Der schönste Fehler meines Lebens - Susan Elizabeth Phillips - E-Book

Der schönste Fehler meines Lebens E-Book

Susan Elizabeth Phillips

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Beschreibung

Einladung zur Liebeserklärung des Jahres

Meg ist Trauzeugin ihrer berühmten Freundin Lucy und ihres Verlobten Ted, dem strahlenden Halbgott der Welt des Sports, dem charismatischen Helden seiner Heimatstadt, Wynette, Texas. Als Meg Zweifel an der Hochzeit anmeldet und die Braut kalte Füße bekommt, ist es kein Wunder, dass Meg zum Südenbock wird. Längst hätte sie die im Zorn gegen sie vereinte Stadt hinter sich gelassen, doch leider kann sie ihre Hotelrechnung nicht bezahlen. Meg bleibt nichts anderes übrig, als zu arbeiten und mehr Zeit in Teds Heimatstadt zu verbringen, als ihr lieb ist. Eine gewisse Annäherung lässt sich da nicht verhindern, doch bis in Wynette wieder die Hochzeitsglocken läuten, steht Meg und Ted noch eine Achterbahn der Gefühle bevor…

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Seitenzahl: 591

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Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel»Call Me Irresistible« bei William Morrow,An Imprint of HarperCollinsPublishers, New York
Copyright © der Originalausgabe 2011 by Susan Elizabeth Phillips Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2011by Blanvalet Verlag, Münchenin der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München Neumarkter Str. 28, 81673 München Umschlaggestaltung und -motiv: www.buerosued.de
ISBN 978-3-641-06801-1V004
www.blanvalet.dewww.penguinrandomhouse.de

Inhaltsverzeichnis

InschriftWidmungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24EpilogAnmerkungen der AutorinCopyright

Ted wusste nicht, wie ihm geschah, als seine Mama ihn umarmte, die wiederum von Dallie umarmt wurde, sodass sie sich zu dritt mitten im Sicherheitsbüro der Freiheitsstatue in den Armen lagen und Rotz und Wasser heulten.

 

Aus KOMM UND KÜSS MICH!

Für Iris, die Unwiderstehliche

Kapitel 1

Viele Bewohner von Wynette, Texas, waren der Ansicht, dass Ted Beaudine eine schlechte Partie machte. Schließlich war die Brautmutter nicht mehr die Präsidentin der Vereinigten Staaten. Cornelia war seit über einem Jahr nicht mehr im Amt. Und Ted Beaudine war immerhin Ted Beaudine.

Die jüngeren Einwohner hätten ihn am liebsten an der Seite eines Rockstars mit vielen Goldenen Schallplatten gesehen, doch diese Chance hatte er bereits gehabt und vorübergehen lassen. Ditto, Filmdiva und Modefreak. Die meisten jedoch fanden, er hätte sich eine Frau aus der Welt des Profisports suchen sollen, am besten eine aus der LPGA, der Turnierserie im professionellen Damengolf. Tatsache war aber, dass Lucy Jorik überhaupt nicht Golf spielte.

Das hielt die geschäftstüchtigen Händler vor Ort jedoch nicht davon ab, die Porträts von Lucy und Ted auf eine spezielle Golfballedition zu drucken. Die Dellen sorgten allerdings dafür, dass sie zu schielen schienen, weshalb die meisten Touristen, die in die Stadt drängten, um einen Blick auf die Festlichkeiten des Wochenendes zu erhaschen, den schmeichelhafteren Golfhandtüchern den Vorzug gaben. Zu den weiteren Bestsellern gehörten Teller und Tassen, die an diesen Tag erinnern sollten und in Massen von den Senioren der Stadt hergestellt wurden. Deren Erlös sollte dann den Renovierungsarbeiten der von einem Brand beschädigten Stadtbibliothek von Wynette zugutekommen.

Als Heimatstadt der beiden bedeutendsten Profigolfspieler war man in Wynette, Texas, an den Anblick von Promis auf den Straßen gewöhnt, wenn auch nicht an eine frühere Präsidentin der Vereinigten Staaten. In einem Radius von achtzig Kilometern war jedes Hotel und Motel mit Politikern, Sportlern, Filmstars und Staatsoberhäuptern belegt. Überall waren Agenten des Secret Service aufgetaucht, und im Roustabout nahmen viel zu viele Journalisten die begehrten Thekenplätze in Beschlag. Aber da die örtliche Wirtschaft nur auf einen Industriezweig bauen konnte, erlebte die Stadt gerade harte Zeiten, und die Bürger von Wynette freuten sich auf gute Geschäfte. Besonders einfallsreich waren die Leute vom Kiwanis Club mit ihrem Verkauf von nicht überdachten Sitzplätzen, direkt gegenüber der Wynette Presbyterian für jeweils zwanzig Dollar.

Für die breite Allgemeinheit war es ein Schock gewesen, dass die Braut für die Trauungszeremonie die texanische Kleinstadt gewählt hatte, anstatt am Beltway von Washington ihre Hochzeit zu feiern, aber Ted war nun mal durch und durch ein Junge aus Hill Country, und für die Einheimischen hatte schon immer festgestanden, dass er nirgendwo anders heiraten würde. Unter ihren wachsamen Augen war er zu einem Mann herangereift, und sie kannten ihn so gut, wie sie ihre eigenen Familien kannten. Keine Menschenseele in der Stadt hätte etwas Böses gegen ihn vorzubringen gewusst. Selbst seine Exfreundinnen trauerten ihm noch immer hinterher. Ein solcher Mann war Ted Beaudine.

 

Meg Koranda mochte zwar die Tochter eines Hollywood-Stars sein, doch sie war auch pleite, obdachlos und verzweifelt und demzufolge nicht gerade in der Stimmung, auf der Hochzeit ihrer besten Freundin die Brautjungfer zu spielen. Und dies auch schon deshalb nicht, da ihre beste Freundin ihrer Meinung nach den schwersten Fehler ihres Lebens beging, indem sie den Liebling aller Bewohner von Wynette, Texas, heiratete.

Lucy Jorik, die zukünftige Braut, schritt den Teppich ihrer Suite im Wynette Country Inn ab, in der sich ihre illustre Familie für die Festlichkeiten eingemietet hatte. »Sie werden es mir nicht ins Gesicht sagen, Meg, aber in dieser Stadt sind alle der festen Überzeugung, dass Ted eine schlechte Partie macht!«

Lucy sah so aufgewühlt aus, dass Meg sie am liebsten in den Arm genommen hätte. Sie suchte selber Trost, doch sie nahm sich fest vor, ihre verzweifelte Freundin nicht auch noch mit ihren eigenen Problemen zu belasten. »Eine interessante Schlussfolgerung, die diese Landeier ziehen, wenn man bedenkt, dass du bloß die älteste Tochter der früheren Präsidentin der Vereinigten Staaten bist. Nicht gerade ein Niemand.«

»Adoptivtochter. Ich meine es ernst, Meg. Die Leute in Wynette horchen mich regelrecht aus. Jedes Mal, wenn ich ausgehe. «

Das war nicht unbedingt eine neue Information, denn Meg telefonierte mit Lucy mehrmals die Woche, doch hatten die Anrufe ihr nichts von den Zornesfalten verraten, die sich offenbar dauerhaft auf Lucys Stirn gebildet hatten. Meg zupfte an einem ihrer Silberohrringe, die ein Schmuckstück der Sung-Dynastie waren – oder auch nicht –, je nachdem, ob sie dem Rikschafahrer in Shanghai Glauben schenkte, der sie ihr verkauft hatte. »Ich würde sagen, du bist mehr als eine gute Partie für die guten Bürger von Wynette.«

»Es ist einfach zermürbend«, sagte Lucy. »Sie bemühen sich ja, zurückhaltend zu sein, aber ich kann nicht die Straße entlanggehen, ohne dass mich jemand anhält und fragt, ob ich zufällig wisse, in welchem Jahr Ted die U.S. Amateur Golf Championship gewonnen hat oder wie viel Zeit zwischen seinem Bachelor und seinem Masterabschluss verstrichen ist – eine Trickfrage, weil er beide zusammen gemacht hat.«

Meg war vom College geflogen, bevor sie auch nur einen Abschluss in der Tasche hatte, weshalb die Vorstellung, gleich zwei auf einmal zu bekommen, ihr mehr als nur ein bisschen verrückt vorkam. Aber Lucy steigerte sich manchmal auch ein wenig zu sehr in etwas hinein. »Es ist eine neue Erfahrung, mehr nicht. Dass sich mal nicht alle lieb Kind bei dir machen.«

»Also, die Gefahr besteht wirklich nicht, das kannst du mir glauben.« Lucy schob sich eine Locke ihres hellbraunen Haars hinters Ohr. »Auf einer Party vergangene Woche hat mich eine Frau so ganz beiläufig, als würde man ein derartiges Gespräch bei einem Drink und ein paar Häppchen führen, gefragt, ob ich zufällig Teds IQ wisse, was ich nicht tat. Da ich allerdings vermutete, dass sie selbst es auch nicht wusste, sagte ich hundertachtunddreißig. Aber, nicht doch … Ein gewaltiger Fehler, wie sich herausstellte. Offenbar brachte es Ted bei seinem letzten Test auf hunderteinundfünfzig. Und wenn man dem Barkeeper glauben darf, hatte Ted die Grippe und hätte ansonsten besser abgeschnitten.«

Meg hätte bei Lucy gern nachgehakt, ob sie sich die Sache mit der Hochzeit auch richtig gut überlegt hatte, aber im Unterschied zu Meg handelte Lucy nicht impulsiv.

Sie hatten sich auf dem College kennengelernt, als Meg eine rebellische Erstsemesterstudentin und Lucy eine intelligente, aber einsame Studentin im zweiten Jahr war. Da Meg ebenfalls bei berühmten Eltern aufgewachsen war, konnte sie Lucys Misstrauen neuen Freundschaften gegenüber verstehen. Doch trotz ihrer sehr verschiedenen Persönlichkeiten fanden die beiden zueinander, und Meg brauchte nicht lang, um etwas zu erkennen, was den anderen nicht auffiel. Lucy Jorik gab sich nach außen hin fest entschlossen, ihrer Familie keinen Ärger zu machen, doch im Herzen war sie eine Rebellin. Was man ihr jedoch keinesfalls ansah.

Mit ihren elfenhaften Zügen und den dichten Kleinmädchenwimpern sah Lucy viel jünger aus als einunddreißig. Sie hatte sich seit ihren Collegetagen die glänzenden hellbraunen Haare wachsen lassen und besaß eine Reihe von Samthaarbändern, die Meg nie im Leben getragen hätte, um sie sich aus dem Gesicht zu halten. Auch das damenhafte aquamarinblaue Futteralkleid mit dem braven Ripsgürtel wäre niemals Megs Stil gewesen. Meg hatte ihren hochgewachsenen schlaksigen Körper in mehrere Bahnen Seide gehüllt, die in Edelsteinfarben schillerten und die sie zusammengedreht über einer Schulter zusammengebunden hatte. Dazu kombinierte sie klassische schwarze Gladiatorensandalen — Größe zweiundvierzig –, die bis über ihre Waden geschnürt waren, und einen silbernen Schmuckanhänger, zu dem sie einen antiken Betelnussbehälter, erworben auf einem Markt im Zentrum von Sumatra, umfunktioniert hatte, der jetzt zwischen ihren Brüsten baumelte. Zu ihren vermutlich gefälschten Ohrringen der Sung-Dynastie trug sie einen ganzen Stapel Armreifen, die sie für sechs Dollar bei TJ Maxx gekauft und mit afrikanischen Handelsperlen aufgepeppt hatte. Sie hatte einfach Sinn für Mode.

Und reist auf verschlungenen Wegen, wie ihr berühmter New Yorker Onkel und Couturier gemeint hatte.

Lucy spielte an ihrer sittsamen Perlenkette. »Ted ist … die bestmögliche Entsprechung dessen, was das Universum als perfekten Menschen entworfen hat. Du brauchst dir nur mein Hochzeitsgeschenk anzusehen. Welcher Mann schenkt seiner Braut schon eine Kirche?«

»Beeindruckend, das muss ich zugeben.« Am frühen Nachmittag hatte Lucy Meg mitgenommen, um ihr die verlassene Holzkirche zu zeigen, die am Stadtrand am Ende einer schmalen Gasse versteckt lag. Ted hatte sie erworben, um sie vor dem Verfall zu bewahren, und dann ein paar Monate darin gelebt, während sein jetziges Haus gebaut wurde. Obwohl keinerlei Mobiliar darin stand, war es ein reizendes altes Gebäude, und Meg konnte sehr wohl verstehen, warum Lucy es liebte.

»Er meinte, jede verheiratete Frau brauche für ihr geistiges Wohlbefinden einen Ort für sich allein. Kannst du dir etwas Aufmerksameres vorstellen?«

Megs Interpretation war zynischer ausgefallen. Welche bessere Strategie gab es für einen reichen verheirateten Mann, der vorhatte, sich selbst einen privaten Raum einzurichten?

»Wirklich unglaublich«, sagte sie nur. »Ich kann es kaum erwarten, ihn kennenzulernen.« Sie verfluchte die diversen persönlichen und finanziellen Krisen, die sie daran gehindert hatten, schon vor Monaten in ein Flugzeug zu steigen, um Lucys Verlobten kennenzulernen. Jetzt hatte sie nicht nur Lucys Polterabend verpasst, sondern war auch noch gezwungen gewesen, zur Hochzeit von Los Angeles in dem Schrottwagen herzufahren, den sie dem Gärtner ihrer Eltern abgekauft hatte.

Mit einem Seufzer setzte Lucy sich neben Meg auf die Couch. »Solange Ted und ich in Wynette leben, werde ich immer schlecht dastehen.«

Nun konnte Meg nicht mehr an sich halten, sie musste ihre Freundin drücken. »Du hast in deinem Leben noch nie schlecht dagestanden. Du hast dich und deine Schwester ganz allein vor einer Kindheit in Pflegeheimen bewahrt. Und das Weiße Haus im Sturm erobert. Und was deinen Grips angeht … du hast einen Masterabschluss.«

Lucy sprang auf. »Den ich aber erst gemacht habe, nachdem ich meinen Bachelor in der Tasche hatte.«

Auf diesen Blödsinn ging Meg nicht ein. »Deine Arbeit als Anwältin, mit der du dich für Kinder einsetzt, hat Leben verändert, und das zählt meiner Ansicht nach mehr als ein astronomisch hoher IQ.«

Lucy seufzte. »Ich liebe ihn, aber manchmal …«

»Was?«

Lucy wedelte mit ihrer frisch manikürten Hand und zeigte dabei ihre Fingernägel, die im Gegensatz zum Smaragdgrün, das Meg derzeit bevorzugte, in einem unglaublich dezenten hellen Rotton glänzten. »Ach Blödsinn. Ich habe nur ein wenig Bammel. Mach dir nichts draus.«

Megs Besorgnis nahm zu. »Lucy, wir sind seit zwölf Jahren beste Freundinnen. Wir kennen voneinander die dunkelsten Geheimnisse. Wenn etwas nicht stimmen sollte …«

»Alles ist bestens. Ich bin nur ein wenig nervös wegen der Hochzeit und all der Aufmerksamkeit, die ihr entgegengebracht wird. Überall sind Presseleute.« Sie setzte sich auf die Bettkante und zog sich ein Kissen an die Brust, wie sie das auch auf dem College getan hatte, wenn etwas sie beunruhigte. »Aber … Was ist, wenn er zu gut für mich ist? Ich bin klug, aber er ist klüger. Ich bin hübsch, aber er ist umwerfend. Ich versuche ein anständiger Mensch zu sein, aber er ist praktisch ein Heiliger.«

Meg schluckte ihre aufsteigende Wut hinunter. »Du redest, als hätte man dir eine Gehirnwäsche verpasst.«

»Wir sind alle drei bei berühmten Eltern aufgewachsen. Du, ich und Ted … Aber Ted hat auf eigene Faust sein Glück gefunden.«

»Dieser Vergleich ist unfair. Du hast gemeinnützige Arbeit geleistet, das ist nicht gerade ein Sprungbrett, um Multimillionär zu werden.« Doch Lucy verfügte wenigstens über die Möglichkeit, sich selbst über Wasser zu halten, was Meg nie gelungen war. Sie war viel zu sehr mit Reisen in ferne Länder beschäftigt gewesen, was sie zwar unter dem Vorwand getan hatte, sich vor Ort mit Umweltfragen zu befassen und das traditionelle Handwerk zu erforschen, aber eigentlich waren es Vergnügungsreisen gewesen. Sie liebte ihre Eltern, allerdings nicht die Art und Weise, wie diese sie enterbt hatten. Warum jetzt? Hätten sie das vielleicht getan, als sie einundzwanzig war und nicht erst mit dreißig, hätte sie sich weniger als Verliererin gefühlt.

Lucy drückte ihr Kinn in das Kissen, sodass dieses sich um ihre Wangen bauschte. »Meine Eltern vergöttern ihn, und du weißt ja, was sie von den Jungs gehalten haben, mit denen ich mich früher verabredet hatte.«

»Doch sie waren niemals annähernd so feindselig, wie meine Eltern sich meinen Freunden gegenüber verhalten.«

»Aber nur weil du dich mit Losern von Weltklasse zusammentust. «

Dagegen wusste Meg nichts zu erwidern. Zu diesen Losertypen hatte vor Kurzem ein schizoider Surfer gehört, den sie in Indien kennengelernt hatte, und ein australischer Rafting-Guide, dem eine Wuttherapie nicht geschadet hätte. Einige Frauen lernten aus ihren Fehlern. Sie gehörte offenbar nicht dazu.

Lucy warf das Kissen beiseite. »Ted hat sein Vermögen mit sechsundzwanzig Jahren gemacht, als er ein geniales Softwaresystem erfand, das Gemeinden beim Energiesparen hilft. Ein großer Schritt mit dem Ziel, ein kluges Überlandleitungsnetz aufzubauen. Und jetzt pickt er sich die Beraterjobs heraus, die ihm gefallen. Wenn er zu Hause ist, fährt er einen alten Ford-Laster mit einer von ihm selbst gebauten Wasserstoffzelle, dazu noch seine von Solarstrom betriebene Klimaanlage und all die anderen Dingen, die ich nicht verstehe. Hast du eine Vorstellung davon, wie viele Patente Ted besitzt? Nein? Nun, ich auch nicht, aber ich bin mir sicher, dass jeder Lebensmittelverkäufer in der Stadt das beantworten kann. Und das Schlimmste ist, dass ihn nichts, aber auch gar nichts aus der Ruhe bringt!«

»Klingt, als wäre er Jesus. Nur dass er außerdem reich und sexy ist.«

»Pass bloß auf, Meg. Wenn du in dieser Stadt Scherze über Jesus machst, könntest du dafür erschossen werden. So viele bewaffnete Gläubige hast du noch nicht gesehen.« Lucys besorgter Gesichtsausdruck legte nahe, dass sie selbst auch befürchtete, von einer Kugel getroffen zu werden.

Bald mussten sie zur Probe aufbrechen, und Meg blieb keine Zeit mehr für subtile Fragestellungen. »Was ist mit eurem Liebesleben? Du hast ärgerlicherweise mit den Details sehr gegeizt, und ich weiß nur, dass du auf diesem blöden dreimonatigen Sex-Moratorium bestanden hast.«

»Ich möchte, dass unsere Hochzeitsnacht etwas ganz Besonderes wird.« Sie knabberte mit den Zähnen an ihrer Unterlippe. »Er ist der unglaublichste Liebhaber, den ich je hatte.«

»Allzu viele hattest du ja nicht gerade.«

»Er ist legendär. Und frag jetzt nicht, wie ich das herausgefunden habe. Er ist der Liebhaber, von dem alle Frauen träumen. Absolut selbstlos. Romantisch. Als wüsste er, was eine Frau will, bevor sie es selbst weiß.« Sie stieß einen langen Seufzer aus. »Und er gehört mir. Fürs ganze Leben.«

Doch Lucy klang dabei nicht annähernd so glücklich, wie sie das hätte sein sollen. Meg schlug die Beine übereinander. »Irgendeinen Schwachpunkt muss doch auch er haben.«

»Da ist nichts.«

»Er trägt eine Baseballkappe, die nach hinten zeigt. Riecht morgens faulig aus dem Mund. Hat eine heimliche Leidenschaft für Kid Rock. Irgendwas muss es doch geben.«

»Nun …« Ein Ausdruck der Hilflosigkeit huschte über Lucys Gesicht. »Er ist perfekt. Das ist der Schwachpunkt.«

Und da verstand Meg sie. Lucy wollte nicht riskieren, die Menschen, die sie liebte, zu enttäuschen, und jetzt hatte sie in ihrem zukünftigen Ehemann noch eine weitere Person, dessen Erwartungen sie gerecht werden musste.

Lucys Mutter, die ehemalige Präsidentin der Vereinigten Staaten, steckte ihren Kopf ins Zimmer. »Ihr beiden müsst jetzt los.«

Meg sprang von der Couch auf. Obwohl sie inmitten von Prominenten aufgewachsen war, hatte sie die Ehrfurcht in Gegenwart von Präsidentin Cornelia Case Jorik nie ganz verloren.

Nealy Joriks strenges Patriziergesicht unter dem honigbraunen Haar mit den hellen Strähnchen und ihr Markenzeichen, die Designerhosenanzüge, waren von Tausenden von Fotos bekannt, aber nur wenige zeigten die wahre Person hinter der amerikanischen Ansteckflagge, die komplizierte Frau, die einst aus dem Weißen Haus geflüchtet war, um quer durchs Land auf Abenteuerreise zu gehen, auf der sie Lucy und ihrer Schwester Tracy begegnet war und auch Nealys geliebtem Ehemann, dem Journalisten Mat Jorik.

Nealy starrte sie an. »Wenn ich euch beide so zusammen sehe … Als wäre es erst gestern gewesen, dass ihr beide Collegestudentinnen wart.« Die ehemalige Präsidentin des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten wurde sentimental und konnte die Tränen nicht unterdrücken. Sie blickte sanft drein, und ihre blauen Augen glänzten. »Du bist Lucy immer eine gute Freundin gewesen, Meg.«

»Jemand musste es ja sein.«

Die Präsidentin lächelte. »Tut mir leid, dass deine Eltern nicht dabei sein können.«

Meg sah das anders. »Sie sind nicht gern lang voneinander getrennt, und dies war die einzige Zeit, die Mom sich freinehmen konnte, um Dad bei seinen Dreharbeiten in China zu begleiten.«

»Ich freue mich schon sehr auf seinen neuen Film. Bei ihm weiß man nie, was einen erwartet.«

»Sie wären bestimmt gern dabei gewesen, wenn Lucy heiratet«, erwiderte Meg. »Vor allem Mom. Sie wissen ja, was sie für sie empfindet.«

»Dasselbe, was ich für dich empfinde«, sagte die Präsidenten netterweise, denn im Vergleich zu Lucy hatte Meg sich als ziemliche Enttäuschung erwiesen. Jetzt jedoch war nicht der richtige Moment, sich mit ihren vergangenen Fehlern und ihrer trostlosen Zukunft aufzuhalten. Meg musste sich mit ihrer wachsenden Überzeugung auseinandersetzen, dass ihre Freundin Gefahr lief, den größten Fehler ihres Lebens zu machen.

 

Lucy hatte sich für nur vier Brautjungfern entschieden, ihre drei Schwestern und Meg. Sie würden gemeinsam am Altar auf das Eintreffen des Bräutigams und dessen Eltern warten. Holly und Charlotte, Mat und Nealys leibliche Töchter, scharten sich zusammen mit Lucys achtzehnjähriger Schwester Tracy und ihrem siebzehnjährigen afroamerikanischen Adoptivbruder Andre um die Eltern. In seiner von einer breiten Öffentlichkeit gelesenen Zeitungskolumne hatte Mat behauptet: »Wenn Familien einen Stammvater haben, dann ist unserer ein amerikanisches Mischlingskind.« Meg schnürte es die Kehle zusammen. Sosehr ihre Brüder ihr auch das Gefühl gaben, minderwertig zu sein, so sehr vermisste sie sie jetzt.

Völlig unvermittelt flogen die Kirchentüren auf. Und da stand er und bildete eine Silhouette vor der untergehenden Sonne. Theodore Day Beaudine.

Trompetenklänge ertönten. Gottesfürchtige Trompeten schmetterten Hallelujas.

»Jesus«, flüsterte sie.

»Ich weiß«, erwiderte Lucy im Flüsterton. »So etwas passiert ihm ständig. Er behauptet, es sei Zufall.«

Trotz allem, was Lucy ihr erzählt hatte, war Meg auf den ersten Anblick von Ted Beaudine nicht angemessen vorbereitet. Er hatte hohe Wangenknochen, eine makellos gerade Nase und ein energisches Kinn. Er könnte direkt aus einer Reklametafel vom Times Square herabgestiegen sein, doch ihm fehlte das Gekünstelte eines Dressmans.

Mit großen lockeren Schritten kam er den Gang entlang, auf seinem dunkelbraunen Haar lag ein Kupferschimmer. Gebrochenes Licht aus den Buntglasfenstern malte Edelsteine auf seinen Weg, als wäre der rote Teppich für einen solchen Mann nicht gut genug. Seine berühmten Eltern, die wenige Schritte hinter ihm folgten, bemerkte Meg kaum. Sie konnte ihren Blick nicht vom Bräutigam ihrer besten Freundin lösen.

Er begrüßte die Familie seiner Braut mit leiser, angenehmer Stimme. Die auf der Chorempore probenden Trompeten schmetterten ein Crescendo, er drehte sich um, und Meg fühlte sich, als ob man ihr einen unerwarteten Schlag verpasst hätte.

Diese Augen … Goldener Bernstein, gemischt mit Honig und umrandet von Feuerstein. Augen, die vor Intelligenz und Beobachtungsgabe glühten. Augen, die schnelle Schlüsse zogen. Als sie vor ihm stand, spürte sie, wie Ted Beaudine ihr Innerstes erforschte und alles wahrnahm, was sie so mühsam zu verbergen trachtete — ihre Ziellosigkeit, ihre Unzulänglichkeit, ihr völliges Versagen, Anspruch auf einen achtbaren Platz in der Welt zu erheben.

Wir wissen beide, dass du eine Versagerin bist, sagten seine Augen, aber ich bin mir sicher, dass du das eines Tages hinter dir lassen wirst. Falls nicht … Nun ja … Was kann man schon von einem verwöhnten Kind aus Hollywood erwarten?

Lucy stellte sie einander vor. »… so froh, dass ihr beiden euch endlich kennenlernt. Meine beste Freundin und mein zukünftiger Ehemann.«

Meg war stolz, nach außen hin Stärke zu zeigen, brachte aber kaum ein flüchtiges Nicken zuwege.

»Wenn ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte …«, meldete sich der Pfarrer zu Wort.

Ted drückte Lucys Hand und lächelte in das nach oben gewandte Gesicht seiner Braut. Es war ein liebevolles, zufriedenes Lächeln, das jedoch ohne Wirkung auf die Distanz blieb, die in seinen bernsteinfarbenen Augen lag. Megs Alarmglocken läuteten. Welche Gefühle er auch immer für Lucy hegen mochte, die wilde Leidenschaft, die ihre beste Freundin verdient hatte, gehörte nicht dazu.

 

Das Probedinner wurde von den Eltern des Bräutigams ausgerichtet. Es war ein üppiges Barbecue für hundert Leute im örtlichen Country Club, einem Ort, der für all das stand, was Meg verachtete – verwöhnte reiche Weiße, die so fixiert auf ihr eigenes Wohlbefinden waren, dass sie keinen Gedanken daran verschwendeten, welchen Schaden ihr chemisch verseuchter, Wasser schluckender Golfplatz für den Planeten bedeutete. Und auch Lucys Erklärung, dass es nur ein halb privater Club sei und jeder hier spielen könne, vermochte ihre Meinung nicht zu ändern. Der Secret Service sorgte dafür, dass der internationale Pressetross vor den Toren blieb, wo sich auch eine Schar Neugieriger in der Hoffnung eingefunden hatte, einen kurzen Blick auf ein berühmtes Gesicht zu erhaschen.

Und berühmte Gesichter gab es überall, nicht nur aufseiten der Braut. Vater und Mutter des Bräutigams waren weltberühmt. Dallas Beaudine war eine Legende im Profigolf, und Teds Mutter Francesca war einer der bedeutendsten und besten Promi-Interviewerinnen, die das Fernsehen hatte. Die Reichen und Berühmten verteilten sich von der Gartenveranda des im Südstaatenstil errichteten Hauses bis zum ersten Tee – Politiker, Filmstars, die Elitesportler der Welt des Profigolfs und ein paar Einheimische aller Altersklassen und Ethnien: Lehrer und Ladenbesitzer, Mechaniker und Klempner, der Herrenfriseur der Stadt und ein äußerst unheimlich aussehender Biker.

Meg verfolgte, wie Ted sich durch die Menge bewegte. Er gab sich gelassen und zurückhaltend, aber überallhin schien ihn ein unsichtbarer Scheinwerfer zu begleiten. Lucy blieb an seiner Seite und vibrierte geradezu vor Anspannung, während ein Gast nach dem anderen das Paar anhielt, um zu plaudern. Ted blieb unerschütterlich, doch obwohl fröhliches Geplauder durch den Raum summte, fiel es Meg immer schwerer, ihr Lächeln beizubehalten. Ted machte auf sie eher den Eindruck eines Mannes, der eine sorgfältig kalkulierte Mission verfolgte, als den eines liebenden Ehemanns am Vorabend seiner Hochzeit.

Sie hatte gerade ein Gespräch mit einem ehemaligen Nachrichtensprecher beendet, das sich, wie vorhersehbar, darum drehte, dass sie ihrer unglaublich schönen Mutter so gar nicht ähnlich sähe, als Ted und Lucy zu ihr stießen. »Was habe ich dir gesagt?« Lucy ließ sich ihr drittes Glas Champagner von einem vorbeikommenden Kellner reichen. »Ist er nicht großartig? «

Ohne auf das Kompliment einzugehen, musterte Ted Meg mit jenen Augen, die alles gesehen hatten, obwohl er nicht mal die Hälfte der von Meg besuchten Orte bereist haben konnte.

Du nennst dich eine Kosmopolitin, wisperten seine Augen, aber das heißt doch nur, dass du nirgendwohin gehörst.

Sie musste sich auf Lucys Elend konzentrieren, nicht auf ihr eigenes, und deshalb rasch handeln. Was machte es schon aus, wenn sie ungehobelt wirkte? Lucy war an Megs direkte Art gewöhnt, und Ted Beaudines gute Meinung bedeutete ihr nichts. Sie fasste an den Stoffknoten auf ihrer Schulter. »Lucy hat gar nicht erwähnt, dass du Bürgermeister von Wynette bist … und außerdem natürlich auch der Schutzpatron der Stadt.«

Er wirkte weder beleidigt noch geschmeichelt oder erstaunt über Megs Stichelei. »Lucy übertreibt.«

»Tue ich nicht«, widersprach Lucy. »Ich schwöre hoch und heilig, dass die Frau neben dem Schaukasten mit den Pokalen einen Knicks gemacht hat, als du vorbeigingst.«

Ted grinste, und Meg hielt die Luft an. Dieses lässige Grinsen verlieh ihm einen gefährlich jungenhaften Ausdruck, den Meg ihm nicht eine Sekunde lang abkaufte. Jetzt stieg sie voll ein. »Lucy ist meine liebste Freundin – die Schwester, die ich mir immer gewünscht habe –, aber hast du eine Vorstellung davon, wie viele lästige Angewohnheiten sie hat?«

Lucy runzelte die Stirn, versucht allerdings nicht, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben, was Bände sprach.

»Verglichen mit meinen Schwächen sind ihre gering.« Seine Augenbrauen waren dunkler als sein Haar, aber seine Wimpern waren bleich mit goldenen Spitzen, als hätte er sie in Sterne getaucht.

Meg rückte näher an ihn heran. »Und welche Schwächen sind das genau?«

Lucy schien an seiner Antwort genauso interessiert zu sein wie Meg selbst.

»Ich bin oft ein wenig naiv«, sagte er. »So habe ich mich beispielsweise auf das Bürgermeisteramt eingelassen, obwohl ich es gar nicht haben wollte.«

»Dann willst du also bei den Leuten gut ankommen.« Meg gab sich keine Mühe, dies anders als eine Anschuldigung klingen zu lassen. Vielleicht konnte sie ihn ja aus der Reserve locken.

»Eigentlich geht es mir nicht darum, bei den Leuten gut anzukommen«, erwiderte er milde. »Ich war einfach überrascht, als mein Name auf dem Stimmzettel auftauchte. Doch damit hätte ich rechnen müssen.«

»Dir ist es schon wichtig, gut anzukommen«, warf Lucy zögernd ein. »Mir fällt niemand ein, bei dem du nicht einen Stein im Brett hast.«

Er gab ihr einen Kuss auf die Nase. Als wäre sie sein Haustier. »Solange ich bei dir einen Stein im Brett habe.«

Meg überschritt die Grenze höflicher Konversation. »Dann bist du also ein naiver Mensch, der den Leuten gefallen möchte. Was sonst?«

Ted verzog keine Miene. »Ich versuche, nicht langweilig zu sein, aber manchmal ereifere ich mich über Themen, die nicht von allgemeinem Interesse sind.«

»Fachidiot«, schloss Meg.

»Genau«, stimmte er ihr zu.

Lucy blieb loyal. »Das macht mir nichts aus. Du bist ein sehr interessanter Mensch.«

»Ich bin froh, dass du das so siehst.«

Er trank einen Schluck von seinem Bier, dachte dabei aber ernsthaft über Megs Grobheit nach. »Ich bin ein fürchterlicher Koch.«

»Das ist wahr!« Lucy sah aus, als wäre sie über eine Goldmine gestolpert.

Ihr Entzücken amüsierte ihn, und wieder grinste er lässig. »Und da ich keinen Kochunterricht nehme, wirst du damit auch klarkommen müssen.«

Das Strahlen in Lucys Augen sagte Meg, dass Teds Bestandsaufnahme seiner Schwächen ihn nur liebenswerter mache, weshalb sie ihrem Angriff eine neue Richtung gab. »Lucy braucht einen Mann, bei dem sie sie selbst sein kann.«

»Ich glaube nicht, dass Lucy einen Mann braucht, der sie irgendwas sein lässt«, konterte er rasch. »Sie ist ein eigenständiger Mensch.«

Das zeigte, wie wenig er diese Frau verstand, die er heiraten wollte. »Lucy ist kein eigenständiger Mensch mehr gewesen, seit sie vierzehn war und ihre zukünftigen Eltern traf«, erwiderte Meg. »Sie ist eine Rebellin. Eine Unruhestifterin, aber sie muckt nicht auf, weil sie die Menschen, die ihr wichtig sind, nicht in Verlegenheit bringen möchte. Bist du darauf vorbereitet?«

Er brachte die Sache sofort auf den Punkt. »Du scheinst Zweifel zu haben, ob das mit Lucy und mir gut geht.«

Lucy bestätigte Megs sämtliche Bedenken, indem sie mit ihrer biederen Perlenkette spielte und nicht ihren Entschluss zu heiraten auf Biegen und Brechen verteidigte. Meg machte hartnäckig weiter. »Du bist ganz offensichtlich ein klasse Typ.« Es gelang ihr nicht, es wie ein Kompliment klingen zu lassen. »Was ist, wenn du zu viel Klasse hast?«

»Ich fürchte, ich kann dir nicht folgen.«

Was für jemanden, der so wahnsinnig schlau ist, eine völlig neue Erfahrung sein musste. »Was ist …«, sagte Meg, »… wenn du ein wenig zu gut bist für sie?«

Anstatt zu protestieren, setzte Lucy ihr im Weißen Haus antrainiertes Lächeln auf und tastete ihre Perlen ab, als wäre es ein Rosenkranz.

Ted lachte. »Wenn du mich besser kennen würdest, wüsstest du, wie grotesk das ist. Entschuldige uns bitte, ich möchte Lucy nämlich meinem alten Führer von den Pfadfindern vorstellen.« Er legte seinen Arm um Lucys Schultern und zog sie mit sich.

Meg musste sich sammeln und stürmte auf die Toilette, wo ihr eine kleine Frau auflauerte, die mit ihren kurz geschnittenen knallroten Haaren und jeder Menge sorgfältig aufgetragenem Make-up an einen Hydranten erinnerte. »Ich bin Birdie Kittle«, stellte sie sich vor und musterte Meg mit einem Schlag ihrer dick getuschten Wimpern. »Sie müssen Lucys Freundin sein. Aber Sie sehen Ihrer Mutter überhaupt nicht ähnlich.«

Mit ihren Mitte bis Ende dreißig dürfte Birdie zur Blütezeit von Fleur Savagar Korandas Modelkarriere noch ein Kind gewesen sein, aber ihre Wahrnehmung überraschte Meg nicht. Jeder, der sich auch nur ein bisschen für Promis interessierte, hatte von ihrer Mutter gehört. Fleur Koranda hatte ihren Beruf als Model vor Jahren an den Nagel gehängt und eine der wichtigsten Talentagenturen im Land aufgebaut, doch für die Allgemeinheit würde sie immer Glitter Baby bleiben.

Meg setzte das von Lucy abgeschaute Weiße-Haus-Lächeln auf. »Das liegt daran, dass meine Mutter eine der schönsten Frauen der Welt ist, ich hingegen nicht.« Das stimmte, obwohl Meg und ihre Mutter mehr als nur ein paar körperliche Merkmale verbanden, hauptsächlich die negativen. Meg hatte Glitter Babys kräftige Augenbrauen geerbt, dazu ihre großen Hände und die Paddelbootfüße, und kam mit ihren eins achtundsiebzig bis auf fünf Zentimeter fast an die Größe ihrer Mutter heran. Aber die olivenfarbene Haut, das braune Haar und die nicht ganz so ebenmäßigen Züge hatte sie von ihrem Vater geerbt, die ihr jeglichen Anspruch auf die außergewöhnliche Schönheit ihrer Mutter verwehrten, obwohl ihre Augen, eine Kombination aus Grün und Blau, die je nach Lichteinfall ihre Farbe änderten, sehr interessant waren. Leider hatte sie weder das Talent noch den Ehrgeiz geerbt, worüber ihre Eltern im Übermaß verfügten.

»Sie sind vermutlich auf Ihre eigene Weise attraktiv.« Birdie strich mit ihrem manikürten Daumennagel über die mit Schmucksteinen besetzte Schnalle ihrer schwarzen Abendtasche. »Ein wenig exotisch. Heutzutage heftet man die Bezeichnung Supermodel ja jedem an, der vor einer Kamera steht. Aber auf Glitter Baby traf das noch wirklich zu. Und wenn man dann noch bedenkt, in was für eine erfolgreiche Geschäftsfrau sie sich verwandelt hat. Und da ich selbst Geschäftsfrau bin, kann ich das nur bewundern.«

»Ja, sie ist bemerkenswert.« Meg liebte ihre Mutter, doch das hielt sie nicht davon ab, sich zu wünschen, dass Fleur Savagar Koranda auch manchmal stolpern würde — einen Top-Klienten verlor, eine wichtige Verhandlung vergeigte, einen Pickel bekam. Aber alles Pech, das ihre Mutter hatte, fiel in deren frühe Jahre, bevor Meg geboren wurde, weshalb ihrer Tochter der Titel zufiel, das schwarze Schaf der Familie zu sein.

»Sie werden wohl Ihrem Vater ähnlich sehen«, fuhr Birdie fort. »Ich habe jeden seiner Filme gesehen, das schwöre ich. Bis auf die deprimierenden.«

»Wie etwa den Film, für den er den Oscar bekommen hat?«

»Oh, den habe ich gesehen.«

Megs Vater war in dreifacher Hinsicht bedrohlich. Weltberühmter Schauspieler, Dramatiker, der den Pulitzer-Preis gewonnen hatte, und Bestsellerautor. Wer konnte ihr bei derart megaerfolgreichen Eltern vorwerfen, dass sie total verpeilt war? Kein Kind könnte einem derartigen Erbe gerecht werden.

Außer ihre beiden jüngeren Brüder …

Birdie rückte die Träger ihres schwarzen Futteralkleides mit dem herzförmigen Ausschnitt zurecht, das um ihre Taille ein wenig zu stramm saß. »Ihre Freundin Lucy ist ein hübsches kleines Ding.« Das hörte sich nicht nach Auszeichnung an. »Ich hoffe, sie weiß zu schätzen, was sie an Teddy hat.«

Meg hatte Mühe, Haltung zu bewahren. »Ich bin mir sicher, dass sie ihn genauso zu schätzen weiß wie er sie. Lucy ist ein ganz besonderer Mensch.«

Birdie ließ sich die Chance, ihr das zu verübeln, nicht entgehen. »Kein so besonderer Mensch wie Ted, aber um das zu verstehen, hätten Sie hier leben müssen.«

Meg wollte sich mit dieser Frau auf keinen Schlagabtausch einlassen, egal wie gern sie es getan hätte, und sorgte dafür, dass ihr Lächeln ihr nicht entglitt. »Ich lebe in Los Angeles. Ich verstehe eine Menge.«

»Ich sage ja auch nur, dass sie Ted nichts voraushat, nur weil sie die Tochter der Präsidentin ist, und dass sie von niemandem hier eine Sonderbehandlung bekommen wird. Er ist der beste junge Mann in diesem Staat. Sie wird sich unseren Respekt erst noch verdienen müssen.«

Meg musste an sich halten, um nicht aus der Haut zu fahren. »Lucy braucht sich niemandes Respekt zu verdienen. Sie ist eine freundliche, intelligente, niveauvolle Frau. Ted kann sich glücklich schätzen.«

»Wollen Sie damit sagen, dass er nicht niveauvoll ist?«

»Nein. Ich möchte nur darauf hinweisen – «

»Für Sie mag Wynette, Texas, keine große Bedeutung haben, aber es ist eine sehr niveauvolle Stadt, und wir schätzen es gar nicht, wenn Leute von außerhalb kommen und uns ihr Urteil aufdrücken, nur weil wir keine großen Tiere aus Washington sind.« Schnappend schloss sie ihre Tasche. »Oder Hollywood-Promis.«

»Lucy ist keine – «

»Hier müssen die Leute zeigen, wer sie sind. Keiner wird hier jemandes Allerwertesten küssen, nur weil er berühmte Eltern hat.«

Meg wusste nicht, ob Birdie sie selbst oder Lucy meinte, doch es war ihr auch gleichgültig. »Ich habe Kleinstädte auf der ganzen Welt besucht und dabei festgestellt, dass diejenigen, die sich nicht beweisen müssen, Fremde immer willkommen geheißen haben. Es sind die heruntergekommenen Städte – die Städte, die ihren Glanz verloren haben –, die in jedem neuen Gesicht eine Bedrohung sehen.«

Birdies rotbraun gestrichelte Augenbrauen schossen hoch bis zum Haaransatz. »In Wynette ist überhaupt nichts heruntergekommen. Denkt sie das etwa?«

»Nein, das denke ich.«

Birdies Gesicht bekam einen verkniffenen Ausdruck. »Also, das verrät mir wirklich so einiges.«

Die Tür flog auf, und ein Mädchen im fortgeschrittenen Teenageralter mit langen hellbraunen Haaren steckte seinen Kopf herein. »Mama! Lady Emma und die anderen möchten Fotos mit dir machen.«

Mit einem letzten feindseligen Blick auf Meg stürmte Birdie aus dem Raum, bestens darauf vorbereitet, ihr Gespräch vor allen zu wiederholen, die es hören wollten.

Meg zog eine Grimasse. In ihrem Versuch, Lucy zu verteidigen, hatte sie mehr Schaden als Gutes angerichtet. Dieses Wochenende konnte nicht schnell genug vorübergehen. Sie band ihr Kleid noch mal neu auf ihrer Schulter, strich sich durch ihren kurzen verrückten Haarschnitt und zwang sich, wieder auf die Party zurückzukehren.

Die Menge erging sich in Lobeshymnen auf das Barbecue, und die Veranda war erfüllt von Gelächter, und so schien Meg die Einzige zu sein, die keinen Spaß hatte. Als sie auf Lucys Mutter traf, wusste sie, dass sie etwas sagen musste, aber obwohl sie ihre Worte mit Bedacht wählte, lief das Gespräch nicht gut.

»Du schlägst allen Ernstes vor, Lucy solle Ted nicht heiraten? «, sagte Nealy Jorik mit der Stimme, die der Oppositionspartei vorbehalten war.

»Nicht direkt. Nur – «

»Ich weiß, dass du eine schwere Zeit durchmachst, Meg, und das tut mir auch aufrichtig leid, aber lass nicht zu, dass deine Gemütsverfassung einen Schatten auf Lucys Glück wirft. Sie hätte niemand Besseren als Ted Beaudine finden können. Deine Zweifel sind grundlos, darauf hast du mein Wort. Und ich möchte, dass du mir dein Wort darauf gibst, sie für dich zu behalten.«

»Welche Zweifel?«, sagte eine Stimme mit einem leichten britischen Akzent.

Lucy dreht sich herum und sah Teds Mutter an ihrer Seite. Francesca Beaudine sah mit ihrem herzförmigen Gesicht, einer Wolke kastanienbraunen Haars und in ihrem moosgrünen Wickelkleid, das ihre noch immer schlanke Gestalt betonte, aus wie eine Vivien Leigh von heute. In den drei Jahrzehnten, die sie als Francesca Today auf Sendung gegangen war, hatte sie Barbara Walters als die Promi-Interviewerin zur besten Sendezeit herausgefordert. Walters war zwar die überlegenere Journalistin, aber es machte mehr Spaß, sich die Sendungen mit Francesca anzusehen.

Nealy glättete rasch die Wogen. »Brautjungfern-Lampenfieber … das ist ein ganz reizender Abend, Francesca. Ich kann dir gar nicht sagen, wie gut Mat und ich uns amüsieren.«

Francesca Beaudine war nicht doof. Sie bedachte Meg mit einem kühlen, abschätzenden Blick und entführte Nealy dann zu einem Grüppchen, dem auch der rothaarige Hydrant aus der Toilette angehörte sowie Emma Traveler, die Frau von Teds Trauzeugen Kenny Traveler, ebenfalls ein Superstar des Profigolfs.

Danach suchte Meg sich den Gast aus, der am wenigsten in dieses Ambiente passte, einen Biker, der erklärte, zu Teds Freunden zu gehören, aber selbst die Ablenkung, die ihr seine Brustmuskeln boten, vermochte sie nicht aufzuheitern. Denn der Biker war bemüht, ihr einzureden, dass ihre Eltern sicherlich überglücklich gewesen wären, wenn sie jemand, der auch nur im Entferntesten Ted Beaudine ähnelte, mit nach Hause gebracht hätte.

Lucy hatte recht. Er war perfekt. Und könnte nicht schlechter zu ihrer Freundin passen.

 

Lucy konnte ihre Kissen zurechtrücken, so viel sie wollte, eine bequeme Lage fand sie trotzdem nicht. Ihre Schwester Tracy, die darauf bestanden hatte, heute Abend mit Lucy das Bett zu teilen, schlief geräuschlos neben ihr. Unsere letzte Nacht, in der wir nur Schwestern sind … Aber Tracy war nicht traurig wegen der Heirat. Sie bewunderte Ted wie alle anderen auch.

Lucy und Ted mussten ihren Müttern dankbar sein, die sie beide zusammengebracht hatten. »Er ist unglaublich, Luce«, hatte Nealy gesagt. »Warte nur, bis du ihn kennenlernst.«

Und er war unglaublich … Meg hätte ihr nicht all die Zweifel in den Kopf setzen sollen. Nur, diese Zweifel waren eigentlich schon seit Monaten da, aber Lucy hatte sie sich schönzureden versucht. Welche vernünftige Frau würde sich nicht in Ted Beaudine verlieben? Er verwirrte sie.

Lucy strampelte sich aus ihrer Bettdecke. Das war alles nur Megs Fehler. Genau das war das Problem mit Meg. Sie musste alles durcheinanderbringen. Dass Lucy Megs beste Freundin war, bedeutete nicht, dass sie ihren Schwächen gegenüber blind war. Meg war verzogen, rücksichtslos und verantwortungslos und suchte nach Gründen immer irgendwo anders anstatt in sich selbst. Aber sie war auch korrekt, liebevoll und loyal und die beste Freundin, die Lucy je hatte. Sie hatten beide ihren eigenen Weg gefunden, im Schatten ihrer berühmten Eltern zu leben – Lucy, indem sie sich anpasste, Meg, indem sie um die Welt reiste und versuchte, dem Erbe ihrer Eltern davonzulaufen.

Meg kannte ihre Stärken selbst nicht – die nicht unerhebliche Intelligenz, die sie von ihren Eltern mitbekommen hatte, die sie aber nicht zu ihrem Vorteil zu nutzen verstand, ihr schlaksiges, unkonventionelles Erscheinungsbild, das sie weitaus anziehender machte als die Frauen, die dem gängigen Schönheitsideal entsprachen. Megs Fähigkeiten lagen in so vielen Bereichen, dass sie zu dem Schluss gekommen war, überhaupt keine zu haben. Sie hatte sich resigniert damit abgefunden, unzulänglich zu sein, und keiner — nicht ihre Eltern, nicht Lucy – vermochte diese Überzeugung zu erschüttern.

Lucy drehte ihr Gesicht ins Kissen und versuchte die Erinnerung an jenen schrecklichen Moment heute Abend auszublenden, als Meg sie bei ihrer Rückkehr ins Hotel in die Arme geschlossen hatte. »Er ist wundervoll, Luce«, hatte sie ihr ins Ohr geflüstert. »Genau, wie du gesagt hast. Und du kannst ihn unmöglich heiraten.«

Megs Warnung war nicht annähernd so beängstigend gewesen wie Lucys eigene Antwort darauf. »Ich weiß«, hatte sie sich selbst zurückflüstern hören. »Aber ich werde es trotzdem tun. Es ist zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen.«

Meg hatte sie kräftig geschüttelt. »Es ist nicht zu spät. Ich werde dir helfen. Ich werde tun, was in meiner Macht steht.«

Lucy hatte sich losgerissen und war in ihr Zimmer geeilt. Meg verstand das nicht. Sie war ein Kind Hollywoods, wo das Unerhörte zum Alltag gehörte, Lucy dagegen war ein Kind Washingtons und kannte deshalb das konservative Herz des Landes. Die Öffentlichkeit war in diese Hochzeit mit eingebunden. Sie hatte die Jorik-Kinder aufwachsen sehen und sie trotz ihrer zahlreichen Jugendsünden geliebt. Nachrichtendienste

Kapitel 2

Die Vorhalle der Presbyterian Church von Wynette roch nach alten Gesangbüchern und längst vergessenen Abendessen, zu denen jeder was mitbringt. Draußen herrschte das organisierte Chaos. Im abgetrennten Bereich, der für die Presse reserviert war, wimmelte es von Reportern, und auf den Sitzplätzen drängten sich die Zuschauer, die bis in die Nebenstraßen standen. Als die Braut und ihr Gefolge sich aufstellten, um Einzug in den Altarraum zu halten, warf Meg einen Blick auf Lucy. Das perfekt sitzende Spitzenkleid schmeichelte ihrer zierlichen Figur, aber selbst das geschickt mit Airbrushtechnik aufgetragene Make-up vermochte ihre Anspannung nicht zu kaschieren. Sie war den ganzen Tag so nervös gewesen, dass Meg es nicht übers Herz gebracht hatte, noch ein Wort über diese unkluge Hochzeit zu verlieren. Was ihr allerdings ohnehin nicht gelungen wäre, da Nealy Case Jorik jeden ihrer Schritte überwachte.

Das Kammerorchester beendete das Präludium, und die Trompeten verkündeten schmetternd den Beginn der Prozession der Braut. Holly und Charlotte standen vorn, dann folgten Meg und dahinter die achtzehnjährige Tracy als Lucys Trauzeugin. Sie alle trugen schlichte Kleider aus champagnerfarbener Crêpe-de-Chine-Seide, welche die Ohrringe aus Rauchtopas, die Lucy ihren Brautjungfern geschenkt hatte, besonders gut zur Geltung brachte.

Die dreizehnjährige Holly begann, den Gang entlangzuschreiten. Als sie dessen Mitte erreicht hatte, ging ihre Schwester Charlotte los. Lucy hatte sich dafür entschieden, den Altarraum ganz allein zu betreten und auf halbem Weg zu ihren Eltern zu stoßen, als Symbol dafür, wie diese in ihr Leben getreten waren. Meg warf Lucy einen Blick über ihre Schulter zu und brachte sich für ihren eigenen Auftritt vor Tracy in Position, aber gerade als sie ihren ersten Schritt machen wollte, hörte sie ein Rascheln, und eine Hand schoss vor und packte sie am Arm. »Ich muss jetzt sofort mit Ted sprechen«, sagte Lucy in panischem Flüsterton.

Tracy, deren blondes Haar zu einem komplizierten Knoten aufgesteckt war, stöhnte halb erstickt: »Was hast du vor, Luce?«

Lucy achtete nicht auf ihre Schwester. »Hol ihn mir, Meg. Bitte.«

Meg scherte sich sonst nie um Konventionen, aber das kam selbst für sie überraschend. »Jetzt? Glaubst du nicht, du hättest das vor ein paar Stunden tun sollen?«

»Du hattest recht. In allem, was du gesagt hast. Du hattest absolut recht.« Selbst durch meterweisen Tüll sah Lucys Gesicht bleich und leidend aus. »Hilf mir. Bitte.«

Tracy wandte sich an Meg. »Ich verstehe das nicht. Was hast du zu ihr gesagt?« Sie wartete die Antwort nicht ab, sondern griff nach der Hand ihrer Schwester. »Du hast eine Panikattacke, Luce. Es wird alles gut.«

»Nein. Ich – ich muss mit Ted reden.«

»Jetzt?«, hakte Tracy als Echo von Meg nach. »Du kannst jetzt nicht mit ihm sprechen.«

Aber es musste sein. Meg verstand das, auch wenn Tracy es nicht begreifen konnte. Sie verstärkte den Griff um ihren Strauß aus Miniatur-Callas, setzte ein Lächeln auf und trat hinaus auf den jungfräulichen weißen Läufer.

Ein horizontaler Gang teilte den vorderen Bereich des Altarraums vom hinteren. Die frühere Präsidentin der Vereinigten Staaten und ihr Ehemann warteten dort mit feuchten Augen und waren stolz, ihre Tochter auf ihrem letzten Weg als lediges Mädchen zu begleiten. Ted Beaudine stand zusammen mit seinem Trauzeugen und drei Begleitern am Altar. Ein Sonnenstrahl fiel direkt auf seinen Kopf und verlieh ihm – was auch sonst – einen Heiligenschein.

Meg war bei der Probe am vergangenen Abend höflich ermahnt worden, den Gang nicht zu rasch hinunterzugehen, aber das war jetzt nicht das Problem, da sie nicht wie üblich weit ausschritt, sondern ganz langsam einen Fuß vor den anderen setzte. Was machte sie da? Die Gäste hatten sich erwartungsvoll umgedreht, weil sie mit dem Einzug der Braut rechneten. Meg erreichte den Altar viel zu schnell und hielt vor Ted an, anstatt ihren Platz neben Charlotte einzunehmen.

Er sah sie fragend an. Sie konzentrierte sich auf seine Stirn, damit sie ihm nicht in seine irritierenden bernsteinfarbenen Augen schauen musste. »Lucy möchte dich sprechen«, flüsterte sie.

Während er diese Information verarbeitete, hielt er den Kopf schief. Jeder andere Mann hätte ein paar Fragen gestellt, nicht so Ted Beaudine. Seine Verwunderung wich der Besorgnis. Entschlossenen Schritts und ohne ein Anzeichen, dass ihm die Situation peinlich war, lief er den Gang entlang.

Die Präsidentin und ihr Gatte schauten einander an, als er vorbeikam, und folgten ihm dann auf den Fersen. Die Gäste wurden unruhig. Die Mutter des Bräutigams erhob sich, dann sein Vater. Meg konnte nicht zulassen, dass Lucy sich dem allein stellen musste, und so eilte sie durch den Gang wieder nach hinten. Mit jedem Schritt wuchs ihre Angst.

Als sie die Vorhalle erreichte, sah sie Lucys duftigen Schleier über Teds Schulter, während Tracy und ihre Eltern einen Kreis um sie bildeten. Ein paar Agenten des Secret Service standen alarmbereit an der Tür. Die Eltern des Bräutigams stießen dazu, als Ted Lucy von der Gruppe wegzog. Mit festem Griff um ihren Arm führte er sie zu einer kleinen Seitentür. Lucy drehte sich um, als suche sie jemanden. Sie entdeckte Meg, und selbst durch ihren Tüllwasserfall war ihr Flehen unverkennbar. Hilf mir.

Meg eilte auf sie zu, doch ein freundlich gestimmter Ted Beaudine bedachte sie mit einem Blick, bei dem sie wie angewurzelt stehen blieb, ein Blick, so gefährlich wie alles, was ihr Vater in seinen Bird-Dog-Caliber-Filmen zuwege gebracht hatte. Lucy schüttelte den Kopf, und Meg begriff irgendwie, dass ihre Freundin sie nicht angefleht hatte, um zwischen Ted und ihr zu vermitteln. Lucy wollte, dass sie sich um den Schlamassel hier draußen kümmerte, als hätte Meg auch nur den geringsten Anhaltspunkt, wie sie das bewältigen sollte.

Nachdem sich hinter Braut und Bräutigam die Tür geschlossen hatte, näherte sich ihr der Ehemann der ehemaligen Präsidentin der Vereinigten Staaten. »Was geht da vor sich, Meg? Tracy meinte, du wüsstest es.«

Meg klammerte sich an ihr Brautjungfernbukett. Warum hatte Lucy so lange warten müssen, um ihr Rebellenherz zu entdecken? »Äh … Lucy musste Ted sprechen.«

»Das liegt auf der Hand. Weswegen denn?«

»Sie hat …« Sie sah Lucys leidendes Gesicht vor sich. »Sie hat Zweifel.«

»Zweifel?« Francesca Beaudine im beigen Chanelkostüm kam wütend angeschossen. »Daran sind Sie schuld. Ich habe Sie letzte Nacht reden hören. Da stecken Sie dahinter.« Sie marschierte auf den Raum zu, in dem ihr Sohn verschwunden war, wurde aber im letzten Moment von ihrem Ehemann zurückgehalten.

»Warte, Francesca«, sagte Dallas Beaudine, dessen schleppender texanischer Akzent in heftigem Kontrast zum abgehackten britischen Englisch seiner Frau stand. »Sie müssen das allein miteinander ausmachen.«

Aus dem Altarraum kamen die Brautjungfern und die Trauzeugen des Bräutigams in den Narthex geeilt. Lucys Geschwister drängten sich aneinander: ihr Bruder Andre, Charlotte und Holly, Tracy, die Meg mörderische Blicke zuwarf. Der Pfarrer wandte sich an die Präsidentin, und die beiden führten ein rasches Gespräch. Der Pfarrer nickte und kehrte in den Altarraum zurück, wo er sich, wie Meg hören konnte, für die »kurze Verzögerung« entschuldigte und die Gäste bat, doch auf ihren Plätzen zu bleiben.

Das Kammerorchester begann wieder zu spielen. Die Seitentür des Vorraums blieb geschlossen. Meg wurde langsam flau im Magen.

Tracy riss sich von ihrer Familie los und kam auf Meg zu. Ihr Rosenknospenmund verzog sich vor Wut. »Lucy war glücklich, bis du aufgekreuzt bist. Du bist schuld daran!«

Ihr Vater trat neben sie und legte eine Hand auf ihre Schulter, wobei er Meg kühl ansah. »Nealy erzählte mir von eurem gestrigen Gespräch. Was weißt du hierüber?«

Die Eltern des Bräutigams hörten seine Frage und kamen näher. Meg wusste, dass Lucy auf sie zählte, und kämpfte gegen den Drang an, einen Rückzieher zu machen. »Lucy … bemüht sich sehr, die Menschen, die sie liebt, nicht zu enttäuschen. « Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre trockenen Lippen. »Und dabei vergisst sie manchmal … sich selbst treu zu sein.«

Mat Jorik gehörte der Sprich-Klartext-Schule des Journalismus an. »Was genau willst du damit sagen? Heraus damit.«

Aller Augen waren auf sie gerichtet. Das Minicallas-Bukett musste noch stärkeren Druck aushalten. Egal wie gern sie weggerannt wäre, sie musste versuchen, die Situation für Lucy ein wenig zu entschärfen, indem sie die Grundlage für schwierige Gespräche schuf, die mit Sicherheit folgen würden. Sie befeuchtete sich ihre Lippen mit ihrer Zunge. »Lucy ist nicht so glücklich, wie sie sein sollte. Sie hat Zweifel.«

»Unsinn!«, rief Teds Mutter aus. »Sie hat keine Zweifel. Nicht solange Sie ihr diese nicht eingeredet haben.«

»Dies ist das erste Mal, dass jemand von uns etwas von Zweifeln hört«, warf Dallas Beaudine ein.

Meg überlegte kurz, Unwissenheit vorzugaukeln, aber Lucy war die Schwester, die sie nie gehabt hatte, und das war das Mindeste, was sie für sie tun konnte. »Lucy ist klar geworden, dass sie Ted womöglich aus den falschen Gründen heiratet. Dass er … womöglich doch nicht der richtige Mann für sie ist.«

»Das ist ja absurd.« Francesca warf ihr einen giftigen Blick zu. »Wissen Sie überhaupt, wie viele Frauen alles gäben, um Teddy zu heiraten?«

»Sicherlich jede Menge.«

Seine Mutter beschwichtigte dies nicht. »Ich habe am Samstagmorgen mit Lucy gefrühstückt, und da erzählte sie mir, sie sei nie glücklicher gewesen. Aber das hat sich nach Ihrer Ankunft geändert. Was haben Sie ihr gesagt?«

Meg versuchte dieser Frage auszuweichen. »Sie war womöglich nicht ganz so glücklich, wie es den Anschein hatte. Lucy kann sehr gut etwas vortäuschen.«

»Ich bin so etwas wie eine Expertin für Leute, die etwas vortäuschen«, meinte Francesca schnippisch. »Auf Lucy traf das nicht zu.«

»Sie ist wirklich gut darin.«

»Sehen wir das Ganze doch mal so.« Die kleine, zierliche Mutter des Bräutigams näherte sich ihr mit der Autorität eines Staatsanwalts. »Wäre es nicht denkbar, dass Sie — aus Gründen, die ganz allein Ihnen bekannt sind – beschlossen haben, es auszunützen, dass die Nerven der Braut blank liegen, um daraus für sich Kapital zu schlagen?«

»Nein. Das ist nicht denkbar.« Sie flocht das bronzefarbene Band des Buketts durch ihre schweißnassen Finger. »Lucy wusste, wie sehr ihr euch alle wünschtet, sie zusammen zu sehen, und hat sich deshalb eingeredet, dass es funktionieren würde. Aber es war nicht das, was sie tatsächlich wollte.«

»Ich glaube dir nicht!« Tracys blaue Augen flossen über. »Lucy liebt Ted. Du bist eifersüchtig! Deshalb hast du das getan.«

Tracy hatte Meg immer verehrt, und umso mehr schmerzte sie ihre Feindseligkeit. »Das ist nicht wahr.«

»Dann sag uns, was du zu ihr gesagt hast«, forderte Tracy. »Lass es alle hören.«

Eins der Blumenbänder löste sich zwischen ihren feuchten Fingern auf. »Ich habe sie nur daran erinnert, dass sie sich selbst treu sein muss.«

»Das war sie!«, rief Tracy. »Du hast alles kaputt gemacht.«

»Ich möchte Lucy ebenso sehr glücklich sehen wie der Rest von euch. Aber sie war es nicht.«

»Und das haben Sie alles während eines Gesprächs gestern Nachmittag herausgefunden?«, mischte sich Teds Vater mit gefährlich leiser Stimme ein.

»Ich kenne sie ziemlich gut.«

»Und wir etwa nicht?«, warf Mat Jorik eisig ein.

Tracys Lippen zitterten. »Alles war wunderbar, bis du aufgetaucht bist.«

»Es war nicht alles wunderbar.« Meg spürte, wie sich Schweißtropfen zwischen ihren Brüsten bildeten. »Das wollte euch Lucy nur glauben machen.«

Präsidentin Jorik unterzog Meg einer langen forschenden Betrachtung und brach dann ihr Schweigen. »Meg«, sagte sie leise, »was hast du getan?«

Dass sie sie unterschwellig verurteilte, sagte Meg, was sie von Anfang an hätte wissen müssen. Man würde ihr die Schuld geben. Und vielleicht hatten sie ja recht. Keiner sonst hielt diese Ehe für eine schreckliche Idee. Warum sollte eine ausgewiesene Versagerin glauben, es besser als der Rest von ihnen zu wissen?

Unter dem bohrenden Blick der Präsidentin wurde sie immer kleiner. »Ich – ich wollte nicht – Lucy war nicht …« Die Enttäuschung, die sie im Gesichtsausdruck einer Frau widergespiegelt sah, die sie so sehr bewundert hatte, war sogar noch schlimmer, als den Tadel ihrer Eltern ertragen zu müssen. An diesen war Meg wenigstens gewöhnt. »Es – es tut mir leid.«

Präsidentin Jorik schüttelte den Kopf. Die Mutter des Bräutigams, die dafür bekannt war, aufgeblasene Promis in ihrer Fernsehsendung zur Schnecke zu machen, machte sich bereit, dies auch bei Meg zu versuchen, bis die beherrschtere Stimme ihres Gatten vermittelnd eingriff. »Womöglich ist unsere Reaktion übertrieben. Wahrscheinlich sind sie gerade dabei, alles wieder ins Lot zu bringen.«

Aber sie brachten nichts ins Lot. Das wusste Meg, und das wusste auch Nealy Jorik. Lucys Mutter verstand ihre Tochter gut genug, um zu wissen, dass Lucy ihrer Familie niemals solchen Kummer bereiten würde, ohne sich das vorher gut überlegt zu haben.

Einer nach dem anderen kehrte Meg den Rücken zu. Beide Elternpaare. Lucys Geschwister. Die Trauzeugen des Bräutigams. Es war, als existierte sie nicht mehr. Erst ihre Eltern und nun dies. Alle, die ihr am Herzen lagen – alle, die sie liebte –, hatten sie abgeschrieben.

Sie war keine Heulsuse, doch jetzt konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten, und sie wusste, dass sie gehen musste. Keinem fiel es auf, als sie sich auf die Eingangstür zubewegte. Sie drehte den Knopf, schlüpfte nach draußen und erkannte viel zu spät, dass das ein Fehler war.

Blitzlichter gingen los. Fernsehkameras surrten. Das plötzliche Auftauchen einer Brautjungfer genau in dem Moment, da die Ehegelübde gesprochen werden sollten, sorgte für wilde Aufregung. Einige der Zuschauer auf den Tribünenplätzen gegenüber der Kirche erhoben sich, um sehen zu können, was den Tumult ausgelöst hatte. Reporter drängten nach vorne. Meg ließ ihr Bukett fallen, wirbelte herum und packte den schweren eisernen Türknopf mit beiden Händen. Er ließ sich nicht drehen. Natürlich nicht. Die Türen waren aus Sicherheitsgründen abgeschlossen. Sie war gefangen.

Die Journalisten stürzten sich auf sie, drückten sich an die Sicherheitsabsperrung vor den Stufen.

Was ist da drinnen los?

Ist etwas schiefgegangen?

Hat es einen Unfall gegeben?

Ist mit Präsidentin Jorik alles in Ordnung?

Meg presste das Rückgrat flach an die Tür. Die Fragen wurden immer lauter und fordernder.

Wo sind die Braut und der Bräutigam?

Ist die Zeremonie vorbei?

Sagen Sie uns, was da los ist.

»Ich, ich fühle mich nicht gut, das ist alles …«

Die Schreie der Meute verschluckten ihre schwache Ausrede. Dann rief jemand, alle sollten endlich still sein. Sie hatte Trickbetrügern in Thailand und Straßenräubern in Marokko die Stirn geboten, aber noch nie hatte sie sich so matt und ausgelaugt gefühlt wie jetzt. Noch einmal wandte sie sich der Tür zu, wobei sie ihr Bukett mit ihrem Absatz zerdrückte, aber das Schloss wollte nicht nachgeben. Entweder bekam keiner drinnen ihr Dilemma mit, oder man warf sie absichtlich den Wölfen zum Fraß vor.

Die Meute von den Tribünenplätzen war auf den Beinen. Verzweifelt sah sie sich um und erblickte zwei schmale Stufen, die zu einem Gehweg führten, der seitlich um die Kirche herumführte. Fast wäre sie gestolpert, als sie über diese hinabeilte. Die Zuschauer, die auf den Tribünenplätzen keinen Platz mehr ergattert hatten, drängten sich auf dem Gehweg jenseits des Kirchhofzauns, einige mit Kindern im Sportwagen, andere mit Kühltaschen. Sie raffte ihren Rock und rannte über den unebenen Backsteinpfad auf den Parkplatz zu, der hinter der Kirche lag. Sicherlich würde jemand von den Sicherheitskräften sie zurück in die Kirche begleiten. Eine schreckliche Vorstellung, aber besser, als sich der Presse zu stellen.

Nachdem sie den Asphalt erreicht hatte, entdeckte sie einen der Trauzeugen, der ihr den Rücken zuwandte, während er die Tür eines dunkelgrauen Mercedes öffnete. Man hatte die Zeremonie definitiv abgebrochen. Da sie sich nicht vorstellen konnte, in derselben Limousine wie die anderen Mitglieder der Hochzeitsgesellschaft zum Gasthof zurückzufahren, eilte sie auf den Mercedes zu. Sie riss die Beifahrertür in dem Moment auf, als der Motor angeworfen wurde. »Könnten Sie mich am Gasthof absetzen?«

»Nein.«

Sie schaute in die Augen von Ted Beaudine, der sie kühl ansah. Und ein Blick auf dieses energische Kinn versicherte ihr, er würde ihr niemals abnehmen, dass sie mit dem, was passiert war, nichts zu tun hatte, schon gar nicht nach der Befragung, der sie ihn während des Essens am Vorabend unterzogen hatte. Sie setzte an, ihm ihr Mitgefühl für den erlittenen Schmerz zu versichern, doch er wirkte nicht verletzt. Er machte eher den Eindruck, belästigt worden zu sein. Er war ein Gefühlsroboter, und Lucy hatte gut daran getan, ihn fallen zu lassen.

Meg drückte den Rock ihres Kleides an sich und machte einen schwankenden Schritt rückwärts. »Äh … dann nicht.«

Er ließ sich Zeit beim Verlassen des Parkplatzes. Keine quietschenden Reifen und auch kein Aufheulen des Motors. Er winkte sogar ein paar Leuten auf dem Gehweg kurz zu. Gerade hatte ihm die Tochter der ehemaligen Präsidentin der Vereinigten Staaten im Beisein der ganzen Welt den Laufpass gegeben, doch er verriet durch nichts, dass ihm etwas Schlimmes widerfahren war.

Sie schleppte sich zum nächsten Sicherheitsposten, der sie schließlich wieder in die Kirche hineinließ, wo ihr Auftauchen ihr genau den feindseligen Empfang bescherte, mit dem sie gerechnet hatte.

 

Kapitel 3

So verzweifelt hatte Emma Traveler Francesca Beaudine noch nie erlebt. Vier Tage waren seit Lucy Joriks Verschwinden vergangen, und sie saßen unter der Pergola im schattigen Hof hinter der Villa der Beaudines. Vor der silbernen Gartenkugel inmitten der Rosen wirkte Francesca noch winziger, als sie war. In all den Jahren, die sie sich kannten, hatte Emma ihre Freundin nie weinen sehen, aber Francesca hatte verschmierte Wimperntusche unter dem einen ihrer smaragdgrünen Augen, ihr kastanienbraunes Haar war zerzaust, und vor Müdigkeit gruben sich Falten in ihr herzförmiges Gesicht.

Obwohl Francesca mit ihren vierundfünfzig Jahren fast fünfzehn Jahre älter und viel hübscher war als Emma, beruhte ihre Freundschaft auf gemeinsamen Wurzeln und Banden. Beide waren britischer Abstammung, beide hatten berühmte Profigolfspieler geheiratet, und beide lasen viel lieber ein gutes Buch, als sich in die Nähe eines Golfplatzes zu wagen. Das wichtigste Verbindungsglied war jedoch ihre Liebe zu Ted Beaudine – die leidenschaftliche Mutterliebe Francescas und die bedingungslose Loyalität, die Emma für ihn seit dem Tag empfand, an dem sie sich begegnet waren.

»Diese verdammte Meg Koranda hat was Entsetzliches mit Lucy angestellt. Das weiß ich.« Francesca starrte blind auf einen Schwalbenschwanz, der zwischen den Lilien umherhuschte. »Ich hatte meine Zweifel an ihr, noch bevor ich sie kennenlernte, obwohl Lucy sie in den höchsten Tönen lobte. Wenn Meg schon so eine enge Freundin war, warum haben wir sie dann erst einen Tag vor der Hochzeit kennengelernt? Was ist das für eine Freundin, die nicht mal Zeit für einen von Lucys Polterabenden findet?«

Dasselbe hatte sich Emma auch schon gefragt. Dank Google hatte unvorteilhafter Klatsch über Meg Korandas ziellosen Lebensstil rasch die Runde gemacht, sobald die Liste der Brautjungfern bekannt war. Doch Emma hielt nichts davon, Leute ohne ausreichende Beweise zu beurteilen, und sie weigerte sich, sich am Verbreiten von Gerüchten zu beteiligen. Leider schien sich der Klatsch dieses Mal bewahrheitet zu haben.

Emmas Ehemann Kenny, Teds bester Freund, konnte nicht begreifen, warum die Leute Meg so viel feindlicher gesonnen waren als der davongelaufenen Braut, aber Emma verstand das sehr wohl. Die Einheimischen mochten Lucy, in dem Maße jedenfalls, wie sie jemanden von außerhalb mögen konnten, der sich ihren Ted geangelt hatte, und sie waren auch bereit gewesen, sie zu akzeptieren, bis zu jenem Abend, als sie sich vor ihren Augen verwandelt hatte. Da hatte sie nämlich mehr Zeit mit Meg Koranda zusammengegluckt als mit ihrem Verlobten verbracht. Sie war kurz angebunden zu den Gästen gewesen, zerstreut und hatte selbst bei den lustigsten Toasts kaum ein Lächeln gezeigt.

Francesca zog ein Papiertaschentuch aus der Tasche ihrer zerknitterten weißen Baumwoll-Caprihose, zu der sie ein altes T-Shirt, italienische Sandalen und ihre immer präsenten Diamanten trug. »Ich habe so viele verzogene Hollywood-Tussis kennengelernt, dass ich sie auf Anhieb erkenne. Mädchen wie Meg Koranda haben im Leben noch nie arbeiten müssen, und sie glauben, dass ihr berühmter Nachname ihnen einen Freibrief dafür gibt, alles tun zu können, wonach ihnen der Sinn steht. Das ist auch der Grund, weshalb Dallie und ich dafür gesorgt haben, Ted in dem Bewusstsein zu erziehen, für seinen Lebensunterhalt arbeiten zu müssen.« Sie