Der Schiedsrichterstaat - Christian Rath - E-Book

Der Schiedsrichterstaat E-Book

Christian Rath

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Beschreibung

Die beliebtesten Politiker sitzen in Karlsruhe. Ihre Entscheidungsmacht wird nicht in Frage gestellt. Dabei entwickeln die sechzehn Verfassungsrichter ihren ganz eigenen politischen Stil. Die Richter streiten sich nicht, jedenfalls nicht öffentlich. Sie suchen gemeinsam nach Lösungen und finden (meist) kluge Kompromisse. Sie müssen sich nicht profilieren, denn sie entscheiden als Kollektiv. Sie können unpopuläre Vorschläge machen, weil sie die nächste Wahl nicht zu fürchten brauchen. Und das Beste ist: Sie behaupten, das alles sei gar keine Politik, sondern Verfassungsrecht. Christian Rath beschreibt, wie die Karlsruher Richter sehr wohl Politik betreiben, indem sie das oft vage Grundgesetz konkretisieren - und warum diese Richterpolitik gerade in Deutschland, der verspäteten Demokratie, so gut ankommt. In anderen politischen Kulturen würde eine so weitgehende Richteraufsicht über die gewählten Volksvertreter kaum akzeptiert. Rath will den Zauber des mächtigsten Gerichts Europas nicht zerstören, aber doch das Verhältnis zu Parlament und Regierung auf eine neue Basis stellen. Die Macht der juristischen Nebenregierung könnte, so die Sorge, die Demokratie beschädigen.

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Christian Rath

Der Schieds-

richterstaat

Die Macht desBundesverfassungsgerichts

Verlag Klaus Wagenbach    Berlin

Politik bei Wagenbach. Herausgegeben von Patrizia Nanz.

© 2013 für die deutsche Ausgabe: Verlag Klaus Wagenbach, Emser Straße 40/41, 10719 Berlin.

Alle Rechte vorbehalten.

Jede Vervielfältigung und Verwertung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für das Herstellen und Verbreiten von Kopien auf Papier, Datenträgern oder im Internet sowie Übersetzungen.

ISBN 978 3 8031 4126 2

Auch in gedruckter Form erhältlich: ISBN 978 3 8031 3646 6.

Inhalt

Einführung

1. Grundlagen

1.1 Fixstern Karlsruhe

1.2 Karlsruher Aufstieg

1.3 Karlsruhe ist krisenfest

1.4 Vorbild Karlsruhe

1.5 Maschine Karlsruhe

2. Karlsruhe macht Politik

2.1 Ein Kläger findet sich immer

2.2 Wie Karlsruhe die Verfassung gestaltet

2.3 Bindet Karlsruhe sich selbst?

2.4 Der Hebel der Verhältnismäßigkeit

2.5 Politik durch Verfahren

2.6 Rechtsfolgen und Signale

2.7 Karlsruher Öffentlichkeitsarbeit

2.8 Im Plausch der Mächtigen

3. Die Autorität des Verfassungsgerichts

3.1 Verankerung im Grundgesetz

3.2 Recht statt Demokratie

3.3 Jenseits der Politik

3.4 Jenseits von Berlin

3.5 Gemeinsamer Erfolg

3.6 Konfliktlösung als Leistung

3.7 Bürgergericht

3.8 Geld macht auch beliebt

3.9 Minderheitenschutz als Leistung

3.10 Legitimation durch Wahl

3.11 Legitimation durch Einigkeit

4. Karlsruhe als dienende Macht

4.1 Kein Ersatzgesetzgeber

4.2 Garant der Offenheit

4.3 Zertifiziert in Karlsruhe

4.4 Strafrunden für die Innere Sicherheit

4.5 Europa, ja aber

4.6 Karlsruher Diskursmacht

5. Karlsruher Zukunft

5.1 Karlsruhe bleibt Karlsruhe

5.2 Schutz der Politik

5.3 Karlsruhe in Europa

Anmerkungen

Einführung

„Wenn ich noch einmal ‚Bundesverfassungsgericht’ höre, verlasse ich den Saal.“ Diese wütende Drohung stammt von der französischen IWF-Chefin Christine Lagarde.1 Immer wieder mussten die Rettungskommandos in der Euro-Krise auf Entscheidungen des deutschen Bundesverfassungsgerichts warten; voll unverständiger Ungeduld. Viele europäische Politiker schütteln nur den Kopf über die starke Rolle, die das Bundesverfassungsgericht im politischen System Deutschlands einnimmt.

Doch Deutschland ist eine Demokratie eigener Art – ein Schiedsrichterstaat mit einem mächtigen Gericht, das den politischen Prozess in dreierlei Hinsicht prägt:

– Als Schiedsrichter wacht es unparteiisch über die Spielregeln. Es stellt sicher, dass sich alle an das grundgesetzlich vereinbarte faire demokratische Verfahren halten.

– Als eine Art Schiedsgericht sichert es ausgewogene Ergebnisse und schafft dabei auch Akzeptanz für die von Regierung und Parlament verfolgte Politik. So greift es bei umstrittenen Themen oft in Rechtsprechung und Gesetzgebung ein, korrigiert punktuell und gibt den politisch Unterlegenen das Gefühl, dass auch ihre Anliegen im Staat ernst genommen werden.

– Als Herrscher über die Verfassung definiert das Bundesverfassungsgericht schließlich sogar oft selbst die Regeln, die es anwendet.

Ist das Bundesverfassungsgericht ein politisches Organ? Natürlich. Karlsruhe definiert die Inhalte der Verfassung und wägt sie ab. Offensichtlich betreibt das Gericht dabei Politik.

Das zu bestreiten gehört aber zu seiner Inszenierung. Das Gericht hat mehr Autorität, wenn die Menschen glauben, es verteidige nur einen feststehenden Inhalt des Grundgesetzes.

Ist das Gericht mit seiner großen Gestaltungsmacht übergriffig?

Es läge nahe, dies zu behaupten und zu kritisieren. In der Demokratie sollte eigentlich das gewählte Parlament die politischen Grundentscheidungen treffen.

Doch der Schiedsrichterstaat passt zu Deutschland – zu einem Land, das schon immer mit Demokratie und Pluralismus gefremdelt hat. Das Bundesverfassungsgericht befriedigt und kanalisiert das Bedürfnis nach dem guten, strengen Fürst.

Ist das Bundesverfassungsgericht eine außerparlamentarische Opposition?

Nein und ja. Einerseits funktioniert die Karlsruher Rechtsprechung wie eine Akzeptanzmaschine für Staat und Politik – selbst in Feldern wie der Inneren Sicherheit oder der Europapolitik, wo das Gericht regelmäßig interveniert. In aller Regel bekommen die politisch Verantwortlichen das, was sie wollen, und dazu noch einen Karlsruher Gütestempel.

Und doch lenken die Verfassungsrichter den Diskurs im Sinne ihrer kriminal- und europapolitisch skeptischen Agenda. Ihre Nadelstiche können zermürben und die gesellschaftliche Atmosphäre drehen. Die Schiedsrichter steuern subtil, aber sie steuern.

1. Grundlagen

1.1 Fixstern Karlsruhe

Deutschland ist nicht undemokratisch. Der Bundestag ist als Gesetzgeber akzeptiert. Die Bundesregierung gibt die politischen Ziele vor und erarbeitet die Gesetzentwürfe. Doch am Ende von vielen politischen Konflikten entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Deutschland weiß erst, wo’s langgeht, wenn Karlsruhe gesprochen hat.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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