Die Abenteuer von Johannes - Horst Schultze - E-Book

Die Abenteuer von Johannes E-Book

Horst Schultze

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Beschreibung

Abenteuer mit Johannes sind Abenteuer, wie sie jedes Kind erleben könnte. Besonders aber dann, wenn man an die Wunder der Kindheit glaubt und sie als Erwachsener nicht vergisst. Nur dann ist es vielleicht möglich, in einem Wassertropfen mit dem Munk den Wasserkreislauf kennenzulernen oder eine Zeitreise in die Stadt Trier zur Römerzeit zu machen und mit Marcus, einem Römerjungen, Abenteuer zu erleben. Als Erwachsener lernt Johannes dann, dass man nur mit Liebe, Menschlichkeit und Frohsinn seine Ziele erreichen kann. Zwei Straßenlaternen erzählen in zwei Geschichten ihre unterschiedlichen und aufregenden Abenteuer.

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Seitenzahl: 174

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhaltsverzeichnis

Der Munk

Die Zeitreise

Der einsame Lokomotivführer

Zwei Geschichten von Straßenlaternen

Abenteuer mit Johannes

Der Munk

l

Ferien! Endlich Ferien. Und Sommer. Schon seit Tagen schien die Sonne vom wolkenlosen, blauen Himmelszelt. War es da nicht eine Freude, Ferien zu haben? Es waren nun schon die zweiten großen Sommerferien, die Johannes erlebte. Ja, er ging schon in die dritte Klasse. Na ja, eigentlich noch in die zweite. Aber das ist vorbei. Er hatte eine sehr gute Beurteilung von seinen Lehrern bekommen. Ab nächstes Jahr gibt es ja nun richtige Zeugnisse. Darauf freute sich Johannes schon sehr. So ganz ohne Zeugnisse ist es nichts. Sicher, seine Leistungen waren sehr gut. Und er merkte es ja auch selbst. Es ist wunderbar, endlich richtig und alleine lesen und schreiben zu können. Natürlich auch das Rechnen. Und wie toll ist es doch, wenn man sich nicht alles von Mama oder Papa vorlesen oder aufschreiben lassen musste. Das ging nun schon ganz prima und war schön.

Doch nun soll es genug sein mit den Gedanken an die Schule. Die ist zu, und es sind Ferien. Unendlich lange und schöne Wochen liegen vor dem Jungen. Und er freute sich auf diese Zeit. Er hatte sich viel vorgenommen, wollte viel erleben. Zum Teil mit seinen Eltern, aber auch noch andere Dinge warteten auf Johannes. Und darauf freute er sich am meisten.

Er dachte doch noch einmal an die vergangenen Wochen und Monate. Dabei war ihm aber nicht so richtig wohl zumute, und er hatte ein ganz leichtes Kribbeln im Bauch. Da gab es nämlich ein paar Sachen, die nicht so gut waren. Manchmal hörte er nicht, wenn seine Eltern ihm etwas sagten. Er war schusselig und vergaß ganz schnell und oft wichtige Dinge. Und sein Verhalten konnte auch nicht immer als vorbildlich bezeichnet werden.

„Na, ist doch wahr“, dachte Johannes so bei sich. „Da gibt es die aufregendsten Sachen wie zum Beispiel stromern gehen, Sachen entdecken, von denen sonst noch keiner etwas wusste, tolle Kinderveranstaltungen und noch so vieles mehr, und ich soll an so dumme und uninteressante Dinge denken wie Hausaufgaben, Aufräumen, Schuhe putzen und was weiß ich nicht noch alles?“

Ein kleiner Schatten lag auf seinem Gesicht und trübte seine gute Laune etwas ein. Das musste auch die Sonne gesehen haben, denn sie zog sich eine ganz dünne Schleierwolke vor ihr Gesicht.

„Soweit kommt es noch, dass ich mir meine gute Sommerferienlaune verderben lasse. Nein, ich habe mir ganz fest vorgenommen, mich zu ändern, und das auch Mama und Papa versprochen. Und dabei bleibt es. Und nun ist basta mit der vergangenen Zeit“, murmelte er vor sich hin.

Sein Gesicht hellte sich wieder auf, und er strahlte. Und genauso tat es auch die Sonne. Die spürt nämlich manchmal ganz genau, wenn irgendwo etwas nicht in Ordnung ist. Nun lachte aber auch sie wieder über den weiten blauen Himmel.

Und es stimmte tatsächlich. In letzter Zeit hatte sich Johannes schon doll gebessert. Hin und wieder gab es noch einen kleinen Ausrutscher, aber er hatte sich gebessert. Jawohl! So sollte es auch bleiben. Und, sind wir doch mal ehrlich: wie oft vergessen die Erwachsenen etwas oder halten ihre Versprechen nicht oder nur teilweise ein. Johannes konnte davon ein Lied singen. Klar, es gab oft auch wichtige Gründe dafür, dass die Erwachsenen so waren, wie sie waren. Aber das verstehe einer, wenn er erst sieben oder acht Jahre alt ist.

Wenn man alles so rundum betrachtete, konnten Mama und Papa eigentlich ganz zufrieden mit ihm sein. Und sie waren es auch. Auf vieles, was er getan und erreicht hatte, waren sie sogar sehr stolz. Und auch Johannes konnte sich über die beiden nicht beklagen. Er war also nudeldick mit sich und der Welt zufrieden. Und das sah man ihm auch an.

„Die Sonne meint es heute aber verdammt gut“, dachte Johannes.

Er saß mit seinen Eltern im Auto und war unterwegs. Natürlich ging es wieder mal nur ganz langsam vorwärts. Stau und wieder Stau. Es war Freitagnachmittag, die Leute hatten Feierabend und wollten raus aus der Stadt und ein wunderschönes sonniges Sommerwochenende irgendwo draußen verbringen. Diese Idee schienen aber alle Menschen auf einmal zu haben. Es ging und ging nicht vorwärts.

Johannes wurde ungeduldig und ihm war warm. Er drehte das Fenster herunter.

„Johannes, dreh bitte das Fenster wieder hoch. Es zieht, und du wirst krank“, hört er seine Mama sagen.

„Hmm. Ist ja schon gut. Ich werde schon nicht krank. Es ist so warm“, knurrte Johannes zurück, drehte das Fenster aber wieder hoch, wobei ihm sein Versprechen einfiel.

„Papa, wann sind wir denn endlich da?“, fragte er.

„Wenn es soweit ist, sind wir da“, antwortete sein Papa.

„Na, tolle Antwort. Typisch. Das weiß ich auch alleine“, dachte Johannes, sagte aber nichts.

Es war eben zu warm, und es ging nicht voran. Verdammt!

Dabei hatte er es wirklich eilig und war schon ganz aufgeregt. Er fuhr nämlich zu seinem Onkel. Und das war aufregend. Er war schon so lange nicht mehr dort gewesen.

„Papa, warum war ich eigentlich schon so lange nicht mehr bei Onkel Horst?“ fragte er.

„Junge, das weißt du ganz genau. Frag doch nicht so viel“, antwortete sein Papa.

Erstens war das gar nicht viel gefragt, und zweitens wusste er es nicht. Er hatte nur mal etwas gehört.

„Da kommt der Junge nicht mehr hin“, hatte er mal seinen Papa zur Mama sagen hören, „da wird er total verzogen, und ich habe dann den Ärger mit ihm.“

Seine Mama hatte darauf nichts gesagt. Warum eigentlich nicht?

Und überhaupt: das war natürlich alles großer Quatsch. Verzogen ‐ was sollte das denn heißen?! Das hatte er nicht verstanden. Er wusste nur, dass es bei Onkel Horst immer ganz toll war. Er verbot ihm nicht immer alles, na klar. Weshalb hätte er denn sonst auch hinkommen sollen, wenn er ihm alles verbieten sollte? Und schlimme Dummheiten hatte er nicht gemacht. Nicht ein einziges Mal. Es war immer schön gewesen. Aufregend, spannend und schön. Da waren auch noch seine Tante Eva und sein Cousin Sven. Und die machten auch immer tolle Sachen mit ihm und zeigten ihm alles und spielten mit ihm. Aber verzogen? Quatsch!

Johannes freute sich auf die Zeit bei Onkel und Tante und war schon ungeduldig.

Er konnte sich noch sehr gut an die vielen Dinge erinnern, die er mit seinem Onkel unternommen hatte. Ausflüge, Besichtigungen, Theater, Zoo und so viele andere Sachen mehr. Sein Onkel hatte immer für ihn Zeit. Seine Eltern nicht. War ja klar. Sie mussten arbeiten und alles in Ordnung halten. Das tat sein Onkel zwar auch, aber nicht, wenn er dort war. Dann hatte er Zeit für ihn. Es war ja auch meistens nicht für so lange Zeit, dass er dort war. Leider. Aber es war immer toll.

Und die Abenteuer. Genau. Daran konnte er sich am besten erinnern. Was war da nicht alles passiert!

Zum Beispiel die Sache mit dem Räuberturm. Johannes musste noch schmunzeln, wenn er an den Räuberhauptmann und seine Bande dachte, den er, unter seiner Tarnkappe verborgen, in die Flucht schlug und so einen Überfall auf die braven Kaufleute verhinderte.

Oder die Sache mit dem großen Stein. Wie war das aufregend, als er so klein wie eine Ameise wurde und mit ihnen zum großen Stein lief, der dann seine Geschichte erzählte.

Da waren auch noch die Abenteuer mit dem wunderschönen Segelschiff, die Geschichte mit dem Glückstaler und auch die Sache mit dem Teddy Brumm.

Ja, er war ja zugegebenermaßen ganz schön unordentlich. Aber das hatte sich inzwischen auch gebessert und war, wenn man es genauer betrachtete, jetzt doch schon ganz gut.

Es war immer ganz prima gewesen. Sie waren beide die besten Freunde gewesen.

Und es war so unendlich lange her, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte. Ob sein Onkel ihn überhaupt noch erkennen würde?

Onkel Horst hatte immer geschrieben und auch oft Bilder mit in die Briefe gelegt. Die Briefe waren schön, und nun konnte Johannes sie ja auch selbst lesen. Er war also über alles immer unterrichtet und wusste Bescheid, was so bei seinem Onkel geschehen war.

Aber, und nun bekam Johannes doch ein schlechtes Gewissen und ein flaues Gefühl im Bauch, er hatte nie zurückgeschrieben. Obwohl er ja schon lange prima schreiben konnte. Er war einfach zu faul gewesen. Das war nicht schön. Und plötzlich fühlte er sich nicht besonders gut.

Aber er freute sich so sehr auf das Wiedersehen und die kommende Zeit bei seinem Onkel, dass er seine Sorgen bald vergaß.

Und das war auch gut so. Denn sein Onkel war ihm deshalb nie böse gewesen. Nein, er hatte ihn ganz doll lieb, und Johannes war und blieb immer sein bester Freund. Das spürte Johannes auch ganz tief in seinem Herzen. Und darum konnte er auch seine Sorgen vergessen, und der Sommerferientag war so schön, wie er begonnen hatte.

Johannes war so mit seinen Gedanken beschäftigt, dass er gar nicht merkte, dass sie schon in der Stadt waren, in der sein Onkel wohnt. Nun mussten sie nur noch durch die Stadt, denn er wohnt außerhalb in einer Siedlung dicht am Wald und an den Abenteuern.

Er erkannte alles wieder. Noch eine Linkskurve und schon sind sie in der Straße. Da hinten steht das Haus. Davor der weiße Zaun. Der weiße Zaun? Der war doch immer blau. „Aha, der Zaun ist also neu“, dachte Johannes. Da kommen auch schon sein Onkel, seine Tante und Sven vor die Gartentür.

Johannes hielt es nicht mehr auf seinen Sitz. Er schnallte sich ab (das ist verboten, er weiß es) und zappelte umher und winkte und winkte.

Alles war wie früher: der Garten, das Haus, der Rasen, die Bäume. War sein Spielzeug noch da? Wie geht es wohl dem Opa und Onkel Horst? Alle winkten und freuten sich auf ihn. Ja, es war alles so wie früher.

Es ist Sommer, es sind große Ferien, und die Sonne schickt ihre hellsten und schönsten Strahlen.

Und nun waren sie endlich da. Die Abenteuer warteten auf ihn.

2

Ja, nun waren sie endlich da. So schnell ist Johannes sonst fast nie aus dem Auto raus. Alle umarmten und knuddelten ihn. Und das war ihm nicht einmal unangenehm, obwohl er so etwas sonst eigentlich nicht leiden konnte. Er freute sich riesig und merkte auch, dass sich alle anderen genauso freuten.

„Er ist mir also doch nicht böse, dass ich nicht geschrieben habe“, dachte Johannes, und seine Laune wurde noch besser.

Dann gingen alle ins Haus, und Johannes bekam ein großes Glas mit kaltem Saft.

Oh Mann, wie tat das gut. Bei all der Aufregung hatte er gar nicht gemerkt, was er für einen großen Durst bekommen hatte.

Anschließend gab es was zu futtern. Johannes hatte eigentlich gar keinen Hunger. Aber der Kuchen von Tante Eva war früher immer schon Spitze gewesen und daran hatte sich nichts geändert. So haute Johannes tüchtig rein. Noch dazu sein Lieblingskuchen. Schokolade mit Kirschen. Genau das ist es. Es schmeckte phantastisch.

Und doch, so richtig stillsitzen konnte er nicht. Da nutzten auch die mahnenden Blicke von Mama und Papa nichts. Johannes wollte raus. In den Garten. Er wollte nachsehen, ob wirklich noch alles so war wie früher.

So stieß er seinen Onkel heimlich unter dem Tisch mit den Füßen an. Und der verstand natürlich sofort.

„Ich glaube, vom vielen Essen ist mir ganz schlecht. Und Johannes geht es sicher nicht anders. Wir müssen wohl erst einmal an die frische Luft“, sagte sein Onkel.

Johannes machte auch gleich ein leidendes Gesicht, konnte aber sein Schmunzeln nicht verbergen. Schnell sprang er auf und war auch schon mit seinem Onkel nach draußen verschwunden. Die anderen konnten gar nicht so schnell gucken.

„Wisch dir den Mund ab, er ist noch ganz voll Schokolade“, riet seine Mama.

„Tobe nicht so umher und schrei nicht so laut“, mahnte sein Papa.

Aber, ach Quatsch, das hörten Johannes und sein Onkel schon gar nicht mehr richtig. Sie wollten nur raus und umherstöbern. Die olle Schokolade geht schon von alleine ab, und das bisschen Schreien hört hier auch keiner. Also, wozu auf so unnütze Ermahnungen achten. Es ging los. Der Tag fing an, richtig zu werden.

Natürlich war alles so, wie es Johannes in der Erinnerung hatte. Und doch war vieles anders. Sein Onkel hatte ihm ja immer in den Briefen über Veränderungen und Erneuerungen geschrieben. Doch Johannes konnte es sich nicht richtig vorstellen. Nun sah er alles ganz genau. Da gab es einen neuen Hofzaun, die Gartenwege waren neu gepflastert und der ganze Vorgarten war neu. Vieles hatte sich verändert.

Vor allem die Bäume. Besonders die Tannen. Wie waren die gewachsen. Damals war Johannes noch größer gewesenals viele von den Tannen. Er war ja damals noch ziemlich klein. Und nun? Er musste seinen Kopf ordentlich in den Nacken legen, um die Spitzen sehen zu können.

Und doch war ihm alles so sehr vertraut. Er fühlte sich wohl. So, als sei er nie weg gewesen. Ihm wurde richtig warm zumute. Aber mehr von innen her, so aus dem Herzen.

Johannes schaute also in alle Ecken und Winkel. Immerzu entdeckte er etwas Neues. Und das Fragen nahm kein Ende. Natürlich wusste der Onkel auf alles eine Antwort und konnte so gut erklären.

Nun spürte auch der Junge: sein Onkel war sein bester Freund geblieben.

Plötzlich aber blieb er wie angewurzelt stehen und merkte, wie seine Knie ein wenig weich wurden. Sein. Onkel hatte nämlich eine Frage gestellt, vor der er sich doch etwas fürchtete.

„Warum hast du mir eigentlich nie geschrieben?“, war die Frage, die Johannes wie von weit her hörte.

„Nun ja, äh, ja weißt du, was soll ich sagen, manchmal war dies und dann wieder jenes“, druckste Johannes herum.

„Onkel Horst“, sagte er dann aber, „ich war einfach zu faul.“ „Gut, dass du nicht geschwindelt hast. Nun wollen wir die Angelegenheit vergessen und nicht mehr davon reden. Gut so?“

Johannes fiel seinem Onkel um den Hals und eine kleine, aber wirklich nur eine ganz kleine, winzige Träne rann über seine Wange. Alles war gut.

„Wann gehen wir in den Wald? Wann fahren wir mit dem Rad?“, sprudelte es nur so aus Johannes heraus. Wann machen wir dies und wann machen wir das? Die Fragen wollten gar kein Ende nehmen.

„Nun, mein Junge, alles der Reihe nach. Wir haben so viel Zeit, und wir lassen nichts aus. Überlege dir, was du zuerst machen willst, und dann kann es schon bald losgehen. Du weißt, ich habe viel Zeit“, sagte sein Onkel.

So gingen beide weiter durch den Garten und redeten über viele Dinge.

Johannes schaute, eigentlich ohne jeden Grund, plötzlich in eine abgelegene Ecke. Da hatte einmal, vor vielen Jahren, der „Osterhase“ für ihn eine kleine Schubkarre versteckt. Er wusste natürlich, dass es den Osterhasen eigentlich gar nicht gab. Aber es war doch schön zu wissen, dass es ihn vielleicht doch geben könnte. So ganz sicher war und wollte er sich da nicht sein.

Aber diesmal erregte etwas ganz anderes seine Aufmerksamkeit. Hatte sich dort in der Ecke nicht eben etwas bewegt? War da nicht ein ganz leises und feines Wispern zu hören? Oder hatte er sich nur getäuscht? Aber das war fast unmöglich. Da war etwas gewesen. Er konnte nicht sagen was, aber etwas war es. Sein Onkel hatte ihm früher schon erzählt, dass in seinem Garten ein Geheimnis sei. Johannes hatte aber nie herausgefunden, was es ist. Und gesagt hatte es ihm sein Onkel auch nicht.

„Wenn du mal größer bist, wirst du es von alleine herausfinden“, hatte er nur immer gesagt.

War es jetzt etwa soweit? Zu fragen traute er sich aber auch nicht so richtig. Man würde die Sache weiter beobachten und zum richtigen Zeitpunkt doch noch mal fragen müssen.

Beim Weitergehen drehte sich der Junge öfter um. Das bemerkte auch sein Onkel, sagte aber nichts.

„Ist Johannes heute auf mein Geheimnis gestoßen?“, fragte er sich im Stillen.

Das wäre toll, aber auch nicht ganz ungefährlich. Denn da gab es wirklich etwas, dass er ihm bisher noch nicht gezeigt und erklärt hatte. Einfach deshalb, weil er früher noch zu klein war und es nicht verstanden hätte. Außerdem war es ganz wichtig, dass Johannes selbst das Geheimnis herausfand. Nur so konnte er sicher sein, dass er es auch verstand und bereit war, jetzt mit ihm gemeinsam das zu erkunden, was er sich allein früher nicht getraut hatte. Früher, als er selbst noch ein kleiner Junge war.

Er hatte nämlich entdeckt, dass es dort in dieser Gartenecke eine Stelle gab, an der sich ständig etwas veränderte, ohne dass jemand etwas dazu getan hätte. Und da sich nichts von alleine ständig verändert (es waren zwar nur kleine und unbedeutende Dinge) musste dort jemand oder etwas sein.

Und so war es auch. Eines Tages entdeckte er ein winziges, kleines Männchen. Das sprach zu ihm und stellte sich vor.

Schattenhaft hatte Johannes etwas gesehen. Was war das nur?

„Guten Tag“, sagte es eines Tages, „ich bin ein Munk und lebe hier schon seit vielen hundert Jahren. Ich tue niemandem etwas zu leide, ich mag die Menschen. Und ganz besonders die, die an mich glauben. Denen kann ich eine Menge zeigen. Vor vielen Jahren lebten wir mit den Menschen gemeinsam. Aber es glaubten immer weniger an uns. Und so war es uns eines Tages nicht mehr möglich, den Menschen Gutes zu tun. Wir zogen uns dorthin zurück, wo wir ungestört leben konnten und die Hoffnung hatten, dass an diesem Ort irgendwann mal wieder ein Mensch an uns glaubt. Es ist schön, dass mich hier niemand gestört hat. Und immer habe ich gewusst, hier wird es mal wieder jemanden geben, der an mich glaubt. Es kann mich nur sehen, wer fest an mich glaubt und auch glaubt, dass es uns Munks gibt. Wenn du an mich glaubst, kann ich dir wunderbare Dinge in der Welt zeigen, und wir können gemeinsam große Abenteuer bestehen.“

Sein Onkel Horst war natürlich damals sehr erschrocken gewesen, rannte weg und traute sich lange Zeit nicht mehr in diese Ecke des Gartens. Eines Tages schaute er aber doch wieder hin und sah den Munk. Er war froh, ihn wiedergesehen zu haben. Er sprach mit niemandem über das Erlebnis. Er glaubte fest daran, dass es den Munk wirklich gab. Und gerade deshalb hatte er Angst, der Sache auf den Grund zu gehen.

Im Laufe der Jahre verblasste die Erinnerung an den Munk mehr und mehr (andere Dinge wurden wichtiger), bis er ihn schließlich fast vergaß. Aber den Glauben daran gab er nie auf. Tief im Unterbewusstsein glaubte er an die Existenz des Munk und anderer Gestalten. Aber er hatte es vergessen. Er glaubte, dass all die anderen Sachen wichtiger waren, als der Glaube an den Munk. Vor langen Jahren, als er zufällig mal wieder in diese wirklich abgelegene Ecke des Gartens kam, erinnerte er sich an das Erlebnis von damals. Er erinnerte sich an alles und wusste plötzlich, dass er wirklich an den Munk glaubte. Ja, er glaubte nach wie vor an den Munk. Und da war er auch wieder.

„Schön, dass du mich nicht vergessen hast und an mich glaubst“, sagte der Munk, „nur bist du heute viel zu groß, als dass ich mit dir Abenteuer erleben könnte. Es sei denn, du hättest ein Kind bei dir. Mit dem könnte ich Abenteuer erleben. Ja, das ginge. Du aber bist jetzt zu groß.“

Mit diesen Worten war er auch schon verschwunden. Und mit der Zeit auch wieder die Erinnerung an den Munk.

Jetzt stand plötzlich alles wieder vor ihm. War es möglich, dass Johannes den Munk gesehen hatte? Er wollte nichts sagen und abwarten, ob und was Johannes dazu sagen würde. Sie hatten ja beide so viel Zeit.

So gingen sie erst einmal wieder ins Haus. Mama und Papa wollten auch wieder nach Hause. Sie verabschiedeten sich von allen und gaben Johannes viele gute Ratschläge und Ermahnungen: „Sei schön artig! Höre, wenn Onkel Horst und Tante Eva was sagen! Mach dich nicht so schmutzig! Tobe nicht so viel umher und, und, und, und ...“

Johannes versprach alles und seine Eltern stiegen ins Auto und fuhren los. Er winkte so lange hinterher, bis sie um die Ecke und nicht mehr zu sehen waren.

Nun wurde es auch so langsam Abend und somit Schlafenszeit. Da hieß es also nun ab in die Badewanne und dann ins Bett.

Als er ins Bad ging, staunte er nicht schlecht. Es gab ein ganz neues Bad. Das alte war zwar auch nicht schlecht gewesen, aber das neue war toll. Er badete also ganz ausgiebig und wurde dabei so richtig schön müde.

Als sein Onkel ins Bad kam, fragte er: „Onkel Horst, kannst du mich ins Bett tragen? Ich bin so müde!“

Das tat sein Onkel natürlich, und es dauerte gar nicht lange, da schliefen sie beide ganz dicht aneinander gekuschelt ein und träumten von den Abenteuern, die sie erleben würden.

3