Der Soja-Wahn - Norbert Suchanek - E-Book

Der Soja-Wahn E-Book

Norbert Suchanek

4,7

Beschreibung

Soja ist in aller Munde – sei es als Tofu, Milchersatz oder Bestandteil von Schokoriegeln. Zudem ist Soja der wichtigste Eiweißlieferant in der Tierhaltung und soll als Biosprit unser Energieproblem lösen. Doch die Rodung der Regenwälder, die Vertreibung indigener Völker oder die Machenschaften der Gentechnikbranche bringen die Bohne in Verruf. Und so gesund wie die Werbung verspricht scheint sie auch nicht zu sein. Dieses Buch entlarvt die Mythen rund um die trendige Wunderbohne und ist zugleich ein packender Bericht über die Folgen des Sojabooms.

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Norbert Suchanek

Der Soja-Wahn

Wie eine Bohne ins Zwielicht gerät

Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt. CO2-Emissionen vermeiden, reduzieren, kompensieren – nach diesem Grundsatz handelt der oekom verlag. Unvermeidbare Emissionen kompensiert der Verlag durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt. Mehr Informationen finden Sie unter: www.oekom.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 oekom verlag, München

Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH

Waltherstraße 29, 80337 München

Visuelle Gestaltung: Torge Stoffers

Lektorat: Dr. Manuel Schneider

Alle Rechte vorbehalten

eISBN: 978-3-86581-370-1

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Soja – gut für die Gesundheit?

2 Margarine aus Soja – gesünder als Butter?

3 Soja statt Gras – schlecht für Tier und Mensch

4 Soja und Asien – mehr Mythos als Wahrheit

5 Opfer der Bohne: Mensch und Natur

6 Soja – ein amerikanischer (Alb-) Traum

7 Kann (Gen-)Soja nachhaltig sein?

Über den Autor

Zitierte und weiterführende Literatur

Einleitung

Seit mehr als vier Jahrzehnten ist Soja sprichwörtlich in aller Munde. Sei es – als Futtermittel – im Schweine- oder Rindersteak, in der Butter, im Hühnerei und im Putenschnitzel, sei es direkt als Sojamilch, Tofu, Miso und Sojasoße oder als Rohstoff in Margarine, Fleisch- und Käseimitat oder in Tausenden von anderen Produkten der erfindungsreichen Nahrungsmittelindustrie. Von der Schokolade bis zur Tütensuppe, von der Eiscreme bis zur Semmel: Sojabestandteile wie Lecithin, Sojaöl oder Sojamehl stecken fast überall drin, ohne dass wir es wissen. Selbst im »traditi onellen«, den Franzosen eigentlich heiligen Baguette ist Sojamehl zugelassen. Doch nicht nur in Lebensmitteln ist Soja allgegenwärtig. Inhaltsstoffe der an Eiweiß reichen Wunderbohne finden ebenso in vielen technischen Produkten wie Farben und Lacken Anwendung. Selbst in Dynamit kann Sojaglycerin stecken.

Der Löwenanteil der jährlich mehr als 250 Millionen Tonnen weltweit geernteten Sojabohnen landet seit Jahrzehnten allerdings in den Futtertrögen. Über 60 Prozent der global verwendeten Eiweißfuttermittel sind Sojaschrot. Um ein Kilogramm Hühnerfleisch in der Massentierhaltung herzustellen, braucht es beispielsweise etwa 1,7 Kilogramm Mais und 0,6 Kilogramm Sojamehl; für ein Kilogramm Schweinefleisch aus der Tierfabrik rund 3,3 Kilogramm Mais und 1,2 Kilogramm Sojamehl. Rinder sind noch erheblich schlechtere Getreide- und Sojaverwerter. 16 Kilogramm Mastfutter sind notwendig, um ein Kilogramm Rindfleisch zu erzeugen.

Ohne Unmengen von importiertem Soja als Mastfutter sind Nordamerikas, Europas, Chinas und Japans tierquälerische Massentierhaltungen kaum denkbar. Um den derzeitigen Sojabedarf der deutschen Tierproduktion zu decken, wird laut Berechnungen des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) eine Fläche von rund 28.000 Quadrat kilometern (2,8 Millionen Hektar) in Übersee beansprucht – und damit ein Gebiet größer als Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland. »Unsere Kühe weiden am Rio de la Plata« – mit diesem nach wie vor gültigen Spruch haben bereits vor gut 20 Jahren Entwicklungsorganisationen auf die Problematik der Erzeugung von Futter in Brasilien für deutsche Milchkühe hingewiesen. Geändert hat sich nichts.

Die ökologischen und sozialen Folgen sind dramatisch: In Lateinamerika wurden Millionen von Hektar artenreiche Regenwald- und Trockengebiete, Naturweiden und kleinbäuerliche Kulturräume für Soja vernichtet, Tausende von Menschen aus ihren traditionellen Lebensräumen vertrieben, Flüsse und Grundwasser mit Pestiziden verseucht. In den USA verloren im Zuge der zunehmenden Industrialisierung des Sojaanbaus Millionen von Menschen ihr Land oder ihren Arbeitsplatz in der Landwirtschaft.

1987, als ich für eine Reportage über den Nationalpark Iguaçu im Südwesten Brasiliens recherchierte, sah ich erstmals dieses Sojameer. Schon damals hatten die Plantagen das Regenwaldschutzgebiet mit seinen spektakulären Wasserfällen im Bundesstaat Paraná regelrecht eingeschlossen und immer mehr Sojapflanzer machten sich auf nach Mato Grosso, dem großen Wald Brasiliens. Schon damals gab es Kritik an der sich wie ein Flächenbrand in Südamerika ausbreitenden Monokultur. Allerdings richtete sich diese Kritik noch hauptsächlich dagegen, dass Brasiliens Soja nur an Tiere verfüttert werde und nicht der direkten Bekämpfung des Hungers in der Welt diene. Nicht zur Debatte stand der von der Sojalobby über Jahrzehnte hinweg clever aufgebaute Mythos der Chinabohne als gesundem Nahrungsmittel für Jung und Alt und als idealem Fleischersatz für Vegetarier. Doch seit einigen Jahren entzaubern wissenschaftliche Studien zunehmend diesen Sojagesundheitskult. Statt uns vor Krebs, Herzanfall oder Menopause zu schützen, scheint der regelmäßige Konsum moderner Sojaprodukte eher das Gegenteil zu bewirken.

Während diese Skepsis gegenüber den gesundheitsfördernden Eigenschaften der Sojabohne in deren bisherigen Hauptverbraucherregionen, den USA und Europa, nach und nach mehr Raum gewinnt, steigert das Agrobusiness unbekümmert weiter die Produktion. Nicht Europa, sondern China ist heute der größte Importeur von Soja aus den USA und Lateinamerika. Gleichzeitig schickt sich die mächtige Sojalobby an, nicht nur neue Absatzmärkte, sondern ebenso neue Anbaugebiete in Paraguay und Bolivien sowie in den afrikanischen Flächenstaaten Angola und Mosambik zu schaffen.

Verarbeitet als Biodiesel soll Sojaöl nun das Klima retten und die Verbreitung der Massentierhaltung auf Basis von Sojaschrot soll den Amazonasregenwald vor der Abholzung bewahren. Selbst der wachsende Hunger in der Welt dient dem Agrobusiness heutzutage als »Verkaufsargument«. »Nachhaltig« angebautes Gen-Soja soll es möglich machen, die weltweit knapp eine Milliarde hungernde Menschen zu ernähren.

Höchste Zeit also für ein Buch über Soja, das sich kritisch mit den Heilsversprechungen des weltweiten Sojabooms auseinandersetzt. Auf dem Spiel stehen nicht nur Artenvielfalt und zahllose bäuerliche Existenzen, sondern ebenso die Gesundheit von Millionen von Menschen.

Dabei geht es nicht darum, die Bohne aus Ostasien grundsätzlich zu verdammen, sondern sie wieder auf ihren rechten, eher bescheidenen Platz im menschlichen Nahrungsspektrum zu rücken, wo sie seit Anbeginn ihrer Nutzung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hingehörte. Die »Wunderbohne« ist schlicht eine stickstoffanreichernde, im gemäßigten wie im subtropischen Klima gedeihende Leguminose wie Hunderte von anderen Bohnensorten auch – doch mit dem Unterschied, dass die Sojabohne nur in geringen Mengen und mit Vorsicht zu genießen ist!

Rio de Janeiro, im Juli 2010

1 Soja – gut für die Gesundheit?

»Länger gesund und fit mit Soja«, »Zehn gute Gründe, öfter mal Soja zu essen«, »Soja – Wundermittel gegen Krebs und Wechseljahre«, »Gesund und schön mit Soja«, »Soja – gut für Knochen, Herz und Hirn« … Der anhaltenden Informationsflut über die angeblichen gesundheitsfördernden Wirkungen der Sojabohne und der aus ihr hergestellten Produkte kann man seit Jahren kaum ausweichen. Soja gilt als Eiweißalternative für Allergiker, als Jungbrunnen, Schlankmacher, Wellnesswunder. Gesundheitsportale, Veganer- und Vegetarierforen, Reformhaus- und Naturkostmedien bis hin zu Frauenzeitschriften wie Brigitte und selbst konservative Nachrichtenmagazine wie Focus oder das manager magazin verbreiten bis heute – meist unkritisch – die Story von der Wunderbohne aus dem fernen China.

Kein Wunder also, dass die einst nur bei Vegetariern und Liebhabern der ostasiatischen Küche bekannte Bohne – verarbeitet zu Miso, Tofu, Tempeh, Natto, Shoyu, Sojadrinks oder Sojabrot – in den vergangenen 20 Jahren erfolgreich zu einem in keinem Supermarkt fehlenden Massenprodukt aufstieg. Jahr für Jahr verdient sich das Soja-Big-Business eine goldene Nase vor allem im »gesundheitsbewussten« Nordamerika. Dort wuchsen die Umsätze mit Sojanahrungsmitteln von 300 Millionen US-Dollar im Jahr 1992 auf vier Milliarden US-Dollar im Jahr 2008. Dabei legten insbesondere Sojagetränke kräftig zu. Deren Umsatz erhöhte sich in den USA zwischen 1980 und 2009 von 1,5 Millionen auf rund 800 Millionen US-Dollar. Spätestens 2014 soll die Milliardengrenze überschritten sein, erwartet die Soyfoods Association of North America. Dazu tragen vor allem Gesundheitsaspekte entscheidend bei. Laut der jüngsten Verbraucherbefragung des United Soybean Board halten 84 Prozent der Konsumenten in den USA Sojaprodukte für besonders gesundheitsfördernd.

Auch in Europa findet die Wunderbohne – verflüssigt im Tetrapak – immer mehr Abnehmer. Sojadrinks zählen seit Beginn des neuen Jahrtausends zu den stärksten Wachstumstreibern unserer Lebensmittelindustrie mit jährlichen Zuwachsraten von teilweise über 30 Prozent – unter anderem dank Firmen wie der auf Aromen und Geschmacksstoffe spezialisierten Wild-Gruppe aus Heidelberg. »Wir wollen Soja aus der Nische Reformhaus herausholen«, sagte 2003 ihr damaliger Geschäftsführer Hans-Peter Wild dem manager magazin. Als Zielgruppe habe der Getränkespezialist alle Verbraucher im Visier, die sich gesund ernähren wollen, vorrangig jedoch Frauen von Ende 20 bis Ende 30. Heute finden sich Sojamilch und Sojamixgetränke in allen Supermärkten. Der Verbrauch stieg in Deutschland von rund 30 Millionen Litern im Jahr 2004 auf etwa 45 Millionen Liter im Jahr 2008.

Krank durch Soja

Die Münchnerin Gudrun Wasner-Meyer ist eines der unternehmerischen »Urgesteine« der Naturkost- und Biobranche in Deutschland. Bereits seit Eröffnung des ersten Bioladens in München verfolgt sie die Entwicklung dieser auf ganzheitliche Gesundheit und Umweltschutz bedachten Branche als Journalistin und Verlegerin. Dabei legte die Vegetarierin auch für sich selbst Wert auf gesunde Nahrungsmittel, weshalb Sojaprodukte von Anfang an auf ihrer Einkaufsliste standen – bis sie schließlich daran erkrankte: Bauchschmerzen, Darmkrämpfe, Verdauungsstörungen. Die Beschwerden hörten erst auf, als sie gänzlich auf Soja in allen Formen verzichtete.

Die Verlegerin aus München ist kein Einzelfall, sondern lediglich eines von Tausenden von Opfern des Sojakonsums. Selbsthilfeforen im Internet zeigen, dass Menschen weltweit an der Wunderbohne erkranken. Dies gilt insbesondere für Menschen mit allergischer Veranlagung.

Milchersatz für Allergiker?

Ob für Kleinkinder oder Erwachsene: Soja wird seit über drei Jahrzehnten als gesunde Alternative für Menschen angepriesen, die allergisch auf Kuhmilch reagieren. Doch nun erweist sich Soja zusehends ebenfalls als starkes Allergen. Etliche Milchallergiker gerieten deshalb vom Regen in die Traufe. So reagiert in Deutschland rund ein Drittel der Kinder mit Milchunverträglichkeit auch auf Soja allergisch. »Ein Trugschluss ist, mit Sojaeiweiß Allergien vorbeugen zu können. Das funktioniert nicht«, warnt Brigitte Neumann, Ernährungswissenschaftlerin aus Erlangen, auf der Website des Bayerischen Rundfunks, BR-online.de. »Viele reagieren auch allergisch auf das pflanzliche Eiweiß.«

Dies bestätigt auch der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB). Vor allem in den ganz jungen Bevölkerungsgruppen sei ein gehäuftes Auftreten von Sojaallergien festzustellen, so der DAAB. Denn bereits in den 1960er-Jahren kam Säuglingsnahrung auf Sojabasis als Muttermilchersatz auf den Markt. Sie wurde als vegane Alternative zur Kuhmilch und als Ersatznahrung bei vorliegender Kuhmilchallergie angeboten. »In dieser Generation bemerkte man so zuerst den Anstieg der Sojaallergien«, berichtet der DAAB. »Besonders bei den bereits sensibilisierten Kindern tritt häufig zusätzlich zu einer Kuh milchallergie – in rund 30 Prozent der Fälle – eine Soja allergie auf.« Inzwischen soll in Deutschland etwa eine von 100 Personen an einer Sojaallergie leiden – Tendenz steigend, warnte 2007 die Ernährungswissenschaftlerin und Buchautorin Kathrin Burger. »Ärzte bekommen immer mehr Zweifel, ob Soja wirklich ungefährlich ist.« Auch der DAAB rät Eltern von Kindern mit allergischer Disposition: »Atopiegefährdeten Säuglingen sollte keine Sojamilch zu prophylaktischen Zwecken im ersten Jahr gegeben werden.« Untersuchungen zur allergenen Aktivität verschiedener Sojaprodukte wie rohen Sojabohnen, Sojasprossen, fermentierter Sojasauce, Tempeh, Tofu und Miso hätten zwar gezeigt, dass Unterschiede zwischen den einzelnen Produkten existieren, jedoch sei für alle Proben eine allergene Restaktivität erkennbar gewesen, so der DAAB. »Es kann daher keine allgemeine Empfehlung bezüglich der (besseren/schlech teren) Verträglichkeit bestimmter Sojaprodukte gegeben werden.«

Nach Meinung der Allergologen des Paul-Ehrlich-Instituts in Langen gehört Soja heute zu den bedeutendsten allergenen Nahrungsmitteln in Europa. »In Schweden steht Soja bei verarbeiteten Lebensmitteln an zweiter Stelle der allergieauslösenden Nahrungsmittel und verursachte mit großer Wahrscheinlichkeit vier von sechs Todesfällen«, berichteten die Allergologen 2001 in ihrem Report Versteckte Allergene in Lebensmitteln – noch immer ein Problem. Schon in den 1980er-Jahren bezeichnete der Mediziner Stuart Berger Soja als eines der sieben schlimmsten Allergene (sinister seven).

Betroffen sind vor allem Menschen, die bereits unter anderen Allergien leiden. So starben zwischen 1993 und 1996 in Schweden vier Kinder durch einen allergischen Schock, ausgelöst durch mit Soja gestreckte Fleischprodukte: Hamburger, Fleischbällchen und Kebab. Laut schwedischem Forscherteam hatten alle vier Opfer eine bereits erkannte Allergie auf Nüsse. Dass sie auch auf Soja allergisch sein könnten, war den Eltern nicht bekannt. Schließlich warnten die schwedischen Behörden: »Wenn Ihr Kind allergisch auf Erdnüsse ist, müssen Sie alle Sojaprodukte sowie Erdnüsse aus der Ernährung Ihres Kindes streichen. Das Leben Ihres Kindes könnte davon abhängen.«

Besondere Vorsicht ist auch für Menschen geboten, die auf Birkenpollen reagieren. »Mindestens jeder fünfte