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Der Autor machte seinen Hobbysport zum Beruf. Nach einem Studium Navigation in Hamburg und dem Diplom als Segellehrer in Glücksburg wurde er Prüfer beim DSV. Nach mehr als 40.000 Seemeilen begann er, seine Erlebnisse aus dem Fundus der vielen Logbücher aufzuschreiben. Auch nach 50 Jahren ist er immer noch mit Freunden auf See unterwegs. Einige der magischen Momente seiner Törns sind in diesem Buch festgehalten.
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Prolog
Die wahre Liebe
Grand problème monsieur
Wenn Gott fünfzehn sagt……
Der Schrei des Albatros
Civitavecchia all inclusive
Der Musikant der SEDOV
Blinde Passagiere
Der Buddha von Capraia
Mayday… Schiff sinkt
The King oft the Kings
Eine Liebe in Rovinj
Roulette
Jetzt kommt Kurt…
Vom Pech verfolgt
Spenden mal anders
Ein unerotisches Missverständnis
Meine Tage auf Silba
Nachwort
Ist es das wert? denke ich manchmal.
Ich bin Segler aus Leidenschaft, die in fünfzig langen Jahren stetig gewachsen ist; erst sportliches Jollensegeln, später Ausbilder, Segellehrer, Skipper großer Yachten. Gerne auch Yachten, die fast hundert Jahre alt sind; ich wollte die alte Seefahrt erleben, als Yachtsegeln noch keine schicke Kreuzfahrt war. Je länger ich auf dem Meer unterwegs war, desto mehr wuchs das verdammte Risiko, Havarien und Unfälle zu erleiden. Viele tausend Seemeilen stehen in meinen Logbüchern. Einem Orkan und ein paar Stürmen konnte ich nicht ausweichen, ging selber viermal über Bord, hatte beim Segeln von Oldtimern dreimal ein Feuer an Bord und insgesamt wohl ein halbes Dutzend Knochenbrüche. Auch eine Meuterei ging nicht spurlos an mir vorüber Ist es das wirklich wert?
Dann kommen plötzlich die Erinnerungen in meinen Kopf wie Fotos, manchmal vergilbt, unscharf, manchmal glasklar. Jeder dieser besonderen Augenblicke ist so einmalig und nicht wiederholbar.
Das wird mir besonders im Alter bewusst, wenn ich wiedermal unterwegs bin in den sternklaren Nächten auf See, das Schiff mich nicht braucht, weil es den Weg allein findet, ich im Cockpit mit dem Nachtglas in Ruhe den Horizont absuche.
Oder in den nassen, stürmischen Nächten, wenn das Schiff mich braucht, wenn es ächzt und stöhnt und ich mich am Ruder schinde, dann spüre ich die pure Leidenschaft und ich bin mir sicher, dass es sich lohnt, dieses Seglerleben. Da sind auch die vielen Glücksmomente, die ich unterwegs auf See oder in den Häfen erleben durfte nicht vergessen; sie sind gewesen und tauchen unverhofft wie Blitze wieder in meinem Kopf auf und dann sind meine Gedanken mit Dankbarkeit getrüffelt. Um die Geschichten hinter den Bildern alle aufzuschreiben, sind es zu viele, aber einige der Kopffotos will ich euch zeigen. Ich denke, ihr werdet Freude an den Episoden haben.
Und seid sicher, dieses Leben ist das Risiko wert, sagt euch der Skipper und Autor Hans.
Beschwörungen sind vergebens. Das Meer verachtet Särge. Nur wer mutig lebt, den verschlingt das Meer im Zorn der Liebe.
David Rokeahs
Das Meer, sagt David Rokeahs.
Der Segler sagt: die See, sie ist weiblich. Also sind auch die Schiffe weiblich, männliche Schiffsnamen werden weiblich gesprochen, das Schiff „Pinguin“ heißt also die „Pinguin“.
Warum übt die See auf manche Menschen diese Anziehungskraft aus? Ist es die absolute Freiheit ohne alle Konventionen? Diese Reduzierung auf das Wesentliche? Denn nichts anderes zählt, das habe ich da draußen gelernt. Und ich habe auch oft das Gefühl gehabt, ich brauche die See und die See braucht mich. Das ist natürlich Quatsch, meinen die anderen, aber ich spürte es, selbst die Möwen riefen manchmal meinen Namen.
Die See. Es gibt nichts Schöneres als die Art und Weise, wie die See sich weigert, mit dem Küssen der Küste aufzuhören, egal wie oft sie weggeschickt wird. Während meiner Fahrten verbrachte ich unzählige Stunden damit, am Bug sitzend das Wasser und den Himmel zu betrachten, jede Welle zu studieren, die sich von der letzten unterschied, um zu sehen, wie sie das Licht und den Wind einfing.
Manchmal redete ich dann mit mir selbst. Und dann lachten wir beide. Es gab Tage, da waren diese Stunden der einzige Grund, am Leben zu bleiben. Wer noch nie da draußen war, dieses fortwährende Wiegen spürte, das Salz im Gesicht schmeckte und sich die Lungen vollsog mit dieser Luft, die es nur dort draußen gibt, der wird mich nicht verstehen.
Wenn ich mit einer guten Crew unterwegs bin, die See im Ruderdruck spüre, dann bin ich stark, bin ihr ein guter Partner. Und irgendwann wird sie mich das letzte Mal umarmen, draußen bei Tonne vier vor Warnemünde, bei meinen Freunden. Doch bis dahin ist Leben angesagt, werde ich wieder am Bug stehen, unter mir die aufspritzende Welle, nochmal mit der See flirten und glücklich sein.
Alle Gesichter der See ziehen an mir vorüber. Diese wunderbaren Bilder der untergehenden Sonne dort draußen bei leicht bewegter See. Sie ist auch im Restlicht des Tages in einer Ankerbucht unglaublich schön.
Selbst wenn sie zornig wird da draußen, ist sie noch schön. Manchmal schläft die See den Schönheitsschlaf einer Frau. Dann ist sie an nächsten Tag sanft zu mir und wunderschön in ihrer Ruhe.
Oftmals, wenn der Wind sie reizt und mit ihr spielt, dann zeigt sie ein anderes Gesicht, aber genauso schön in seiner Wildheit. Wie manche Frau die wir bewundern, aber vor der wir uns ein bisschen fürchten, wenn sie uns zu nahekommt. Respektvoll lieben wir sie, obwohl wir wissen, sie könnte unser Schicksal sein.
So ist das mit der Liebe zur See. Unglaublich schön für die, die von ihr geliebt werden, die Auserwählten. Ich segle wahnsinnig gerne in der Nacht und dann morgens in den Tag hinein. Nicht nur wegen des Sonnenaufganges, sondern auch wegen der nächtlichen Ruhe und der Zwiesprache mit den Sternbildern. Dieses Himmelslicht, bei Neumond genauso wie bei Vollmond, kann Seelen heilen. Du fühlst dich als Teil des Universums, segelst auf dem Urmeer, aus dem alles Leben kommt, bis aller Unrast des Landlebens entflohen, hast das köstlichste Gut, was es im Leben gibt: Zeit. Und du hast den Mond als stillen Begleiter in den dunklen Stunden der Nacht. Sein sanftes Licht streichelt die Seele und weckt Träume. Besonders der Vollmond mit seiner Pracht verzaubert mich und lässt mich staunen über die Schönheit des Universums. Im Gegensatz zur Sonne verschwindet der Mond nie ganz. Irgendwie sind wir ihm ähnlich, auch wir haben eine helle und eine dunkle Seite.
Eine siebente Welle reißt mich aus diesen Gedanken.
Der moderate Wind von achtern, dieses sanfte Schieben und dieses Hochgehoben werden und wieder Beschleunigt werden in unendlicher Reihenfolge, das macht etwas mit dir. Schon der Beginn einer Fahrt in die Nacht strahlt Ruhe aus. Wenn alle Segel gut getrimmt stehen und den Wind annehmen als ein Geschenk der Natur, dann wird das Schiff zu einem lebendigen Wesen, das mit dem Skipper einen Pakt eingeht. Dann lehne ich mich zurück, lege eine Hand auf das Ruder um am Ruderdruck zu spüren, ob das Schiff richtig getrimmt ist. Wenn es leicht luvgierig ist, erleichtert es mir das Steuern.
So eine Vollmondnacht ist ein besonderes Erlebnis, erst recht, wenn ein liebenswerter Mensch neben dir wacht, die Nacht und dieses besondere Licht eine intime Nähe schafft. Dieses Glücksgefühl durfte ich erleben und dafür danke ich meinem Schicksal. Wenn ich zurück denke an die wunderbaren Frauen, die meinen Kurs kreuzten, dann bin ich mir sicher, dass unsere Gefühle in diesem Augenblick wahr und rein waren. Wir waren sicher, allein und auf einem anderen, fernen Planeten zu sein. Dass wenige Meter weiter im Rumpf des Schiffes die Crew Kraft für den nächsten Tag mit einem tiefen Schlaf schöpfte, dessen waren wir uns beide in diesen Augenblicken nicht bewusst.
Es war etwa so, wie ein Strandspaziergang auf einer unbewohnten Insel, nur zwei Menschen und die Wärme der Nacht. Am Heck der Yacht sitzend habe ich 15 Meter Schiff vor mir. Nur die Positionslichter brennen. Dort drüben sehe ich ein rotes Positionslicht, ein Gegenläufer (ein Schiff auf Gegenkurs), weit genug weg um mich entspannt zurück zu lehnen. Seltsam, es fühlt sich so an wie zwei Menschen, die sich nachts begegnen und wieder auseinandergehen.
Das Grün aber kommt aus dem Meer und ich erinnere mich, manchmal, wenn ich in der Nähe der Schifffahrtsroute segelte, war so ein grünliches Leuchten unter Wasser zu sehen. Der Segler nennt es „der Tanz der Nixen“. Es ist überirdisch schön anzusehen, ein tiefes Geheimnis des Meeres in einer verzauberten Nacht.
Es ist aber kein magischer Zauber; ein vorbeifahrendes Schiff hat eine bestimmte Art von Mikroorganismen aufgewirbelt, eine Art Plankton, die bei Berührung luminesziert.
Doch ich lasse mir meine Illusion nicht nehmen, für mich sind es die tanzenden Nixen.
Als die Nacht in den Morgen übergeht, lugt die Sonne über die Kimm. Ich übergebe das Ruder an den Autopiloten und brühe mir eine Mug Kaffee auf. Mit der heißen Tasse in der Hand erwarten wir drei den Sonnenaufgang, ich, der Kaffee und das Glas Whisky in der anderen Hand. Wohlig rinnt der gute Tropfen durch die Kehle. Das Leben kann so einfach und schön sein, denke ich noch.
Dann ist plötzlich im Salon der Teufel los, die Crew ist erwacht und der Zauber ist verflogen. Schade. Bis zur nächsten Nachtfahrt.
In Rovinj auf Istrien hatte ich eine Ketsch gechartert, eine 58er Mikado, ein sehr schönes Schiff. Unser Ziel waren die nördlichen Kornaten, die Inseln Silba und Veli IZ. Der Seewetterbericht versprach uns für die ganze Woche Maestral, diesen angenehmen Nordwind der Stärke 3-5 Beaufort. Deshalb legten wir noch am Abend in Rovinj ab und segelten südwärts. In dieser wunderbaren, angenehm warmen Nacht passierten wir schon nach einer Stunde den Leuchtturm Ivan na Puccini und entfernten uns dann Richtung südliche Adria. Auf dem Radar bemerkte ich einige Echos, wahrscheinlich Fischkutter. Eine Segelstunde nach Mitternacht sahen wir von fern die Lichter von Brijuni, der ehemaligen Sommerresidenz des Präsidenten von Jugoslawien, Josip Broz Tito. Beim Wachwechsel um 04.00 Uhr wurde schon der Leuchtturm Porer am Südkap von Istrien passiert. In Sichtweite der Insel Susak bei der ersten Mug Kaffee verwöhnte uns ein herrlicher Sonnenaufgang.
Hier ankerten wir, schwammen ein paarmal ums Schiff und frühstückten an Deck. Der Routenplan wurde besprochen; einiges sprach dafür, Silba auf der Rücktour anzulaufen.
Erstaunt hörte ich im Seefunk eine Starkwindwarnung, wider Erwarten sollte eine weiße Bora den Weg über die Berge gefunden haben, sodass wir uns an der Südküste von Cres „abducken“ mussten, um dann später Kurs Rab zu segeln.
Der Törn hatte gut begonnen, das Meer und die Inseln boten immer neue interessante Eindrücke. Vor Veli Losinj umspielte uns eine Gruppe Delphine, die Crew war begeistert.
Die Crew, das sind drei Frauen und fünf Männer, alle mit Segelerfahrung, dabei auch ein Berufstaucher. Wir ankerten am Abend in einer weiten geschützten Bucht auf vier Meter Wassertiefe und grillten an Bord. Es wurde ein schöner Abend.
Am Morgen sahen wir, wie sich die Wellen der abklingenden Bora vor der Bucht brachen, für uns Zeit, beide Anker aufzuholen und Rab anzusteuern. Zwei Stunden hielt die Ruhe an Bord, dann plötzlich unterbrochen von der aufgeregt winkenden Crew einer treibenden Yacht. Ruderschaden, erklärte mir der Skipper. Bei der Bora gestern Nacht hat sich der Anker vom Grund gelöst und die Yacht wurde mit dem Heck auf einen Felsen getrieben. Ich schaute mir den Schaden unter Wasser an und entschloss mich zum Abschleppen, da das Ruder blockiert war, aber zum Glück mittschiffs stand. Langsam näherten wir uns Rab. Mit etwas Geschick bugsierten wir den Havaristen einlaufend steuerbord an Steg 1, wo sich eine kleine Werkstatt befindet. Dankbar verabschiedeten sich Skipper und Crew von uns.
Langsam motorten wir zu den Gastliegerstegen am Steg 4 und legten an. Während ich die Festmacher kontrollierte und die Crew das Deck aufklart, hatte die Backschaft schon das Anlegerbier eingeschenkt. Na dann zivjeli! (kroatisch: Prost) Im Cockpit sitzend besprachen wir den restlichen Tag bzw. den Abend.
Zuerst war ein Spaziergang über die untere Magistrale und eventuell Einkaufen geplant, danach wollten wir die Konoba Rab besuchen.
Aber erst noch das Hafenkino abwarten. Es ist die Zeit in der die meisten Yachten den Hafen anlaufen. Während dieser Stunden kommt es oft zu Tragödien wie Rammimgs, Hängenbleiben in den Murings, Fender über Bord und anderen interessanten Ereignissen. Diesmal schienen die Skipper alles Profis zu sein, denn es passierte nichts.
Dann kam eine französische Yacht und suchte sich den Liegeplatz gegenüber an unserem Steg aus. Der Skipper, ein sportlicher Mitfünfziger, fuhr rückwärts an den Steg. Er warf dem Staff die Achterleinen zu und dieser reichte ihm die Muringleine. Auf dem Weg zum Bug verfing sich diese dünne Leine an der Nationalen (Nationalflagge des Landes, in dem die Yacht registriert ist). Die Trikolore wurde samt Halterung abgerissen und verschwand im Hafenbecken, welches hier über 6 Meter tief ist. Als der französische Skipper das sah, war es für ihn schon zu spät zum Eingreifen. Mit bleichem Gesicht und entsetztem Blick kam er nach achtern.
Er setzte sich auf die Bank am Heck, legte den Arm auf die Reling und schaute traurig ins Wasser. Dann sagte er mit leiser Stimme zu mir: „Grand problème monsieur“.
Auf unserem Schiff wurde es ganz still. Zwar war mir bekannt, dass andere Länder wie Frankreich, Dänemark oder England eine innigere Beziehung zu ihrem Land und ihrer Flagge haben, aber so direkt habe ich das noch nicht erlebt.
Der Franzose schaute immer noch fassungslos und traurig ins Hafenbecken. Da meldete sich unser Taucher, er hatte die komplette Ausrüstung dabei. Als er im Neopren-Anzug mit den Flaschen auf dem Rücken aus unserem Salon stieg, ging ein ungläubiges Staunen über das Gesicht des Nachbarn.
Unser Taucher stieg ins Wasser und verschwand für fast fünfzehn Minuten unseren Blicken, ehe er langsam mit der triumphierend hochgehaltenen, nassen Trikolore aus dem Wasser stieg.
Der französische Segler nahm sie liebevoll entgegen und legte sie auf ein Handtuch zum Trocknen. Dann verschwand er kurz im Salon seiner Yacht und überreichte uns freudig einen Karton mit 6 Flaschen weißem Burgunder, ein Wein aus der Lage Le Montrachet, einer der besten Weißweine in Frankreich. Schnell stieg ich wieder ins Cockpit um zu verhindern, dass eine der Flaschen geöffnet wird.
Aber da hatte der Seemann mit der Trikolore etwas dagegen. Dann soll es so sein, dachte ich mir. Wir öffneten die erste Flasche, bedankten uns und prosteten uns zu. Santé!
Und nochmal Santé!
Es war eine eigenartige Stimmung an Bord, Freude, dass wir den richtigen Mann an Bord hatten, um helfen zu können, aber auch leise Nachdenklichkeit, weshalb bei uns das Setzen der Nationale so wenig Gefühle hervorruft. In die Stille an Bord hinein, begann plötzlich einer von uns die „Marseillaise“ zu summen, erst nur für sich, dann immer lauter.
Nach einigen Sekunden der Überraschung begann unser französischer Seglerfreund laut zu singen und wir sangen dann auch, so gut es ging „Allons enfants de la Patrie……..“
Ein Gänsehautmoment, den ich wohl nie vergessen werde.
Santé! unbekannter Skipper.
Hinter uns lag eine lange Nacht auf See bei wenig Wind. Von Calvi auf Korsika kommend, streiften wir an der Westküste des Landes gegen morgen die Bucht von Saint Florent und umrundeten gegen Mittag das Nordkap der Insel, von den Korsen L´ isula di l`isula genannt. Wir, das ist meine Crew, vier Frauen und sechs Männer, allesamt Segler aus Leidenschaft. Der Wind meinte es jetzt gut mit uns, 7 Beaufort aus Westnordwest jagten uns mit 8 bis 9 Knoten unserem Ziel entgegen. Nachdem die Insel Capraia hinter uns lag, nahmen wir direkten Kurs auf Elba mit seinem Haupthafen Portoferraio.
Ein Dutzend Mal hatte ich hier schon angelegt und fand den Hafen und die Stadt sehr schön, nicht nur weil Napoleon hier einige Zeit in „Verbannung“ war und interessante Zeugnisse seines Aufenthalts hinterlassen hat. Groß und gut geschützt bei Stürmen ist der Hafen.
Der freundliche Stuff mit dem Schlauchboot war sofort zur Stelle und wies uns zum Liegeplatz. Als unsere 51er Jeanneau mit dem Heck festlag und die Muring durchgesetzt war, gönnten wir uns einen Drink. Es folgte der obligatorische Hafenrundgang „Schiffe gucken“. An einer Mole lag die britische Dreimastbark „Lord Nelson“ mit schön verziertem Heck. An Bord herrschte emsiges Treiben. Als mein Blick in die Masten stieg, kniff ich mich in den Arm. Da oben hing ein Rollstuhl an der Großrah mit einer Person drin, in 15 Meter Höhe! Darüber an der Marsrah genau das Gleiche. An der Backbordseite arbeiteten sechs der behinderten Trainees mit Rollstühlen in der Takelage. Vom Bootsmann erfuhr ich, dass dieses britische Schiff 1986 behindertengerecht gebaut wurde. Den Anblick von Rollstühlen im Rigg eines Großseglers fand ich so großartig und ungewöhnlich, dass ich ihn nie vergessen werde.
Kurz darauffolgen auf dem Rückweg zu unserem Schiff bemerkten wir eine kleine Flotte von Yachten mit jungen Leuten, die durch den Hafen kreuzten. Diese sich wiederholenden Manöver im Hafenbecken verwirrten mich. Eine der Yachten kam unweit von uns zu liegen. Der Stuff klärte mich auf: das sind Yachten einer deutschen Segelschule auf Elba, deren Crewmitglieder morgen die Prüfung als Skipper ablegen wollen. Da ich selbst lange als Segellehrer beim Deutschen Segler-Verband aktiv war, interessierten mich natürlich die Manöver. Alles klappte perfekt, doch es sollte noch ein unvergesslicher Moment folgen. Eine Yacht legte an, genau vor mir. Ich beobachtete das geschickte Manövrieren.
Langsam näherte sich das Heck der Pier. Ein abenteuerlich aussehender älterer Mann mit einem Marinecape und großem grauen Bart sprang vom Schiff auf die Pier. Die Achterleinen wurden an Land geworfen, aber der Mann rührte sich nicht, da wusste ich, das ist der Ausbilder. Der Staff legte die Leinen um die Poller, das Schiff trieb nach vorn, die Muringleinen wurden festgemacht und die Achterleinen durchgeholt. In diesem Augenblick rief der Mann mit lauter Stimme:“Stop“. Was dann folgte ließ mir die Kinnlade runter klappen. Der Mann rief mit lauter Stimme zum Schiff: „Fünfzehn Zentimeter nach vorn“. Fünfzehn Zentimeter bei einem 50 Fuß-Schiff!! Das war zu viel für mich, laut sagte ich zu ihm: „Vierzehn Zentimeter hätten auch gereicht“. Unendlich langsam drehte er sich zu mir, schob seine Mütze aus der Stirn und musterte mich wie einen exotischen Käfer.
Diese Augen werde ich nie vergessen. Dann kam seine Antwort. „Wenn Gott fünfzehn sagt, dann meint er fünfzehn“. Da entfuhr mir ein leises „Halleluja“, mehr wollte ich nicht erwidern.
Unsere Crew hatte noch einen sehr schönen Abend im Il Buccino auf Elba. Den grauhaarigen Skipper von Portoferraio traf ich noch zweimal. Einmal in Porto Azzurro und später in Punta Ala.
„Wenn Gott fünfzehn sagt…“ sprach ich ihn an, doch er schaute nur verständnislos, hatte den Vorfall wohl längst vergessen. Aber das Bild dieses Mannes mit dem Marine-Cape und dem langen grauen Bart geht mir nicht aus dem Kopf. Ich verbinde es immer mit Portoferraio auf Elba und unserem schönen Törn.
Als der Abend nahte wurde es sehr lebhaft in den Gassen von Portoferraio. Überall wehte ein Hauch von wechselhafter Geschichte um die Gemäuer.
Bevor wir zum Il Buccino aufbrachen, besuchten wir noch Napoleons Stadtresidenz, die Villa Mulini und die Villa San Martoino.