Der Professor mit dem Regenschirm - Horst Schultze - E-Book

Der Professor mit dem Regenschirm E-Book

Horst Schultze

0,0

Beschreibung

Der alte Professor ist im Besitz eines chinesischen Regenschirmes, der ihm auf geheimnisvolle Weise schon viele wertvolle Dienste geleistet hat. Kurz vor seinem Tod vererbt er ihn seinem Enkel Jürgen. Der freut sich zwar, hätte aber stattdessen lieber seinen Opa noch viele Jahre an seiner Seite gehabt. Schon bald beweist ihm sein Regenschirm seine Treue und rettet ihm das Leben. Seitdem ist er Jürgens ständiger Begleiter. Seinem immer beliebt gewesenem Opa nacheifernd, beginnt Jürgen sein Studium und lernt Jutta kennen, die er heiratet. Bei einer Reise nach China kommen sie, wenn auch immer noch nicht vollständig, hinter das Geheimnis des Schirmes. Nun selbst Professor, erweist ihnen der Regenschirm auf ihren Reisen so manchen wertvollen Dienst und rettet ihnen manchmal sogar das Leben. Erst im Alter vererbt Jürgen den Schirm an seine Tochter, die ihn weiterhin in Ehren hält.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 172

Veröffentlichungsjahr: 2017

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Horst Schultze, 1951 in Brandenburg an der Havel geboren, widmet sich neben anderen Hobbys, wie zum Beispiel der Musik, in seiner Freizeit hauptsächlich dem Schreiben von Kinderbüchern. Da ihm die Arbeit mit Kindern große Freude bereitet, ist er in unterschiedlichen Einrichtungen wie Kitas oder im Hort als Vorleser und Lesepate tätig. Vor einiger Zeit wurde er von der Stiftung „Lesen“ in Frankfurt am Main als Vorleser des Monats deutschlandweit geehrt. Bei zahlreichen kulturellen Veranstaltungen ist er mit seinen Büchern immer wieder gern gesehener Gast und liest vor interessiertem Publikum. Das vorliegende Buch ist seine fünfte Veröffentlichung.

DER PROFESSOR MIT DEM REGENSCHIRM

Der alte Professor stirbt

Das Studium

Urlaub an der Ostsee

Das Studium geht weiter

Die Jahre vergehen

Eine Exkursion nach Afrika

Die Prüfungen

Hochzeit und Hochzeitsreise

Im Dienste der Wissenschaft auf Reisen

Nachwuchs

Wo ist der Schirm?

Schluss

... UND WEITERE GESCHICHTEN

Der kleine Drache auf dem Dach

Wie der Sandmann zu seinem Sand kam

Wie der Fliegenpilz zu seinen Punkten kam

Der alte Professor stirbt

Der alte Professor war nun 95 Jahre alt geworden. Vor genau zwei Wochen hatte er Geburtstag gefeiert. Es waren viele Gäste zum Gratulieren gekommen. Von den zahlreichen Gästen kannte er gar nicht mal so viele. Die meisten waren ihm völlig unbekannt. Aber er begrüßte und bewirtete sie dennoch herzlich und ausgiebig. Alle hatten auch Geschenke mitgebracht. Der Professor konnte leider nur die Wenigsten davon gebrauchen. Über einige musste er innerlich lächeln. Einer, den er auch nicht kannte, schenkte ihm ein Hundehalsband. Dabei hatte er gar keinen Hund. Entweder hatte der ihn verwechselt oder er war auf einer falschen Geburtstagsfeier. Der Professor hatte ein schönes großes Haus und sie feierten bei ihm zu Hause. O Gott, wie viele Trinksprüche und Lobreden musste er sich anhören. Auch bei denen musste der Professor oftmals lächeln. Er hatte noch gar nicht gewusst, was er für ein guter, lieber, fleißiger, freundlicher und was er sonst noch alles für ein Mensch war. Früher, als er noch an der Universität lehrte, hatten seine Studenten sicher eine ganz andere Meinung von ihm. Zugegeben, er war auch sehr streng gewesen. Aber geschadet hatte es keinen von seinen Studenten. Trotzdem war es eine schöne Geburtstagsfeier gewesen und dennoch war der Professor froh, als alle gegangen waren und er wieder alleine war. Es war ganz schön anstrengend gewesen. Er war ja nicht mehr der Jüngste. Immerhin nun 95 Jahre. Er betrachtete noch einmal seine Geschenke, stellte alle Blumen ins Wasser und räumte etwas auf. Dabei fiel sein Blick auf seinen Schreibtisch und auf die Bilder, welche darauf standen. Auf den Bildern waren die ihm zwei liebsten Menschen abgebildet: sein Sohn und seine Frau. Seine Frau war schon vor vielen Jahren gestorben. Sie waren über 50 Jahre verheiratet gewesen. Und es waren 50 schöne Jahre gewesen. Alles hatten sie gemeinsam unternommen und viel von der Welt gesehen.

Der Professor war an allen Universitäten der Welt ein sehr gern gesehener Gast. Seine Vorlesungen wurden von den Studenten so gut besucht, dass er sie manchmal sogar wiederholen musste. Oft auch ein paar Mal mehr als geplant. Und er war bei den Studenten und den anderen Professoren sehr beliebt. Das lag daran, weil er überhaupt nicht eingebildet war und allen Menschen und deren Fragen ehrlich und aufgeschlossen gegenüber stand. Und nicht nur das, er war auf seinem Gebiet eine ausgesprochene Kapazität. Es gab nichts, was er hätte nicht beantworten können. Und kam das doch einmal vor, so forschte er so lange, bis die Frage hinreichend beantwortet werden konnte. Auch das liebten die Studenten und Kollegen an ihm.

Vor langen Jahren verbrachte er mal ein halbes Jahr in China. Dort hielt er viele Vorträge und forschte nach Dingen, die ihm noch unbekannt waren. Seine Frau war ihm gerade auf diese Reise eine große Hilfe. Denn ein Problem hatte der Professor doch: Er stand mit den Fremdsprachen auf dem Kriegsfuß. Eine Fremdsprache zu erlernen, fiel ihm sehr schwer. Das aber konnte seine Frau ganz hervorragend. Und gerade chinesisch beherrschte sie sehr gut. Eine so tolle Dolmetscherin fand er so schnell nicht wieder. Der chinesische Dolmetscher an seiner Seite war aber dennoch immer bei ihm, um im Falle eines Falles dann doch aushelfen zu können. Zum Glück kam das aber nicht so oft vor.

Nun war die Zeit in China aber abgelaufen und die Heimreise stand an. Allen fiel der Abschied schwer. Der Dekan der chinesischen Universität, ein alter Professor, war ihm in dieser Zeit zu einem Freund geworden. Nach einem Abschiedsessen übergab er unserem Professor einen Regenschirm als Abschiedsgeschenk. Darüber war er zunächst mal sehr verwundert. Einen gewöhnlichen Regenschirm? Er hatte schon mehrere. Er bedankte sich aber dennoch ganz herzlich. Der chinesische Professor sah ihm wohl an, dass er etwas enttäuscht und verwundert war. Er lächelte und sagte zu ihm: „Du denkst jetzt bestimmt: ,Was soll ich mit einem Schirm? Ich habe doch schon einen.ʻ Aber lass dir sagen, es ist ein ganz besonderer Schirm mit ungeahnten Fähigkeiten. Obwohl ich ihn schon lange habe, sind mir noch immer nicht all seine Geheimnisse bekannt. Ich selbst habe ihn vor vielen langen Jahren einmal von einem alten chinesischen Meister bekommen und der hatte ihn selbst von einem alten Meister erhalten. Der Schirm ist also schon sehr alt. Aber sieht er nicht aus wie neu? Du kannst mir glauben, der Schirm ist uralt. Benutze ihn natürlich bei Regen. Aber ansonsten, wobei auch immer, nur in besonderen Fällen. Ja ich möchte sagen in Notfällen. Seine Geheimnisse und Fähigkeiten musst du selbst entdecken und dann gut nutzen. Trage ihn nur immer bei dir. Wenn du gut auf ihn achtest, wird er dir sehr gute Dienste leisten.“

So sprach also der alte chinesische Professor zu ihm. Unser Professor bedankte sich ganz herzlich und machte sich mit dem Schirm im Gepäck auf die Heimreise. Sie blieben per Briefe noch viele Jahre in Kontakt. Gesehen haben die beiden sich aber nie wieder.

So reiste der Professor mit seiner Frau also viel in der Welt umher und erlebte so manches Abenteuer und so manche Aufregung. Und schon mal vorweg: Der Schirm hat ihm ganz außerordentliche Dienste geleistet. Manchmal sogar das Leben gerettet. Davon aber später mehr. Der Professor war über die Fähigkeiten seines Schirmes immer wieder überrascht und ging nie mehr ohne ihn aus dem Haus. Ob Sonne oder Regen. Und der Schirm hat bei allen Abenteuern nie Schaden genommen.

Viele Jahre später, ganz plötzlich, ein halbes Jahr nach der Goldenen Hochzeit, war seine Frau gestorben. Der Professor liebte sie immer noch und vergaß ihren Geburtstag und ihren Hochzeitstag in keinem Jahr. Immer brachte er einen großen Blumenstrauß an ihr Grab. Sie fehlte ihm sehr.

Mit seinem einzigen Sohn verhielt es sich ganz anders. Schon als kleines Kind war er ein rechter Wildfang gewesen. Er war kaum zu bändigen und es verging selten ein Tag, an dem er nicht irgendeine Dummheit angestellt hatte. Und je älter er wurde, desto schlimmer wurde es. Alle Gespräche, alle gut gemeinten Ratschläge, alles Reden, alle Verbote, alle Strafen halfen nichts. Und zum Schluss war er ihm völlig entglitten. Er hatte die Schule beendet und ein Studium in einer anderen Stadt begonnen. Von da ab hörte er nur noch ganz selten von ihm. Und wenn, waren es andere Menschen die ihm etwas berichteten. So hatte er auch gehört, dass er sein Studium abgebrochen und geheiratet hatte. Kein Wort, keine Einladung hatte er erhalten. Nichts. Auch von der Geburt eines Enkels, seines Enkels, hatte er von anderen Menschen erfahren. Auch die sehr traurige Nachricht, dass seine Schwiegertochter plötzlich verstorben war, überbrachten ihm fremde Menschen. Er hatte sie nie kennengelernt, seine Schwiegertochter. Von seinem Sohn hörte er nichts mehr.

Eines Tages flatterte ein Brief des Jugendamtes auf seinen Schreibtisch. Darin stand, dass sein Sohn, der Vater seines Enkelsohnes Jürgen, sich mit unbekanntem Ziel auf und davon gemacht hatte und seinen kleinen Sohn mit einem Brief, worin Name, das Geburtsdatum des Jungen und die Adresse des Professors – also des Opas – standen, in einem Kinderheim abgegeben hatte. Nun war die Frage: Wohin mit dem kleinen Burschen, seinem Enkel. Für ihn gab es nur die eine Antwort und die lautete: zu ihm, zu seinem Opa. Und so geschah es auch. Der kleine Bursche zog zu seinem Opa, wuchs dort auf und begann dort sein eigentliches Leben. Der Professor war nun Vater, Mutter, Oma und Opa gleichzeitig für den Jungen. Er ließ sich von seiner Universität emeritieren und war von nun an nur noch für seinen kleinen Jürgen da. Vom Vater hörte er nie wieder etwas.

Der Junge entwickelte sich prächtig. Außer ein paar Dummheiten, die ja wohl jeder Junge macht, hatte der Professor nie einen Grund zur Klage. In der Schule lernte er fleißig und war in seinem ganzen Charakter ein prima Junge: hilfsbereit, freundlich, fleißig und nett zu allen Menschen. Eben nur mal ein paar kleine Dummheiten, wie Äpfel klauen (obwohl es in ihrem eigenen Garten genug Apfelbäume gab) oder den ollen Nachbarn, der immer nur meckerte, ärgern. Aber wer hatte das als Kind wohl nicht gemacht? Der Professor hatte keinen Grund zur Klage. Nun hatte der Junge schon sein Abitur gemacht und sollte nach den Sommerferien mit seinem Studium anfangen.

An all das dachte der Professor an seinem Geburtstagsabend und lächelte wehmütig, als er das Bild seiner Frau und seines Sohnes ansah. Aber ihm blieb ja seine größte Freude und das war sein Enkel Jürgen. Er lebte mit in dem Haus des Professors. Denn das war ja groß genug. Der Opa half dem Jungen beim Lernen und der Enkel half dem Opa bei all den Sachen, bei denen der Opa Hilfe brauchte. Beide waren zu jeder Zeit für einander da. Trotz allem fehlten ihm aber seine Frau und sein Sohn sehr.

So war das alles vor zwei Wochen, nach seinem Geburtstag. Das Wetter war schlecht gewesen. Alles war grau und kalt. Es war eben erst Ende Februar. Der Wind blies kalt um die Ecke und alles machte einen dreckigen Eindruck. Am liebsten wäre der Professor gar nicht raus gegangen und an seinem warmen Kamin in der Stube geblieben. Aber er musste doch mal raus. Er brauchte Bewegung. Das war schon immer so gewesen. Eingesperrt in einem Raum zu sein, war das Schlimmste für den Professor. Und so machte er sich jeden Tag auf den Weg. Dabei musste er sich erkältet haben. Denn vor einigen Tagen bekam er plötzlich Husten und Schnupfen, die eben eine richtige ausgewachsene Grippe wurde. Der Doktor wurde gerufen und verordnete viele Tabletten, Tropfen und dergleichen anderer unangenehmer Dinge mehr. Das alles schmeckte dem Professor gar nicht. Aber er nahm sie trotzdem. Und Appetit hatte er ja sowieso nicht. Aber es wurde und wurde nicht besser. Im Gegenteil, sein Zustand wurde sehr bedenklich. Der Doktor wusste auch keinen Rat mehr. Zumal jetzt noch eine Lungenentzündung hinzugekommen war.

Der Doktor sprach mit Jürgen und meinte, er solle sich auf das Schlimmste gefasst machen. Der junge Mann machte ein sehr dunkles und betrübtes Gesicht. Nur wenn er mit seinem Opa zusammen war, legte er sein immerwährendes Lächeln auf. Er wollte doch seinen Opa nicht betrüben.

Der aber merkte, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Und das machte ihn doch sehr betrübt. Er wusste ja, dass nun bald der Frühling Einzug halten würde. Und den Frühling liebte er doch sehr. Im Frühling hatte er seine Frau kennengelernt, im Frühling hatten sie geheiratet, im Frühling wurde sein Sohn geboren und im Frühling hatte auch sein geliebter Enkelsohn Geburtstag. Aber er wusste auch, das alles und jeder einmal sterben muss. Und so war er nur darüber traurig, dass er den Frühling nicht mehr erleben sollte.

Die Sonne hatte nach all der trüben Zeit heute zum ersten Mal hell und freundlich durch Fenster geschienen. Jürgen hatte das Bett seines Opas dicht ans Fenster geschoben und der alte Professor schaute in den Garten. Ach wie herrlich sah es draußen aus. Sang da nicht auch schon der erste Star des Jahres? Lange schaute der Professor still aus dem Fenster und erst als es dunkel geworden war, schob Jürgen das Bett wieder zurück.

An diesem Morgen ging es dem Professor nun sehr schlecht. Sein Zustand hatte sich sehr verschlechtert und der Doktor machte Jürgen keine Hoffnungen mehr. Der Professor schien sich seines Zustandes sehr bewusst zu sein und rief nach seinem Enkelsohn. Als dieser gleich bei seinem Opa erschien, sprach der Professor: „Mein lieber Junge. Du siehst es ja selber, dass es mir immer schlechter geht. Ich habe nicht mehr lange zu leben und dich darum hergebeten, weil ich dir noch Einiges sagen möchte.“

Jürgen fiel dem Opa sogleich ins Wort und sagte: „Opa, du stirbst noch lange nicht. Wir wollen doch noch ...“

Aber der Professor unterbrach ihn und sagte weiter: „Lass mich ausreden, lieber Jürgen. Wir brauchen uns beiden doch nichts vorzumachen. Du und ich, mein lieber Junge, kennen meinen Zustand sehr genau und wissen, dass es für einen Abschied für immer Zeit wird. Ich hatte ein tolles Leben, viel erlebt, erfahren und gesehen. Ich habe immer so gelebt, dass ich mir heute nichts vorzuwerfen habe. Mit meiner Frau, deiner Oma, die du leider nicht mehr kennengelernt hast, habe ich eine gute Ehe geführt. Und meine erste Bitte an dich ist die, dass du dich weiter um ihr Grab kümmerst. Die zweite Bitte ist, dass du unser Haus und alles, was du in Ehren halten willst, auch gut in Ehren hältst. Viele Erinnerungen an unser gemeinsames Leben stecken in dem Haus. Ich hoffe, ich war Dir immer ein guter Opa, soweit es ging. Und als Drittes, mein lieber Junge, möchte ich dir sagen, dass du immer nach deinem besten Wissen und Gewissen leben sollst. Dafür hast du hoffentlich alles von mir lernen können. Nun musst du alles alleine entscheiden. Entscheide immer so, dass du niemanden schadest und es dir selbst zum Vorteil und Glück gereicht. Und zum Schluss nun noch was. Du kennst doch meinen alten Schirm. Die Geschichte davon habe ich dir oft erzählt und du hattest so manchen Zweifel an meinen Erzählungen. Aber glaube mir: alles ist wahr, nichts davon war ausgedacht. Manches ,Wunderʻ hast du selbst miterlebt und auch dann noch gezweifelt. Ich bitte dich nun heute meinen Schirm von mir als Erbe und Vermächtnis zu übernehmen. Glaube an die Eigenschaften des Schirmes und du wirst so manches ,Wunderʻ erleben. Behandle ihn gut und habe ihn immer bei dir. Mit ihm bist du so ziemlich sicher. Bitte glaube meinen Worten. Das ist nun alles, was ich dir zu sagen habe. Behalte mich in guter Erinnerung, mein Junge.“

Jürgen war von den Worten seines Opas sehr ergriffen und antwortete ihm: „All deine Bitten werde ich gerne und mit Freuden erfüllen. Ich habe dir mein ganzes gutes Leben zu verdanken. Du hast alles für mich getan und zu dem erzogen, der ich heute bin. Ich werde mich auch dem Schirm annehmen. Obwohl ..., na du weißt ja. Ich will deinen Ratschlag befolgen und mich danach richten. Ich werde ihn immer bei mir tragen, auf ihn achten und ihn stets in Ehren halten.“

Jürgen küsste seinen Großvater. Der war vom langen Reden recht müde geworden und schlief tief und fest ein.

Drei Tage darauf war der Opa gestorben. Jürgen veranlasste alles Notwendige. Zur Beerdigung seines Opas kamen sehr viele Menschen. Es waren wohl über Hundert Menschen an seinem Grab versammelte, um von ihm Abschied zu nehmen.

So verging die Zeit wie im Fluge und Jürgen hatte mit dem Beginn seines Studiums vollauf zu tun. An was musste er nicht alles denken? So viele Dinge waren zu erledigen. Alles wollte gut überlegt sein. Und er hatte ja nun niemanden mehr, der ihn an irgendwelche Sachen erinnern konnte. An alles musste er selber denken. Das Haus musste er auch in Ordnung halten und den Garten. Es war ein schönes Frühjahr gewesen. Schade, dass ihn sein Opa nicht mehr erlebt hatte. Nun war es schon fast Herbst und die reiche Ernte stand bevor. Bei Jürgen kam keine Langeweile auf. Er war viel zu sehr beschäftigt.

Endlich war der große Tag gekommen. Am nächsten Tag begann sein Studium. Am Abend vorher konnte er vor Aufregung kaum schlafen. Immer wieder überlegte er, ob er auch nichts vergessen hatte. Endlich aber schlief er doch ein. Er träumte wild durcheinander.

Am nächsten Morgen weckte ihn der schönste Sonnenschein. Heute war sein erster Studiumstag, heute begann das Leben. Schnell waren alle Morgenarbeiten erledigt und er machte sich auf den Weg. Die Universität und ein neuer Lebensabschnitt warteten auf ihn.

Das Studium

1

Groß, mächtig und irgendwie respekteinflößend stand das alte ehrwürdige Haus heute vor ihm. Er war zwar schon öfter hier gewesen, hatte aber das Haus nie mit solchen besonderen Gefühlen betrachtet und betreten. Heute war eben alles anders. Heute war er Student. Sogar seinen Schirm hatte er bei sich. Jürgen hatte sich immer schon gewünscht, etwas mit Natur und Technik studieren zu können. Lange hatte er überlegt, welche Fächer er wählen sollte. Bei den Durchschnittszensuren auf seinem Abiturzeugnis, sie lagen bei 1.0, standen ihm alle Wege offen.

Oft, wenn sein Opa ihm von seinen Studienreisen erzählte und er mit offenem Mund und roten Wangen zuhörte, faszinierten ihn immer die Vorgänge in der Natur. Was die so alles hervorbrachte, steuerte und bewirkte?! Wie klein und unwichtig wirkte dagegen der Mensch. Viele Menschen arbeiteten in und mit der Natur. Eben zu ihrem Erhalt und Fortbestehen. Aber auch sehr viele Menschen zerstörten die Natur sinnlos. Nur um des Geldes willen, nur für den Profit, um damit Macht erringen zu können. Das betraf sowohl Politiker als auch Industrielle. O, wie verabscheute er diese Menschen. Genauso, wie sein Opa es getan hatte.

Darum wollte er die Natur studieren und so gut verstehen lernen, dass er all seine Kraft für deren Erhalt, Fortbestehen und Weiterentwicklung einsetzen konnte. Das alles konnte er natürlich nicht mit seiner Hände Kraft bewerkstelligen. Dazu bedurfte es Maschinen. Auch deren Funktion wollte er verstehen lernen, um dann vielleicht noch bessere Maschinen entwickeln zu können. Die sollten dann ausschließlich der Natur zu Gute kommen.

Sein Opa hatte immer gesagt: „Junge, erlerne viele Sprachen damit du die Menschen besser verstehen kannst. Dann kannst du viel besser mit ihnen auskommen.“ Aber Jürgen erging es in der Beziehung wie seinem Opa. Auch er stand mit den Fremdsprachen auf dem „Kriegsfuß“. Er hatte es oft genug probiert, es aber nie weit gebracht. Und endlich sagte er sich: „Ich werde schon jemanden finden der mir das ganze Kauderwelsch immer übersetzt.“

Und dabei war es geblieben. Mit seinem Opa hatte er beschlossen, die Fächer der Naturwissenschaften und des Maschinenbaus zu belegen.

Und genau das sollte heute nun beginnen. Es war ein wunderschöner Herbsttag. Die Sonne schien noch warm und das Laub der Bäume begann sich ganz allmählich zu verfärben. Jürgen liebte, wie alle anderen Jahreszeiten auch den Herbst mit seinen spätsommerlichen, nicht mehr ganz so heißen Tagen und den dichten Nebeln des Spätherbstes. Wenn alles wie in Watte gehüllt war und die Töne nur wie durch Watte an sein Ohr drangen. Aber heute war eben noch mal schönes Wetter. Jürgen hatte beschlossen, sein Lernen nach den Vorlesungen so lange wie möglich im Freien fortzusetzen. Er hatte sich dazu im Garten seines Hauses eine gemütliche Studierecke eingerichtet. Sogar mit einer Laube, damit er auch bei schlechtem Wetter draußen bleiben konnte.

Der Weg von seinem Haus bis zur Universität war nicht sehr weit und Jürgen wollte den Weg immer zu Fuß oder mit seinem Fahrrad zurücklegen. Heute war er wegen der Aufregung schon früh aufgestanden und sich sehr früh auf den Weg gemacht. Er hatte also viel Zeit. Er wollte auch nicht als Letzter kommen, um einen guten Platz zu erhalten. Die Vorlesungsräume waren in dem alten Gebäude oft sehr klein und die Studenten saßen teilweise auf den Treppen. Besonders dann, wenn ein beliebter Professor Vorlesungen hielt. Also wollte er nicht zu spät kommen. Er hatte sich so viel vorgenommen. Und er war überzeugt, dass er seine Vorhaben auch umsetzen würde. Ja, unser Jürgen war doch ein besonderer Junge. Das lag an der Erziehung seines Opas. Fleiß, Pünktlichkeit, Ordnung und Ehrlichkeit waren ihm zu Grundsätzen geworden.

Nun war die Universität nicht mehr weit. Aber ganz plötzlich verdunkelte sich der Himmel und ein starker Wind machte sich bemerkbar. Es fielen auch ganz plötzlich die ersten Regentropfen. Groß und schwer. Wie gut, dass er seinen Regenschirm dabei hatte. Schnell spannte er ihn auf. Mit lautem „Platsch“ fielen die Regentropfen auf seinen Schirm. Plötzlich aber gab es eine ganz starke Windböe und gleichzeitig schrien die Menschen: „Schnell weg da. Verschwinde. Vorsicht ein Dachziegel!“