelebt«, erwiderte ich erfreut über ihr Interesse.

Sie kramte im Rucksack und holte zu meiner Überraschung einen dieser Mauersteine hervor, wie ich sie bei den Straßenhändlern gesehen hatte.

»Dann kennst du die Mauer so?« Sie zeigte mir die graue Seite des Brockens.

Ich nickte. Wie bei einem Zaubertrick drehte sie den Stein zwischen ihren Fingern herum. Der Stein war bunt geworden. Ich nahm ihn in die Hand. »Ja, für uns Ostdeutsche war die Mauer grau. Wir hatten keine Ahnung, dass sie im Westen bunt bemalt worden war.«

»Ich bin auch aus dem Osten«, erzählte Lilia. »Ich war zehn, als die Mauer fiel. Für mich hatte sie damals kaum eine Bedeutung. Erst wenige Monate vor ihrem Fall habe ich eine Ahnung davon bekommen, wie mächtig sie war.«

Ich gab Lilia den Stein zurück. »Hast du dieses Mauerstück von einem der fliegenden Händler gekauft?«

»Ich habe es selbst produziert.«

Verblüfft sah ich sie an.

»In meiner Fabrik besprühen wir Beton mit Graffiti, zerhacken ihn, und dann ab in die ganze Welt damit. Voilà!« Lilia präsentierte den Brocken wie einen Diamanten.

Das hieß, die Mauersteine der fliegenden Händler waren gar nicht echt? Dass ich darauf reingefallen war?

»Ist doch ein schönes Symbol.« Sie schenkte mir den Stein.

»Wieso hast du deine Fabrik in Bangkok gegründet und bist nicht in Berlin geblieben?«, wollte ich wissen.

»Mein Businesspartner ist Thailänder. Er wusste von der leer stehenden Fabrik.«

Lilias Gründergeist beeindruckte mich.

»Meine Tante hat mich unterstützt«, erzählte sie weiter. »Sie ist Unternehmerin in Bamberg. Als sie von meiner Idee hörte, hat sie mir Startkapital vorgeschossen. Ich habe es ihr schon nach einem Jahr zurückzahlen können. Zinsen wollte sie nicht.«

Ich nickte anerkennend.

»Dabei habe ich die ersten neun Jahre meines Lebens nicht einmal gewusst, dass ich eine Tante habe.« Lilia schloss die Augen und ein Leuchten ging über ihr Gesicht.

»Wir sind eine verrückte Familie, musst du wissen. Bei uns läuft alles anders.«

Die Stewardessen unterbrachen uns mit dem Essen. Wir klappten die Tische herunter und wählten, während wir über den Golf von Bengalen flogen, zwischen Fisch und Fleisch.

»Warst du schon mal im Friedrichstadt-Palast?« Lilias Gedankensprünge überraschten mich.

»Natürlich! Als Kind war ich manches Mal im alten Palast und habe dort Clown Ferdinand erlebt.« Vor meinem inneren Auge sah ich den Zuschauerraum, der einer halbrunden Arena glich. Prächtige Säulen hielten die Deckenkonstruktion. Wir Kinder klatschten und jubelten, wenn der tschechische Schauspieler Jiri Vrstala in Clownsmaske, weiten gestreiften Hosen, mit einer überdimensionalen Sonnenblume auf der bunten Jacke, Schirm und seinem Papagei auf der Bühne stand.

»Kennst du auch den neuen Palast, der wie ein orientalisches Gebäude aussieht?«, wollte Lilia wissen und meinte den 1984 eröffneten Friedrichstadt-Palast.

Ich nickte amüsiert. »Die Berliner haben ihn aserbaidschanischen Bahnhof genannt, und es ging das Gerücht, dass das Bauwerk eigentlich für einen arabischen Scheich konzipiert worden war. Angeblich machte er im letzten Augenblick einen Rückzieher. Die DDR saß auf den Bauteilen und entschloss sich, damit das neue Revuetheater aufzubauen.«

Wir lachten über die moderne Legendenbildung. Die wirkliche Geschichte war, dass der alte Friedrichstadt-Palast, der Ende des 19. Jahrhunderts neben den Stadttoren Berlins als Markhalle errichtet worden war, die Bauarbeiten des Hochhauses des Berliner Klinikums Charité nicht überstanden hatte. Das Grundwasser fiel und damit wurden die Stützpfeiler des alten Palastes morsch. Er musste wegen drohender Baufälligkeit geschlossen werden. Aber weil die DDR-Staatsführung die leichte Unterhaltung liebte und die Tänzerinnen mit dem Gardemaß von einem Meter dreiundsiebzig, die allabendlich ihre Beine im Gleichtakt schwangen, wurde ein neuer, moderner Palast ein paar Hundert Meter weiter geplant, genau auf dem Platz, auf dem die preußische Armee bis zum Ende der Kaiserzeit ihre Exerzierübungen hatte stattfinden lassen. Dieser gigantische Revuepalast, dessen Bühne bereits damals, Anfang der Achtzigerjahre, alle europäischen Pendants übertraf, wurde in nur knapp vier Jahren hochgezogen, und das unter den Bedingungen der ewigen Materialknappheit in der DDR. Auch heute noch weiß niemand so richtig, was das Bauwerk gekostet hat. Über einhundertsechzig volkseigene Betriebe sollen in Sonderschichten gearbeitet haben.

Der Bau und die Eröffnung des neuen Friedrichstadt-Palastes waren mehr oder weniger an mir vorübergegangen. Damals war ich Regiestudentin, es zog mich ins Brecht-Theater schräg gegenüber oder ins Deutsche Theater, auch nur ein paar Hundert Meter entfernt. Die Revuen im Palast waren für mich Tingeltangel und halb nackte Tänzerinnen mit Federbusch am Popo übten keinerlei Anziehung auf mich aus. Ich wusste damals nicht, dass das Revuetheater seit der Jahrhundertwende seine Tradition gerade in Berlin begründet hatte, mit Berühmtheiten wie Max Hansen, Billy Igel und den Tiller Girls, die im Wintergarten Varieté, in der Scala, im Metropol-Theater oder im Theater des Westens großartige Revuen tanzten. Dazu traten Sängerinnen und Schauspielerinnen wie Claire Waldoff, Asta Nielsen, Anita Berber, Marlene Dietrich auf, nicht zu vergessen die einzigartigen Comedian Harmonists. Viele von ihnen mussten nach 1933 in die USA emigrieren und prägten in Hollywood die Musikfilme der Vierziger-, Fünfziger- und Sechzigerjahre entscheidend mit.

Während ich die Bilder vor mir sah, die Tänzerinnen in ihren glamourösen Kostümen, das Orchester spielen hörte und den tosenden Applaus der Zuschauer, sprudelte Lilia weiter, dass ihre Mutter, Christine Steffen, bis vor Kurzem Tänzerin im Friedrichstadt-Palast gewesen war und inzwischen dort als Ballettmeisterin arbeitete. »Ich war im Kinderballett«, erzählte Lilia über sich. »Mama wollte nicht, dass ich in ihre Fußstapfen trete. Sie meinte, dass ich kein Talent zur Solistin habe. Willst du dein Dessert nicht?« Lilia zeigte auf mein Tablett. Ich reichte ihr das Schälchen mit Tiramisu.

»Ich war so empört, dass ich mir die Sache mit den Mauersteinen ausgedacht habe«, erzählte Lilia mit vollem Mund. »Ich wollte Mama schockieren. Aber dann ist es damit wirklich ernst geworden.« Sie hatte nun auch mein Dessert vertilgt. »Willst du unsere Geschichte hören? Die Geschichte meiner Familie?«

»Ich liebe Geschichten«, entgegnete ich erfreut, setzte mich bequem und ließ mich in Lilias Erzählung hineinfallen.

ZWEITES KAPITEL

Mit dem Wünschen ist es so eine Sache. Manchmal hilft es. Meistens kommt es jedoch anders, als man denkt.

Was hätte sich die Tänzerin Christine Steffen gewünscht, wenn sie gefragt worden wäre? Endlich ihr erstes Solo? Die große Liebe? Eine Woche Urlaub ganz mit sich allein, um mal richtig ausschlafen zu können? Was hätte sich Chris gewünscht? Ganz sicher hätte auf ihrer Liste niemals der Wunsch gestanden, dass die Mauer fällt und sie ein freier Mensch wird. Dieser Gedanke war einfach zu absurd, als dass sie dafür einen kostbaren Wunsch investiert hätte. Nein, Chris hätte sich etwas Realistisches gewünscht, etwas, das im Bereich ihres Denkens gelegen hätte. Aber es fragte niemand nach ihren Wünschen – keine Fee und kein Staat. Dennoch wurde die bald Achtundzwanzigjährige, die sich eingerichtet hatte, fast wunschlos glücklich zu sein, innerhalb kurzer Zeit mit Tatsachen konfrontiert, die sie niemals für möglich gehalten hätte.

Im Palast war die Inszenierungsbesprechung für die neue Revue anberaumt worden. Das gesamte Ensemble, die Gewerke und alle Abteilungen saßen im großen Zuschauerraum. Auf der leeren, ohne Scheinwerferlicht und Dekoration nüchternen Bühne stand der Intendant und erläuterte, wie das vor ihnen liegende Arbeitsjahr, das Jahr des 40. Geburtstages der Republik, verlaufen würde. »Es sind zwei Programme geplant. Die Revue ›Jubiläum‹ im Frühling und eine zweite im Herbst, kurz vor dem Republikgeburtstag. Danach gehen wir auf ein dreiwöchiges Gastspiel nach Leningrad.«

Geraune und Getuschel im Zuschauerraum. Chris dachte daran, dass sie sich für diese Reise in die Sowjetunion von ihrer Tochter trennen musste. Wie immer, wenn eine Tournee geplant war, behagte ihr der Gedanke gar nicht. Aber bis dahin ist noch viel Zeit, sprach sie sich gut zu.

»Ach ja«, fiel dem Intendanten ein, »noch etwas Wichtiges. Unsere Solistin Gaby ist schwanger.«

Die Kolleginnen und Kollegen johlten und applaudierten. Gaby Sommer zeigte mit einer Handbewegung an, dass sich doch bitte alle beruhigen sollten.

»In der engeren Wahl für die Soloposition sind?« Der Intendant schaute zur Ballettdirektorin in der ersten Reihe. Regina Feldmann erhob sich ganz Grand Dame. »Christine Steffen und Bettina Wilke. Die nächsten Wochen werden zeigen, wer im neuen Programm das Solo tanzt.«

Chris verbarg ihre Aufregung hinter professioneller Gelassenheit. Gaby, die neben ihr saß, nickte zuversichtlich und drückte ihre Hand. Chris wusste, dass die Latte hoch hing. Die achtzehnjährige Wilke, Absolventin der Ballettschule, hatte gerade erst im Ensemble angefangen, war frisch in ihren Mitteln und sehr ehrgeizig. Chris würde alles geben müssen. Schon lange hatte sie auf diesen Karriereschritt gewartet, merkte jetzt aber, wie sich Druck aufbaute. Das kannte sie: Die Freude über die Herausforderung und die Angst zu versagen mischten sich. Chris dachte an die Worte ihrer Ballettlehrerin: Kopf ausschalten. Herz einschalten. Tanzen.

Vierhundert Kilometer weiter, in Westdeutschland, in Bamberg, trat die ebenfalls bald achtundzwanzigjährige Marlene Wenninger in das Büro ihres Vaters und erfuhr, dass sie zu den Verhandlungen mit dem DDR-Außenhandelsministerium fahren sollte. »Opa fühlt sich nicht gut, und wir möchten dich bitten, das erste Gespräch mit unseren potenziellen Geschäftspartnern in Ostberlin zu führen«, sagte Roland, Marlenes Vater und Chef des Unternehmens. Er selbst reiste niemals nach drüben. Sogar die Leipziger Messe überließ er Jahr für Jahr seiner Tochter und seinem inzwischen über achtzigjährigen Vater. Roland begründete seine Weigerung stets damit, dass sich schließlich einer um die Produktion vor Ort kümmern müsse. Marlene nahm alle Anweisungen entgegen und jubelte innerlich. Schon seit Wochen hatte sie auf diese Möglichkeit einer Reise nach Ostberlin gewartet. Regelrecht herbeigewünscht hatte sie diese.

Marlene, die es übernommen hatte, das Familienunternehmen auf EDV umzustellen, war in den Bankunterlagen zufällig auf ein Konto gestoßen, das auf eine gewisse Christine Steffen in Ostberlin lief und eine sechsstellige Summe auswies. Marlene hatte den Namen der Frau noch niemals gehört und war irritiert, stark irritiert. Natürlich hätte sie ihren Vater nach der Nutznießerin dieser angesparten Summe fragen können. Doch ihre Intuition sagte ihr, dass es sich um etwas Ungeheuerliches handeln musste. Eine ehemalige Geliebte vielleicht? Oder eine Erpressung? Was hatte es mit dem Geld auf sich? In Marlene regte sich Detektivgeist, und sie war entschlossen, die nächstbeste Gelegenheit zu nutzen, um hinter das Geheimnis des Kontos zu kommen. Und diese Gelegenheit ergab sich – jetzt! Sie würde im Auftrag ihres westdeutschen Familienunternehmens, der Wenninger & Co. KG, zu den Verhandlungen fahren und ganz nebenbei nach dieser Christine Steffen suchen. Deren Adresse war ihr aus den Kontounterlagen bekannt. Bei der Ostberliner Telefonauskunft erfuhr Marlene die Rufnummer. Damals kannte man den Begriff »Datenschutz« weder im Osten noch im Westen. Aufgeregt wählte Marlene die Nummer. Eine ältere Dame meldete sich mit »Elisabeth Steffen«. Marlene erkundigte sich so beiläufig wie möglich, als handelte es sich um eine Freundin, nach Christine. Die alte Dame – vielleicht deren Mutter oder Großmutter? – schien verwundert, erklärte aber, dass Chris schon längst nicht mehr bei ihnen wohne.

»Haben Sie vielleicht eine Telefonnummer?«, fragte Marlene standhaft weiter.

»Chris hat kein eigenes Telefon. Sie erreichen sie im Palast«, gab die Dame bereitwillig Auskunft. »Sie können auch gern eine Nachricht bei mir hinterlassen.«

»Ich werde im Palast anrufen.« Marlene hatte keine Ahnung, welcher Palast gemeint war, wollte sich aber nicht die Blöße geben. Sie dankte mit fester Stimme und verabschiedete sich. Als sie auflegte, fühlte sie ihr Herz schlagen.

Christine hatte stets einen vollen Tag. Vormittags und nachmittags Training und Proben. Jeden Abend Vorstellung, den Montag ausgenommen, da gab es um zehn Uhr nur das klassische Balletttraining. An den anderen Tagen startete danach, um elf Uhr, die Durchstellprobe für den Abend. Wenn jemand ausfiel, mussten die Positionen neu besetzt und geprobt werden. Dann ging es ans Einstudieren des neuen Programms. Oft saßen die Choreografen schon nervös im leeren Ballettsaal und warteten auf das Ensemble.

In der kurzen Pause bis zur Abendvorstellung kümmerte sich Chris um ihre Tochter Lilia, die gleich im ersten Jahr ihres Engagements geboren worden war. Chris hatte sich in den Saxofonisten Alexander Bachmann verguckt, einen charmanten Kerl, der sich ihrer angenommen und das Küken, das sie damals war, ins Ensemble eingeführt hatte. Nach den Vorstellungen zeigte er ihr das Ostberliner Nachtleben und seine große kalte Vierraumwohnung in der Chausseestraße, einen Steinwurf weit vom Friedrichstadt-Palast entfernt. Leider dauerte »la dolce vita« nicht mal ein Jahr, danach musste Chris ein Kind, die Beziehung und ihren Beruf unter einen Hut bringen. Alexander erwies sich als Frauenheld, aber guter Vater. Wegen Ersterem trennte sich Chris von ihm, und dank dem Zweiten konnte sie sich trotz aller Unstimmigkeiten auf ihn verlassen, wenn es um Lilia ging. Chris zog wieder zu Hause ein und genoss die Unterstützung ihrer Mutter Rosa und ihrer Großeltern. Alexander blieb seiner Tochter treu und Chris ein guter Freund.

Lilia wuchs zwischen den Beinen der Kolleginnen und Kollegen auf und wurde eines von unzähligen Palastkindern. Damals in der DDR war es normal, jung Kinder zu bekommen. Dennoch war das übervolle Leben für Chris eine Gratwanderung.

Lilia wusste, dass der Tag wie eine Perlenschnur ablaufen musste, und richtete sich ein. Sie hatte ihre Oma Rosa, ihre Urgroßeltern Elisabeth und Richard, ihren Papa Alexander und ihre Mama. Inzwischen war Lilia neun, ging in die vierte Klasse und trainierte im Kinderballett des Palastes. Sie war fest überzeugt, dass ihre Mutter eine der Solistinnen im neuen Programm werden würde. Schließlich war die Konkurrentin Bettina Wilke noch grün hinter den Ohren, so zumindest sagten es die Großen, wenn jemand jung und neu war im Ensemble.

In Bamberg hatte Marlene inzwischen herausgefunden, dass es in Ostberlin zwei Paläste gab: den Palast der Republik und den Friedrichstadt-Palast. Über die Auskunft hatte sie sich die Telefonnummern beider Häuser besorgt. Im Palast der Republik sagte man ihr bereitwillig, dass eine Christine Steffen hier nicht bekannt sei, und verwies Marlene darauf, es im Friedrichstadt-Palast zu versuchen. Dort bestätigte ihr der Pförtner, dass Chris zum Ballettensemble gehöre und er eine Nachricht hinterlegen könne. Marlene verzichtete dankend und stellte überrascht fest, dass diese Christine Steffen noch jung sein musste. Sie hatte nun alle Informationen, die sie brauchte, und wollte das Rätsel vor Ort lösen.

Marlene setzte sich in den Zug von Bamberg nach Hof und nach einer Pass- und Zollkontrolle dort wechselte sie in den Transitzug nach Berlin. Ohne Halt fuhr sie durch die DDR bis zum Bahnhof Friedrichstraße, wo sich der Grenzübergang nach Ostberlin befand. Eine komplizierte Prozedur, und man versteht sie am besten, wenn man sich eine Karte aus der Zeit anschaut.

Als Westdeutsche war es für Marlene unkompliziert, mit ihrem Pass zwischen den beiden deutschen Staaten und den durch die Mauer getrennten Teilen Berlins hin und her zu reisen. Die Besucher aus dem Westen mussten für ihren Aufenthalt im Osten eine Tagesrate von fünfundzwanzig D-Mark vom Staat heiß begehrter Devisen bezahlen. Und zwar für jeden Tag, ähnlich einer Kurtaxe. Deshalb empfing man sie gern als Gäste. Die Ostdeutschen und Ostberliner aber hatten schön hinter der schwer bewachten Grenze zu bleiben. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, die von den Bürgern der DDR nur noch zähneknirschend geduldet wurde. Der Ruf und der Wille nach Veränderung krochen aus den schmalen Ritzen der Diktatur und bahnten sich unaufhaltsam ihren Weg. Doch wie viel und wie schnell sich alles verändern würde, davon war zu Beginn jenes legendären Jahres 1989, in dem die DDR ihren 40. Jahrestag feierte, in dem sich Marlene auf die Reise nach Ostberlin machte und Chris fest entschlossen war, die Soloposition zu bekommen, noch wenig zu merken.

DRITTES KAPITEL

Money makes the world go round.

Westgeld ist in der DDR Goldstaub. Eintrittskarten für den Friedrichstadt-Palast sind es auch. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Chris geht zur 128.

Vorstellung der laufenden Revue.

»Sie liefern uns die Rohlinge. Feinarbeit und Einbau werden wir bei uns in Bamberg machen. Das gibt beiden Seiten Sicherheit. Wir müssen von erstklassiger Materialqualität ausgehen. Das garantieren wir unseren Auftraggebern.« Marlene saß mit einer Gruppe von Außenhändlern der DDR im neu erbauten Handelshaus am Bahnhof Friedrichstraße, nur ein paar Hundert Meter vom Friedrichstadt-Palast entfernt.

In jenem Jahr steckte die Wenninger & Co. KG wie die gesamte westdeutsche Metallbranche in der Krise. Um Kosten zu sparen, war Marlenes Vater auf die Idee gekommen, einen Teil seiner Produktion in den Osten auszulagern. Die DDR brauchte dringend Devisen, womit sie auf dem Weltmarkt einkaufen konnte, und bot sich deshalb gern als Dienstleister an. In den Jahren ihres Bestehens war die Deutsche Demokratische Republik mehr und mehr zur verlängerten Werkbank des Westens geworden.

»Wir haben hier die Prototypen mitgebracht.« Jürgen Feinschmitt, drahtig, Schnauzer im schmalen Gesicht, lud Marlene mit einer Handbewegung an einen der Tische ein, auf dem Zahnradrohlinge ausgestellt waren.

Marlene, die Betriebswirtschaft studiert hatte und inzwischen schon zwei Jahre in der Firma arbeitete, schaute sich die Verarbeitung der Musterstücke an.

Ernst Schäfer, gut zwanzig Jahre älter als Feinschmitt, brachte technische Unterlagen. »Eine Aufstellung der Materialzusammensetzungen, die wir Ihnen anbieten können. Allerdings kaufen wir den Stahl auch auf dem Weltmarkt und sind wie Sie von den Preisen abhängig«, sagte er.

»Die finanziellen Details wird mein Vater mit Ihnen besprechen. Wenn Sie erlauben, nehme ich die Übersicht über Ihre Qualitätsstandards mit nach Bamberg.« Marlene schaute in die Runde. Sie hatte es eilig und hoffte auf einen schnellen Abschluss ihres Termins. Es drängte sie zur Abendvorstellung in den Friedrichstadt-Palast. Dort hatte sie sich telefonisch eine Karte bestellt – für Westgeld bekam man die heiß begehrten Billetts sogar am gleichen Tag. Für die Ostdeutschen waren sie wie Goldstaub. Die mussten sich dafür einmal im Jahr in einer endlos scheinenden Schlange bis zum Bahnhof Friedrichstraße anstellen. Während des stundenlangen Wartens blieb ungewiss, ob die Geduldigen am Ende auch zu den Glücklichen gehören würden.

Die DDR-Außenhändler waren ausgesprochen zuvorkommend zu der jungen Frau aus dem Westen. Sie wollten das Geschäft mit den Wenningers unbedingt unter Dach und Fach bringen.

Die brauchen wirklich jede Westmark, dachte Marlene und kam sich wie ein Eindringling auf einem fremden Kontinent vor, der mit Glasperlen handelt, um die Einheimischen zur Preisgabe ihres Landes zu verführen. Nachdem alles besprochen und geklärt war, luden Jürgen Feinschmitt und Ernst Schäfer Marlene zum Geschäftsessen ein. Doch zur Enttäuschung der beiden Herren entschuldigte sie sich charmant mit dringenden Terminen. Die Außenhändler hatten sich auf den Abend gefreut, besonders auf ein exzellentes Menü im Restaurant »Ganymed« auf dem Schiffbauerdamm, wo man Wochen im Voraus einen Tisch reservieren musste. Ohne Marlenes Begleitung fiel das Vergnügen nun aus.

Nachdem Marlene Hände geschüttelt und versprochen hatte, der Geschäftsleitung in Bamberg, ihrem Vater und Großvater, die besten Grüße auszurichten, und mit allen wichtigen Unterlagen in ihrer Tasche in den Fahrstuhl gestiegen war, freute sie sich, dass nun das Abenteuer begann.

»Und die ganz Fleißigen unter euch können die Choreografie vor dem Schlafengehen noch mal in Gedanken durchgehen. Denn …«, rief die Leiterin des Kinderballetts ihren Schützlingen am Schluss der Trainingsstunde zu.

»… man kann auch in Gedanken üben«, antworteten die Kinder im Chor. Schon liefen die Mädchen und Jungen durcheinander. Manche wurden von ihren Müttern oder Großmüttern abgeholt. Viele gingen allein nach Hause. Lilia hatte an diesem Tag Glück, denn Chris wartete hinter der Tür des Ballettsaales auf sie.

»Mamuschka!« Lilia fiel ihrer Mutter um den Hals.

Die Palastkinder gehörten zur großen Palastfamilie und die meisten tanzten im Kinderballett. Gerade waren auch sie dabei, ein neues Programm einzustudieren. »Der Wasserkristall«. Lilia hatte sich in den Kopf gesetzt, die Rolle einer Wasserfee zu bekommen. Ihre Ballettlehrerin hatte an diesem Nachmittag lobend zu Lilia gesagt, dass der Apfel bekanntermaßen nicht weit vom Stamm fiele. Dies alles berichtete sie ihrer Mutter zu Hause, während sie ihre letzten Hausaufgaben erledigte und Chris das Abendbrot zubereitete.

»Mit dem Apfel meint sie mich, Mama«, rief Lilia in die Küche. »Und mit dem Stamm dich.«

Chris war in Gedanken schon beim Abendprogramm. Daher hatte sie gerade nicht den Kopf frei, um auf die Sache mit dem Stamm und dem Apfel einzugehen. »Möchtest du Tee oder Saft?«, fragte sie ihre Tochter laut.

»Saft!« Lilia schloss ihre Federtasche und steckte sie zu den Heften und Büchern in ihre Schulmappe. Für sie war es normal, dass die Mutter sich vor den Auftritten beeilen musste und wenig Zeit hatte.

Rasch wischte Chris über die Tischplatte und zog den meerblauen Kunststoffvorhang der elektrischen Duschkabine zu, die, seit sie ihr guter Freund Georg in der Ecke des Raums installiert hatte, in wenigen Minuten heißes Wasser für ein sehr kurzes Duschbad zauberte. Ein Badezimmer gab es in der Wohnung nicht. Die Toilette war in eine klitzekleine Kammer eingebaut. Chris hatte die zwei Zimmer mit Küche beim staatlichen Wohnungsamt ergattert, weil sie der Sachbearbeiterin zwei Karten für den Friedrichstadt-Palast organisieren konnte.

Chris atmete tief durch und lief ins Kinderzimmer. »Gute Nacht, meine Lilia-Maus.«

Die Tochter schmiegte sich in den Arm der Mutter. Lilia wusste, was folgen würde. »Wenn das Sandmännchen zu Ende ist, dann Fernseher aus. Wenn es klingelt, nicht an die Tür gehen, niemanden reinlassen. Spätestens um acht Licht aus. Und! Keine Süßigkeiten!«

Das Kind nickte brav. Diese allabendlichen Ansagen waren eigentlich überflüssig, denn Lilia machte, was sie wollte. Schließlich verließ ihre Mutter Abend für Abend gegen achtzehn Uhr das Haus und kam erst gegen dreiundzwanzig Uhr zurück. Wie sollte sie da kontrollieren können, was ihre Tochter in den Stunden des Alleinseins machte?

Die große Lilia neben mir im Flugzeug kicherte wie das Kind, das sie einmal gewesen war. Ich musste schmunzeln. Was heute undenkbar ist, kleine Kinder allein zu Hause zu lassen, erst recht am Abend, war damals im Osten kein Problem. Arbeitende Mütter mussten pragmatisch sein. Die wenigsten hatten die Unterstützung ihrer Männer, und so waren sie Organisationstalente. Ihre Kinder wussten um die Lücken in diesem Alltag und schlüpften hindurch. Die ummauerte Welt Ostdeutschlands war überschaubar und in dieser Hinsicht fühlten sich die meisten geborgen. Die kleine Lilia jedenfalls, so versicherte mir die große, hatte sich eingerichtet. Sobald die Tür hinter der Mutter ins Schloss gefallen war, drückte sie den Knopf des Fernsehers, eine Fernbedienung gab es damals nicht, schaltete auf Westfernsehen um und ließ sich von den Mainzelmännchen, der Werbung und dem Vorabendprogramm unterhalten. Nebenbei aß sie das Brot, das ihre Mutter bereitet hatte, sah zum Fenster hinaus, las ein paar Seiten in ihren Kinderbüchern oder legte sich eine Schallplatte auf. Irgendwann schob sie einen Stuhl unter den Küchenschrank und holte die streng verbotene Dose mit den Süßigkeiten. Merkwürdigerweise war diese immer gefüllt.

Der Friedrichstadt-Palast war wie ein Ufo, das mitten in der Hauptstadt des sozialistischen Staates gelandet war. Das Ensemble spielte Abend für Abend en suite, samstags sogar zwei Vorstellungen. Die achthundert Mitarbeiter in allen Gewerken und Abteilungen waren ein eingespieltes Team. Jeder trug mit seinem ureigenen Können und Handwerk zum Gelingen des Programms bei. So unterschiedlich sie waren, bildeten sie doch eine große Familie.

»Guten Abend ans Ballett, ans Orchester und an unsere Gewerke! Wir haben heute die 128. Vorstellung. Noch dreißig Minuten bis zum Beginn«, kam die Ansage der Inspizientin über Lautsprecher in den Maskenraum.

Chris saß auf ihrem Platz am Spiegel. Dort lehnte auch ihr kleines Äffchen, Glücksbringer, seit sie denken konnte. Unter den geschickten Händen der Maskenbildnerin wurde aus der mädchenhaften Frau mit ihren schmalen Gesichtszügen unter blondem Haar durch Make-up, Rouge, roten Lippenstift, künstliche Wimpern und glänzenden Lidschatten eine Revuetänzerin.

Vom Lampenfieber des Ensembles merkte das Publikum, das sich seine Plätze suchte, nichts. Hinter dem Vorhang bereiteten Bühnenarbeiter Dekorationselemente vor, die bei einem schnellen Wechsel der Bilder auf ihre Positionen gestellt werden mussten. Die Tänzerinnen und Tänzer machten sich in der Seitengasse warm. Akrobaten probten Teile ihrer Nummern. Das Orchester nahm seine Plätze in einer Empore neben der Bühne ein.

Alexander, Lilias Vater und Chris’ Ex, kam wie immer in der letzten Minute. Er legte sich einen dicken Krimi aufs Notenpult und betonte, dass er nach so vielen Vorstellungen das Programm rückwärts unter Wasser spielen könne. Bei seinen Solostellen war er jedoch konzentriert und absolvierte sie perfekt. Alexander lebte sein Genie und tat nie mehr, als notwendig war. Er hatte sich im Palast eingerichtet, genoss das monatliche Gehalt, seinen Charme, mit dem er Frau und Mann um den Finger wickeln konnte. Alexander hatte keine Ambitionen, den goldenen Käfig zu verlassen. Denn er wusste, dass es ihm besser ging als Millionen anderen in seinem Land.

Marlene setzte sich auf ihren Platz in der Mitte der dritten Reihe, wo – das konnte sie nicht wissen – bei der Eröffnung des Palastes Erich Honecker mit seiner Frau gesessen hatte. Es war ein ausgezeichneter Platz, von dem aus sie die ganze Bühne überblicken konnte. Sie war zum allerersten Mal in einem Revuetheater, und dieses hier sollte die größte Bühne Europas haben, mit Wasserbecken, Eisfläche, Hubpodium für die Unterbühne war es ein »Spitzenhaus auf Weltniveau«. So stand es im Programmheft, in dem Marlene nervös blätterte. Auf den Fotos sah sie die Mitglieder des Ballettensembles. Wer von den Tänzerinnen mochte Christine Steffen sein? Doch ehe sie sich darüber weitere Gedanken machen konnte, verdunkelte sich der Saal. Der Dirigent kam und nahm den freundlichen Applaus des Publikums entgegen. Ein Spot richtete sich auf den Revuevorhang aus gerafftem Tüll, der sich langsam hob und die Bühne freigab. Dort stand das Ballett in Position. Musik setzte ein.

Mit dem ersten Ton der Musik fielen augenblicklich Privates und alle Attitüden von den Mitgliedern des Ensembles ab. Jeder war bestrebt, sein Bestes zu geben. Leicht musste es wirken, sexy sollte es sein.

Zwischen den Tänzen gab es artistische Nummern, dann hieß es fürs Ballett schnell runter von der Bühne, raus aus dem Kostüm, rein ins nächste, assistiert von den Ankleiderinnen.

Im Friedrichstadt-Palast war die Arbeit der Tänzerinnen und Tänzer mit der eines Langstreckenläufers oder Hochleistungssportlers zu vergleichen. Denn Abend für Abend musste das Programm so absolviert werden, als wäre gerade Premiere gewesen. Die Qualität durfte niemals nachlassen. Chris sah ihre Ballettdirektorin in der Kulisse stehen und zuschauen. Jeder Fehler würde sich rächen. Schließlich ging es um die Besetzung der Soloposition, und da war nicht nur die Leistung im Probensaal entscheidend, sondern die Bühnenpräsenz bei jedem Auftritt.

Durch ein Opernglas, das Marlene sich an der Garderobe ausgeliehen hatte, schaute sie sich Tänzerin für Tänzerin an. Unter dem Bühnen-Make-up, mit Perücke und Kopfputz schien eine junge Frau wie die andere auszusehen. Sie war wirklich naiv gewesen, zu glauben, dass sie diese Christine Steffen erkennen, sie schon irgendwie herausfühlen würde aus der Menge der Tänzerinnen. Wohl oder übel musste sie nach der Vorstellung beim Pförtner nachfragen. Das alles hätte sie sich wirklich gründlicher überlegen müssen, schalt sich Marlene.

Auf der Bühne entfaltete sich eine opulente Nummer in knallbunten Petticoats. Marlene mochte das Spektakel. Die Musik ging ihr ins Ohr und machte gute Laune. Gerade wollte sie das Opernglas zur Seite legen. Da fiel ihr Blick auf eine Tänzerin. Schnell nahm sie das Glas wieder zur Hand und folgte ihr. Doch es wollte ihr einfach nicht gelingen, deren Gesicht scharf zu bekommen. Dann endlich! Als das Ballett in der Schlusspose verharrte, fing Marlene die Tänzerin im Opernglas ein. Nicht möglich, dachte sie. Unmöglich! Das kann doch niemals sein!

VIERTES KAPITEL

Alles Zufall? Eine schlaflose Nacht.

Auf jeden Fall gibt es Telepathie.

Nach der Vorstellung hatten es alle eilig. Die einen wollten nach Hause zu ihren Familien. Andere wollten den Abend in kleiner Runde ausklingen lassen und verabredeten sich in den beliebtesten Lokalitäten, die um diese Zeit noch geöffnet hatten und die Heimat der Ostberliner Bohemiens waren: dem Künstlerclub »Die Möwe«, an der Bar im gegenüberliegenden Hotel »Sofia«, in den »Offenbachstuben« oder im »Operncafé«. Schließlich musste das Adrenalin abgebaut werden. Die Revue war wie immer gut gelaufen.

Chris spürte, wie sich ihr Magen bemerkbar machte. Sie hatte tagsüber so gut wie nichts gegessen. Erstens um leistungsfähig zu sein, aber vor allem um bei den Hebungen durch ihre Partner kein Pfund zu viel auf die Waage zu bringen. »Alex, Lilia möchte am Wochenende zu dir kommen«, rief sie ihrem Ex nach, der schon fast am Pförtner vorbei war. Alexander kam zurück. »Sonntag hab’ ich ’ne Mugge.« Ein musikalisches Gelegenheitsgeschäft, das ihm eine willkommene Nebeneinnahme war und die Möglichkeit gab, auch mal was anderes zu spielen.

»Ich muss unbedingt ausschlafen«, beschwerte sich Chris. Alexander seufzte. Er wusste, dass jede Diskussion zwecklos war, und willigte ein, Lilia am Freitag vom Balletttraining abzuholen und Sonntagnachmittag bei der Großmutter abzuliefern.

Chris gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Bist ein Schatz.« Sie ging noch einmal zurück in den zu dieser Zeit leeren Ballettsaal. Sie mochte die Stille. Konzentriert überprüfte sie ihre Bewegungen im Spiegel. Würde sie den Sprung in die Solokarriere schaffen? Stets fühlte sie sich nur halb, nicht würdig, nicht gut genug. Diese Selbstzweifel quälten Chris, seit sie denken konnte. Natürlich hing das wesentlich mit ihrem Beruf zusammen. Ihre Ausbildung, in der Spitzenleistungen gefordert worden waren, wo es Kritik hagelte und mit Lob gespart wurde, hatte aus ihr einen unsicheren Menschen gemacht. Auch ihre Ballettdirektorin war hart. Seit dem ersten Tag ihres Tänzerinnenlebens stand Chris unter Leistungsdruck. Versagensängste waren eine Last, die sie nur in ganz seltenen Momenten abschütteln konnte. Aber da war noch etwas anderes, etwas Unbekanntes, Dunkles, Geheimnisvolles, das diesen Dämon fütterte. Chris konnte dieses Andere nicht greifen, sosehr sie sich auch bemühte.

Plötzlich ging die Tür auf und Bettina Wilke kam herein. Die beiden Kolleginnen schauten sich verblüfft an. »Willst du dir einen Vorsprung erarbeiten?«, provozierte die Jüngere frech.

Chris nahm deren Tonfall auf. »Wer rastet, der rostet.«

Bettina schoss Chris ein Lächeln in den Spiegel und ging ihre Trainingsjacke und Wasserflasche holen, die sie am Nachmittag hier vergessen hatte. »Schönen Feierabend!«

»Dir auch«, erwiderte Chris, stützte sich auf die Stange und betrachtete sich im Spiegel. Was hatte das Leben mit ihr vor?

Versteckt im Schatten eines Hauseinganges beobachtete Marlene von der gegenüberliegenden Straßenseite aus nervös den Bühneneingang. Die Frau, die sie auf der Bühne gesehen hatte … mein Gott … das konnte wirklich nicht sein. Sicher bildete sie sich alles nur ein oder diese Christine Steffen war eine ganz andere Person.

Allein oder in Grüppchen verließen die Mitglieder des Ensembles den Palast. Die Stimmung war ausgelassen. Plötzlich kam Sturm auf. Schneeregen begann. Marlene schob sich so dicht wie möglich an die geschlossene Tür in ihrem Rücken. Die wenigen, die jetzt noch den Palast verließen, Garderobiere und Bühnenarbeiter, suchten nach ihren Schirmen oder rannten zu den Autos. Dann kam lange niemand. Der Pförtner trat vor die Tür und klapperte mit dem Schlüsselbund. Marlene hatte keinen Schirm, und der Hauseingang war zu schmal, um ihr wirklich Schutz zu bieten. Vor Kälte – oder vor Aufregung – klapperte sie mit den Zähnen und überlegte, ob sie die Tänzerin vielleicht verpasst hatte. Gerade wollte Marlene aufgeben. Da kam sie.

Chris blieb unter dem Vordach des Bühneneingangs stehen und schien zu überlegen, ob sie sich in das nasse Schneetreiben wagen sollte oder abwarten. Marlene trat ins Licht einer Straßenlaterne. Sie sahen sich über die Distanz der schmalen Straße durch die Schneeflocken hindurch an.

»Warten Sie auf jemanden?«, rief Chris.

»Bist du Christine Steffen?«

Chris verließ das schützende Dach, ging die paar Stufen hinunter und kam auf sie zu. Nun standen sie sich auf der Straße direkt gegenüber. Das Tauwasser lief den Frauen übers Haar und Gesicht. Und je nasser sie wurden, desto unleugbarer war, was sie sahen.

»Wer bist du?«, entfuhr es Chris und es klang wie ein Schrei des Entsetzens. »Wieso … siehst du so aus wie ich?«

»Keine Ahnung. Sag du’s mir«, erwiderte Marlene bibbernd vor Kälte.

Chris fasste sich und zog Marlene mit sich zurück zum Bühneneingang, die Stufen hinauf, unters Vordach. Der Hausmeister hatte die Tür bereits verschlossen.

»17. Mai 1961«, nannte Chris ihr Geburtsdatum und wünschte inständig, dass die Fremde ein anderes sagen würde.

Marlene nickte und schüttelte Wasser von ihrem Mantel.

»In Berlin?«, fragte Chris aufgeregt weiter.

»Bamberg«, korrigierte Marlene. Sie hatte das Gefühl, neben sich zu stehen.

»Bamberg? Ist das nicht im Westen?« Ein letzter Rest Hoffnung, dass alles ein riesengroßer Zufall war, denn sie waren zwar am gleichen Tag, aber in den zwei verschiedenen deutschen Staaten geboren worden. Da konnte es keine Verbindung geben, dachte Chris konfus.

»Ja, in Bayern«, bestätigte Marlene und zog den Mantel fester um sich. »Hast du Eltern?«

Chris schaute in das Gesicht der anderen, die aussah wie eine exakte Kopie ihrer selbst. Die Augen, die Nase … »Nur eine Mutter. Und du?«

»Ich habe beides. Mutter und Vater.« Plötzlich spürte Marlene einen Stich. Wenn das hier stimmte, dann war einer ihrer Eltern womöglich nicht … Sie schluckte.

»Vielleicht ist eine von uns adoptiert worden?«, tastete sich Chris mit einer Erklärung vor – und meinte Marlene. Die nickte wie unter Schock. »Was ist mit deinem Vater?«

»Ist kurz nach meiner Geburt gestorben«, sagte Chris, ohne zu zögern. »Vielleicht hast du bei uns im Osten gelebt. Früher. Vor dem Mauerbau?«

»Nein, nie. Ich wüsste auch nicht, dass meine Mutter oder mein Vater mal hier waren. Im Gegenteil.« Marlene dachte an ihren Vater, der sich bei jeder anstehenden Geschäftsreise nach »drüben« wegduckte. Erschrocken blickte sie auf ihre Armbanduhr. »Mist. Ich muss los.«

»Wieso, wohin denn?«

»Na, rüber. Mein Visum geht nur bis Mitternacht. Dann muss ich die Grenze passiert haben.«

Chris verstand sofort.

Sie rannten die wenigen Stufen vom Bühneneingang auf die Seitenstraße, weiter auf die Friedrichstraße und dort durch den Schneeregen zum Grenzübergang. Es war ein flaches Gebäude am Ufer der Spree neben der Bahnlinie Richtung Westen, im Volksmund »Tränenpalast« genannt, wegen der vielen Trennungen, die dort stattfanden.

Der Abschied war kurz und hektisch. Marlene musste sich beeilen, dass sie noch rechtzeitig durch die Passkontrolle kam.

»Wie heißt du eigentlich?«, rief Chris ihr durch das Schneetreiben nach.

»Marlene. Marlene Wenninger.«

»Ich heiße Christine, also Chris.«

»Ist es sicher, dass dein Vater gestorben ist?«, rief Marlene über die breite Straße zurück.

Chris nickte überzeugt. »Verkehrsunfall.«

Marlene winkte und ging in das Gebäude. Dass sich dort ein schwer bewachter Grenzübergang befand, war kaum vorstellbar.

Chris stand benommen im Halbdunkel der Friedrichstraße, auf der um diese Tageszeit nur wenig Verkehr war. Sie war inzwischen klitschnass. Plötzlich schob sich ein Schirm über sie. Erschrocken fuhr sie herum. Hinter ihr war Georg. »Ach, du!« Aufgewühlt schaute sie in das offene Gesicht ihres Freundes. Er arbeitete als Orthopäde in der Charité und war auf dem Heimweg.

»Hast du die Frau da eben gesehen?« Chris’ Stimme überschlug sich vor Aufregung. Sie zeigte auf den Tränenpalast.

»Nee! Ich hab nur dich gesehen. Was machst du denn hier um diese Zeit? Hattest du Besuch aus dem Westen?«, fragte er verwundert. »Du bist ja vollkommen nass.« Georg zog ein Papiertaschentuch aus seiner Jackentasche und reichte es ihr.

Chris trocknete sich endlich das Gesicht ab und sagte dabei: »Das war wahrscheinlich meine Zwillingsschwester.«

Georg wich irritiert zurück. Er kannte Chris jetzt fast ihr ganzes Leben und niemals war von einer Schwester die Rede gewesen.

Kurze Zeit später standen sie in Chris’ Küche. Georg setzte einen Wasserkessel auf den Gasherd, um Tee zu kochen. Chris föhnte sich das Haar trocken und zog sich einen Pullover über. Lilia schlief bereits tief und fest.

»Das würde doch bedeuten, dass mir Mutti …« Chris konnte den Satz nicht beenden. Der Abgrund, der sich auftat, war einfach zu tief. Georg tat es für Chris. »… dass sie dich ein Leben lang belogen hat.«

Chris hatte immer gedacht, dass ihr Vater nur eine flüchtige Beziehung ihrer Mutter gewesen war und es deshalb keine Fotos von ihm gab. War Marlenes Vater womöglich auch ihr leiblicher Vater und damit noch am Leben? Oder ihre Mutter nicht ihre richtige Mutter? Nein, dafür sahen sie sich zu ähnlich. Wie konnte das alles sein? Chris hätte ihre Hand ins Feuer gelegt, dass in ihrer Familie die Wahrheit oberstes Gebot war. »Gibt’s eigentlich so was, dass sich Fremde vollkommen ähnlich sein können, ohne dass sie verwandt sind?«, fragte sie voller Hoffnung.

»Es war dunkel. Es hat geregnet. Ihr wart aufgeregt. Vielleicht habt ihr euch auch nur was eingebildet?«, versuchte Georg seine Freundin zu beruhigen.

»Nein.« Chris schüttelte den Kopf. »Wir sind am gleichen Tag geboren, aber jede in einer anderen Stadt.« Ihr Kopf brummte, ihr Magen rebellierte. Sie wusste beim besten Willen nicht mehr, was sie denken sollte.

»Ein Doppelgänger im Westen, das könnte mir auch gefallen.« Georg wollte die Stimmung auflockern. Als der Kessel pfiff, goss er das kochende Wasser über den schwarzen Tee in die Kanne aus Jenaer Glas. »Wir sind vor der Mauer geboren, Chris, da war Berlin noch eine ganze Stadt. Vielleicht hast du Verwandtschaft drüben, von der du gar nichts weißt.« Georg goss zwei Gläser ein und nahm auf dem alten Sofa vor dem Esstisch Platz.