Der und kein anderer - Susan Elizabeth Phillips - E-Book

Der und kein anderer E-Book

Susan Elizabeth Phillips

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Beschreibung

Ein weiterer Leckerbissen aus dem Hause Phillips - in frischer, neuer Ausstattung!

Gracie Snow hat eine undankbare Aufgabe vor sich: Sie soll den widerspenstigen und äußerst attraktiven Footballspieler Bobby Tom Denton dazu bringen, seinen Filmvertrag zu erfüllen. Bobby Tom allerdings hat ziemlich gute Gründe, sich nicht an seine vertraglichen Pflichten zu halten. Daher beschließt er mal eben, diese süße Lady mit Hilfe seines beträchtlichen Charmes von ihrem Vorhaben abzulenken. Doch selten hat sich ein Mann so gewaltig in Gracie Snow geirrt …

Die »Chicago Stars«-Reihe:
1. Ausgerechnet den?
2. Der und kein anderer
3. Bleib nicht zum Frühstück!
4. Träum weiter, Liebling
5. Verliebt, verrückt, verheiratet
6. Küss mich, wenn du kannst
7. Dieser Mann macht mich verrückt
8. Verliebt bis über alle Sterne
9. Und wenn du mich küsst

Alle Romane sind eigenständig lesbar.

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Seitenzahl: 662

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Inhaltsverzeichnis
Buch
Autorin
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Copyright
Buch
Auf Teufel komm raus verfolgt die junge Gracie Snow, Beauftragte eines Filmstudios, den legendären Ex-Footballspieler Bobby Tom Denton. Ihre Aufgabe ist es, ihn zu bewegen, in seine Heimatstadt zurückzukehren, um dort seinen ersten Film zu drehen. Doch der widerspenstige, unverschämt charmante und blendend aussehende Bobby Tom denkt – aus sehr triftigen Gründen – nicht im Traum daran, den von ihm unterschriebenen Filmvertrag zu erfüllen. Doch andererseits kann er diese rechthaberische süße kleine Kröte, die das Studio ihm auf die Fersen geklebt hat, weder aus seinen Gedanken noch aus seinem Leben vertreiben. Also beschließt er, Gracie anderweitig und viel persönlicher zu beschäftigen. Ein scheinbar einfacher Plan, aber hinter dem Gesicht eines Engels verbirgt Gracie das Herz einer Wildkatze …
Autorin
Mit ihren großen warmherzigen und sehr humorvollen Romanen erobert Susan Elizabeth Phillips seit Jahren die internationalen Bestsellerlisten. Vielfach preisgekrönt, lebt die Autorin mit ihrem Mann in der Nähe von Chicago.
Von Susan Elizabeth Phillips ist bereits erschienen
Bleib nicht zum Frühstück (35029)
Küss mich, Engel (35066)
Träum weiter, Liebling (35105)
Kopfüber in die Kissen (35298)
Wer will schon einen Traummann? (35394)
Ausgerechnet den? (35526)
1
»Einen Leibwächter! Ich brauche keinen verdammten Leibwächter!«
Die silbernen Spitzen von Bobby Tom Dentons lila eingefärbten Schlangenledercowboystiefeln glitzerten im Sonnenlicht, als der ehemalige Footballspieler erst über den Teppich lief und dann die Hände auf den Schreibtisch seines Anwalts und Agenten stemmte.
Jack Atkins blickte beunruhigt zu ihm auf. »Die Windmill Studios halten es aber für notwendig.«
»Mir ist es vollkommen einerlei, wie die darüber denken. Schließlich ist allgemein bekannt, dass im südlichen Kalifornien kein Mensch auch nur einen Funken Verstand besitzt.« Bobby Tom richtete sich auf. »Zugegeben, ein paar von den Ranchers nehme ich davon aus, aber sonst niemanden.« Er ließ seinen langgliedrigen Körper auf einen Ledersessel fallen, legte die Stiefel auf dem Schreibtisch ab und kreuzte die Beine.
Jack Atkins musterte seinen wichtigsten Kunden. Mit weißen Leinenhosen, einem lavendelfarbenen Seidenhemd, den lila eingefärbten Schlangenlederstiefeln und einem hellgrauen Stetson war Bobby Tom heute geradezu konservativ gekleidet. Der ehemalige wide receiver machte keinen Schritt ohne seinen Stetson. Einige seiner Verflossenen gingen so weit zu behaupten, er behielte ihn sogar im Bett noch auf, was Jack jedoch bezweifelte. Ohne Zweifel aber war Bobby Tom stolz darauf, Texaner zu sein. Und das, obwohl seine Profifootball-Karriere ihn während der letzten zehn Jahre dazu gezwungen hatte, überwiegend in Chicago zu leben.
Mit seinem ausgesprochen guten Aussehen, dem betörenden Lächeln und ein paar imposanten, mit Diamanten besetzten Superbowl-Ringen, symbolisierte Bobby Tom Denton zweifellos die schillerndste aller Football-Persönlichkeiten. Gleich von Anfang an waren die Fernsehzuschauer seinem ländlichen Charme erlegen gewesen. Diejenigen jedoch, die auf dem Spielfeld gegen ihn antreten mussten, ließen sich von seinem jungenhaften Charme nicht blenden. Sie wussten, dass Bobby Tom nicht nur schlau und ehrgeizig war, sondern darüber hinaus noch beinhart sein konnte. Nicht nur war er die schillerndste Figur der gesamten Nationalliga, sondern auch deren bester Spieler gewesen. Als vor fünf Monaten im Januar eine Knieverletzung ihn dazu gezwungen hatte, mit dreiunddreißig Jahren seine Profikarriere aufzugeben, lag es nahe, dass Hollywood Interesse an ihm für einen Actionfilm zeigte.
»Bobby Tom, die Leute von Windmill haben ein Recht darauf, sich Sorgen zu machen. Sie haben Ihnen mehrere Millionen Dollar gezahlt, damit Sie Ihren ersten Film mit ihnen drehen.«
»Ich bin Footballspieler und kein verdammter Kinostar.«
»Seit Januar sind Sie Footballspieler im Ruhestand«, bemerkte Jack. »Abgesehen davon war es Ihre Entscheidung, den Filmvertrag zu unterschreiben.«
Bobby Tom riss sich den Stetson vom Kopf, fuhr mit einer Hand durch sein dichtes blondes Haar und setzte den Hut wieder auf. »Ich war betrunken und suchte etwas Neues für mein Leben. Eigentlich hätten Sie mich eine derart wichtige Entscheidung in betrunkenem Zustand nicht treffen lassen dürfen.«
»Wir sind jetzt schon sehr lange befreundet, aber wirklich betrunken muss ich Sie erst noch erleben. Das werden Sie also kaum als Entschuldigung anführen können. Außerdem sind Sie einer der ausgekochtesten Geschäftsleute, die ich kenne. Und das Geld brauchen Sie nun wahrhaftig nicht. Wenn Sie also den Vertrag mit Windmill nicht hätten unterschreiben wollen, hätten Sie es auch nicht tun müssen.«
»Schon gut, ich habe halt meine Meinung geändert.«
»Sie haben mehr Verträge unterschrieben, als ich aufzählen könnte. Und ich habe nicht ein einziges Mal beobachtet, dass Sie einen Vertrag gebrochen haben. Sind Sie sich wirklich sicher, dass Sie jetzt damit anfangen möchten?«
»Ich habe doch gar nicht gesagt, dass ich den verdammten Vertrag brechen möchte.«
Jack ordnete zwei Akten und eine Pfefferminzrolle. Sie waren zwar seit zehn Jahren befreundet, doch hatte er immer noch das Gefühl, Bobby Tom nicht viel besser als dessen Friseur zu kennen. Trotz der äußerlich freundschaftlichen Art war der ehemalige Footballspieler ein sehr zurückgezogener Mensch. Nicht, dass ihm Jack das verübeln würde. Die ganze Welt wollte an Bobby Toms Leben teilhaben, und der Sportler hatte gelernt, sich zu schützen – Jacks Meinung nach nicht immer sehr erfolgreich. Jede wohl geformte junge Frau, jeder Ex-Jockey oder jeder aus seiner Heimat, dem ein Unglück zugestoßen war, konnte auf Bobby Toms Unterstützung rechnen.
Jack löste die Silberfolie von der Pfefferminzrolle. »Ich frage aus reiner Neugier: Verstehen Sie etwas von der Schauspielerei?«
»Himmel, nein!«
»Das dachte ich mir.«
»Warum sollte ich damit Schwierigkeiten haben? In einem Film wie diesem müssen die Typen lediglich alle anderen vermöbeln und diverse Frauen entkleiden. Ehrlich gesagt übe ich mich bereits seit meinem achten Lebensjahr in diesen Fertigkeiten.«
Diese Art von Kommentar war typisch für Bobby Tom Denton, und Jack lächelte. Unabhängig von den Bemerkungen seines Mandanten musste er daran glauben, dass Bobby Tom seine Karriere als Filmschauspieler mit Erfolg krönen wollte. Der Ex-Footballer hatte sich noch niemals einer Aufgabe verschrieben, die er nicht gut hatte ausführen wollen, angefangen von Landkäufen bis zu Investitionen in moderne Technologien. Andererseits ließ er sich dieses Mal reichlichst Zeit.
Jack lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Vor kurzem habe ich mit Willow Craig von Windmill gesprochen. Sie ist untröstlich, besonders seit Sie darauf bestanden haben, alle Außenaufnahmen in Telarosa abzudrehen.«
»Sie suchten eine kleine Stadt in Texas. Sie wissen doch selbst, wie schlecht es denen dort wirtschaftlich zurzeit geht. Das wird ihnen wieder etwas auf die Beine helfen.«
»Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass Sie Ihrer Heimatstadt für ein Weilchen den Rücken kehren wollten. Erst recht jetzt, wo sie mit einem groß angelegten Festival die Stadt verjüngen wollen.«
Bobby Tom zuckte zusammen. »Erinnern Sie mich bloß nicht daran.«
»Tatsache aber ist nun, dass Sie da hingehen müssen. Windmill hat bereits sämtliche Gerätschaften und Personal dorthin transferiert. Nur Sie sind noch nicht da, um endlich mit den Dreharbeiten zu beginnen.«
»Ich habe doch versprochen, dort aufzukreuzen.«
»So wie Sie ihnen auch gesagt haben, dass Sie an allen Sitzungen und Kostümproben teilnehmen werden – beides hätte bereits vor zwei Wochen in Los Angeles stattfinden sollen.«
»Das ist doch alles Blödsinn. Himmel noch mal, von allen Spielern der Bundesliga besitze ich die beste Garderobe. Wozu also soll ich noch zur Kostümprobe?«
Jack gab auf. Wie immer würde Bobby Tom die Dinge auf seine Art und Weise erledigen. Trotz seiner freundlichen und umgänglichen Art war der Texaner stur wie ein Esel und konnte es nicht leiden, wenn man ihn bedrängte.
Bobby nahm die Stiefel von der Schreibtischplatte und stand gemächlich auf. Obwohl er die Tatsache gut zu verbergen verstand, wusste Jack doch genau, dass das abrupte Ende seiner Football-Karriere ihm sehr zugesetzt hatte. Seit dem Augenblick, als die Ärzte ihm eröffnet hatten, dass er niemals wieder würde spielen können, hatte Bobby Tom sich wie besessen in Geschäfte gestürzt. Er wirkte eher wie ein Mann kurz vor dem finanziellen Ruin als eine Football-Legende, dessen millionenschwere Einkünfte bei den Chicago Stars lediglich einen kleinen Teil seines Vermögens ausmachten. Jack fragte sich manchmal, ob der Filmvertrag nicht einfach Bobby Toms Art und Weise war, sich die Zeit so lange zu vertreiben, bis er sich sicher war, was er mit seinem Leben anstellen wollte.
Im Türrahmen hielt Bobby Tom inne und warf seinem Agenten jenen kühlen, blauen Blick zu, den Verteidiger der Gegenseite so sehr gefürchtet hatten. »Was halten Sie davon, wenn Sie die Leute von Windmill gleich anrufen und ihnen sagen, sie können sich den Leibwächter aus dem Kopf schlagen.«
Obwohl er diese Aufforderung lediglich leise gemurmelt hatte, wusste Jack genau, dass es ihm ernst war. Bobby Tom wusste immer ganz genau, was er wollte, und für gewöhnlich kam er damit auch durch. »Ich fürchte, jemand ist schon auf dem Weg hierher. Außerdem schicken sie eine Limousine, keinen Leibwächter.«
»Ich habe ihnen doch gesagt, dass ich alleine nach Telarosa fahre, und genau das werde ich auch tun. Wenn irgend so ein verdammter Leibwächter hier aufkreuzt und glaubt, er könne mir Vorschriften machen, muss er schon ein ganz toller Hecht sein, denn sonst werde ich ihm meine Initialen auf den Hintern brennen.«
Jack warf einen Blick auf den gelben Notizblock. Jetzt war wohl nicht der richtige Zeitpunkt, Bobby Tom mitzuteilen, dass der von den Windmill Studios beauftragte »tolle Hecht« Gracie Snow hieß. Während er den Notizblock unter einem Aktenordner verschwinden ließ, hoffte er darauf, dass Fräulein Snow einen fantastischen Hintern, umwerfende Titten und die Instinkte eines Piranhas besaß. Andernfalls würde sie gegen Bobby Tom Denton nicht die geringste Chance haben.
Gracie Snows Frisur saß wieder einmal schlecht. Die feuchte, nächtlich kühle Luft hatte ihr eine kupferbraune Locke ins Auge geweht. Einem Friseur mit dem Namen Mister Ed hätte sie nicht trauen dürfen. Doch wollte sie sich nicht allzu lange mit negativen Gedanken aufhalten. Anstatt also über ihre missratene Dauerwelle nachzudenken, verriegelte sie die Tür ihres Mietwagens und trat auf Bobby Tom Dentons Haus zu.
Ein halbes Dutzend Autos parkten auf der geschwungenen Auffahrt. Als sie auf das schlanke, in Zedernholz und Glas gehaltene Gebäude zutrat, das über den Lake Michigan blickte, hörte sie Musik. Es war kurz vor halb zehn abends. Zu gerne hätte sie diese Begegnung auf den nächsten Morgen verschoben, wenn sie ausgeruhter und weniger nervös sein würde. Dieser Luxus war ihr jedoch leider nicht vergönnt. Sie musste Willow Craig unbedingt beweisen, dass sie diese erste, wirklich verantwortungsvolle Aufgabe meistern konnte.
Es war ein ungewöhnliches Haus, niedrig und weitläufig, mit einem steilen rechtwinkligen Dach. Die lackierten Eingangstüren wurden von Aluminiumklinken geziert, die an Schenkelknochen erinnerten. Das Haus entsprach nicht ihrem eigenen Geschmack, doch machte es das nur noch interessanter. Sie bemühte sich, ihre Nervosität in den Griff zu bekommen. Sie drückte die Klingel und zupfte am Jackett ihres besten, dunkelblauen Kostüms. Dieses war eine formlose Angelegenheit mit einem Saum, der weder zu lang noch zu kurz, sondern einfach nur unmodern war. Wenn doch der Rock auf dem Flug von Los Angeles nach Chicago nicht so zerknittert worden wäre! Andererseits hatte sie in Bezug auf Kleidung noch nie viel Geschick an den Tag gelegt. Manchmal führte sie ihren Mangel an Modebewusstsein darauf zurück, dass sie hauptsächlich unter älteren Menschen aufgewachsen war. Denn in der Tat schien ihre Kleidung immer mindestens zwei Jahrzehnte aus der Mode zu sein.
Als sie das zweite Mal auf die Klingel drückte, glaubte sie, im Inneren ein vages Klingeln wahrzunehmen. Erwartung schwang in ihrer Nervosität mit. Die Party schien eine wilde Angelegenheit zu sein.
Obwohl Gracie bereits fast dreißig Jahre alt war, war sie noch nie auf einer wilden Party gewesen. Ob man sich dort Pornos ansehen würde und reichlich Kokain für die Gäste bereitstünde? Sie war sich fast sicher, beides zu verabscheuen, doch da sie keinerlei Erfahrung hatte, hielt sie es nur für richtig, ihre abschließende Beurteilung vorerst noch zurückzustellen. Wie sollte sie schließlich ein neues Leben beginnen, wenn sie neuen Erfahrungen gegenüber nicht offen war? Mit Drogen würde sie natürlich nicht experimentieren, doch was die Pornos anlangte … Vielleicht sollte sie einen kurzen Blick darauf werfen.
Sie drückte die Klingel zweimal hintereinander und zurrte eine lose Haarsträhne zurück in ihren Bauernzopf. Sie hatte gehofft, dass ihre neue Dauerwelle, die zwar bequeme, doch vollkommen unmodische Frisur überflüssig machen würde, die sie die letzten zehn Jahre über getragen hatte. Sie hatte sich etwas Weiches, Welliges, Wippendes vorgestellt, womit sie sich wie neugeboren fühlen würde. Doch die eng aufgedrehte Dauerwelle, die Mister Ed ihr verpasst hatte, entsprach absolut nicht ihren Vorstellungen.
Schon als Teenager hatten alle Bemühungen um eine Verbesserung ihres Äußeren stets in einer Katastrophe geendet. Monatelang hatte sie grüne Haare gehabt, weil sie eine Flasche Peroxid falsch angewandt hatte. Kurz darauf hatte sie auf eine Creme gegen Sommersprossen allergisch reagiert. Noch heute hörte sie das Gelächter ihrer Klassenkameraden, als ihr ausgestopfter Büstenhalter sich während eines von ihr vorgetragenen Referats verschoben hatte. Dieser Vorfall hatte dem Ganzen das I-Tüpfelchen aufgesetzt. Seitdem hatte sie sich vorgenommen, die Worte ihrer Mutter zu beherzigen, die ihr diese seit ihrem sechsten Lebensjahr vorgebetet hatte:
Du entstammst einer langen Linie hausbackener Frauen, Gracie Snow. Du solltest die Tatsache akzeptieren, dass du niemals eine Schönheit sein wirst. Auf diese Weise wirst du viel glücklicher sein.
Sie war von mittlerem Wuchs, weder klein genug, um als niedlich zu gelten, noch groß genug, um wie eine Gazelle zu wirken. Zwar war sie nicht vollkommen flachbrüstig, doch auch nicht weit davon entfernt. Ihre Augenfarbe war weder ein warmes Braun noch ein leuchtendes Blau, sondern ein schwer zu beschreibendes Grau. Ihr Mund war zu breit, ihr Kinn zu stur. Sie war nicht dankbar für die schöne Haut, die unter den Sommersprossen hervorlugte. Noch war sie stolz auf ihre kleine und gerade Nase. Stattdessen war sie dankbar für die wichtigeren Geschenke, die Gott ihr mitgegeben hatte: Intelligenz, einen lebhaften Sinn für Humor und ein unstillbares Interesse an allen Aspekten menschlichen Seins. Sie redete sich ein, Charakterstärke sei ohnehin viel wichtiger als Schönheit. Nur wenn sie wirklich deprimiert war, wünschte sie sich, sie könnte ein wenig ihrer Gradlinigkeit, einen Millimeter ihrer Tugendhaftigkeit, ein Körnchen ihres Organisationstalentes gegen eine größere Körbchengröße eintauschen.
Endlich wurde die Tür geöffnet und unterbrach ihre Gedanken. Sie stand einem der hässlichsten Männer gegenüber, den sie jemals gesehen hatte – einem Riesenkoloss mit breitem, gedrungenen Nacken, einem Glatzkopf und ausladenden Schultern. Interessiert betrachtete sie ihn, während ihr Blick über seinen dunkelblauen Anzug, das weiße Hemd und die schwarzen Schuhe wanderte.
»Ja, und?«
Sie richtete sich auf und hob ihr Kinn. »Ich bin gekommen, um Herrn Denton zu sprechen.«
»Das wird aber auch Zeit.« Unvermittelt ergriff er ihren Arm und zog sie ins Haus. »Haben Sie Ihre eigene Musik mitgebracht?«
Die Frage überraschte sie so sehr, dass sie den Flur nur noch im Hintergrund wahrnahm: Terrakottafliesen, eine riesige Wandskulptur aus Aluminium und ein Granitfelsen, auf dem ein Samuraihelm thronte. »Musik?«
»Himmel noch mal, ich habe Stella doch gesagt, sie soll dir ausrichten, dass du deine eigene Musik mitbringst. Also gut, vergessen wir das. Ich habe noch das Band, das das letzte Mädchen hier gelassen hat.«
»Welches Band?«
»Bobby Tom ist in der Sauna. Die Jungs und ich wollen ihn überraschen. Warte hier, bis ich alles vorbereitet habe. Dann gehen wir gemeinsam rein.«
Mit diesen Worten verschwand er hinter einer japanischen Wand zu ihrer Rechten. Sie starrte ihm nach, hin und her gerissen zwischen Beunruhigung und Neugierde. Offenbar hatte er sie mit jemandem verwechselt. Da Bobby Tom Denton jedoch keinerlei Telefonate von den Windmill Studios entgegennahm, erwog sie, dieses Missverständnis zu ihren Gunsten zu nutzen. Die alte Gracie Snow hätte geduldig auf seine Rückkehr gewartet, um ihm ihre Anwesenheit zu erläutern. Die neue Gracie Snow aber sehnte sich nach einem Abenteuer. Sie folgte der aufpeitschenden Musik und tappte den sich windenden Flur entlang.
Die Zimmer, an denen sie vorbeikam, waren unglaublich. Insgeheim war sie von jeher schon sehr sinnlich gewesen, und der Anblick allein befriedigte sie nicht. Es juckte sie in den Fingern, die rauen Skulpturen auf Eisensockeln zu berühren oder die Granitblöcke, auf denen unregelmäßig geschnittene Tischplatten ruhten, die an prähistorische Bäume erinnerten. Sie wollte mit den Fingern über die Wände fahren, von denen manche in hellem Grau gehalten waren, während andere mit gebleichtem, an Asche erinnernden Leder bespannt waren. Die tief liegenden, mit Leinen oder Zebrahaut bespannten Möbel zogen sie an. Und der Duft von Eukalyptus, der von den alten Gefäßen rührte, kitzelte ihre Nase.
Der Eukalyptusduft wurde plötzlich von Chlor überdeckt. Als sie einen riesigen Felsen umrundete, der elegant aus der Wand heraustrat, riss sie verblüfft die Augen auf. Der Flur endete in einer luxuriösen Grotte, deren Wände aus sandgestrahltem Glas bis zum Dach reichten. Ausgewachsene Palmen, Bambus und andere exotische Pflanzen wuchsen in Beeten inmitten des schwarzen Marmorbodens und verliehen der Grotte sowohl einen tropischen als auch prähistorischen Flair. Das schwarzgekachelte, asymmetrisch geformte Schwimmbecken schien wie ein entlegener See, an dem Dinosaurier gerne ihren Durst gestillt hätten. Selbst die hochmodernen Liegestühle und klobigen Tische, die aus flachen Felsen geformt waren, verstärkten diese natürliche Atmosphäre.
So prähistorisch das Ambiente auch wirken mochte, die Gäste ihrerseits waren überaus modern. Es mochten an die dreißig Leute in der gemischten Gruppe sein. Alle Frauen waren jung und schön, während die muskulösen Männer, sowohl schwarze als auch weiße, über breite Nacken verfügten. Von Footballspielern hatte sie keine Ahnung, lediglich deren schlechter Ruf war bis zu ihr vorgedrungen. Während sie die knappen Bikinis der meisten Frauen musterte, hoffte sie in ihrem tiefsten Inneren, dass möglicherweise gerade eine Orgie bevorstand. Sie selbst würde sich natürlich nie und nimmer an so etwas beteiligen – auch dann nicht, wenn man sie dazu auffordern sollte -, doch würde es sicherlich interessant sein, so etwas zu beobachten.
Schrille weibliche Schreie lenkten ihre Aufmerksamkeit zu der dampfenden heißen Quelle, die inmitten von ein paar Felsen in der Nähe der Fenster sprudelte. Vier Frauen vergnügten sich in den Sprudeln. Gracie empfand sowohl Neid als auch Bewunderung, als sie deren glitzernde, sonnengebräunte Brüste in den knappen Bikinitops beobachtete. Dann schweifte ihr Blick von den Frauen zu dem einzigen Mann in dem Bad, und alles in ihr erstarrte.
Schlagartig erkannte sie ihn von den Fotografien wieder. Er stand neben der heißen Quelle wie ein Sultan, der seinen Harem begutachtete. Während sie ihn beobachtete, regten sich in ihr die verborgensten sexuellen Fantasien. Dies also war Bobby Tom Denton. Großer Gott.
Er besaß alles, was sie sich jemals von einem Mann erträumt hatte. All die Schuljungen, die sie nicht beachtet hatten, all die jungen Männer, die sich nie ihren Namen hatten merken können, all die attraktiven Berufskollegen, die ihren scharfen Verstand bewunderten, sie jedoch nie zum Essen einluden. Er war eine schillernde, übermenschliche Kreatur, die ein perverser Gott in die Welt gesetzt haben musste, um hausbackene Frauen wie sie daran zu erinnern, dass gewisse Dinge schlichtweg unerreichbar waren.
Von den Fotografien her wusste sie, dass sich unter seinem Stetson dichtes blondes Haar verbarg, während sich unter der Krempe ein paar leuchtend blaue Augen versteckten. Anders als ihre eigenen Wangenknochen, hätten seine von einem Bildhauer der Renaissance gemeißelt sein können. Er besaß eine gerade, feste Nase, ein burschikoses Kinn und Lippen, die eigentlich mit einer Warnung hätten versehen sein müssen. Er war vollkommen. Und während sie ihn anstarrte, fühlte sie dieselbe intensive Sehnsucht, die sie an warmen Sommernächten empfunden hatte, wenn sie im Gras gelegen und die Sterne betrachtet hatte. Er leuchtete ebenso hell, und er war genauso unerreichbar.
Er trug seinen unvermeidlichen schwarzen Stetson, Cowboystiefel aus Schlangenleder und einen Samtbademantel, der von roten und grünen Blitzen durchzogen war. In der einen Hand hielt er eine Bierflasche, von der Zigarre in seinem Mundwinkel stieg Rauch auf. Die Haut über seinen Cowboystiefeln und unter seinem Bademantel war nackt und zeigte kräftige, muskulöse Waden. Ihr Mund wurde trocken, während sie darüber nachgrübelte, ob er unter dem Bademantel unbekleidet war.
»He, du! Ich habe dir doch gesagt, an der Tür auf mich zu warten.«
Sie zuckte zusammen, als der kräftige Mann, der sie ins Haus gelassen hatte, hinter ihr auftauchte.
»Stella hat dich als einen echten Heuler angepriesen. Ich habe ihr doch gesagt, dass ich eine Blondine wollte.« Er musterte sie zweifelnd. »Bobby Tom steht auf Blondinen. Bist du unter der Perücke blond?«
Ihre Hand schnellte zu ihrem Zopf. »Um die Wahrheit zu sagen …«
»Deinen Bibliothekarinnenaufzug finde ich ja ganz amüsant, aber Make-up musst du noch auflegen. Bobby Tom mag gerne Frauen mit viel Make-up.«
Und mit großen Brüsten, dachte sie, als sie erneut die heiße Quelle betrachtete. Bobby Tom mochte Frauen mit großen Brüsten.
Ihr Blick schweifte zu dem Gettoblaster, gleichzeitig versuchte sie, das Missverständnis zwischen ihnen zu begreifen. Gerade als sie eine Erklärung abgeben wollte, kratzte sich der Mann an der Brust.
»Hat Stella dir gesagt, dass wir etwas ganz Außergewöhnliches wollen? In letzter Zeit ist er wegen dem Ende seiner Footballerkarriere sehr deprimiert. Er redet schon davon, Chicago den Rücken zu kehren und sich in Texas niederzulassen. Die Jungs und ich dachten, wir könnten ihm mit dir ein wenig Freude bereiten. Bobby Tom findet Stripperinnen einfach klasse.«
Stripperinnen! Gracies Finger klammerten sich um ihre künstliche Perlenkette. »Oh, mein Gott! Ich sollte vielleicht erklären …«
»Einmal war eine Stripperin hier, bei der ich es für möglich gehalten habe, dass er sie heiratet. Aber sie hat das Footballquiz nicht bestanden.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann immer noch nicht wahrhaben, dass der größte Footballer weit und breit jetzt für Hollywood arbeitet. Verdammtes Knie auch.«
Da er mehr zu sich selbst als zu ihr zu reden schien, antwortete Gracie nicht. Stattdessen versuchte sie, die Tatsache zu begreifen, dass dieser Mann ausgerechnet sie – die letzte dreißigjährige Jungfrau auf dem Planeten Erde – für eine Stripperin gehalten hatte!
Es war peinlich.
Es war beängstigend.
Und es war berauschend!
Der Mann beäugte sie kritisch. »Das letzte Mädchen, das Stella vorbeigeschickt hat, war als Nonne verkleidet gewesen. Bobby Tom lacht für sein Leben gerne. Immerhin hatte sie mehr Make-up getragen. Bobby Tom mag seine Frauen stark geschminkt. Du solltest jetzt besser gehen und dich noch etwas aufmöbeln.«
Es war höchste Zeit, diesem Missverständnis ein Ende zu bereiten. Sie räusperte sich. »Wie es sich fügt, Herr …«
»Bruno. Bruno Metucci. Ich habe noch unter Bert Somerville für die Stars gespielt. Natürlich habe ich niemals das Format von Bobby Tom besessen.«
»Verstehe. Aber Tatsache ist …«
Lautes weibliches Gekreische von der heißen Quelle lenkte sie ab. Sie beobachtete Bobby Tom, der die Ansicht der Frauen genoss, die sich zu seinen Füßen tummelten, während in der Ferne die Lichter des Lake Michigan durch das Glasfenster zu sehen waren. Ein paar Sekunden lang hatte sie die Vorstellung, er würde schweben, wie ein kosmischer Cowboy in seinem Stetson, den Stiefeln, dem Bademantel. Er schien nicht jemand zu sein, den die Gesetze der Schwerkraft wie den Rest der Menschheit auf die Erde bannte. An seinen Stiefeln schien er unsichtbare Sporen zu tragen, Sporen, die eine übernatürliche Geschwindigkeit kreieren konnten und ein funkelndes Feuerwerk in Gang setzten, das alles, was er tat, überlebensgroß machte.
Eine Frau erhob sich aus der blubbernden heißen Quelle. »Bobby Tom, du hast doch versprochen, dass ich das Quiz noch einmal wiederholen darf.«
Da sie laut gesprochen hatte, klatschten mehrere der Gäste Beifall. Wie von Geisterhand bewegt, drehten sich alle Bobby Tom zu und warteten auf seine Reaktion.
Bobby Tom, mit der Zigarre und der Bierflasche in einer Hand, steckte die andere in seine Bademanteltasche und betrachtete sie besorgt. »Bist du dir auch sicher, dass du bereit bist, Julie, Liebling? Du weißt doch, du hast nur zwei Chancen. Und das letzte Mal hast du einen von Eric Dickersons Rekorden um hundert Meter verfehlt.«
»Ich bin mir sicher. Ich habe wahnsinnig gepaukt.«
Julie sah aus, als ob sie für Bademode auf dem Titelblatt einer Sportzeitschrift Modell stehen würde. Als sie sich aus dem Wasser stemmte, fiel ihr ihr nasses blondes Haar wie blasse Schleifen über die Schultern. Sie setzte sich auf den Bassinrand. Ihr Badeanzug bestand aus drei kleinen türkisfarbenen Dreiecken, die von leuchtendem Gelb eingefasst waren. Gracie war sich wohl bewusst, dass viele ihrer Bekannten einen derart offenherzigen Bikini abgelehnt hätten. Doch war sie der Meinung, jede Frau sollte aus ihren Vorzügen Nutzen schlagen und fand deshalb das Mädchen wunderschön.
Jemand stellte die Musik leiser. Bobby Tom saß auf einem der Felsen und legte seinen Schlangenlederstiefel über das bloße Knie. »Komm her und gib mir ein Küsschen. Und enttäusche mich diesmal nicht. Schließlich bin ich wild dazu entschlossen, dich zu Frau Bobby Tom Denton zu machen.«
Während Julie seiner Bitte nachkam, blickte Gracie Bruno fragend an. »Er stellt ihnen Quizfragen über Football?«
»Aber sicher doch. Schließlich ist Football Bobby Toms Leben. Er hält nicht viel von Scheidungen, und er weiß, er könnte niemals mit einer Frau glücklich sein, die das Spiel nicht begreift.«
Während Gracie diese Information zu verdauen versuchte, küsste Bobby Tom Julie, dann tätschelte er ihren nassen Hintern und schickte sie wieder an den Bassinrand zurück. Die Gäste hatten sich mittlerweile alle versammelt, um sich das Spektakel anzusehen. Gracie nutzte die Chance, dass Bruno ebenfalls vollkommen gebannt war, und stieg ein paar Stufen weiter nach oben, um nur nichts zu verpassen.
Bobby Tom legte seine Zigarre in einem breiten Aschenbecher aus Onyx ab. »Also gut, meine Liebe. Lass uns mit den quarterbacks anfangen. Wer von den dreien, Terry Bradshow, Len Dawson oder Bob Griese, hatte die höchste Prozentzahl abgeschlossener Läufe? Wie du siehst, bemühe ich mich, diese Sache sehr einfach zu halten. Ich frage dich nicht nach der genauen Prozentzahl, sondern lediglich danach, wer die höchste Prozentzahl erreicht hat.«
Julie warf ihre nassen Haare über die Schulter und lächelte ihn selbstsicher an. »Len Dawson.«
»Ausgezeichnet.« Die Beleuchtung der heißen Quelle kam von unten, sodass man selbst unter der Hutkrempe seines Stetsons seine Gesichtszüge erkennen konnte. Obwohl Gracie ein wenig zu weit entfernt stand, um sich ganz sicher zu sein, glaubte sie doch, so etwas wie Belustigung in seinen tiefblauen Augen zu erkennen. Da sie im Studium menschlichen Verhaltens unermüdlich war, interessierte sie sein weiteres Vorgehen brennend.
»Und jetzt wollen wir mal sehen, ob du die Problembereiche des letzten Quiz ausgebügelt hast. Versetze dich in das Jahr neunzehnhundertfünfundachtzig zurück und nenne mir den Hauptstürmer der Bundesliga.«
»Ganz einfach, Marcus Allen.«
»Und der AFC?«
»Curt – nein! Gerald Briggs.«
Bobby Tom presste eine Hand auf die Brust. »Mein Gott, jetzt hätte fast mein Herz ausgesetzt. So, und jetzt das längste field goal in einem Superbowl-Spiel?«
»Neunzehnhundertsiebzig. Jan Stenerud. Superbowl vier.«
Er blickte sich in der Runde um und grinste. »Bin ich wirklich der Einzige, der die Hochzeitsglocken läuten hört?«
Gracie lächelte, beugte sich vor und flüsterte Bruno ins Ohr: »Ist das nicht ein wenig abwertend?«
»Nicht, wenn sie gewinnt. Hast du denn wirklich keine Ahnung, wie viel Bobby Tom wert ist?«
Vermutlich jede Menge, dachte sie. Bobby Tom stellte zwei weitere Fragen, die Julie beide korrekt beantwortete. Abgesehen von ihrer Schönheit hatte die Blondine auch einiges im Köpfchen, doch Gracie hatte das unbestimmte Gefühl, dass sie nicht schlau genug war, um Bobby Tom Denton zuvorzukommen.
Wieder wandte sie sich flüsternd an Bruno. »Glauben diese jungen Frauen tatsächlich, dass er es ernst meint?«
»Natürlich meint er es ernst. Oder warum glaubst du, dass ein Mann, der den Frauen so zugetan ist wie er, immer noch nicht verheiratet ist?«
»Vielleicht ist er schwul«, gab sie lediglich aus Denksportgründen zurück.
Brunos dichte Augenbrauen schossen in die Höhe. »Schwul! Bobby Tom Denton? Himmel noch mal, der hat mehr Frauen umgenietet als sonst irgendeiner. Lass ihn das bloß niemals zu Ohren kommen. Vermutlich würde er … Ich will mir gar nicht erst vorstellen, was er machen würde.«
Gracie hatte sich nie vorstellen können, dass ein wirklich heterosexueller Mann sich durch Homosexualität bedroht fühlen könnte. Doch da sie keine Expertin in Sachen männliches Benehmen war, hatte sie möglicherweise etwas übersehen.
Julie beantwortete eine Frage über Walter Payton und noch eine über die Pittsburgh Steelers. Bobby Tom stand von seinem Stuhl auf und begann auf und ab zu gehen. Er schien tief in Gedanken versunken zu sein, doch Gracie nahm ihm das nicht eine Sekunde lang ab.
»Also gut, Liebling, jetzt konzentriere dich. Nur noch eine einzige Frage trennt dich von unserer Hochzeitsfeier. Und ich denke schon darüber nach, was für bildschöne Kinder wir haben werden. Seit meinem ersten Superbowl habe ich nicht mehr so unter Druck gestanden. Konzentrierst du dich?«
Auf Julies makelloser Stirn hatten sich Falten gebildet. »Ich bin ganz konzentriert.«
»Also gut, Liebling, und enttäusche mich jetzt nicht.« Er setzte das Bier an die Lippen, trank es in einem Zug aus und stellte die Flasche ab. »Wie jeder weiß, müssen die Torpfosten achtzehn Fuß und sechs Inches breit sein. Der obere Pfosten …«
»Zehn Fuß vom Boden!«, kreischte Julie.
»Liebling, ich halte viel zu viel von dir, um dich mit einer derart leichten Frage zu beleidigen. Warte, bis ich fertig bin, sonst musst du zur Strafe noch zwei Extrafragen beantworten.«
Julie wirkte so zerknirscht, dass Gracie Mitleid bekam.
Bobby Tom verschränkte die Arme. »Der obere Pfosten ist zehn Fuß über dem Boden. Die vertikalen Pfosten müssen mindestens dreißig Fuß darüber hinaus gehen. Und jetzt kommt die Frage, Liebling. Doch bevor du sie beantwortest, erinnere dich daran, dass du mein Herz in deinen Händen hältst.« Gracie wartete aufgeregt. »Um Frau Bobby Tom Denton zu werden, nenne mir die exakten Maße der Schleife, die auf jedem Pfosten angebracht ist.«
Julie schnellte vom Bassinrand hoch. »Ich weiß es, Bobby Tom! Ich weiß es!«
Bobby Tom erstarrte. »Tatsächlich?«
Gracie kicherte leise. Es würde ihm recht geschehen, wenn Julie die Frage tatsächlich beantworten könnte.
»Viermal sechzig Inches!«
Bobby Tom klopfte sich auf die Brust. »Ach, Liebling! Eben gerade hast du mir das Herz aus der Brust gerissen.«
Julie sackte in sich zusammen.
»Es ist vier mal achtundvierzig Inches. Achtundvierzig, Liebling. Nur zwölf Inches trennen uns vom ehelichen Glück. Ich wüsste nicht zu sagen, wann ich das letzte Mal derart deprimiert gewesen bin.«
Gracie beobachtete, wie er Julie in den Arm nahm und sie ausgiebig küsste. Der Mann mochte der größte Chauvinist Nordamerikas sein, doch musste sie ihn für seinen Wagemut bewundern. Fasziniert beobachtete sie, wie seine gebräunte, kräftige Hand über die nackte Wölbung von Julies glitzerndem Hintern fuhr. Ihr eigener Po spannte sich unbewusst an.
Die Gäste zerstreuten sich wieder, und einige der Männer trösteten die schöne Verliererin.
»Lass uns jetzt loslegen.« Bruno nahm Gracie am Arm. Noch ehe sie sich wehren konnte, hatte er sie nach vorne geschubst.
Entsetzt rang sie nach Luft. Was als einfaches Missverständnis seinen Anfang genommen hatte, war nun vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Hastig drehte sie sich zu ihm um. »Bruno, es gibt noch etwas zu besprechen. Es ist eigentlich ganz lustig, und …«
»He, Bruno!« Ein rothaariger Mann trat neben sie. Sein Blick wanderte über Gracie, dann betrachtete er Bruno kritisch.
»Sie hat nicht genug Schminke drauf. Du weißt doch, dass Bobby Tom seine Frauen mit reichlich Make-up schätzt. Ich kann nur hoffen, dass sie unter der Perücke blonde Haare hat. Und Titten. Das Jackett ist so weit, dass man das kaum erkennen kann. Hast du Titten, Puppe?«
Gracie hätte nicht sagen können, was sie erstaunlicher fand: die Frage, ob sie Titten habe oder aber als »Puppe« bezeichnet zu werden. Ein paar Sekunden war sie sprachlos.
»Bruno, wen hast du denn da?«
Ihr Magen zog sich zusammen, als sie Bobby Toms Stimme hörte. Er stand am Rande der heißen Quelle und betrachtete sie mit großem Interesse.
Bruno tätschelte den Gettoblaster. »Die Jungs und ich wollten dir eine kleine Unterhaltung verschaffen.«
Entsetzt beobachtete Gracie, wie sich ein breites Grinsen über Bobby Toms Gesicht ausbreitete und seine geraden, weißen Zähne freilegte. Er sah ihr in die Augen, und sie hatte das Gefühl, zu schweben.
»Komm schon rüber, Liebling, damit der alte Bobby Tom dich erst einmal betrachten kann, bevor wir anfangen.« Sein weicher Texasakzent liebkoste ihren Körper und verwirrte ihren normalerweise messerscharfen Verstand. Das mochte auch der Grund dafür sein, warum sie gleich das Erste sagte, was ihr einfiel.
»Ich … äh … muss mich erst noch schminken.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen.«
Sie stieß einen kleinen Schrei des Entsetzens aus, als Bruno sie nach vorne stieß. Noch ehe sie wieder zurückweichen konnte, hatte sich Bobby Toms riesige Hand um ihre gelegt. Sie betrachtete die langen schlanken Finger, die nur wenige Minuten vorher Julies Hintern gestreichelt hatten und sie jetzt neben ihn an den Pool zogen.
»Machen wir der Dame ein wenig Platz, Mädchen.«
Versteinert beobachtete sie, wie die Frauen aus der heißen Quelle stiegen, um sie zu beobachten. Sie versuchte zu erklären. »Herr Denton, was ich Ihnen noch sagen muss …«
Bruno drückte den Knopf der Stereoanlage, und ihre Stimme wurde von der anzüglichen Musik von »The Stripper« übertönt. Die Männer klatschten und pfiffen. Bobby Tom zwinkerte ihr ermutigend zu, entließ sie aus seiner Umarmung und setzte sich auf einen Felsbrocken, um sich die Show anzusehen.
Ihre Wangen glühten. Sie stand ganz alleine neben der heißen Quelle, alle Augen waren auf sie gerichtet. All diese perfekten Körper erwarteten von ihr, der nicht so perfekten Gracie Snow, sich auszuziehen!
»Nun komm schon, Liebling!«
»Sei kein Frosch!«
»Zeig’s uns, Kleine!«
Während einige der Männer animalische Geräusche von sich gaben, legte eine Frau die Finger an die Lippen und pfiff. Gracie starrte sie total hilflos an. Sie begannen zu lachen, genauso wie während der Englischstunde, als die Wattierung ihres BHs verrutscht war. Sie waren erwachsene Partygänger, die ihr Zögern offenbar für Teil der Show hielten.
Als sie absolut erstarrt vor ihnen stand, erschien ihr die Vorstellung, für eine Stripperin gehalten zu werden, viel weniger peinlich als der Gedanke, über die laute Musik hinweg eine Erklärung abzugeben, bei der diese weltgewandten Menschen sofort merken würden, was für ein Landei sie war.
Ungefähr drei Meter trennten sie von Bobby Tom Denton. Sie musste sich nur nahe genug an ihn heranpirschen, um ihm ihren Namen ins Ohr zu flüstern. Wenn ihm erst klar wurde, dass die Windmill Studios sie geschickt hatten, würde ihm das Missverständnis so peinlich sein, dass er sie diskret hinausgeleiten würde.
Wieder übertönten animalische Geräusche die laute Musik. Vorsichtig streckte sie ihr rechtes Bein aus und zeigte ihr vernünftiges, solides Schuhwerk vor. Wieder ertönte Gelächter.
»Na, das ist immerhin schon der erste Schritt!«
»Zeig uns, was du hast!«
Der Abstand zwischen ihr und Bobby Tom schien mittlerweile unendlich weit geworden zu sein. Sie zupfte am Rock ihres dunkelblauen Kostüms und trat langsam auf ihn zu. Pfiffe und Gelächter ertönten, als der Saum ihr Knie berührte.
»Du bist heiß, Baby! Das ist einfach toll!«
»Nimm doch mal die Perücke ab!«
Bruno hatte sich vor die anderen gestellt und malte mit seinem Zeigefinger einen riesigen Kreis in die Luft. Am Anfang verstand sie nicht, was er damit sagen wollte, doch dann realisierte sie, dass sie während des Strippens Bobby Tom anschauen sollte. Sie schluckte. Dann drehte sie sich zu den blauen Augen herum.
Er schob sich den Stetson in den Nacken und sprach gerade laut genug, dass sie es hören konnte. »Lass die Perlen erst ganz zum Schluss fallen, Liebling. Ich stehe auf Damen mit Perlen.«
»Allmählich wird es langweilig!«, brummte einer der Männer unwillig. »Nun zieh doch endlich irgendwas aus!«
Fast hätte sie die Nerven verloren. Lediglich die Vorstellung darüber, was ihre Arbeitgeberin sagen würde, wenn sie unverrichteter Dinge aus dem Haus laufen würde, stärkte ihr das Rückgrat. Gracie Snow rannte nicht einfach weg! Dieser Job war die Gelegenheit, auf die sie ihr ganzes Leben lang gewartet hatte. Ganz sicher würde sie nicht bei der ersten Schwierigkeit die Biege machen.
Vorsichtig zog sie sich das Jackett aus. Bobby Tom warf ihr ein ermunterndes Lächeln zu, als ob sie gerade etwas ganz besonders Faszinierendes getan hätte. Die drei Meter Abstand zwischen ihnen schienen endlos zu sein. Er schlug das eine Bein über das andere. Dabei fiel sein Bademantel auf und zeigte einen nackten, sehr muskulösen Schenkel. Die Jacke entglitt ihren Fingern.
»Das ist schon sehr gut, Liebling. Du machst dich prima.« Seine Augen blickten bewundernd, als ob sie die talentierteste und nicht die unmöglichste Tänzerin sei, die er jemals gesehen hatte.
Ungeschickt trat sie auf ihn zu und versuchte, die Buhrufe zu ignorieren, die aus dem Publikum drangen.
»Ausgezeichnet«, sagte er. »So etwas habe ich bisher noch nie gesehen.«
Mit einem letzten Hüftschwung trat sie neben ihn, allerdings ohne ihre Jacke. Sie zwang sich zu einem Lächeln. Als sie sich vorbeugte, um ihm ihre missliche Situation zu erklären, stieß sie an die Krempe seines Stetsons, der dadurch verrutschte. Während er ihn mit einer Hand wieder richtig aufsetzte, zog er sie mit der anderen auf seinen Schoß.
Die laute Musik übertönte ihren schockierten Aufschrei. Einen Augenblick lang war sie sprachlos, als sie seinen festen Körper unter sich fühlte und die Wand seiner Brust sich an sie presste.
»Brauchst du etwas Unterstützung, Liebling?« Seine Hand näherte sich dem obersten Knopf ihrer Bluse.
»Nein!« Sie umklammerte seinen Arm.
»Deine Show ist wirklich sehr packend, Süße. Sie beginnt vielleicht ein wenig zu langsam, doch vermutlich bist du noch Anfängerin.« Er grinste sie mehr belustigt als lustvoll an. »Wie heißt du denn?«
Sie schluckte. »Gracie … eigentlich Grace. Grace Snow. Fräulein Snow«, fügte sie in dem Bemühen hinzu, etwas Distanz zwischen ihnen zu schaffen. »Und ich bin nicht …«
»Fräulein Snow.« Er ließ die Worte genüsslich von den Lippen perlen, als ob sie eine ganz besonders gute Rebsorte bezeichnen würden. Die Hitze seines Körpers vernebelte ihren Verstand und sie versuchte, von seinem Schoß herunterzuklettern.
»Herr Denton …«
»Nur den obersten, Liebling. Die Jungs werden allmählich ungeduldig.« Noch bevor sie ihn davon abhalten konnte, hatte er den obersten Knopf ihrer weißen Polyesterbluse geöffnet. »Offenbar machst du das noch nicht sehr lange.« Die Spitze seines Zeigefingers erkundete vorsichtig ihren Hals und ließ sie erschaudern. »Und ich dachte, ich hätte bereits alle von Stellas Mädchen kennen gelernt.«
»Ja, ich … ich meine, nein, ich bin …«
»Du brauchst nicht weiter nervös zu sein. Du machst dich doch schon ganz gut. Und du hast ausgesprochen schöne Beine, wenn ich das einmal sagen darf.« Seine geschickten Finger öffneten den nächsten Knopf.
»Herr Denton!«
»Fräulein Snow?«
Wieder sah sie die Belustigung in seinem Blick, die ihr schon vorhin aufgefallen war, als er Julie das Footballquiz gestellt hatte. Jetzt merkte sie, dass er noch einen weiteren Knopf geöffnet hatte und ihren pfirsichfarbenen BH mit dem tiefen Ausschnitt preisgab. Ihre sexy Unterwäsche, die eher lächerliche Extravaganz einer ansonsten hausbackenen Frau, war eines ihrer am meisten gehüteten Geheimnisse. Sie stieß einen spitzen Schrei aus.
Ein anrüchiges Lachen ging durch die Menge. Eine der Frauen neben dem Schwimmbecken hatte ihr Bikinitop abgelegt und wirbelte es über ihrem Kopf herum. Gracie sah mit einem Blick, dass diese Frau eine größere Körbchengröße als sie benötigte.
Die Männer klatschten und jubilierten. Sie griff nach ihrer Bluse, doch Bobby Tom umfasste zart ihre Hand.
»Candi scheint dich zu überholen, Fräulein Snow.«
»Ich dachte … vielleicht …« Sie schluckte. »Ich muss etwas mit Ihnen besprechen. Unter vier Augen.«
»Möchtest du nur für mich tanzen? Das ist wirklich süß von dir. Aber meine Gäste wären tief enttäuscht, wenn sie nicht mehr von dir zu sehen bekämen.«
Jetzt erst merkte sie, dass er ihren Rock geöffnet hatte und den Reißverschluss aufzog.
»Herr Denton!« Ihre Stimme war lauter als beabsichtigt, und die Umliegenden lachten.
»Nenn mich einfach Bobby Tom, Liebling. Das tun alle.«
Um seine Augen legten sich Lachfalten, als ob er sich über irgendeinen besonders guten Witz amüsieren würde. »Das ist wirklich interessant. Ich habe noch niemals eine Stripperin gesehen, die Nylonstrumpfhosen trägt.«
»Ich bin keine Stripperin!«
»Und ob du das bist. Weshalb sonst würdest du denn vor einem Haufen betrunkener Footballspieler die Kleidung ablegen?«
»Ich lege sie ja gar nicht ab … Oh!« Seine geschickten Finger entledigten sie ihrer Kleidung so mühelos, als ob sie aus dünnem Papier gefertigt wäre. Ihre Bluse fiel auf. Sie nahm all ihre Kraft zusammen und stieß sich von seinem Schoß herunter, wobei sie fühlte, wie ihr der Rock bis zu den Knöcheln fiel.
Entsetzt bückte sie sich, um ihn aufzuheben. Ihr Gesicht war krebsrot, als sie ihn wieder zurechtzupfte. Wie konnte eine Frau, die sich selbst als gut organisiert und effizient pries, in eine solch missliche Lage geraten? Sie hielt ihre Bluse zu und zwang sich, ihm ins Gesicht zu sehen. »Ich bin keine Stripperin!«
»Ach nein?« Er zog eine Zigarre aus der Brusttasche seines Bademantels und rollte sie zwischen den Fingern. Wie ihr auffiel, hatte ihn ihre Bemerkung nicht im Geringsten stutzig gemacht.
Ihre Worte hatten die Aufmerksamkeit der nächststehenden Personen geweckt, und sie spürte, dass die angestrebte Unterhaltung unter vier Augen wohl kaum stattfinden würde. Sie senkte die Stimme, bis sie nur noch flüsterte.
»Das ist alles ein schreckliches Missverständnis. Sehen Sie denn nicht, dass ich nicht wie eine Stripperin aussehe?«
Er steckte sich die unangezündete Zigarre zwischen die Zähne und musterte sie eingehend, dann bemerkte er mit vollkommen gleichmäßiger Stimme: »Manchmal ist das wirklich sehr schwer einzuschätzen. Die Letzte, die hier vorbeigekommen ist, hatte sich als Nonne verkleidet. Und die davor hatte es sich zur Aufgabe gemacht, wie Mick Jagger auszusehen.«
Irgendjemand hatte die Musik abgestellt. Eine fast unnatürliche Stille hatte sich über die Menschen gelegt. Trotz ihres festen Vorhabens, die Beherrschung nicht zu verlieren, begann ihre Stimme zu zittern. Sie hob die Kostümjacke auf, die sie vorhin abgelegt hatte. »Bitte, Herr Denton. Könnten wir uns irgendwohin zurückziehen?«
Seufzend erhob er sich von dem Felsbrocken. »Vielleicht ist es besser so. Aber du musst mir versprechen, die Kleidung anzubehalten. Es wäre einfach nicht fair, wenn ich dich nackt sehen würde, während es meinen Gästen verwehrt bleibt.«
»Ich verspreche Ihnen, Herr Denton, dass Sie mich niemals nackt sehen werden!«
Er betrachtete sie zweifelnd. »Ich möchte deine guten Vorhaben wirklich nicht in Frage stellen, Liebling, doch wenn ich in meine Vergangenheit zurückblicke, muss ich sagen, dass es vielleicht nicht einfach sein wird, mir zu widerstehen.«
Sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein erschütterte sie. Als sie ihn ratlos anstarrte, zuckte er nur leicht mit den Schultern. »Wir sollten uns wohl wirklich besser in mein Arbeitszimmer zurückziehen, dort können wir die Unterhaltung unter vier Augen führen, auf die du so scharf bist.« Er nahm ihren Arm und führte sie hinaus.
Als sie an der Grotte vorbeikamen, erinnerte sie sich daran, dass er nicht das leiseste Erstaunen gezeigt hatte, dass sie keine Stripperin war. Er war einfach zu cool, zu ruhig und offensichtlich zu amüsiert über die ganze Sache. Doch bevor sie diesen Gedanken bis zu seinem logischen Schluss durchdenken konnte, versetzte der rothaarige Footballspieler, mit dem sie vorhin gesprochen hatte, Bobby Tom einen spielerischen Klaps auf den Arm.
»Verdammt, Bobby Tom. Hoffentlich ist die hier nicht auch wieder schwanger.«
2
»Sie wussten doch die ganze Zeit über, dass ich keine Stripperin bin, nicht wahr?«
Bobby Tom schloss die Tür seines Arbeitszimmers. »Sicher war ich mir nicht.«
Doch Gracie Snow ließ sich nicht beirren. »Ich denke schon«, meinte sie nun mit fester Stimme.
Er deutete auf ihre Bluse. Wieder fielen ihr die Lachfältchen um seine verführerischen Augen auf. »Die Knöpfe sind wohl etwas durcheinander geraten. Kann ich helfen? Aber nein, das willst du sicher nicht.« Er duzte sie unverdrossen weiter, stellte sie stirnrunzelnd fest, überging diesen Fauxpas jedoch kommentarlos.
Nichts verlief nach Plan. Was hatte wohl Bobby Toms Freund gemeint, dass er hoffte, diese hier sei nicht ebenfalls schwanger? Sie erinnerte sich an eine Bemerkung von Willow über ein paar Filmschauspieler, die gleich in mehrere Vaterschaftsprozesse verwickelt gewesen waren. Anscheinend hatten sie von Bobby Tom gesprochen. Offenbar gehörte er zu jenen verabscheuungswürdigen Männern, die sich auf unschuldige Frauen stürzten und sie dann im Stich ließen. Es irritierte sie, dass ein solcher Mensch sie auch nur eine Sekunde lang hatte faszinieren können.
Sie wandte sich ab, um die Knöpfe zu richten und ihre Fassung wiederzuerlangen. Derweil musterte sie ihre Umgebung und stellte fest, dass dies die größte Zurschaustellung eines Egos war, die sie jemals gesehen hatte.
Bobby Tom Dentons Arbeitszimmer wirkte wie ein Schrein der Karriere von Bobby Tom Denton. Riesige Footballfotos hingen an den mit grauem Marmor verkleideten Wänden. Auf manchen trug er das Emblem der Universität von Texas, doch meist trug er hellblau und gold, die Farben der Chicago Stars. Auf mehreren Fotografien schwebte er in der Luft, die Zehen gestreckt und sein schlanker Körper elegant gebogen, als er den Ball aus der Luft angelte. Nah-aufnahmen von ihm mit hellblauer Mütze mit den drei goldenen Sternen, Fotografien, wie er sich der goal line im Tiefflug näherte oder an den Seiten jemand ausmanövrierte, wobei ein Fuß grazil wie bei einem Balletttänzer vor dem anderen stand. Auf den Regalen standen Trophäen, Ehrungen und gerahmte Urkunden.
Sie beobachtete, wie er sich lässig auf einen geschwungenen Ledersessel hinter seinem mit Granit abgedeckten Schreibtisch fallen ließ. Der Schreibtisch erweckte den Eindruck, als ob er aus einem Comicstreifen der Flintstones stammen würde. Ein grauer Computer stand auf der Arbeitsfläche, daneben ein ultramodernes Telefon. Sie wählte einen Stuhl unter den gerahmten Titelblättern einiger Zeitschriften, auf denen er auf dem Footballfeld eine attraktive Blondine küsste. Gracie erinnerte sich, etwas über sie in einem Artikel der Zeitschrift People gelesen zu haben. Ihr Name war Phoebe Somerville Calebow, und sie war die wunderschöne Besitzerin der Chicago Stars. Er beobachtete sie, und seine Mundwinkel begannen zu zucken. »Ich möchte dir nicht zu nahe treten, Liebling. Doch da ich in diesen Dingen ziemlich erfahren bin, erscheint es nur recht und billig, dir zu empfehlen, falls du einen Nachtjob suchst, solltest du lieber an einer Vierundzwanzigstunden-Tankstelle arbeiten, anstatt deine Kleidung professionell abzulegen.«
Eisige Blicke zu verteilen war noch nie ihre Stärke gewesen, doch bemühte sie sich nach Kräften. »Sie haben mit voller Absicht das Ziel verfolgt, mich bloßzustellen.«
Er bemühte sich, eine betroffene Miene aufzusetzen. »Das würde ich doch einer Dame niemals antun.«
»Herr Denton, ich glaube, Sie wissen sehr wohl, dass ich von den Windmill Studios geschickt worden bin. Willow Craig, die Produzentin, hat mich beauftragt …«
»Hmm. Möchtest du ein Glas Champagner oder eine Cola oder sonst irgendetwas?« Das Telefon klingelte, doch beachtete er es nicht.
»Nein, vielen Dank. Sie hätten eigentlich schon vor vier Tagen in Texas sein müssen, um mit den Dreharbeiten von Blood Moon zu beginnen und …«
»Wie steht’s mit einem Bier? Mir ist aufgefallen, dass Frauen heute viel häufiger als früher Bier trinken.«
»Ich trinke nicht.«
»Tatsächlich?«
Sie klang leicht arrogant und überhaupt nicht geschäftsmäßig, was der Auseinandersetzung mit diesem ungehobelten Mann nicht zugute kam. Sie bemühte sich, wieder auf die Reihe zu kommen. »Ich selbst trinke nicht, Herr Denton, aber ich habe nichts dagegen, wenn andere Alkohol zu sich nehmen.«
»Ich bin Bobby Tom, Liebling. Einen anderen Namen kenne ich nicht. Und wo ich dich schon duze, sei doch so lieb, und erweise mir ebenfalls die Ehre.«
Er klang wie ein bescheuerter Cowboy vom platten Land, doch da sie ihn beim Footballquiz beobachtet hatte, hielt sie ihn für schlauer, als er zugeben wollte. »Also gut, Bobby Tom. Der Vertrag, den du mit den Windmill Studios …«
»Du vermittelst mir eigentlich nicht den Eindruck wie eine aus Hollywood. Wie lange arbeitest du denn schon für Windmill?«
Sie machte sich an ihren Perlen zu schaffen. Wieder begann das Telefon zu klingeln und wieder ignorierte er es. »Seit geraumer Zeit arbeite ich als Produktionsassistentin.«
»Seit wie lange genau?«
Sie fügte sich in das Unvermeidliche, doch tat sie es mit Würde. Sie reckte ihr Kinn und sagte: »Seit beinahe einem ganzen Monat.«
»So lange schon!« Offenbar amüsierte ihn das.
»Ich bin sehr kompetent. Ich verfüge über ausgeprägte Führungsqualitäten und ausgezeichnete Kommunikationsfähigkeiten.« Außerdem besaß sie außergewöhnliche Fertigkeiten im Erstellen von Übertöpfen, Bemalen von Keramikschweinchen und der Wiedergabe alter Melodien auf dem Klavier.
Er pfiff durch die Zähne. »Das beeindruckt mich. In welcher Position hast du denn davor gearbeitet?«
»Ich … äh … habe dem Shady-Acres-Pflegeheim vorgestanden.«
»Ein Pflegeheim? Na, das ist doch was. Hast du diese Arbeit lange gemacht?«
»Ich bin in Shady Acres aufgewachsen.«
»Du bist in einem Pflegeheim groß geworden? Das ist aber interessant. Ich kannte mal einen Footballspieler, der in einem Erziehungslager groß geworden ist – sein Vater war dort Aufseher. Aber bisher bin ich wohl noch niemandem begegnet, der in einem Pflegeheim aufgewachsen ist. Haben deine Eltern dort gearbeitet?«
»Es gehörte meinen Eltern. Mein Vater ist vor zehn Jahren gestorben, danach habe ich meiner Mutter geholfen. Vor kurzem hat sie das Heim verkauft und ist nach Florida gezogen.«
»Wo liegt denn dieses Pflegeheim?«
»In Ohio.«
»In Cleveland? Oder Columbus?«
»In New Grundy.«
Er lächelte. »Den Namen New Grundy habe ich noch niemals gehört. Wie bist du dann von dort nach Hollywood gekommen?«
Es fiel ihr schwer, sich angesichts seines charmanten Lächelns zu konzentrieren, doch fuhr sie unbeirrt fort: »Willow Craig hat mir den Job angeboten, weil sie jemanden suchte, auf den sie sich verlassen konnte. Es hat sie beeindruckt, wie ich Shady Acres geführt habe. Ihr Vater lebte dort bis zu seinem Tod vor einem Monat.«
Als Willow, die den Windmill Studios vorstand, ihr den Job einer Produktionsassistentin angetragen hatte, hatte Gracie ihr Glück kaum glauben können. Obwohl es lediglich ein einfacher Job war und die Bezahlung entsprechend niedrig, wollte sich Gracie doch bemühen, so schnell wie möglich in dem neuen, schillernden Berufszweig aufzusteigen.
»Gibt es irgendeinen Grund, weswegen Sie, Herr Den … äh, Bobby Tom, weswegen du nicht zur Arbeit erschienen bist?«
»Aber natürlich gibt es einen Grund. Möchtest du ein paar Gummibärchen? Vielleicht habe ich irgendwo welche in meinem Schreibtisch.« Er befühlte die rauen Granitkanten. »Es ist nicht leicht, die Schubladen zu finden. Vielleicht benötige ich einen Meißel, um sie zu öffnen.«
Sie lächelte. Doch dann merkte sie, dass es ihm wieder einmal gelungen war, ihre Frage nicht zu beantworten. Da sie es gewohnt war, mit fahrigen, unkonzentrierten Menschen zu kommunizieren, wollte sie das Problem aus einer anderen Ecke anpeilen.
»Du besitzt ein wirklich sehr ungewöhnliches Zuhause. Lebst du schon lange hier?«
»Seit ein paar Jahren. Mir selbst gefällt es nicht sonderlich, doch die Architektin ist furchtbar stolz darauf. Sie nennt es das urbane Steinzeitalter mit Einflüssen aus Japan und Tahiti. Ich nenne es einfach hässlich. Doch die Leute von der Presse scheinen es auch zu lieben, es ist unzählige Male fotografiert worden.« Er gab seine Suche nach den Gummibärchen auf und stützte die Hand auf die Computertastatur. »Manchmal komme ich nach Hause und finde das Skelett eines Kuhkopfes neben der Badewanne oder ein Kanu im Wohnzimmer. Das ganze merkwürdige Zeug eben, das sie für Zeitschriftenfotos benutzen, damit es auch richtig spektakulär aussieht, obwohl echte Menschen doch so etwas nie und nimmer in ihren Häusern beherbergen würden.«
»Es kann nicht leicht fallen, in einem Haus zu leben, das man nicht mag.«
»Ich habe noch eine Menge anderer Häuser, da ist das hier nicht so wichtig.«
Sie blinzelte überrascht. Die meisten Menschen in ihrem Bekanntenkreis zahlten ihr ganzes Leben lang für nur ein einziges Haus ab. Sie wollte nachhaken, wie viele Häuser er besaß, doch hielt sie es nicht für schlau, sich jetzt ablenken zu lassen. Wieder klingelte das Telefon und wieder ignorierte er es.
»Das ist dein erster Film, nicht wahr? Wolltest du schon immer Schauspieler werden?«
Er blickte sie verständnislos an. »Schauspieler? Ach ja … o ja, seit langem.«
»Vermutlich weißt du nicht, dass jeder verschobene Drehtag Tausende von Dollar kostet. Windmill ist eine kleine, unabhängige Firma und kann sich diese Art der Auslagen nicht leisten.«
»Dann zahle ich es eben.«
Die Vorstellung schien ihn nicht weiter zu tangieren, und sie betrachtete ihn nachdenklich. Er spielte mit der Maus, die auf einem grauen Stück Filz neben dem Computer lag. Seine Finger waren langgliedrig und schlank, die Nägel kurz geschnitten. Ein kräftiges Handgelenk lugte unter seinem Bademantelärmel hervor.
»Da du über keinerlei schauspielerische Ausbildung verfügst, wäre es immerhin möglich, dass dich die Sache etwas nervös macht. Falls das der Fall sein sollte …«
Er richtete sich hinter seinem Schreibtisch auf und sprach leise, doch mit einer Intensität, die sie bisher in seiner Stimme noch nicht vernommen hatte. »Bobby Tom Denton fürchtet sich vor gar nichts, Liebling. Merke dir das.«
»Jeder hat vor irgendetwas Angst.«
»Ich nicht. Wenn du den größten Teil deines Lebens elf Männern gegenübergestanden hast, die dir das Fell über die Ohren ziehen wollten, dann ist in einem Film mitzuspielen nicht sonderlich aufregend.«
»Verstehe. Aber jetzt bist du kein Footballer mehr.«
»Oh doch! So oder so werde ich immer ein Footballspieler bleiben.« Den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, fast so etwas wie Verzweiflung in seinem Blick zu erkennen. Doch da er ganz sachlich gesprochen hatte, musste sie es sich wohl eingebildet haben.
»Du solltest dich jetzt besser ans Telefon hängen und deiner Chefin mitteilen, dass ich bald dort eintrudeln werde.«
Endlich war es ihm gelungen, sie wütend zu machen. Sie schnellte hoch und zeigte ihre volle Länge von ein Meter vierundsechzig. »Was ich meiner Chefin tatsächlich sagen werde, ist, dass wir beide morgen auf dem Flughafen von San Antonio landen und anschließend nach Telarosa fahren werden.«
»Werden wir das?«
»Ja.« Sie war sich darüber im Klaren, dass sie ihn gleich von Anfang an hart in die Mangel nehmen musste, sonst würde er sie um den kleinen Finger wickeln. »Ansonsten könntest du in ein äußerst unangenehmes Gerichtsverfahren verwickelt werden.«
Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger das Kinn. »Diesmal hast du gewonnen, Liebling. Wann fliegt unser Flugzeug?«
Sie musterte ihn misstrauisch. »Um zwölf Uhr neunundvierzig.«
»Also gut.«
»Ich hole dich um elf Uhr ab.« Sein plötzliches Nachgeben hatte sie stutzig gemacht. Es klang auch eher wie eine Frage als wie eine feste Verabredung.
»Vielleicht ist es einfacher, wenn wir uns auf dem Flughafen treffen.«
»Ich hole dich hier ab.«
»Das ist wirklich sehr nett von dir.«
Im nächsten Moment nahm Bobby Tom sie am Ellenbogen und führte sie aus dem Arbeitszimmer.
Er spielte ganz den charmanten Gastgeber und zeigte ihr einen Tempelgong aus dem sechzehnten Jahrhundert und eine liegende Skulptur aus Holz, doch in weniger als neunzig Sekunden stand sie mutterseelenallein draußen auf dem Bürgersteig.

ENDE DER LESEPROBE

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Die Originalausgabe erschien 1995unter dem Titel »Heaven, Texas« bei Avon Books,a division of The Hearst Corporation, New York.
Blanvalet Taschenbücher erscheinenim Goldmann Verlag, einem Unternehmen derVerlagsgruppe Random House GmbH.
Deutsche Erstveröffentlichung Dezember 2001
Copyright © der Originalausgabe 1995 by Susan Elizabeth Phillips
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2001by Wilhelm Goldmann Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Satz: DTP Service Apel, Hannover
Lektorat: Maria DürigRedaktion: Petra ZimmermannHerstellung: Heidrun NawrotUmschlagmotiv: Getty Images/Kniel SynnatzschkeMade in Germany
eISBN 978-3-641-06029-9V002
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