Der Schatzsucher - Fabian Kahl - E-Book
SONDERANGEBOT

Der Schatzsucher E-Book

Fabian Kahl

0,0
12,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 12,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Kunst- und Antikhändler Fabian Kahl gehört zur Stammbesetzung der Trödelshow »Bares für Rares«. Seit 2013 sitzt er regelmäßig am Händlertisch der ZDF-Erfolgssendung. Der selbst ernannte »Antikjäger« hat sich schon in jungen Jahren für Antikes und Kunst begeistert und seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. In diesem Buch erzählt er nicht nur von seinem persönlichen Werdegang und ungewöhnlichen Entdeckungen bei der »Schatzsuche« auf Flohmärkten, Messen und in Nachlässen, sondern gibt wertvolle Tipps und Tricks für die Bewertung und den An- und Verkauf von Raritäten und kuriosen Einzelstücken. Ein Buch nicht nur für Fans von »Bares für Rares«, sondern für Flohmarktgänger, Antikbegeisterte und Leser, die sich mit dem Blick des Fachmanns auf Schatzsuche begeben möchten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Vorwort

»Der Sinn des Lebens liegt in der Suche nach Schönheit.« Oscar Wilde

Mag sein, dass es spießig klingt, aber mir war die Vorstellung, anhand einer uralten Landkarte, auf der ein rotes Kreuz das Versteck eines verborgenen Schatzes markiert, die Segel zu setzen und auf das offene Meer hinauszufahren, eine meuternde Crew im Nacken und schiffeversenkende Seeungeheuer vor der Nase, immer schon zu gefährlich. Das überlasse ich gern mutigen Abenteurern und waghalsigen Entdeckern. Ich hingegen düse lieber mit dem Auto und einem Navi über offene Landstraßen auf der Suche nach schlummernden Schätzen in den Kellergeschossen oder auf den Dachböden und Antikmärkten der Republik.

Die Menschen, die ich dabei treffe, sind einzigartig und vielseitig, ganz so wie ihre Schätzchen. Ich habe diese Passion, dieses »Schatzsucher-Gen« bereits in meiner Kindheit in mir verspürt. Es ist wie ein Kribbeln in den Händen, ein Zwicken am ganzen Körper, ein Stromschlag, der mich durchzuckt, und schon bin ich elektrisiert. Ein wachsames und prüfendes Auge ist dabei mein wichtigstes Werkzeug und natürlich viel Spaß und Freude an meinem Beruf. Mut, Liebe und Geduld sind unverzichtbare Attribute für eine Reise in die abenteuerlichen Gefilde der Antikwelt, in denen auch an Land so manches Ungeheuer lauern kann.

Dieses Buch ist eine Einladung für alle antikbegeisterten Abenteurer und Schatzsucher, wie ich einer bin, mir zu folgen, meiner Geschichte zu lauschen und die verborgene Welt der Antiquitäten und Altertümer wieder näher in den Fokus der Moderne zu rücken. Dazu gibt es noch eine Portion nützlicher Tipps und Tricks zum Umgang und zum Handel mit Antiquitäten, resultierend aus meinen persönlichen Erfahrungen.

KAPITEL 1

Ratternde Zahnräder

Ich bin immer gern bei meinen Großeltern zu Gast gewesen. Ihre Wohnung war schlicht eingerichtet. Gelblich beige Helleraumöbel aus den Siebzigern bestimmten das Raumbild. Kristallvasen auf dem Mobiliar und im Fenster warfen bunt schimmernde Prismen an die Wand und sorgten zusammen mit einer Reihe von Bildern im Perlmutteffekt, die Stadtansichten bekannter deutscher Touristenorte zeigten, und einer leicht vergilbten, nach Raumfahrt anmutenden, runden Deckenlampe, welche in den Zeiten des Space-Age das absolute Must-have darstellte, für DDR-nostalgischen Charme. Die Vorhänge waren aus transluzidem Stoff gefertigt, der mit tropfenartig herunterhängenden Schlieren in Weiß, Beige und Braun gemustert war. Die Farbkomposition muss in den Siebzigerjahren der Eyecatcher gewesen sein, denn ich finde sie heute noch auf meinen Ankauftouren quer durch Deutschland in so einigen Wohnzimmern. Dazu passend war natürlich, wenn auch in abgeschwächter Form, die Tapete gewählt, was dem Raum jedoch wiederum eine gewisse anheimelnde Homogenität verlieh.

Das Schlafzimmer sah dem Wohnzimmer sehr ähnlich, und die Küche könnte als ein Paradebeispiel der Kriegsgeneration herhalten. Fein säuberlich nach Größe sortierte Emailletöpfe stapelten sich im vielfarbigen Spanplatten-Küchenmobiliar und auf dem gusseisernen Ofen in der Ecke neben der Tür. Der Raum war sehr schmal und für eine Küche eigentlich zu klein. Im Sommer, wenn es draußen brütend heiß war, feuerte Oma dennoch den uralten Herd an, stand mit hochgekrempelten Ärmeln in der Küche, gerade so, als würde sie die Wärme als Einzige nicht tangieren, und kochte für die ganze Familie ein bezauberndes Sonntagsmahl. Meine Großeltern väterlicherseits waren einfache, aber sehr gebildete und vielseitig interessierte Leute. So verwundert es nicht, dass beide im Lehrberuf tätig waren. Sie sparten ihr Vermögen, gaben lieber, als zu nehmen, und schmissen nichts leichtsinnig weg. Alles wurde bis zum Ende geehrt, verwahrt und benutzt. Ging etwas kaputt, reparierte man es. Und nur im größten Notfall wurde eine Neuanschaffung getätigt. Sie waren sozusagen die Ur-Hipster der heute so beliebten Vintage- und Upcycling-Kultur.

Ich kann das nur befürworten. Heutzutage gehen wir mit so viel Unachtsamkeit durch unser Leben. Wir ehren die Dinge, die uns umgeben, nicht mehr in dem Maße, wie es Generationen vor uns getan haben. Alles fliegt schnell und funkensprühend an uns vorbei, zugespamt mit Werbung in grell leuchtender Optik, welche einem ihre vermeintlich wichtigen Botschaften mit spitzen Nägeln in den Kopf zu hämmern versucht. Durch stetig bimmelnde, mit Virtualität und Ablenkung lockende Smartphones und Tablets oberflächlich geworden, nehmen wir unsere Umwelt nur noch wahr, wenn sie uns am Laufen mit gesenktem Blick auf das Handy hindert oder mit gellendem Sirenengeheul an uns vorbeidonnert. Ruhe und Gelassenheit fehlen uns dadurch. Ich merke das deutlich an mir selbst, da ich in beruflicher Hinsicht oft und gern auf diese technischen Neuerungen zugreife und mit den Annehmlichkeiten und der daraus resultierenden Schnelligkeit und Effizienz durchaus zufrieden bin. Das Paradoxon könnte kaum größer sein. Mit schnelllebigen Mitteln in einer schnelllebigen Zeit betreibe ich einen hektischen Handel mit langsam etablierten, wohldurchdachten und zeitaufwendig hergestellten Dingen vergangener Jahrhunderte.

Doch gerade das ist es, was den Reiz an antiken Dingen ausmacht. Eine Louis-Philippe-Chaiselongue ist nicht nur einfach ein lebloses Möbel, gerade noch dekorativ genug, um in unserer modernisierten Welt einen, wenn auch ungewissen, Platz zu erhalten – nein. Es ist ein Stück gelebter, weit zurückliegender, menschlicher Gedanke. Ein über hundert Jahre alter Ahn vergangenen Zeitgeists. Geschichtsträchtig und erhaben, voll Schönheit und altertümlicher Patina. Und auch oder eher gerade diese Objekte sind es, die einen Wohnraum erst zum Leben erwecken. Ich selbst lebe die Vielfalt in meiner Wohnung. Ich bin weder ein Fan von leblosem Hochglanzpolitur-Mobiliar vom schwedischen Möbelhaus noch von verstaubten Barockbuden, welche ihre abgestandene Raffinesse in die Welt husten. Das richtige Maß zwischen diesen scheinbar konträren Welten zu finden, das ist wahre Ästhetik, durch die ein Wohnraum zu Poesie wird.

Aber zurück zu meinen Großeltern und somit zu den Anfängen meiner Begeisterung für Antikes. In dem kleinen Haus, welches meine Großeltern bewirtschafteten, gab es nicht allzu viele Zimmer. Die wichtigsten habe ich oben bereits beschrieben. Bis auf eines. Das kleine Zimmer rechts neben der Eingangstür. Es war das ehemalige Kinderzimmer meines Vaters. Die Vorhänge waren hier aus unerklärlichen Gründen immer zugezogen und hüllten diesen Raum in geheimnisvolle Schwärze. Nur ein leises Ticken von drinnen her war zu vernehmen. Wie oft lief ich als Kind schnurstracks durch diesen schmalen Raum, um bloß schnell die verhüllenden Tücher vor dem Fenster aufzuziehen und das Tageslicht ins Innere hineinströmen zu sehen. Auch hier prägten Helleraumöbel das Raumbild. Eine Klappcouch rechts, ein kleiner Schreibtisch zu meiner Linken und an der Stirnseite eine mit dekorativen Römergläsern und Kristallvasen ausgestattete Fünfzigerjahre-Schiebeglasvitrine, in welcher Oma Matchboxautos aufbewahrte, mit denen mein Bruder und ich oft spielten. Nun hörte man auch das Ticken laut und deutlich. Über dem Bett hing, aus braunem Holz geschnitzt und mit Ziffern und Zeigern aus Bein verziert, eine Schwarzwälder Kuckucksuhr. Auf dem spitz zulaufenden und mit geschnitzten Weinblättern dekorierten Dachsims saß ein ebenfalls geschnitzter, frech mit den Flügeln schlagender Kuckuck. Das Pendel zierte ein Weinblatt, und die schweren Gewichte waren aus in Form von Pinienzapfen gegossenem Eisen gefertigt. Im Übrigen dürfen Letztere nicht vertauscht werden, da sie unterschiedlich gewichtet sind und eine mechanische Uhr dann nicht richtig läuft. Ich stand oft begeistert vor dieser Uhr. Sie war das wertvollste Stück meiner Großeltern und wurde seit jeher mit Bewunderung und Ehrfurcht betrachtet.

Damals waren solcherlei Dinge sehr gefragt und entsprechend teuer. Heutzutage steht es darum leider etwas anders, aber für mich strahlt diese Uhr, damals wie heute, meine persönliche Verbundenheit zum Antikhandel aus. Oft stand ich als Kind davor und zählte die Minuten und Sekunden bis zur vollen Stunde, erwartungsvoll auf die Klappe unterm Dachsims schauend und auf jede Regung der Zahnräder im Inneren lauschend, bis sich endlich unter dumpfen Geratter die Klappe öffnete und sich der geschnitzte und bemalte Kuckuck mit lautem Ruf hervorschob. »Kuckuck! Kuckuck! Kuckuck!«, rief er in den Raum hinein, zog sich sogleich so schnell, wie er erschienen war, in seine schmale Behausung zurück, die Klappe schloss sich, und zurück blieben das monotone Ticken und Rattern der Zahnräder und ein begeisterter kleiner Junge, der von diesem Schauspiel nicht genug bekommen konnte. Mein Interesse an den Dingen der Vergangenheit war geweckt.

Expertentipp: Uhren

Ganz grundlegend ist zu sagen, dass es fünf größere Kategorien im Bereich Uhren gibt: Standuhren, Wanduhren, Tisch- und Kaminuhren, Taschenuhren sowie Armbanduhren.

Als erstes sollte man in jedem Falle die Funktionstüchtigkeit der Uhr prüfen. Hierfür muss sie aufgezogen werden, wofür in den meisten Bereichen der Uhrenhistorie ein Schlüssel erforderlich ist. Bei Armband- und Taschenuhren gibt es in vielen Fällen die Möglichkeit, diese mit einer eingebauten Aufzugskrone in Gang zu setzen. Diese Erfindung wurde von der weltweit bekanntesten und hochwertigsten Firma für Uhren, Patek Philippe, eingeführt und veränderte das Tragen von Uhren vollkommen. Die Armbanduhr, wie wir sie heute kennen, wurde dadurch erst möglich gemacht. Wenn eine Uhr »läuft«, so heißt es jedoch nicht, dass sie auch ganggenau ist. Dies zu prüfen sollte man einem Uhrmacher überlassen. Wichtig ist für den Kauf vor allem, dass sie generell funktioniert und sich aufziehen lässt. Bei Standuhren sowie auch für Tisch- und Kaminuhren ist ein Pendel erforderlich.

Zu einer Standuhr gehören außerdem noch Gewichte. Je nach Art des Werkes variiert die Anzahl. Die meisten Standuhren besitzen zwei Gewichte für den grundsätzlichen Gang des Werkes und die tonale Anzeige von Viertel-, halben oder vollen Stunden. Kommt ein drittes Gewicht hinzu, so hat die Uhr einen Glockenschlag. Der wohl berühmteste ist der Westminster-Schlag, also in der Art des in London befindlichen Big Ben. Es gibt noch viele weitere Komplikationen jeglicher Art bei Uhren, wie die Datumsanzeige, die Mondphasenanzeige, Glockenspiele oder weitere bewegliche Spielereien und musikalische Raffinessen. Je mehr Komplikationen ein Uhrwerk hat, desto hochwertiger ist die Uhr einzuschätzen.

Bei Kaminuhren, welche vornehmlich aus der Gründerzeit stammen, ist die Wahl des Materials ein entscheidender Punkt der Wertermittlung. Am aufwendigsten sind die feuervergoldeten Kaminuhren aus Bronze aus dem späten 18., anfänglichen 19. Jahrhundert. Diese Uhren sind leicht an ihrer Fadenaufhängung zu erkennen. Das Pendel wird mittels eines Fadens an der Pendelaufhängung gehalten und bewegt. Die Fadenaufhängung galt als zu ungenau und wurde schnell verworfen. Kaminuhren, die eine andere Halterung besitzen, sind nach 1870 produziert worden. Man fertigte in Frankreich, Belgien und Holland solche Uhren in großer Stückzahl. Es sind Massenprodukte, die am heutigen Kunstmarkt leider häufig zu finden sind. Aber auch hier gilt: Je interessanter und innovativer der Entwurf, desto mehr Geld kann man am Ende erzielen. Gesucht wird, was ausgefallen und selten ist.

Bei Taschenuhren gilt es, nach der Prüfung der Funktion die Marke und das Gehäusematerial zu analysieren. Die Marke steht im besten Fall bereits offensichtlich auf dem Zifferblatt. Sollte dem nicht so sein, findet man die Stempelung meistens auf der Innenseite des Gehäusedeckels. Ebenso dort befindlich ist, neben der jeweiligen Produktionsnummer, ein Hinweis auf das Material. Zumindest, wenn es sich um eine Taschenuhr aus Silber oder Gold handelt, ist dies vermerkt. Man findet mit der Lupe Zahlen wie zum Beispiel eine 800 oder eine 835 für Silber oder eine 585 oder 750 für Gold. Im Goldbereich können auch eine 14 oder 18 oder der Hinweis 14k oder 18k verwendet worden sein. Diese Zahlen sind gleichbedeutend mit 585 (14k) und 750 (18k) und sind ein Hinweis auf die Karatzahl des verwendeten Goldes. Bei der Preisfindung kommt es schlussendlich auf die Marke und den Materialpreis an. Gefragte Taschen- und Armbanduhrenmarken sind unter anderem: Patek Philippe, Lange und Söhne, Jaeger-LeCoultre, Rolex, Breitling, Longines, Omega sowie Marken aus der Produktionsstätte Glashütte. Sollte auf dem Zifferblatt und dem Deckel kein Hinweis auf eine Marke vorhanden sein, könnte die Uhr auch eine Stempelung oder eine Gravur im Werk aufweisen.

Bei Armbanduhren, gerade bei den Luxusuhrenmarken, ist genauestens auf Fälschungen zu achten. Diese Uhren werden gern nachgeahmt, da ihr Wert in die Zigtausende ausufern kann. Daher sollte man beim Kauf einer solchen Uhr, gerade ohne die originale Box und die zur Uhr gehörigen Papiere, immer einen Fachmann zu Rate ziehen. Ich habe mich mit dem Kauf gefälschter Uhren selbst ein paar Mal in die Nesseln gesetzt. Seither kaufe ich keine Uhr mehr, ohne sie prüfen zu lassen. Folgende Merkmale sind Anzeichen für Fälschungen:

Firmenstempel und Beschriftungen weisen eine fehlerhafte Schreibweise auf und sind nicht genau zentriert platziert.

Die Aufzugskrone lässt sich schwer drehen und rattert laut.

Metallene Uhrenbänder sind scharfkantig und grob gearbeitet.

Im angeblichen Gold finden sich grüne oder schwarze Stellen (Grünspan durch Kupfer als Untergrundmaterial).

In solchen Fällen rate ich von einem schnellen Kauf ab. Der Gang zum Uhrmacher oder Uhrenhändler sollte die Fälschung entlarven.

KAPITEL 2

Ultramarinblau

Die Sonne schien an Sommermorgen zwischen den Giebeln unseres Umgebindefachwerkhofes auf den von Weinranken umwundenen Laubengang, während wir Kinder zusammen mit unseren Eltern beim Frühstück saßen. Ich habe einen jüngeren Bruder, mein »kleiner« Bruder, welcher mich mit seinen 21 Jahren schon um einen halben Kopf überholt hat. Ich habe mal gelesen, dass Zweitgeborene ihre älteren Geschwister statistisch häufig an Körpergröße übertrumpfen, aber für mich wird er immer mein kleiner Bruder sein. Ich bin froh, einen Bruder zu haben, denn dadurch hatte ich immer jemanden, der sich mit mir die Zeit auf dem Dorf vertrieb. Ich mochte das Dorfleben. Derzeit wohne ich zwar in Leipzig und kann dem städtischen Treiben durchaus auch etwas abgewinnen, aber die Abgeschiedenheit und das heimische Idyll eines beschaulichen Dorfes hat doch seinen ganz eigenen, fast schon archaischen Charme.

Aufgewachsen bin ich in Oberoppurg, einem kleinen Ort, ringsum von Feldern und Wäldern umgeben und weich gebettet in eine kleine Talsenke, durch die sich schlängelnd ein Bächlein zieht. Meine Eltern, seit jeher leidenschaftliche Denkmalpfleger und mit Herzblut dem Verkauf von Antiquitäten verschrieben, hatten sich hier in einem ruinösen, denkmalgeschützten Umgebindefachwerkhof niedergelassen und begonnen, diesen wieder zu neuer Blüte zu bringen, was ihnen auch tadellos gelang. Alles wurde liebevoll mit alten Baustoffen restauriert und ausgebessert. Mein Vater achtete mit fast schon pedantischer Akribie darauf, dass alles möglichst nach altem Vorbild und auch traditionell wiederaufgebaut wurde, was zum Beispiel bedeutete, dass zum Verankern von Fachwerkwänden nur Holznägel benutzt wurden oder dass Lehm statt Putz in der Wandgestaltung Verwendung fand. Was das angeht, sind meine Eltern ein wahres Dreamteam. Von wem sonst hätte ich besser all diese Erfahrung und das Gespür für Althergebrachtes mitnehmen können.

Mein Vater war bereits mit zwölf Jahren im Bund für Numismatik der DDR, der sich der Münzkunde verschrieben hatte, und Zeit meines Lebens Antiquitätenhändler. Den Geist des Antiken bekam ich also schon seit meiner Geburt mit, und ich genoss es schon früh, meinem Vater beim Ankaufen und Verhandeln mit Händlern und Privatleuten mit kindlicher Neugier über die Schulter zu schauen. Ein Funke, der sich langsam, aber stetig entfachte.

Unser Hof befand sich zentral in der Dorfmitte, direkt an einem schilfrohrbewachsenen Teich. Es gab unser Wohnhaus und zwei rund umliegende Gebäude sowie das Torhaus mit seinem steil aufsteigenden Giebel, das eine Brücke über eine kleine Gasse bildete. Zwischen Dorfteich und Wohnhaus lag auf einem gemauerten Plateau der liebevoll angelegte, von Wildblumen gesäumte Kräutergarten meiner Mutter, in dem sich im Sommer hunderte Insekten und Schmetterlinge tummelten. Die Sonnenblumen schossen in die Höhe und reckten ihre goldgelben Köpfe übermannshoch in die flirrend heiße, von Schnittlauch und Thymian appetitlich duftende Luft.

Eines Tages, ich war neun Jahre alt und grub gerade ein Loch in einer unbepflanzten Ecke des Gartens, um dort meiner kindlichen Leidenschaft zur Archäologie nachzugehen, rief meine Mutter aus dem geöffneten Küchenfenster: »Fabian? Ach, da bist du. Du gräbst an der falschen Stelle. Hier unterm Fenster musst du schauen. Früher haben die Leute alles direkt von der Küche in den Garten entsorgt. Ich bin mir sicher, du wirst da, neben den Johannisbeeren«, sie deutete, indem sie sich aus dem geöffneten Fenster beugte, mit dem Finger auf eine Vertiefung in der Erde, »auf jeden Fall etwas finden.«

Also machte ich mich an die Arbeit und buddelte an der von meiner Mutter besagten Stelle. Nachdem ich tatsächlich die erste beige-braun glasierte Tonscherbe aus der Erde barg, war ich gänzlich bei der Sache. Stück für Stück hob ich die Erde aus und räumte sie beiseite, um immer mehr verborgene Scherben und Bruchstücke eines Tontopfes zu entdecken. Für mich sahen die Scherben sehr alt aus, vielleicht mittelalterlich. Als ich die letzten Teile des antiken Puzzles gefunden hatte, packte ich alle Scherben aufgeregt in eine Plastikschüssel und wusch sie im Teich sauber. Ich legte sie zum Trocknen im Hof aus und eilte ins Haus, um sogleich mit einer Tube Sekundenkleber zurückzukehren. Stück für Stück setzte ich in dreistündiger Arbeit alle Teile des Tontopfes zusammen. Er war sehr breit und ähnelte in der Form einem Nachttopf mit einem Henkel. Die Außenseite war beigefarben, unglasiert und an der Lippe des Topfes mit drei mahagonifarbenen Streifen verziert. Im Inneren war er dunkelbraun glasiert, und man konnte anhand von ungleichmäßigen Ringen im Boden gut erkennen, dass er in Handarbeit gefertigt worden war. Ich strahlte, als ich die Kante der letzten Scherbe ringsumher mit Kleber bestrich und sie nach kurzem Warten in das gleichförmige Loch des Topfbodens einpasste. Noch nie hatte ich ein vollständiges Relikt aus vergangenen Tagen aus der Erde geborgen. Ich hatte schon so manches Loch in die Erde um unser Haus gegraben und bin dabei auf Scherben aus vergangenen Zeiten gestoßen, aber es waren immer nur Bruchstücke. Nun aber hatte ich wie ein richtiger Archäologe alle Teile zu einem Objekt gefunden und zusammengefügt und blickte mächtig stolz auf mein Tagwerk.

Meine Mutter brüstete sich lachend mit ihrem Spürsinn für antike Grabungsstätten, und mein Vater klärte mich über das Alter des Topfes auf. Er stammte aus der Zeit um 1890 und diente als Gefäß zur Aufbewahrung von Kartoffeln oder Zwiebeln. Er erklärte mir, dass ihn die ehemaligen Hausbesitzer damals achtlos in den Garten geworfen haben müssten und er die Zeit in der Erde vollständig überdauert habe. Erst Jahre später habe ich erfahren, dass mein Vater selbst diesen Tontopf auf einer Haushaltsauflösung gekauft, zerschlagen und vergraben hat, um mir damit eine Freude zu machen. Noch heute erinnere ich mich an diesen Tag, als sei es gestern gewesen.

Ich hatte eine zauberhafte Kindheit. Wir wuchsen praktisch auf einer Dauerbaustelle auf, welche, sobald die eine Aufgabe erledigt war, bereits an anderer Stelle wieder zu rufen begann. Trotzdem fehlte es uns Kindern an nichts. Unsere Eltern waren zwar vielbeschäftigt und wenn ich heute zurückblicke, frage ich mich, wie sie all das damals zu zweit bewältigt haben, aber ich hatte nie das Gefühl, durch die Arbeit und den Hausbau vernachlässigt worden zu sein. Ganz im Gegenteil. Es war sogar sehr aufregend und abenteuerlich, und wir hatten oft Besuch von Nachbarskindern, die kamen, um zu spielen und um auf Entdeckertour zu gehen. Und wenn das nicht möglich war, weil Regentage die kleine Talsenke in verhüllendes Grau tauchten und das Wasser sich im Innenhof zu kleinen Seen aufspülte, welche fast schon eine Verbindung zum nah am Haus fließenden Bach aufnahmen, oder weil der Winter den Schnee vor der Türe einer weißglitzernden Wüste gleich hoch aufbäumte, fanden wir im Haus, besonders in der Stube, von mir auch »Schatzkammer« genannt, da mein Vater hier regelmäßig in reichlicher Zahl seine angekauften Objekte zur Sichtung und Wertschätzung ausbreitete, oder auf dem Dachboden allerhand spannendes und für Kinderaugen fast schon mystisches Gewerk vor, welches den Regen oder die Kälte draußen schnell vergessen machte. Hier sammelte ich, ohne es damals recht zu merken, einen großen Teil meines Erfahrungsschatzes, der mir später zum Kunsthandel verhelfen sollte.

Wenn man als wachsames und an alten Dingen interessiertes Kind in einem solchen Haushalt aufwächst, gibt es zur beruflichen Tendenz nur noch ein Wort zu sagen: Schicksal. Ich hatte schon von klein auf das Gefühl, genau zu wissen, wo es für mich hingeht. Oder anders gesagt, ich hatte nie arge Selbstfindungsängste und Zweifel. Die Richtung war klar vorgegeben. Nicht durch die stählerne Hand eines unliebsamen, seinen eigenen Misserfolg durch die Erfolge seiner Söhne zu kompensieren suchenden Vaters, der mich auf diesen Weg getrimmt hätte, sondern durch eigenes Interesse an der Materie des Kunsthandels und die wohlwollende Unterstützung und Förderung meiner Eltern. Es wird einem oft fast schon zum Vorwurf gemacht, wenn man die gleiche berufliche Richtung anstrebt wie das Elternhaus. Freunde, Verwandte und Bekannte sind der Meinung, immer wieder betonen zu müssen, dass ich eigenständig denken könnte und meinem Vater nicht alles nachplappern bräuchte. Dabei wird immer wieder vergessen, dass Charakterbildung aus Eigeninitiative resultiert, und diese kann man nicht kopieren. Mein Interesse an dem Thema schon von Kindheitstagen an war der Auslöser, mich überhaupt mit diesen Dingen beschäftigen zu wollen. Mein Bruder hingegen, der mit den gleichen Einflüssen in Berührung kam, ist heute mit Herzblut und Gewissenhaftigkeit in der Gastronomie tätig, wo er vollends aufblüht.

Man ist, wer man ist. Von Anfang an. Und ich war und bin schon immer ein antikbegeisterter Mensch. Ich las unheimlich viel, und auch damals schon keine Romane oder Kinderbücher. Diese ließ ich mir eher in Form von Hörbüchern durch den Kopf gehen. Fast ausschließlich vertiefte ich mich in Fachliteratur aus der Hausbibliothek, die mein Vater neben meinem Kinderzimmer eingerichtet hatte. Oft blieb ich stundenlang in dem kleinen, nach abertausenden Bücherseiten und Umschlägen riechenden Zimmer, welches durch seinen ultramarinblauen Anstrich mit in Gold an die Decke gemalten Sternen und einem sichelförmigen Mond eine unendliche Weite ausstrahlte. Hier fanden sich Buchrücken wie Die Wiener Werkstätte, Symbolismus in der Kunst, Kunst oder Fälschung, Ihre eigene Welt – Frauen in der Kunst, Möbel des Barock und Rokoko, Der Dresdner Zwinger und unzählige Ausgaben der Battenberg Antiquitätenkataloge, die gespickt waren mit Schwarz-weiß-Abbildungen zu Objekten jeglicher Bereiche und deren angenommene Marktwerte in D-Mark angegeben waren. Wie sich herausstellte, war nicht die Hälfte dieser Schätzungen annähernd realitätsnah, aber es verhalf mir schon damals zu einem groben Überblick bezüglich seltener und häufiger Antiquitäten.

Dieses Gespür zu entwickeln dauert seine Zeit. Um etwa auf einem Antikmarkt in einer Fülle von Gegenständen zu erkennen, welches Werk der Kunstgeschichte nun wirklich das Potenzial hat, ein »guter Fang« zu sein, um dann auch in der Verhandlung mit dem Verkäufer einen »guten Deal« aushandeln zu können, braucht es einiges an Übung und Erfahrung. Ich habe das selbst am eigenen Leib erfahren müssen, wenn ich mit meinem Vater über den Antikmarkt lief und er mich immer wieder vor die Aufgabe stellte, an einem bestimmten Stand die älteste oder die wertvollste Antiquität auszuwählen und ihm meine Wahl auch zu begründen. Oftmals wusste ich es nicht, aber auch das sind Erfahrungswerte, an welchen sich nach und nach eine Fachkenntnis herauskristallisiert, die mit einer Intuition und einem Bauchgefühl einhergeht, das unheimlich wichtig für den alltäglichen Handel mit antiken Dingen ist.

Ich kaufe gern auch mal Dinge, von denen ich noch keine genaue Ahnung habe und die daher im Grunde ein unsicheres Geschäft für mich darstellen. Durch diese Objekte werde ich angeregt, mich mit Themen auseinanderzusetzen, die mir vorher so nicht untergekommen wären. Und ehe man sichs versieht, hat man wieder einen Teilbereich des Händlerberufes ergründet und dabei vielleicht sogar einen kleinen Schatz entdeckt oder, wenn nicht das, dann zumindest etwas dazugelernt, auch wenn man dafür etwas Lehrgeld zahlen musste. Das gehört dazu. Ich bin aber froh, dass ich als Kind kein eigenes Geld zur Verfügung hatte. Mein Sparschwein hätte einen Ausflug auf den Trödelmarkt nicht heil überstanden.

Mein Vater unternahm mit uns Kindern auch einige Bildungsausflüge. Den Gedanken an Urlaub gab es bei Familie Kahl kaum. Wenn wir als Familie wegfuhren, dann an die Ostsee oder an die Nordseeküste. Hier sammelte ich von Wasser ausgehöhlte Feuersteine, sogenannte Hühnergötter und Donnerkeile, kleine Fossilien, oder vertrieb mir die Zeit mit Erkundungstouren durchs Watt. Ich hatte meine Hände immer irgendwo im Schlamm und durchkämmte ihn nach Muscheln, Krabben, Krebsen, Schnecken und Würmern, drehte jeden Stein um und suchte in jeder noch so kleinen Wasserlache nach verschiedenartigsten Fischen. Meine Eltern hatten in weiser Voraussicht aus unserer Bibliothek einige Handbücher zur Tier- und Pflanzenbestimmung mitgenommen, und so saß die ganze Familie am Strand oder an einer felsigen Steilküste und grübelte über der Bestimmung der Tierarten, die ich aus dem Wasser fischte. Manche wurden für die Zeit ihrer Bestimmung in Gläser mit Meerwasser gesetzt, damit wir sie durch das Glas beobachten und ihre Zeichnung und die Form ihrer Flossen und Gliedmaßen erkennen konnten. Andere, wie Muscheln oder kleine Krebse, ließen sich schnell bestimmen, und ich brachte sie sofort zurück an die Stelle ihrer Entnahme.

Wenn wir uns nicht am Strand tummelten, machten wir Schlösser und Burgen in der Region ausfindig. Es ist vor allem meinem Vater zu verdanken, dass ich bis zu meinem 15. Lebensjahr so ziemlich alle Burgen und Schlösser Deutschlands, mit ihren Schießscharten, Rüstkammern, Festsälen und Lustgärten besucht habe. An viele erinnere ich mich heute nicht mehr genau, da ich zum Teil noch im Kleinkindalter war. Aber auch diese Besuche bildeten und prägten mein Verständnis für Antiquitäten. In der häuslichen Bibliothek las ich alles über antike Gegenstände, und auf Ausflügen sah ich sie direkt vor mir und durfte, mit Erlaubnis des Museumspersonals, so manches Ausstellungsstück anfassen und es zusammen mit meinem Vater begutachten.

»Schau mal da, der Zinndeckel des Fayencekruges sitzt nicht ganz gerade auf der Lippe. Der Scherben ist leicht uneben und hat viele Einschlüsse. Die merkst du am besten, wenn du mit der Hand drüberfährst«, erklärte er mir und reichte mir den Krug. »Und auch die Glasur ist nicht ganz sauber ausgearbeitet. Das sind alles Indizien für einen originalen Fayencekrug aus der Mitte des Barocks, also aus der Zeit um …?«, fragte er mich ganz unverhofft.

»1720 bis 40«, antwortete ich belesen und selbstsicher und stellte das museale Objekt nach längerer Betrachtung zurück in die Vitrine.

Als Antikhändler hat man immer diesen Drang, alles zur Prüfung genau unter die Lupe zu nehmen und es dabei am besten direkt in den Händen zu halten. Das kann in Museen jedoch zu kleinen und auch großen Problemen führen. Im Bauhausmuseum in Weimar haben wir das hautnah zu spüren bekommen. Mein Vater hatte ein paar Stunden zuvor von einem Privatmann einen Armlehnstuhl zur Begutachtung bekommen, der behauptete, dieser Sessel stamme aus dem Haus Schulenburg in Gera, welches von keinem Geringeren designt, erbaut und eingerichtet wurde als dem herausragenden Jugendstilkünstler Henry van de Velde. Ich habe unheimlich viel über die Zeit des Jugendstils und die Goldenen Zwanziger gelesen und bin daher unweigerlich auf diesen namhaften Künstler gestoßen. Auch die Villa Schulenburg hatte ich bereits besucht und war von der Innenarchitektur und der Einrichtung begeistert. Der Sessel, der nun bei uns im Wohnzimmer stand und um den die ganze Familie aufgeregt mit allerhand Fachliteratur und Preisregistern umher tänzelte und recherchierte, sollte aus dem Musiksalon stammen und Teil der dort befindlichen Sitzgruppe sein.

»Wenn der original ist, kostet er einige tausend Euro und das Schulenburg Museum hat sicher großes Interesse«, meinte mein Vater aufgeregt. »Das wäre eine Sensation. Aber ich weiß, dass es viele Nachbauten gibt, die zu unterscheiden nicht ganz einfach ist.«

Im Internet fanden wir die besagten Möbel, denen der Stuhl wirklich sehr ähnlich sah, doch leider konnte man keine Details erkennen, was die Feststellung der Originalität unmöglich machte. Der Bezugsstoff des Sessels war geändert worden und statt des originalen hellbeigen und dezent gemusterten von van de Velde entworfenen Bezuges hatte man schändlicherweise einen dunkelbraunen, mit Blumen in Beige und Rot abgesetzten DDR-Bezug überspannt. Man hätte die Hoffnung hegen können, dass der Originalstoff noch unter dem unpassenden Bezug zu finden wäre, doch da dieser sich bereits an einer Seite nach oben zu wölben begann und man so einen Einblick ins Innenleben des Sessels bekam, schwand diese Hoffnung schnell dahin. Diesen Faktor musste man bei der Preisfindung definitiv stark mit einbinden, denn man könnte den Stoff nur noch rekonstruieren, was zum einen teuer wäre, zum anderen aber noch lange nicht vergleichbar ist mit dem Originalbezug. Das Gestell des Sessels war jedoch in einem einwandfrei gepflegten Zustand. Es wies die typische Formensprache van de Veldes auf, der zwar im stark floral geprägten Jugendstil seine einflussreichste Schaffensphase hatte, diese jedoch nie gänzlich nur an die Kopie der Natur anlehnte. Sein Hang zur Abstraktion, zu minimalisierten, naturgegebenen, fließenden Formensprachen machten ihn zu einem Vorreiter des modernen Designs. Bei solch großen Namen ist unbedingt auf die Details und Kleinigkeiten wie Schrauben, Nägel, Holzmaterial, Vernietungen und Zinkungen zu achten.

Leider wurde das Haus Schulenburg in dieser Zeit renoviert und war für die Öffentlichkeit unzugänglich, sodass wir uns die originalen Möbel nicht direkt vor Ort ansehen konnten.

»Hast du Lust auf eine Tour nach Weimar?«, fragte mein Vater, mit dem Oberkörper rücklings unter dem Stuhl verschwunden, um sich die Details anzuschauen und sie zu fotografieren. »Dort gibt es das Bauhausmuseum, und soweit ich weiß, haben die auch Exponate aus dem Jugendstil. Vielleicht ist da auch van de Velde dabei, denn er ist ja der Begründer der Kunstgewerbeschule, dem Vorläufer des Bauhaus.«

Noch ehe er meine Mutter fragen konnte, ob sie dort anrufen und nachfragen könnte, zog ich mir die Nummer aus dem Internet und hielt den Hörer des Telefons ans Ohr.

Eine Dame meldete sich. »Guten Tag, Klassikstiftung Weimar, was kann ich für Sie tun?«

»Ja, hallo, hier ist der Fabian. Ich wollte fragen, ob Sie auch Möbel von Henry van de Velde im Bauhausmuseum haben.«

Die Frau am anderen Ende hörte wohl, dass ich recht jung war, denn ihre Stimme wurde etwas schmeichelnder. »Wir haben einen Schreibtisch und einen Armlehnstuhl von van de Velde in der Ausstellung. Schön, dass du dich dafür interessierst. Wie alt bist du?«