Der Prediger von Fjällbacka - Camilla Läckberg - E-Book
SONDERANGEBOT

Der Prediger von Fjällbacka E-Book

Camilla Läckberg

0,0
8,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 8,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mitten in der Urlaubssaison wird im mondänen Badeort Fjällbacka eine deutsche Urlauberin tot aufgefunden. In ihrer Nähe tauchen die Skelette zweier vor Jahrzehnten verschwundener Frauen auf. Zum Entsetzen der Tourismusindustrie wird kurz darauf eine weitere Frau entführt. In ihrem zweiten Fall kämpfen Erica Falck und Patrik Hedström mit sommerlicher Hitze und religiösem Fanatismus. Die hochschwangere Schriftstellerin und der Kommissar, mit dem sie inzwischen zusammenlebt, ermitteln unter Hochdruck. In ihr Visier rückt schon bald die zerrüttete Familie des freikirchlichen Predigers Ephraim Hult, dessen Söhne Johannes und Gabriel in der Vergangenheit blutige Schuld auf sich geladen haben. Es ist nicht der Gott der Versöhnung, dem die Hults dienen. Es ist der Gott der Rache.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

Es ist ein heißer Sommer, wie ihn Schweden seit Jahren nicht mehr erlebt hat. Die hochschwangere Erica und ihr Mann Patrik freuen sich auf ihr erstes Kind und genießen die Tage am Meer. Doch dann wird der junge Kommissar ins Revier gerufen: In der Königsschlucht hat man die Leiche einer Frau entdeckt. Dabei handelt es sich um eine deutsche Touristin, die auf grausame Art gefoltert wurde. Nicht genug damit – unter dem leblosen Körper finden sich die Skelette zweier Frauen, die vor fünfundzwanzig Jahren spurlos verschwunden waren; sie weisen die gleichen Misshandlungen wie das jüngste Opfer auf. Das neuerliche Verbrechen kann nur gelöst werden, wenn die alten Gräueltaten aufgeklärt werden. Alle Spuren führen unweigerlich zur Familie des freikirchlichen Predigers Ephraim Hult. Obwohl er längst verstorben ist, stehen seine Söhne und Enkel noch immer im Bann dieses charismatischen Mannes. Es ist nicht der Gott der Versöhnung, dem die Mitglieder der Familie dienen. Es ist der Gott der Rache, der Gott der blutigen Vergeltung.

Die Autorin

Camilla Läckberg, Jahrgang 1974, stammt aus Fjällbacka – der kleine Ort und seine Umgebung sind Schauplatz ihrer Kriminalromane. Weltweit hat Läckberg inzwischen zwölf Millionen Bücher verkauft, sie ist Schwedens erfolgreichste Autorin. Heute lebt Camilla Läckberg mit ihren Kindern in einer großen Patchworkfamilie in Stockholm.

www.camillalackberg.com

Von Camilla Läckberg sind in unserem Hause bereits erschienen:

In der Serie »Ein Falck-hedström-Krimi«:

Die Eisprinzessin schläft

Der Prediger von Fjällbacka

Die Totgesagten

Engel aus Eis

Meerjungfrau

Der Leuchtturmwärter

Die Engelmacherin 

Außerdem:

Schneesturm und Mandelduft

Camilla Läckberg

Der Prediger von Fjällbacka

Kriminalroman

Aus dem Schwedischenvon Gisela Kosubek

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:

www.ullstein-taschenbuch.de

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

ISBN 978-3-8437-1106-7

Neuausgabe im Ullstein Taschenbuch

1. Auflage Februar 2015

Alle Rechte an der Übertragung ins Deutsche bei Gustav Kiepenheuer Verlag GmbH, Berlin 2006

© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2015

© Camilla Läckberg

Titel der schwedischen Originalausgabe: Predikanten (Forum, Schweden 2004)

Umschlaggestaltung: bürosüd° GmbH, München

Titelabbildung: © Plainpicture

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzung wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

eBook-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

1

Der Tag begann vielversprechend. Er wachte zeitig auf, noch vor dem Rest der Familie, und nachdem er sich so lautlos wie möglich angezogen hatte, konnte er unbemerkt nach draußen entwischen. Es gelang ihm, Ritterhelm und Holzschwert mitzunehmen, und letzteres schwang er nun glücklich, während er die hundert Meter vom Haus bis zum Eingang der Königsschlucht rannte. Er blieb einen Augenblick stehen und blickte ehrfürchtig in die Kluft mitten im Berg. Es war nicht viel Platz zwischen den Felswänden, die gut zehn Meter zum Himmel aufragten, wo die Sommersonne gerade begonnen hatte, nach oben zu klettern. Drei große Felsblöcke waren für ewig mitten in der Spalte hängengeblieben und boten einen eindrucksvollen Anblick. Der Ort hatte eine magische Anziehungskraft für einen Sechsjährigen, und die Tatsache, daß die Königsschlucht verbotenes Gebiet war, machte sie um so verlockender.

Den Namen hatte sie erhalten, als Oscar II. Ende des 19. Jahrhunderts Fjällbacka besucht hatte, aber davon wußte der Junge nichts, und es interessierte ihn auch nicht, als er sich jetzt vorsichtig zwischen die Schatten schlich, das Holzschwert zum Angriff erhoben. Sein Papa aber hatte ihm erzählt, daß die Szenen in der Höllenschlucht aus dem Film »Ronja Räubertochter« in der Königsschlucht gedreht worden waren, und als er den Film dann selber sah, war er ganz besonders aufgeregt, als der Räuberhäuptling Mattis dort durchritt. Manchmal spielte er hier Räuber, heute aber war er ein Ritter. Ein Ritter der Tafelrunde, wie in dem großen, schönen Bilderbuch, das er von Großmutter zum Geburtstag bekommen hatte.

Vorsichtig schlich er über die großen Felsbrocken, die den Boden bedeckten, und machte sich bereit, den gewaltigen feuerspeienden Drachen mit seinem Schwert kühn anzugreifen. Die Strahlen der Sommersonne reichten nicht bis in den Spalt hinunter, wodurch es hier kalt und dunkel war. Der perfekte Ort für einen Drachen. Bald würde er dem Ungeheuer den Hals aufschlitzen, so daß das Blut nur so spritzte, und nach einem lang andauernden Todeskampf würde es leblos vor seine Füße stürzen.

Irgend etwas im Augenwinkel erregte seine Aufmerksamkeit. Ein Stück roter Stoff lockte hinter einem großen Stein, und die Neugier siegte. Vielleicht war dort ein Schatz verborgen. Er nahm Anlauf, sprang auf den Stein und schaute auf die andere Seite. Fast wäre er rückwärts hinuntergefallen, aber nachdem er ein paar Sekunden mit den Armen rudernd hin und her geschwankt war, fand er das Gleichgewicht wieder. Hinterher würde er nicht zugeben, daß er Angst bekommen hatte, aber genau in diesem Augenblick hatte er mehr Angst gehabt als in seinem ganzen bisherigen Leben. Eine Frau lag dort und belauerte ihn. Sie lag auf dem Rücken und schaute mit starrem Blick direkt zu ihm hoch. Seine erste Reaktion war zu fliehen, bevor sie ihn packte und dahinterkam, daß er hier spielte, obwohl es verboten war. Vielleicht würde sie aus ihm herauspressen, wo er wohnte, und ihn nach Hause zu Papa und Mama schleppen, die furchtbar böse werden und fragen würden, wie oft sie es ihm denn noch verbieten sollten, ohne Erwachsene zu der Schlucht zu gehen.

Aber das merkwürdige war, daß sich die Frau nicht rührte. Sie hatte auch keine Sachen an, und einen Moment wurde er ganz verlegen, weil er dastand und eine nackte Frau anschaute. Das Rote, was er bemerkt hatte, war kein Stück Stoff, sondern eine Tasche, die direkt neben ihr lag, aber er konnte nirgendwo Kleider sehen. Komisch, hier einfach nackt dazuliegen. Es war doch so kalt.

Dann kam ihm der unmögliche Gedanke, daß die Frau vielleicht tot war! Ihm fiel keine andere Erklärung dafür ein, weshalb sie so still dalag. Diese Erkenntnis ließ ihn vom Stein springen und langsam zum Eingang der Schlucht zurückweichen. Nachdem er ein paar Meter zwischen sich und die tote Frau gebracht hatte, drehte er sich um und rannte, so schnell er konnte, nach Hause. Es war ihm jetzt egal, ob man ihn ausschimpfte.

Der Schweiß ließ das Laken am Körper kleben. Erica wälzte sich im Bett hin und her, aber es war unmöglich, eine bequeme Schlafposition zu finden. Die helle Sommernacht machte das Einschlafen nicht gerade leichter, und zum tausendstenmal nahm sie sich vor, Verdunklungsgardinen zu kaufen und sie schnell anzubringen – vielmehr es von Patrik machen zu lassen.

Sein zufriedenes Schnaufen neben ihr brachte sie zur Weißglut. Wie konnte er sich unterstehen, neben ihr leise vor sich hin zu schnarchen, während sie Nacht für Nacht wach lag? Es war ja schließlich auch sein Baby. Müßte er nicht aus Sympathie oder dergleichen ebenfalls wach liegen? Sie stupste ihn ein bißchen, in der Hoffnung, daß er aufwachte. Keine Regung. Sie puffte ihn ein bißchen derber. Er grunzte, zog die Decke um sich und drehte sich auf die andere Seite.

Seufzend legte sie sich auf den Rücken, verschränkte die Arme über der Brust und starrte an die Decke. Der Bauch wölbte sich wie ein großer Globus in die Luft, und sie versuchte das Baby vor sich zu sehen, wie es dort drinnen im Dunkeln im Fruchtwasser schwamm. Vielleicht hatte es den Daumen im Mund. Doch noch war alles zu unwirklich, als daß ihr irgendwelche Säuglingsbilder vor Augen kamen. Sie war im achten Monat schwanger, aber konnte noch immer nicht begreifen, daß es da drinnen ein Baby gab. Nun ja, sehr bald würde das nur allzu wirklich sein. Erica wurde zwischen Sehnsucht und Furcht hin und her gerissen. Es war schwierig, sich die Zeit nach der Geburt vorzustellen. Wenn sie ehrlich sein sollte, konnte sie im Moment kaum über das Problem hinaussehen, nicht mehr auf dem Bauch schlafen zu können. Sie schaute auf die leuchtenden Ziffern des Weckers. Vier Uhr zweiundvierzig. Vielleicht sollte sie Licht machen und lieber ein bißchen lesen?

Dreieinhalb Stunden und einen schlechten Krimi später war sie gerade dabei, sich aus dem Bett zu wälzen, als das Telefon durchdringend klingelte. Sie reichte den Hörer wie gewohnt an Patrik weiter.

»Hallo, hier Patrik.« Seine Stimme klang schlaftrunken. »Ja, natürlich, o verdammt, ja, ich bin in einer Viertelstunde da. Wir sehen uns dort.«

Er drehte sich zu Erica um. »Wir haben einen Einsatz. Ich muß los.«

»Aber du hast doch Urlaub. Kann das nicht jemand anders machen?« Sie hörte, daß sie nörglig klang, aber eine Nacht ohne Schlaf war nicht gerade gut für die Stimmung.

»Es geht um Mord. Mellberg will, daß ich mitkomme. Er fährt auch raus.«

»Ein Mord? Wo denn?«

»Hier in Fjällbacka. Ein kleiner Junge hat heute morgen in der Königsschlucht eine tote Frau gefunden.«

Patrik kleidete sich rasch an, was dadurch erleichtert wurde, daß man sich mitten im Juli befand und nur luftige Sommersachen brauchte. Bevor er aus der Tür stürmte, stieg er noch einmal ins Bett und gab Erica einen Schmatz auf den Bauch, ungefähr dort, wo ihrer schwachen Erinnerung nach früher einmal der Nabel gesessen hatte.

»Mach’s gut, Bambino. Sei jetzt lieb zu Mama, dann bin ich bald wieder zu Hause.«

Er küßte Erica rasch auf die Wange und eilte los. Seufzend hievte sich Erica aus dem Bett und streifte eins der Zeltkleider über, zwischen denen sie im Moment nur wählen konnte. Obwohl sie es besser hätte wissen müssen, hatte sie massenweise Babybücher gelesen, und ihrer Meinung nach sollte man all die Leute, die vom freudvollen Dasein in der Schwangerschaft berichteten, auf den Marktplatz stellen und verprügeln. Kein Schlaf, Gliederschmerzen, Schwangerschaftsstreifen, Hämorrhoiden, Schweißausbrüche und Hormonstörungen allgemeinster Art entsprachen der Wahrheit viel mehr. Und sie leuchtete weiß Gott auch nicht, weil in ihr eine seligmachende Glut glomm. Brummelnd schlurfte sie die Treppe hinunter auf der Jagd nach der ersten Tasse Kaffee des Tages. Die würde hoffentlich dafür sorgen, daß sich die Nebel lichteten.

Als Patrik ankam, herrschte bereits fieberhafte Aktivität. Der Eingang zur Königsschlucht war mit gelbem Plastikband abgesperrt, und er zählte drei Streifenwagen und eine Ambulanz. Die Spurensicherung aus Uddevalla war bereits in die Arbeit vertieft, und er war erfahren genug, um nicht direkt in den Fundort hineinzutrampeln. Das waren Anfängerfehler, was seinen Chef, Kommissar Mellberg, jedoch nicht hinderte, direkt zwischen den Kriminaltechnikern herumzutapsen. Verzweifelt starrten die auf seine Kleidung und seine Schuhe, die in diesem Augenblick Tausende von Fasern und Partikeln an ihrem empfindlichen Arbeitsplatz hinterließen. Als Patrik vor dem Band stehenblieb und Mellberg zuwinkte, stieg der zur großen Erleichterung der Kollegen endlich über die Absperrung nach draußen.

»Grüß dich, Hedström.«

Seine Stimme klang herzlich, ja fast erfreut, und Patrik zuckte vor Verwunderung zusammen. Einen Augenblick lang glaubte er, Mellberg sei im Begriff, ihn zu umarmen, aber glücklicherweise war das nur ein Gefühl. Der Mann wirkte wie verwandelt! Es war nicht länger als eine Woche her, daß Patrik in Urlaub gegangen war, aber sein Chef war wirklich nicht mehr jener Mann, der mit mürrischer Miene am Schreibtisch gesessen und gebrummelt hatte, daß Urlaub überhaupt abgeschafft werden müßte.

Mellberg schüttelte Patrik eifrig die Hand und klopfte ihm auf den Rücken.

»Und wie steht’s mit der Legehenne zu Hause? Wird’s nun bald was, oder?«

»Nicht eher als in anderthalb Monaten, laut den Ärzten.«

Patrik konnte noch immer nicht verstehen, was bei Mellberg diese Freudenäußerung hervorgerufen hatte, aber er schob die Neugier beiseite und versuchte sich auf den Anlaß seines Hierseins zu konzentrieren.

»Was habt ihr gefunden?«

Mellberg machte eine Kraftanstrengung, um das Lächeln aus seinem Gesicht zu verbannen, und wies in das schattige Innere der Schlucht.

»Ein kleiner Junge, etwa sechs Jahre alt, hat sich heute früh zeitig aus dem Haus geschlichen, während seine Eltern noch schliefen. Er wollte wohl hier zwischen den Felsblöcken den mutigen Ritter spielen. Statt dessen fand er eine tote Frau. Wir sind Viertel nach sechs alarmiert worden.«

»Wie lange hat die Spurensicherung den Fundort schon untersucht?«

»Sie sind vor einer Stunde gekommen. Der Krankenwagen war zuerst da, und der Notarzt konnte sofort bestätigen, daß irgendwelche medizinischen Maßnahmen nicht erforderlich waren, von da an hatte die Spurensicherung freie Hand. Sind ja wirklich ein bißchen penibel, diese Burschen … Ich wollte mich dort drinnen nur ein wenig umsehen, und ich muß schon sagen, sie haben sich richtig ungehobelt benommen. Ja, ja, man wird wohl ziemlich anal, wenn man den ganzen Tag auf der Erde rumkriecht und mit der Pinzette nach Fasern sucht.«

Jetzt erkannte Patrik seinen Chef wieder. Das hier waren schon eher Mellbergs Töne. Doch wußte Patrik, aus Erfahrung weise geworden, daß es sich nicht lohnte, dessen Auffassungen zu korrigieren. Es war leichter, das Ganze einfach zum einen Ohr rein und zum anderen wieder rauszulassen.

»Was wissen wir über die Frau?«

»Im Moment nichts. Vermutlich um die fünfundzwanzig. Das einzige Kleidungsstück, wenn man es nun so nennen kann, ist eine Handtasche, ansonsten ist sie splitternackt. Übrigens ziemlich anständige Titten.«

Patrik schloß die Augen und wiederholte in Gedanken, gleich einem stillen Mantra: Es dauert nicht mehr lange, bis er in Pension geht. Es dauert nicht mehr lange …

Mellberg fuhr ungerührt fort: »Es läßt sich keine offensichtliche Todesursache feststellen, aber sie ist ziemlich übel zugerichtet. Am ganzen Körper blaue Flecken und so einige Wunden, vermutlich Messerstiche. Und, ach ja, sie liegt auf einer grauen Decke. Der Gerichtsmediziner ist hier und sieht sie sich an, so daß wir hoffentlich recht bald eine vorläufige Einschätzung erhalten.«

»Es ist niemand in ihrem Alter als vermißt gemeldet?«

»Nein, nicht mal annähernd. Neulich wurde das Verschwinden eines Kerls gemeldet, aber es stellte sich heraus, daß er es nur satt hatte, mit seiner Alten eingeklemmt im Wohnwagen zu hocken. Statt dessen ist er mit einer Mieze abgezogen, die er in der ›Galeere‹ kennengelernt hatte.«

Patrik sah, daß das Team um die tote Frau jetzt dabei war, sie vorsichtig in einen Leichensack zu heben. Über Hände und Füße hatte man, wie es Vorschrift war, Plastiktüten gezogen, um keine eventuellen Spuren zu vernichten. Routiniert verstauten die Kriminaltechniker aus Uddevalla die Frau im Sack. Dann mußte auch die Decke, auf der sie gelegen hatte, in einer Plastiktüte verwahrt werden, damit man sie später gründlich untersuchen konnte.

Der verblüffte Ausdruck in den Gesichtern der Männer und die Art, wie sie mitten in der Bewegung erstarrten, sagten Patrik, daß etwas Unerwartetes eingetroffen war.

»Was ist los?«

»Ihr werdet es nicht glauben, aber hier liegen Knochen. Und zwei Totenköpfe. Bei der Menge der Gebeine würde ich vermuten, daß sie ziemlich genau zwei Skelette ergeben.«

2

Sommer 1979

Sie schlingerte ziemlich, als sie in der Mittsommernacht nach Hause radelte. Die Feier war etwas heftiger ausgefallen, als sie geplant hatte, aber das spielte keine Rolle. Sie war schließlich erwachsen, also konnte sie ja wohl machen, was sie wollte. Das Beste von allem war, daß sie von dem Kind ein Weilchen losgekommen war. Diese Göre mit ihrem Geschrei, ihrem Bedürfnis nach Zärtlichkeit und ihren Forderungen nach etwas, das sie ihr nicht zu geben vermochte. Das Kind hatte schuld daran, daß sie noch immer zu Hause bei Mutter wohnen mußte und daß die Alte sie kaum vor die Tür ließ, obwohl sie bereits zwanzig war. Es war ein Wunder, daß man sie heute abend weggelassen hatte, damit sie Mittsommer feiern konnte.

Hätte sie das Kind nicht gehabt, würde sie zu diesen Zeitpunkt allein wohnen und eigenes Geld verdienen. Könnte ausgehen, wann sie wollte, und nach Hause kommen, wenn sie es selbst für richtig hielt, ohne daß jemand das Recht hätte, sich in die Sache einzumischen. Aber mit dem Kind ging das nicht. Am liebsten hätte sie die Göre weggegeben, aber darauf ließ sich die Mutter nicht ein, und den Preis dafür hatte ganz allein sie zu bezahlen. Wenn die Alte das Kind nun so gern behalten wollte, konnte sie sich ja wohl auch um die Göre kümmern.

Ganz sicher würde es ein Mordstheater geben, wenn sie im Morgengrauen so hier reingestolpert kam. Ihr Atem stank nach Alkohol, und das würde sie am nächsten Tag garantiert ausbaden dürfen. Aber das war die Sache wert gewesen. Soviel Spaß hatte sie nicht mehr gehabt, seit das Balg geboren war.

An der Tankstelle fuhr sie direkt über die Kreuzung und blieb noch ein Stück auf der Straße. Dann bog sie nach links Richtung Bräcke ab, wobei sie fast im Straßengraben gelandet wäre. Das Fahrrad richtete sich wieder auf, und sie beschleunigte das Tempo, um für das erste steile Stück ein bißchen Extraschwung zu haben. Der Fahrtwind ließ ihr Haar wehen, und die helle Sommernacht war völlig still. Für einen Moment schloß sie die Augen und dachte an jene helle Sommernacht, als sie von dem Deutschen schwanger geworden war. Es war eine herrliche und verbotene Nacht gewesen, aber das Ganze war den Preis nicht wert, den sie hatte bezahlen müssen.

Plötzlich öffnete sie wieder die Augen. Etwas hielt das Rad abrupt an, und das letzte, woran sie sich erinnerte, war die Erde, die ihr mit rasender Geschwindigkeit entgegenkam.

Zurück im Revier, versank Mellberg ganz gegen seine Gewohnheit in tiefe Gedanken. Patrik sagte ebenfalls nicht viel, als er ihm im Pausenzimmer gegenübersaß, sondern überdachte die Ereignisse des Morgens. Eigentlich war es zu warm, um Kaffee zu trinken, aber er brauchte etwas Stärkendes, und Alkohol war kaum das richtige. Beide wedelten sich zerstreut Luft zu. Die Ventilation war seit zwei Wochen außer Betrieb, und es war ihnen noch immer nicht gelungen, jemanden zu bekommen, der sie reparieren konnte. Vormittags war es bisher noch erträglich, aber um die Mittagszeit erreichte die Hitze qualvolle Temperaturen.

»Was geht da vor sich, verdammt?« Mellberg kratzte sich nachdenklich irgendwo mitten in dem Haarnest, das auf seinem Kopf aufgebaut war, um den kahlen Scheitel zu verdekken.

»Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung. Eine Frauenleiche, die auf zwei Gerippen liegt. Wenn nicht wirklich jemand getötet worden wäre, hätte ich gedacht, daß es nach einem Dummejungenstreich aussieht. Skelette, die aus irgendeinem Biologieraum oder ähnlichem gestohlen wurden, aber es läßt sich ja nicht leugnen, daß die Frau ermordet worden ist. Ich habe auch eine Bemerkung von einem von der Spurensicherung gehört, der gesagt hat, daß die Gebeine nicht sonderlich frisch aussähen. Aber das hängt ja natürlich davon ab, wo sie sich befunden haben. Ob sie Wind und Wetter ausgesetzt waren oder irgendwo geschützt gelegen haben. Hoffentlich kann der Gerichtsmediziner eine ungefähre Angabe darüber machen, wie alt sie sind.«

»Ja, genau, wann, glaubst du, daß wir seinen ersten Bericht bekommen?« Mellberg legte die Stirn bekümmert in Falten.

»Im Laufe des Tages erhalten wir wohl die erste Einschätzung, dann dauert es vermutlich ein paar Tage, bevor er alles genauer durchgegangen ist. Also bis auf weiteres müssen wir mit dem arbeiten, was wir in Händen haben. Wo sind die anderen?«

Mellberg seufzte. »Gösta hat einen freien Tag. Irgendein verdammtes Golfturnier oder so was. Ernst und Martin sind auf einem Einsatz. Annika ist auf Teneriffa. Hatte wohl gedacht, es würde auch diesen Sommer hier bloß regnen. Das arme Luder. Muß nicht gerade Spaß gemacht haben, bei solchem Wetter aus Schweden wegzufahren.«

Patrik schaute Mellberg von neuem erstaunt an, verwundert über dessen ungewöhnliche Sympathieäußerung. Irgend etwas Merkwürdiges war im Gange, soviel war klar. Aber es lohnte sich nicht, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. Sie hatten wichtigere Dinge zu bedenken.

»Du hast zwar noch die ganze Woche Urlaub, aber könntest du dir vielleicht vorstellen, wieder herzukommen und bei der Sache mitzuhelfen? Ernst ist zu phantasielos und Martin zu unerfahren, um eine Ermittlung zu führen, also könnten wir deine Hilfe wirklich brauchen.«

Die Anfrage schmeichelte Patriks Eitelkeit so sehr, daß er stehenden Fußes akzeptierte, ohne groß darüber nachzudenken. Zwar würde ihm daheim vermutlich der Kopf gewaschen, aber er tröstete sich damit, daß es ja nur eine Viertelstunde bis nach Hause war, falls Erica ihn dringend benötigte. Außerdem waren sie sich bei der Hitze leicht auf die Nerven gegangen, also war es vielleicht sogar gut, daß er aus dem Haus war.

»Zunächst würde ich kontrollieren wollen, ob es Nachforschungen nach irgendeiner vermißten Frau gibt. Wir sollten die Suche deutlich ausweiten, zum Beispiel von Strömstad bis nach Göteborg runter. Ich werde Martin und Ernst bitten, die Sache zu verfolgen. Es klang so, als wären sie im Anmarsch.«

»Das ist gut, wirklich gut. Das ist der richtige Geist, mach weiter so!«

Mellberg erhob sich vom Kaffeetisch und klopfte Patrik heiter auf die Schulter. Patrik begriff, daß die Arbeit wie gewöhnlich an ihm hängenbleiben und Mellberg dann die Lorbeeren einheimsen würde, aber es brachte einfach nichts, sich noch weiter darüber aufzuregen.

Seufzend stellte er seine und auch Mellbergs Kaffeetasse in den Geschirrspüler. Heute würde er keinen Sonnenschutzfaktor benötigen.

»Raus mit euch, glaubt ihr, das hier ist eine verdammte Pension, wo ihr euch tagelang im Bett wälzen könnt?«

Die Stimme durchschnitt die dicken Nebelschichten und hallte schmerzhaft am Stirnbein wider. Johan öffnete vorsichtig ein Auge, schloß es aber sofort wieder, als es vom blendenden Licht der Sommersonne getroffen wurde.

»Scheiße …« Robert, sein ein Jahr älterer Bruder, drehte sich im Bett um und vergrub den Kopf unterm Kissen. Das wurde ihm brutal weggerissen, und er setzte sich brummend auf.

»Daß man in diesem Haus nie ausschlafen kann.«

»Ihr macht das hier schließlich jeden Tag, ihr Taugenichtse. Jetzt ist es schon fast zwölf. Wenn ihr euch nicht Nacht für Nacht rumtreiben und weiß der Himmel was machen würdet, dann müßtet ihr ja vielleicht nicht ewig im Bett liegen. Ich brauche einfach ein bißchen Hilfe bei allem. Ihr wohnt gratis und eßt gratis, erwachsene Kerle, die ihr seid, und da finde ich es nicht zuviel verlangt, daß ihr eurer armen Mutter ein bißchen zur Hand geht.«

Solveig Hult hielt die Arme vor ihrem enormen Leib verschränkt. Sie war krankhaft fett und hatte die Blässe einer Person, die nie vor die Tür geht. Die Haare waren ungewaschen und hingen in dunklen Strähnen um ihr Gesicht.

»Fast dreißig seid ihr jetzt und lebt noch immer von eurer Mutter. Wenn das keine echten Männer sind! Und wie könnt ihr es euch eigentlich leisten, jeden Abend einen draufzumachen, wenn ich mal fragen darf? Arbeiten tut ihr ja nicht, und einen Beitrag zum Haushaltsgeld bekomme ich auch nie zu sehen. Ich sage nur, wenn euer Vater jetzt hier gewesen wäre, dann gäbe es solche Faxen nicht! Habt ihr schon was vom Arbeitsamt gehört? Ihr solltet doch vorvorige Woche dorthin!«

Jetzt war es Johan, der sein Gesicht unter dem Kissen verbarg. Auch er versuchte dem ständigen und immergleichen Gemecker zu entgehen, doch auch ihm wurde das Kissen weggerissen, und er mußte sich aufsetzen. In seinem benebelten Kopf dröhnte es, als spielte dort eine ganze Blaskapelle.

»Das Frühstück habe ich schon lange weggeräumt. Jetzt müßt ihr euch selber was aus dem Kühlschrank holen.«

Solveigs gewaltiger Hintern schaukelte aus dem kleinen Zimmer, das sich die Brüder noch immer teilten, und sie knallte die Tür hinter sich zu. Die Burschen wagten es nicht, sich noch einmal hinzulegen, sondern griffen nach einer Schachtel Zigaretten und zündeten sich jeder eine an. Auf Frühstück konnten sie verzichten, aber die Kippe brachte die Lebensgeister in Schwung und brannte schön in der Kehle.

»Was für ein irrer Bruch gestern abend, stimmt’s?« Robert lachte und blies Ringe in die Luft. »Ich hab’ ja gesagt, daß die tolles Zeug zu Hause haben. Direktor in irgendeiner Stockholmer Firma, klar, daß die sich nur das Beste gönnen.«

Johan gab keine Antwort. Im Unterschied zu seinem älteren Bruder brachten ihm die Einbrüche nie einen Adrenalinkick, statt dessen lief er tagelang, sowohl vor als auch nach einer Aktion, mit einem riesigen kalten Angstklumpen im Bauch herum. Aber er hatte immer getan, was Robert gesagt hatte, und er kam nicht einmal auf die Idee, daß es anders sein könnte.

Der gestrige Einbruch hatte ihnen die größte Beute seit langem beschert. Sonst waren die Leute vorsichtig damit geworden, sich teure Sachen in die Ferienhäuser zu stellen, brachten vor allem alten Mist dahin, mit dem sie nichts mehr anzufangen wußten, oder Auktionskäufe, die sie für einen guten Fang hielten, die aber bloß einen Dreck wert waren. Gestern jedoch hatten sie einen neuen Fernseher, einen DVD-Player, Nintendo-Spiele und einen Haufen Schmuck von der Frau des Hauses erwischt. Robert würde die Sachen über die üblichen Kanäle verkaufen, und das würde ihnen ein hübsches Sümmchen einbringen. Nicht, daß es besonders lange reichen würde. Gestohlenes Geld brannte in der Tasche, und nach ein paar Wochen war davon nichts mehr übrig. Es wäre ausgegeben für Spiele, wildes Nachtleben mit großzügigen Einladungen und die eine oder andere Erwerbung. Johan betrachtete die teure Uhr, die er am Arm trug. Zum Glück verstand sich Mutter nicht darauf, Wertvolles zu erkennen, wenn sie es sah. Wüßte sie, was die hier gekostet hatte, würde das Gemecker kein Ende mehr nehmen.

Machmal war ihm, als säße er in einem Mäuserad fest, das sich immer nur drehte und drehte, während die Jahre vergingen. Nichts hatte sich eigentlich verändert, seit sie Teenager gewesen waren, und auch jetzt sah er kein Licht am Horizont. Das einzige, was seinem Leben inzwischen einen Sinn gab, war auch das einzige, was er Robert jemals verheimlicht hatte. Ein Urinstinkt sagte ihm, daß nichts Gutes dabei herauskäme, wenn er sich dem Bruder anvertraute. Robert mit seinen vulgären Kommentaren würde nur etwas Schmutziges daraus machen.

Eine Sekunde erlaubte er sich daran zu denken, wie weich doch ihr Haar seine rauhe Wange streichelte und wie klein ihre Hand wirkte, wenn er sie zwischen seinen Pranken hielt.

»Hör mal, sitz nicht da und träume. Wir haben was zu erledigen.«

Robert stand auf, die Zigarette im Mundwinkel, und ging durch die Tür voraus. Wie gewöhnlich folgte ihm Johan. Er konnte nicht anders.

In der Küche saß Solveig auf ihrem üblichen Platz. Seit seiner Kindheit, als das mit Papa passiert war, hatte er sie in ihrem Stuhl am Fenster sitzen sehen, während ihre Finger eifrig mit dem beschäftigt waren, was vor ihr auf dem Tisch lag. Nach seinen ersten Erinnerungen war sie schön gewesen, doch mit den Jahren hatte sich das Fett immer dicker auf Körper und Gesichtszüge gelegt.

Wie sie jetzt dasaß, wirkte es, als sei sie in Trance; die Finger lebten ein eigenes Leben, es war ein unablässiges Fummeln und Streicheln. Mehr als zwanzig Jahre lang hatte sie schon mit diesen verdammten Fotoalben zugebracht, hatte sortiert und umsortiert. Hatte neue Alben gekauft und die Fotos und Zeitungsausschnitte noch einmal eingesetzt. Schöner und besser. Er war nicht so dumm, daß er nicht verstand, daß sie auf diese Weise versuchte, glückliche Zeiten am Leben zu erhalten, aber irgendwann mußte sie wohl begreifen, daß all das seit langem vorbei war.

Die Bilder stammten aus den Jahren, als Solveig schön gewesen war. Der Höhepunkt ihres Lebens war der Augenblick, als sie Johannes Hult geheiratet hatte, den jüngsten Sohn von Ephraim Hult, dem berühmten Freikirchenpastor und Besitzer des größten Hofes der Gegend. Johannes sah gut aus und war reich, und sie war zwar arm, doch war sie das schönste Mädchen, das Bohuslän zu bieten hatte, das sagten damals alle. Und wenn es weiterer Beweise bedurfte, dann reichten die Artikel, die sie von damals aufgehoben hatte, als man sie zwei Jahre hintereinander zur Maikönigin gekrönt hatte. Diese Artikel und die vielen Schwarzweißfotos von ihr selbst als junges Mädchen waren es, die sie Tag für Tag seit über zwanzig Jahren sorgfältig sortierte. Sie wußte, daß dieses Mädchen noch irgendwo unter den Fettschichten existierte, und durch die Bilder konnte sie es lebendig halten, auch wenn es ihr mit jedem weiteren Jahr mehr und mehr entglitt.

Mit einem letzten Blick über die Schulter verließ Johan seine Mutter, die in der Küche sitzen blieb, und folgte Robert dicht auf den Fersen. Es war, wie Robert gesagt hatte: Sie hatten was zu erledigen.

Erica überlegte, ob sie einen Spaziergang machen sollte, kam aber zu dem Schluß, daß es vielleicht nicht besonders klug war, ihn ausgerechnet jetzt zu machen, wo die Sonne am höchsten stand und die Luft vor Hitze flimmerte. Sie hatte sich die ganze Schwangerschaft über großartig gefühlt, bis zu dem Moment, wo die Hitzewelle angebrochen war. Seitdem kam sie sich meist wie ein verschwitzter Wal vor, und sie versuchte verzweifelt irgendwo Kühle zu finden. Patrik, Gott segne ihn, war auf den Einfall gekommen, ihr einen Tischventilator zu kaufen, und den schleppte sie jetzt wie eine Kostbarkeit überall im Haus mit sich herum. Der Nachteil war, daß er mit Strom betrieben wurde, also konnte sie nie weiter von einer Steckdose entfernt sitzen, als die Schnur zuließ, was die Wahlmöglichkeiten begrenzte.

Aber in der Veranda war die Dose perfekt angebracht, und so konnte sich Erica auf dem Sofa ausbreiten, den Ventilator vor sich auf dem Tisch. Keine Position war länger als fünf Minuten bequem, weshalb sie sich ständig hin und her warf bei dem Versuch, eine günstige Stellung zu finden. In manchen Positionen bekam sie einen Fuß in die Rippen, oder etwas, das vermutlich eine Hand war, bestand darauf, sie in die Seite zu boxen, und da war sie gezwungen, sich erneut zu drehen. Wie sie das noch mehr als einen Monat aushalten sollte, war ihr ein Rätsel.

Patrik und sie waren erst ein halbes Jahr zusammen gewesen, als sie schwanger wurde, aber merkwürdigerweise bereitete das keinem von ihnen irgendwelches Kopfzerbrechen. Sie waren beide nicht mehr blutjung, wußten etwas besser, was sie wollten, und fanden, daß es keinen Grund zum Warten gab. Erst jetzt bekam Erica kalte Füße, und das kam ihr reichlich verspätet vor. Vielleicht hatten sie ja zuwenig Alltag miteinander erlebt, bevor sie sich auf das hier eingelassen hatten. Wie würde es ihrer Beziehung bekommen, wenn plötzlich ein kleiner Fremdling auftauchte, der all die Aufmerksamkeit erforderte, die sie bisher einander widmen konnten?

Zwar war die stürmische, blinde Verliebtheit der ersten Zeit vorbei, und ihre Beziehung hatte eine realistischere, im Alltag verankerte Grundlage bekommen, die einen gesunden Einblick in die guten und schlechten Seiten des anderen gewährte, aber was, wenn in der abklingenden Erregung nach dem Kind nur die schlechten Seiten zurückblieben? Wie viele Male hatte sie von der Statistik gehört, laut der im ersten Kindsjahr unzählige Beziehungen in die Brüche gegangen waren? Nun ja, es hatte, wie gesagt, keinen Zweck, jetzt darüber nachzugrübeln. Geschehen ist geschehen, und es ließ sich auch nicht leugnen, daß sie und genauso Patrik sich mit jeder Faser ihres Leibes nach diesem Kind gesehnt hatten. Hoffentlich würde diese Sehnsucht ausreichen, um die umwälzende Veränderung zu überstehen.

Sie zuckte zusammen, als das Telefon klingelte. Mühsam kämpfte sie sich vom Sofa hoch und hoffte, daß der Anrufer genügend Geduld aufbrachte, um nicht aufzulegen, bevor sie den Apparat erreicht hatte.

»Ja, hallo? – Ach, grüß dich, Conny. – Danke, gut, ist nur ein bißchen zu warm für diesen Zustand. – Besuchen? Ja, sicher … ihr seid zum Kaffee eingeladen. – Übernachten? Jaaa …« Erica seufzte im Inneren. »Ja, selbstverständlich. Wann kommt ihr? – Heute abend! Ja, nein, das ist natürlich kein Problem. Ich richte das Gästezimmer her.«

Müde legte sie den Hörer auf. Ein Haus in Fjällbacka zu besitzen hatte im Sommer einen großen Nachteil. Plötzlich tauchten alle möglichen Verwandten und Bekannten auf, die in den zehn kälteren Monaten nichts von sich hatten hören lassen. Im November zeigten sie sich nicht sonderlich an einem Zusammentreffen interessiert, aber im Juli sahen sie die Chance, eine kostenlose Unterkunft mit Meeresblick zu erhalten. Erica hatte geglaubt, daß sie diesen Sommer verschont blieben, da der halbe Juli vergangen war, ohne daß sich jemand gemeldet hatte. Aber jetzt hatte ihr Cousin Conny angerufen und war mit Frau und zwei Kindern schon unterwegs von Trollhättan nach Fjällbacka. Es ging nur um eine Nacht, also würde sie es wohl aushalten. Zwar hatte sie keinen ihrer beiden Cousins je besonders gemocht, aber ihre Erziehung machte es ihr unmöglich, ihnen das Kommen zu verweigern, obwohl sie das eigentlich tun müßte, denn ihrer Meinung nach waren diese Leute die reinsten Schmarotzer.

Erica war allerdings dankbar dafür, daß sie und Patrik ein Haus in Fjällbacka besaßen, in dem sie Gäste, uneingeladen oder nicht, empfangen konnten. Nach dem plötzlichen Ableben ihrer Eltern hatte ihr Schwager versucht, den Verkauf des Hauses durchzudrücken. Aber ihre Schwester Anna hatte schließlich von seinen physischen und psychischen Übergriffen genug gehabt. Sie hatte sich von Lucas scheiden lassen und war jetzt zusammen mit Erica Eigentümerin des Hauses. Da Anna mit ihren zwei Kindern in Stockholm wohnen blieb, hatten Patrik und Erica in dem Haus in Fjällbacka zusammenziehen können und dafür sämtliche Kosten übernommen. Noch früh genug würden sie eine endgültige Lösung für dieses Problem finden müssen, doch bis dahin war Erica einfach nur froh, daß sie das Haus noch immer besaß und jetzt das ganze Jahr über hier wohnen konnte.

Erica schaute sich um, und ihr wurde klar, daß sie ein bißchen in Trab kommen mußte, wenn die Räume bis zur Ankunft der Gäste standesgemäß aussehen sollten. Sie überlegte, was Patrik wohl sagen würde, wenn sie hier so überfallen würden, doch gleich warf sie den Kopf in den Nacken und dachte, wenn er sie mitten im Urlaub allein lassen konnte und einfach wieder arbeiten ging, dann hatte sie ja wohl das Recht, Gäste zu empfangen, wann immer sie wollte. Sie hatte bereits vergessen, daß sie es eigentlich ganz schön gefunden hatte, ihn nicht ständig zu Hause zu haben.

Patrik hatte beschlossen, Ernst und Martin als erstes mit der Angelegenheit bekannt zu machen. Er rief sie in sein Zimmer, und sie nahmen vor seinem Schreibtisch Platz. Es ließ sich nicht übersehen, daß Ernst vor Empörung darüber, daß man Patrik zum Leiter der Ermittlungen bestimmt hatte, hochrot im Gesicht war, aber Patrik zog es vor, die Sache einfach zu ignorieren. Das war eine Angelegenheit, die Mellberg zu verantworten hatte, schlimmstenfalls kam er auch ohne Hilfe von Ernst aus, falls der Kollege die Zusammenarbeit verweigerte.

»Ich vermute, daß ihr bereits gehört habt, was passiert ist.«

»Ja, wir haben es über den Polizeifunk erfahren.« Martin, jung und voller Enthusiasmus, saß im Unterschied zu Ernst kerzengerade auf dem Stuhl, einen Notizblock auf dem Schoß und den Kuli in Bereitschaft.

»Eine Frau ist also in der Königsschlucht von Fjällbacka ermordet aufgefunden worden. Sie war unbekleidet und sah aus, als wäre sie so zwischen zwanzig und dreißig. Unter ihrem Körper fand man zwei menschliche Gerippe unbekannten Ursprungs und Alters, aber Karlström von der Spurensicherung gab mir inoffiziell zu verstehen, daß sie vermutlich nicht direkt frisch sind. Also haben wir wohl eine Menge Arbeit vor uns, neben all den alkoholbedingten Krawallen und dem Ärger mit den Betrunkenen am Steuer, mit denen wir schon bis über die Ohren ausgelastet sind. Und sowohl Annika als auch Gösta haben ja Urlaub, also müssen wir so lange selbst die Ärmel hochkrempeln. Ich habe zwar diese Woche auch frei, aber bin einverstanden, statt dessen zu arbeiten, und auf Wunsch Mellbergs werde ich also diese Untersuchung hier leiten. Fragen dazu?«

Die Frage war in erster Linie an Ernst gerichtet, der es jedoch vorzog, einer Konfrontation auszuweichen, bestimmt aber würde er hinter Patriks Rücken seinem Unmut Luft machen.

»Sag, was ich machen soll.« Martin glich einem nervösen Pferd im Pferch und ließ jetzt seinen Stift ungeduldig über dem Notizblock kreisen.

»Ich möchte, daß du zu Beginn im SIS kontrollierst, was es für Anzeigen über Frauen gibt, die in, sagen wir, den letzten zwei Monaten verschwunden sind. Besser, wir fassen den Zeitraum etwas weiter, bis wir von der Gerichtsmedizin Näheres erfahren. Obwohl ich annehmen würde, daß der Todesfall zeitlich bedeutend näher liegt, vielleicht ist das Ganze erst vor wenigen Tagen passiert.«

»Hast du es nicht gehört?« fragte Martin.

»Was nicht gehört?«

»Daß die Datenbank streikt. Wir müssen auf das SIS pfeifen und es auf die alterprobte Weise tun.«

»Scheiße. Was für ein Timing. Also, nachdem bei uns keine offene Meldung über ein Verschwinden vorzuliegen scheint, würde ich vorschlagen, daß du bei allen im Umkreis gelegenen Ämtern anrufst. Geh kreisförmig vor, beginne von innen und dehne den Aktionsradius dann aus, verstehst du?«

»Ja, klar, wie weit soll ich das Ganze treiben?«

»So weit wie nötig, also bis wir jemanden finden, der paßt. Ruf nach der Besprechung auch gleich in Uddevalla an, damit du eine vorläufige Personenbeschreibung erhältst, mit der du suchen kannst.«

»Und was soll ich machen?« Der Enthusiasmus in der Stimme von Ernst wirkte nicht gerade ansteckend.

Patrik schaute in die Notizen, die er nach dem Gespräch mit Mellberg rasch zu Papier gebracht hatte.

»Ich möchte, daß du zunächst die Leute befragst, die um den Eingang zur Königsschlucht wohnen. Ob sie heute nacht irgendwas gesehen oder gehört haben oder auch am frühen Morgen. Die Schlucht ist ja tagsüber voller Touristen, also muß die Leiche, oder die Leichen, wenn man es genau nehmen will, irgendwann im Laufe der Nacht oder am Morgen hintransportiert worden sein. Wir können davon ausgehen, daß sie durch den großen Eingang gebracht worden sind, man hat sie wohl kaum die Treppen vom Ingrid-Bergman-Platz hochgetragen. Der kleine Bursche hat die Frau gegen sechs gefunden, also würde ich mich auf die Zeit zwischen neun Uhr abends und sechs Uhr morgens konzentrieren. Persönlich werde ich mich ein bißchen in den Archiven umsehen. Was die zwei Skelette angeht, rumort da irgendwas in meinem Gedächtnis. Ich habe das Gefühl, ich müßte wissen, worum es sich handelt, aber … Ihr habt keine Idee? Nichts, was sich in eurer Erinnerung rührt …?«

Patrik hob resigniert die Hände und wartete mit hochgezogenen Augenbrauen auf eine Antwort, aber erntete von seinen Kollegen nur Kopfschütteln. Er seufzte. Ja, dann blieb wohl nichts anderes übrig, als sich in die Katakomben hinunter zu begeben …

Nicht ahnend, daß er in Ungnade gefallen war, obwohl er es vielleicht hätte erraten können, wenn er Zeit gehabt hätte, darüber nachzudenken, saß Patrik tief unten in den Domänen des Tanumsheder Polizeireviers und wühlte in alten Papieren. Auf den meisten Akten hatte sich Staub angesammelt, aber sie schienen glücklicherweise gut geordnet zu sein. Das meiste war in chronologischer Reihenfolge archiviert, und obwohl er nicht genau wußte, wonach er suchte, so war ihm doch klar, daß es sich hier befinden mußte.

Er saß im Schneidersitz direkt auf dem Steinfußboden und durchstöberte methodisch Karton um Karton und Akte um Akte. Jahrzehnte von Menschenschicksalen gingen ihm durch die Hände, und allmählich wurde ihm bewußt, wie viele Menschen und Familien ein ums andere Mal in den polizeilichen Dokumenten auftauchten. Mitunter schienen Verbrechen von Eltern an die Kinder vererbt zu werden, ja sogar an die Enkel, dachte er, als derselbe Familienname erneut auftauchte.

Das Handy klingelte, und er sah auf dem Display, daß es Erica war.

»Hallo Liebling, alles in Ordnung?« Er wußte, wie die Antwort lauten würde. »Ja, ich weiß, daß es heiß ist. Du mußt dich ganz einfach vor den Ventilator setzen, viel mehr ist da nicht zu machen. – Du, wir haben hier einen Mord am Hals, und Mellberg will, daß ich die Ermittlungen leite. Wärst du sehr traurig, wenn ich das übernehme und ein paar Tage arbeite?«

Patrik hielt den Atem an. Er wußte, daß er selbst hätte anrufen sollen, um zu berichten, daß er vielleicht arbeiten mußte, aber auf typisch männliche Weise hatte er es vorgezogen, das Unausweichliche vor sich her zu schieben. Andererseits wußte Erica schließlich ganz genau, wie die Bedingungen seines Berufes waren. Der Sommer war die hektischste Zeit für die Polizei der Kommune Tanum, und sie konnten nur abwechselnd kürzere Urlaubsperioden nehmen, und nicht einmal die wenigen Tage, die sie hintereinander frei bekamen, waren garantiert, denn es hing stets davon ab, wie viele Trunkenheitsdelikte, Schlägereien und andere Nebeneffekte des Tourismus auf das Revier zukamen. Und Mord nahm sozusagen einen ganz eigenen Platz ein.

Sie sagte etwas, das er beinahe überhört hätte.

»Besuch, sagst du? Wer denn? Dein Cousin?« Patrik seufzte. »Nein, was soll ich sagen? Natürlich wäre es schöner gewesen, wenn wir den heutigen Abend für uns gehabt hätten, aber wenn sie schon unterwegs sind, dann ist es eben so. Sie bleiben ja wohl nur eine Nacht? – Okay, dann werde ich ein bißchen was an Krabben einkaufen. Die können wir dann servieren. Das ist leicht gemacht, und du brauchst dich nicht in die Küche zu stellen. Ich bin gegen sieben zu Hause. Küßchen.«

Er steckte das Telefon wieder in die Tasche und blätterte weiter im Inhalt der vor ihm stehenden Kisten. Eine Akte mit dem Vermerk »Verschwinden« weckte sein Interesse. Irgendein eifriger Mensch hatte gelegentlich sämtliche Anzeigen über verschwundene Personen zusammengestellt, die bei polizeilichen Ermittlungen eine Rolle gespielt hatten. Patrik fühlte, daß er genau das gefunden hatte, wonach er suchte. Seine Finger waren von all dem Staub schmutzig geworden, und er wischte sie an den Shorts ab, bevor er die ziemlich dünne Mappe öffnete. Nachdem er ein Weilchen geblättert und hier und da gelesen hatte, wußte er, daß sein Gedächtnis genau den Anstoß bekommen hatte, den es brauchte. Das hier hätte ihm sofort einfallen müssen, wenn man bedenkt, wie wenige Menschen hier im Umkreis wirklich verschwunden waren, ohne jemals wiedergefunden zu werden, aber es war wohl das Alter, das sich allmählich bemerkbar machte. Jetzt hatte er jedenfalls diese Anzeigen vor sich, und er spürte, daß das hier kein Zufall sein konnte. Zwei Frauen, die 1979 als vermißt gemeldet und nie aufgefunden worden waren. Zwei Skelette, die man in der Königsschlucht entdeckt hatte.

Er nahm den ganzen Ordner mit ans Tageslicht und legte ihn auf seinen Schreibtisch.

Die Pferde waren der einzige Grund, weshalb sie hierblieb. Mit geübter Hand striegelte sie den braunen Wallach. Die körperliche Arbeit diente ihr als Ventil, um die Frustration loszuwerden. Es war ganz einfach Scheiße, wenn man siebzehn Jahre alt war und nicht selbst über sein Leben bestimmen konnte. Sobald sie volljährig war, würde sie aus diesem verdammten Nest abhauen. Dann würde sie das Angebot jenes Fotografen annehmen, der sie angesprochen hatte, als sie in Göteborg durchs Zentrum gebummelt war. Wenn sie erst Model in Paris wäre und jede Menge Geld verdiente, würde sie ihnen schon zu verstehen geben, wo sie sich ihre verdammte Ausbildung hinstekken konnten. Der Fotograf hatte gesagt, mit jedem weiteren Jahr sinke ihr Wert als Model, und ein Jahr ihres Lebens wäre ohnehin schon vergeudet, bevor sie überhaupt die Chance bekäme, bloß weil der Alte sich diese Ausbildung in den Kopf gesetzt hatte. Man brauchte ja wohl keine Ausbildung, um über den Laufsteg zu gehen, und dann, wenn sie so fünfundzwanzig geworden und für diese Sache langsam zu alt war, würde sie bestimmt einen Millionär heiraten, und dann konnte sie über die Drohung nur lachen, daß er sie enterben wollte. Sie könnte dann an einem einzigen Tag genausoviel für Einkäufe ausgeben, wie sein ganzes Vermögen ausmachte.

Und ihr großartiger blöder Bruder machte die Sache ja nicht gerade besser. Zwar war es angenehmer, bei ihm und Marita zu wohnen, als zu Hause, aber nicht wesentlich. Er war so verdammt »rechtschaffen«. Nichts, was er tat, war jemals falsch, während sie automatisch an allem die Schuld bekam.

»Linda?«

Typisch, nicht mal hier im Stall hatte sie ihre Ruhe.

»Linda?« Die Stimme klang immer fordernder. Er wußte, daß sie hier war, also hatte es keinen Sinn abzuhauen.

»Ja, was für ein verdammtes Gerufe. Was ist los?«

»Du brauchst wirklich nicht in einem solchen Ton mit mir zu reden. Ich finde, es ist nicht zuviel verlangt, wenn ich erwarte, daß du ein bißchen höflich bist.«

Sie brummelte nur ein paar Flüche zur Antwort, und Jacob ließ es durchgehen.

»Du bist schließlich mein Bruder und nicht mein Vater, ist dir das klar?«

»Ich bin mir dessen sehr wohl bewußt, aber solange du unter meinem Dach wohnst, habe ich schließlich eine gewisse Verantwortung für dich.«

Nur weil er fast fünfzehn Jahre älter war, glaubte Jacob, er wüßte alles, aber es war leicht, auf dem hohen Roß zu sitzen, wenn man sein Schäfchen im trocknen hatte. Vater hatte Hunderte Male betont, daß Jacob wirklich ein Sohn sei, auf den man stolz sein könne, und daß er den Familienhof gut verwalte, also nahm Linda an, daß er eines schönen Tages den ganzen Kladderadatsch erbte. Bis dahin konnte er so tun, als sei Geld nicht wichtig für ihn, aber Linda durchschaute die Sache. Alle bewunderten Jacob, weil er mit Jugendlichen arbeitete, die auf Abwege geraten waren, aber alle wußten auch, daß er, wenn es soweit war, sowohl den Gutshof als auch das ganze Vermögen bekäme, und dann würde man ja sehen, wieviel von seinem Interesse an ideeller Arbeit übrigbliebe.

Sie kicherte leise. Wenn Jacob wüßte, daß sie abends nach draußen entwischte, würde er verrückt werden, und wenn er wüßte, wen sie traf, müßte sie vermutlich die Standpauke ihres Lebens über sich ergehen lassen. Es war leicht, davon zu reden, daß man mit weniger Begüterten solidarisch sein solle, solange man sie nicht vor der eigenen Schwelle hatte. Daß Jacob an die Decke gehen würde, wenn er erführe, daß sie sich mit Johan traf, hatte außerdem noch tiefer gehende Ursachen. Johan war ihr Cousin, und die Fehde zwischen beiden Familienteilen währte schon geraume Zeit. Sie selbst war damals noch nicht einmal geboren, auch Jacob nicht. Den Grund für das Zerwürfnis kannte sie nicht, sie wußte nur, daß es so war, und deshalb prickelte es ganz besonders, wenn sie sich zum Treffen mit Johan nach draußen schlich. Außerdem fühlte sie sich wohl mit ihm. Er war zwar ziemlich zurückhaltend, aber er war schließlich zehn Jahre älter als sie und besaß dadurch eine Sicherheit, von der Jungs in ihrem Alter nur träumen konnten. Daß sie Cousin und Cousine waren, kümmerte sie nicht. Heutzutage durften die sogar heiraten, und obwohl das in ihren eigenen Zukunftsplänen nicht vorgesehen war, hatte sie nichts dagegen, mit Johan dieses und jenes auszuprobieren, nur herauskommen durfte es nicht.

»Wolltest du irgendwas, oder hattest du nur vor, mich ganz allgemein zu überwachen?«

Jacob seufzte tief und legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie versuchte sich loszureißen, aber sein Griff war fest.

»Ich begreife wirklich nicht, woher all diese Aggression kommt. Die Jugendlichen, mit denen ich arbeite, hätten alles dafür gegeben, wenn sie ein solches Zuhause und eine solche Kindheit gehabt hätten wie du. Ein bißchen Dankbarkeit und Reife wären wirklich angebracht, verstehst du. Und ja, ich wollte etwas. Marita hat das Abendbrot fertig, also kannst du dich ja wohl mit dem Umziehen beeilen und zum Essen kommen.«

Er löste seinen Griff und verließ den Stall, um sich zum Wohnhaus zu begeben. Maulend legte Linda die Kardätsche weg und ging, um sich fertigzumachen. Sie hatte trotz allem ziemlich großen Hunger.

Wieder einmal hatte man Martin das Herz gebrochen. Zum wievielten Mal hintereinander, wußte er nicht, aber es tat nicht weniger weh, bloß weil er daran gewöhnt war. Wie all die Male zuvor hatte er gedacht, daß es diesmal die Richtige war, die den Kopf neben ihm aufs Kissen legte. Zwar hatte er genau gewußt, daß sie bereits vergeben war, aber mit der ihm eigenen Naivität glaubte er, mehr als nur ein Zeitvertreib für sie zu sein, und erwartete, daß die Tage des Mannes, mit dem sie zusammen lebte, gezählt waren. Er ahnte nicht, daß er mit seiner unschuldigen Miene und seinem regelrecht niedlichen Äußeren wie Honig auf Bienen wirkte, wenn es um ein wenig ältere, gesetztere Frauen ging, die mit ihrer besseren Hälfte im gewohnten Alltagstrott lebten. Männer, die sie nicht wegen eines netten fünfundzwanzigjährigen Polizisten zu verlassen gedachten. Allerdings zögerten sie nicht, sich mit selbigem auf der Matratze zu vergnügen, wenn die Lust und das Bedürfnis nach Bestätigung es verlangten. Nicht, daß Martin etwas gegen den physischen Teil eines Verhältnisses einzuwenden hatte, er war sogar besonders talentiert auf diesem Gebiet, aber sein Problem bestand darin, daß er auch ein ungewöhnlich gefühlvoller junger Mann war. Die Verliebtheit fand ganz einfach guten Nährboden in Martin Molin. Aus diesem Grund endeten seine kleinen Amouren für ihn stets mit Heulen und Zähneknirschen, wenn die Frauen Dankeschön sagten und in ihren vielleicht öden, aber geordneten und wohlvertrauten Alltag heimkehrten.

Er seufzte tief, als er jetzt am Schreibtisch saß, zwang sich jedoch, nichts anderes als die vor ihm liegende Aufgabe zu sehen. Die Anrufe, die er bisher getätigt hatte, waren ergebnislos geblieben, aber noch hatte er eine Menge Polizeidienststellen abzuarbeiten. Daß die Datenbank gerade dann zusammenbrechen mußte, wenn sie am dringendsten benötigt wurde, war wohl sein übliches Pech. Deshalb saß er jetzt hier und wählte eine Telefonnummer nach der anderen, um jemanden zu fin-den, auf den die Beschreibung der toten Frau zutreffen konnte.

Zwei Stunden später lehnte er sich zurück und warf voller Enttäuschung den Stift gegen die Wand. Bei keinem von denen, die als vermißt gemeldet waren, konnte es sich um das Mordopfer handeln. Was sollten sie jetzt tun?

Es war so verdammt ungerecht. Er war älter als dieser Rotzjunge und hätte derjenige sein müssen, dem man das Kommando bei der Ermittlung übertrug, aber Undank war der Welten Lohn. Schon seit dieser verdammte Mellberg hier war, hatte er sich zielbewußt bei ihm lieb Kind gemacht, ohne daß es ihm etwas gebracht hätte. Ernst nahm die Kurven auf dem Weg nach Fjällbacka mit Bravour, und hätte er nicht in einem Polizeiwagen gesessen, wären im Rückspiegel bestimmt eine Menge Stinkefinger zu sehen gewesen. Jetzt sollten sie es sich nur erlauben, diese Scheiß-Touris, dann würden sie was erleben.

Die Nachbarn befragen. Das war eine Aufgabe für einen Polizeianwärter, nicht für einen Mann mit fünfundzwanzigjähriger Berufserfahrung. Das hätte ja wohl dieser Grünschnabel Martin machen können, dann hätte er, Ernst, in den umliegenden Ämtern anrufen und mit den Kollegen ein Weilchen plaudern können.

Er kochte förmlich, aber das war schon von Kindheit an sein natürlicher Gemütszustand, also irgendwie nichts, was über das Normale hinausging. Diese cholerische Veranlagung machte ihn für einen Beruf, der so viele soziale Kontakte mit sich brachte, nicht besonders geeignet, aber andererseits konnte er sich bei dem Gesindel Respekt verschaffen, da es instinktiv spürte, daß man sich, falls einem die eigene Gesundheit lieb war, mit diesem Ernst Lundgren nicht anlegen sollte.

Als er durch den Ort fuhr, wurden überall die Hälse gereckt. Man folgte ihm mit dem Blick und wies mit dem Finger auf den Wagen, und er verstand, daß sich die Neuigkeit schon in ganz Fjällbacka verbreitet hatte. Über den Ingrid-Bergman-Platz mußte er wegen all den unerlaubt geparkten Autos im Schnekkentempo fahren, und er bemerkte zu seiner Zufriedenheit, daß sein Auftauchen zu einer Reihe überstürzter Aufbrüche aus dem Gartenrestaurant des Café Bryggan führte. Das war auch besser so. Standen die Autos noch da, wenn er zurückkam, hatte er nichts dagegen, ein Stündchen dafür aufzubringen, den Falschparkern den Urlaubsfrieden zu verderben. Er würde sie vielleicht ein bißchen ins Röhrchen pusten lassen. Mehrere von ihnen hatten bei einem kalten Bier gesessen, als er an ihnen vorbeigefahren war. Wenn er Glück hatte, konnte er vielleicht ein paar Fahrerlaubnisse einziehen.

Es war kaum Platz zum Parken auf dem kleinen Straßenstück vor der Königsschlucht, aber er klemmte sich irgendwo dazwischen und begann mit seiner Befragung. Wie erwartet, hatte niemand etwas gesehen. Leute, die normalerweise sogar registrierten, wenn der Nachbar in den eigenen vier Wänden einen Furz ließ, wurden blind und taub, wenn die Polizei auftauchte. Ernst mußte allerdings zugeben, daß sie vielleicht tatsächlich nichts gehört hatten. Im Sommer war der Geräuschpegel in der Nacht, wenn all die betrunkenen Leute gegen Morgen nach Hause wanderten, so hoch, daß man gelernt hatte, die Geräusche vor der Tür auszublenden, um seinen guten Nachtschlaf zu behalten. Aber verflixt irritierend war es schon.

Erst im letzten Haus hatte er Glück. Es war zwar kein großer Fang, aber immerhin etwas. Der Alte in dem Haus, das am weitesten vom Eingang der Schlucht entfernt lag, hatte gegen drei ein Auto kommen hören, als er aufgestanden war, um sein Wasser abzuschlagen. Er konnte die Zeit sogar auf Viertel vor drei präzisieren, aber er hatte sich nicht die Mühe gemacht, aus dem Fenster zu sehen, also vermochte er nichts über das Aussehen des Fahrers oder des Wagens zu sagen. Aber da er ein alter Fahrschullehrer war, der in seinem Leben so manches Lenkrad in den Händen gehalten hatte, war er sich völlig sicher, daß es kein neueres Modell gewesen war; vermutlich hatte es schon ein paar Jahre auf dem Buckel.

Großartig, das einzige, was er nach zwei Stunden Befragung erfahren hatte, war, daß der Mörder die Leiche mit größter Wahrscheinlichkeit gegen drei Uhr hergefahren hatte und daß er eventuell ein Auto älteren Typs fuhr. Damit konnte man nicht gerade Staat machen.

Seine Stimmung verbesserte sich jedoch um einiges, als er auf dem Rückweg ins Revier wieder an dem Platz vorbeikam und feststellen konnte, daß neue Parksünder die vorigen abgelöst hatten. Jetzt würde er sie hier ins Röhrchen blasen lassen, daß die Lungen nur so flatterten.

Ein anhaltendes Klingeln an der Tür unterbrach Erica, die sich gerade mühsam mit dem Staubsauger durchs Haus arbeitete. Der Schweiß rann in Strömen an ihr herunter, und sie strich sich ein paar feuchte Haarsträhnen aus dem Gesicht, bevor sie die Tür öffnete. Sie mußten wie Autodiebe über die Straßen gefegt sein, um jetzt schon hierzusein.

»Tagchen, Dicke!«

Er umarmte sie mit festem Griff, und sie fühlte, daß nicht nur sie schwitzte. Mit der Nase tief in Connys Achselhöhle verankert, begriff sie, daß sie, im Vergleich zu ihm, wahrscheinlich nach Rosen und Maiglöckchen duftete.

Nachdem sie sich aus der Umarmung freigekämpft hatte, begrüßte sie Connys Frau Britta, doch gab sie ihr nur höflich die Hand, da sich beide nur wenige Male begegnet waren. Brittas Handschlag war feucht und schlapp, es war fast so, als halte man einen toten Fisch in der Hand. Erica schauderte, und sie bekämpfte den Impuls, ihre Hand an der Hose abzuwischen.

»Was für ein Bauch! Hast du Zwillige da drin, oder?«

Es gefiel ihr ganz und gar nicht, ihren Leibesumfang derart kommentiert zu bekommen, aber sie hatte schon früher verstanden, daß Schwangerschaft ein Zustand war, der es einem jeden Erdenklichen erlaubte, sich zur Körperform der zukünftigen Mutter zu äußern und ihr auf viel zu familiäre Weise an den Bauch zu fassen. Sie hatte sogar erlebt, daß Fremde auf sie zugekommen waren und ganz selbstverständlich ihren Bauch betatscht hatten. Erica wartete nur darauf, daß das obligatorische Begrapschen begann, und es dauerte auch nur wenige Sekunden, bevor Connys Hände zur Stelle waren, um die Sache zu untersuchen.

»Oh, was für einen kleinen Fußballspieler ihr da drin habt. Ganz klar ein Junge, bei den Tritten. Kommt her, Kinder, dann könnt ihr mal fühlen!«

Erica vermochte nicht zu protestieren und wurde von zwei Paar eisklebrigen Händen attackiert, die auf ihrem weißen Umstands-T-Shirt Abdrücke hinterließen. Glücklicherweise verloren Lisa und Victor bald das Interesse.

»Und was sagt der stolze Vater? Zählt er die Tage, oder?« Conny wartete die Antwort nicht ab, und Erica erinnerte sich, daß Dialoge nicht gerade seine starke Seite waren. »Ja, verdammt, man erinnert sich schließlich, wie es gewesen ist, als diese kleinen Rotzgören zur Welt gekommen sind. Ein wirklich tolles Erlebnis. Aber sag ihm, er soll es lassen, sich das da unten anzugucken. Das nimmt einem für ziemlich lange die Lust.«

Er lachte glucksend und stieß Britta mit dem Ellbogen in die Seite. Sie sah ihn nur sauer an. Erica begriff, daß dieser Tag lang werden würde. Hoffentlich kam Patrik rechtzeitig nach Hause.

Patrik klopfte vorsichtig an Martins Tür. Er war ein bißchen neidisch auf die Ordnung da drinnen. Der Schreibtisch war so sauber, daß man ihn als Operationstisch hätte benutzen können.

»Wie läuft’s? Hast du was gefunden?«

Martins deprimierte Miene war Antwort genug, bevor noch das Kopfschütteln kam. Was für ein Mist. Das wichtigste beim jetzigen Stand der Ermittlung war, die Identität der Frau festzustellen. Irgendwo saßen Leute und machten sich Sorgen um sie. Verflucht, jemand mußte sie doch vermissen!

»Und bei dir?« Martin wies mit dem Kopf auf die Akte, die Patrik in der Hand hielt. »Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?«

»Ich denke schon.«

Patrik zog einen Stuhl näher und setzte sich neben Martin.

»Sieh mal hier. Zwei Frauen verschwanden Ende der siebziger Jahre aus Fjällbacka. Ich begreife nicht, warum mir das nicht sofort eingefallen ist, das stand doch damals groß in allen Zeitungen, aber hier ist jedenfalls das Ermittlungsmaterial, das noch vorhanden ist.«

Der Ordner, den er auf den Tisch gelegt hatte, war mächtig staubig, und er sah, daß es Martin in den Fingern juckte, ihn abzuwischen. Ein warnender Blick hielt ihn davon ab. Patrik öffnete die Akte und zeigte die Fotos, die zuoberst lagen.

»Das hier ist Siv Lantin, sie verschwand am Mittsommertag 1979. Sie war neunzehn Jahre alt.« Patrik zog das nächste Foto hervor. »Das hier ist Mona Thernblad, sie verschwand zwei Wochen später und war damals achtzehn Jahre alt. Keine von beiden ist jemals gefunden worden, trotz eines enormen Aufgebots. Man suchte den Wald und den Grund des Sees ab und machte alles, was du dir denken kannst. Sivs Fahrrad wurde in einem Straßengraben entdeckt, aber das war alles, was man gefunden hat. Und von Mona gab es als einzige Spur lediglich einen Turnschuh.«

»Ja, jetzt, wo du es sagst, erinnere ich mich auch daran. Es gab ja wohl einen Verdächtigen, stimmt’s?«

Patrik blätterte in den vergilbten Papieren und zeigte mit dem Finger auf einen maschinengeschriebenen Namen.

»Johannes Hult. Ausgerechnet sein Bruder, Gabriel Hult, ist es gewesen, der die Polizei angerufen und berichtet hat, daß er seinen Bruder mit Siv Lantin auf dem Weg zu dessen Hof in Bräcke gesehen hat, und zwar in der Nacht, als sie verschwand.«

»Wie ernst hat man diesen Hinweis genommen? Ich meine, es muß etwas anderes dahinterstecken, wenn man seinen Bruder als Mordverdächtigen anzeigt!«

»Die Hults haben sich damals schon viele Jahre bekriegt, und die Sache war wohl allen bekannt. Also wurden die Angaben mit gewisser Skepsis aufgenommen, denke ich, aber der Fall mußte ja trotzdem geklärt werden, also wurde Johannes ein paarmal zum Verhör vorgeladen. Aber es gab nie irgendwelche Beweise, außer den Angaben des Bruders, und da stand Aussage gegen Aussage, also ließ man ihn laufen.«

»Wo ist er heute?«

»Ich bin nicht sicher, aber mir ist, als hätte sich Johannes Hult kurze Zeit später das Leben genommen. Verdammt, jetzt könnten wir Annika gut gebrauchen, sie würde alles im Handumdrehen auf den neuesten Stand bringen. Was sich in diesem Ordner befindet, ist, gelinde gesagt, dürftig.«

»Das klingt, als wärst du dir ziemlich sicher, daß die gefundenen Skelette die der beiden Frauen sind.«

»Was heißt sicher. Ich gehe einfach nach der Wahrscheinlichkeit. Wir haben hier zwei Frauen, die in den Siebzigern verschwunden sind, und jetzt tauchen zwei Skelette auf, die einige Jahre auf dem Buckel haben. Wieso sollte das nur ein zufälliges Zusammentreffen sein? Ich bin mir natürlich nicht sicher, das können wir nicht eher sein, bevor der Gerichtsmediziner sein Urteil abgegeben hat. Aber ich werde dafür sorgen, daß er diese Angaben umgehend erhält.«

Patrik warf einen Blick auf die Uhr. »Verdammt, ich sollte einen Zahn zulegen. Ich habe versprochen, zeitig zu Hause zu sein. Ericas Cousin ist zu Besuch, und ich muß für heute abend Krabben und so besorgen. Kannst du dich darum kümmern, daß der Gerichtsmediziner diese Information erhält? Und stimm dich mit Ernst ab, wenn er zurückkommt, falls er was Wichtiges gefunden hat.«

Brütende Hitze schlug ihm entgegen, als er das Polizeigebäude verließ. Mit raschen Schritten eilte Patrik zum Auto, um schnell wieder in eine klimatisierte Umgebung zu gelangen. Wenn diese Hitze schon ihn fertigmachte, wie sollte es dann erst seiner armen Liebsten ergehen?

Wirklich Pech, daß sie gerade jetzt Besuch bekamen, aber er verstand, daß es ihr schwerfiel, nein zu sagen. Und da die Familie Flood am nächsten Tag wieder fahren würde, ging ja nur ein Abend verloren. Er drehte die Klimaanlage voll auf und nahm Kurs auf Fjällbacka.

»Hast du mit Linda geredet?«

Laine rang nervös die Hände. Das war eine Geste, die er inzwischen verabscheute.

»Da gibt es nicht viel zu reden. Sie hat einfach zu tun, was man ihr sagt.«

Gabriel schaute nicht einmal auf, sondern fuhr ruhig mit seiner Tätigkeit fort. Sein Ton war abweisend, aber Laine ließ sich nicht so leicht mundtot machen. Leider. Seit vielen Jahren wünschte er, daß seine Frau es vorziehen würde, öfter zu schweigen. Das würde an ihrer Persönlichkeit Wunder vollbringen.