Der süße Duft von Zitronen - Ann Sophie - E-Book

Der süße Duft von Zitronen E-Book

Ann Sophie

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Beschreibung

Ich habe keine Ahnung, wie ich die Geschichte von Alex und mir in wenigen Worten zusammenfassen kann, ohne zu großspurig und übertrieben zu wirken. Liebe auf den ersten Blick? Gegensätze ziehen sich an? Jeder Topf findet irgendwann auch seinen Deckel? Ich weiß es echt nicht. Aber eines ist sicher: Ich bin süchtig nach dem Duft reifer Zitronen ca. 20.000 Wörter

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Ann Sophie

Der süße Duft von Zitronen

Gay Romance

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

1 Hagen

»Hagen! Der Semmelkorb ist leer!« Judiths durchdringende Stimme tönt durch die geflieste Backstube und das Echo lässt mich schnaufend zusammenfahren.

Neben mir krächzt Axel, was bei ihm ein Äquivalent zum Lachen ist. »Hagen!«, quäkt er, Judiths Stimme nachahmend. »Meine Körbchen sind leer!« Wenn ich nicht gerade Brotteig walken würde, hätte ich ihm irgendetwas an die hohe Stirn geworfen, die sich bei ihm schon bis zum Scheitel ausgebreitet hat. Stattdessen trifft ihn nur mein harter Blick.

»Hagen!«, echot es ein weiteres Mal, nun jedoch wieder von Judith.

Bin ich etwa der einzige Bäcker, der die Brötchen nach vorn in den Verkaufsraum tragen kann? Ist der Korb vielleicht zu schwer? Ganz abgesehen davon steht der ja sowieso schon direkt neben der Tür. Oder hat sie wieder Bekanntschaft vorn im Laden, der sie zeigen will, dass der Sohn vom Chef macht, was sie sagt? Zutrauen würde ich es ihr unbesehen.

Mit aufsteigender Verärgerung über Judith malträtiere ich den nachgiebigen Teig, lasse mich regelrecht an ihm aus. Hinzu kommt auch noch, dass ich keine Ahnung habe, warum ich gerade jetzt so gereizt auf die Situation reagiere. Liegt es möglicherweise daran, dass ich sowieso etwas allergisch auf die Dame und ihre Stimme im Besonderen bin? Oder hängt es damit zusammen, dass ich bis zum Ersten einen neuen Mitbewohner für die WG brauche? Wenn ich Pech habe, werde ich auf den Kosten für das leere Zimmer sitzen bleiben und das kann ich mir zur Zeit absolut nicht leisten.

Eine weitere Möglichkeit könnte sein, dass im vergangenen Monat Lukas ausgezogen ist. Mein (Ex)Freund, (Ex)Partner, (Ex)WG-Mitbewohner. Tja, dazu zählt auch noch Ex-Sex und das wirkt sich auf mein Nervenkostüm aus. Merklich. Wenn es mir selbst schon auffällt, dass ich auf die kleinste Kleinigkeit gereizt reagiere, dann muss es anderen Leuten erst Recht ins Auge springen. Es wäre wohl so, als würde ich ihnen direkt vor die Füße rotzen ...

Ups, sorry. Ich knete gerade Teig und da dürfte ich nicht solchen Gedanken keinen freien Lauf lassen. Viel eher sollte mir dabei durchs Hirn geistern, dass sich guter Brotteig wie die vollen Brüste einer Frau anfassen, wie mir ein Bäckermeister in meiner Lehrzeit einmal gesagt hatte. Aber dieser Gedankengang gleicht auch eher einem Irrweg, denn schließlich bin ich schwul. Ich bin eher der Typ für Zimtstangen und Baguettes - Altbackenes insbesondere. Nussecken mag ich auch und Eclaires ... Nüsse, Eier, Sahne, Mehl ...

Mir fällt beim gedankenlosen Teigkneten immer wieder auf, wie sehr gutes Essen und einzelne Zutaten Assoziationen zum Liebemachen erzeugen. Wäre der Teig nur ein kleines bisschen fester und nicht so nachgiebig, könnte ich glauben, den süßen Hintern von Lukas zu massieren. Ja, der war echt niedlich: glatt, geschmeidige Haut und mit etwas warmen Öl ... Einfach zum Träumen.

 

Aber nun ist daraus ein Albtraum geworden.

Ich mag nicht an den Tag denken, an dem er mir mitteilte, dass er auszieht. Seine Sachen waren bereits gepackt und die Möbel würde er von seinem neuen Macker holen lassen. Ob er überhaupt weiß, dass »Macker« eine alte Bezeichnung für einen kastrierten Esel ist? Ich hoffe nicht, dass er mich gegenüber seinen Kumpels auch so genannt hat. Naja, verhalten hab ich mich ja fast wie einer, aber mit den dazugehörigen Eiern an der richtigen Stelle: Am liebsten hätte ich den Boden geküsst, auf dem er gewandelt war. Anbetungswürdig war er ... süß, zart, schmal, blonde Locken, blaue Augen. Hab ich schon erwähnt, dass er eine weiche und glatte Haut hatte? Am ganzen Körper. Lukas war einfach perfekt. Zum Niederknien und ihm die Welt zu Füßen zu legen.

Aber nun ist er es nicht mehr. Das Einzige, was er noch von mir zu erwarten hat, ist die anteilige Abrechnung der Betriebskosten.

Lukas hat sein wahres Gesicht gezeigt und war zu einer richtigen Zimtzicke mutiert. Okay, eine Diva war er sowieso schon vorher und ich vermute, dass ich seiner zarten Person in den letzten Wochen nicht mehr so »huldigte«, wie er es von mir gewöhnt war. Was ihm wiederum absolut nicht passte und am Ende womöglich der Grund für sein Auszug war.

Dass eine Beziehung ruhiger wird und in die Brüche geht, kann passieren. Die Schuld aber deswegen auf nur einen - nämlich auf mich - abzuwälzen, empfinde ich als ungerecht. Angeblich hätten wir nichts mehr gemeinsam unternommen, geschweige denn Sex (miteinander) gehabt. Er behauptete, dass ich ihn betrügen würde. Bleibt nur die Frage nach dem »Mit wem«? Wenn man morgens um drei aufstehen muss, ist es doch verständlich, wenn man abends schon vor neun Uhr die Augen vor Müdigkeit verdreht. Wo und wie hätte ich die Gelegenheit gehabt, hinter seinem Rücken etwas Neues aufzuziehen? Schlafwandle ich etwa?

Ich weiß, dass ich ein gutgläubiger Trottel bin und manches, was mir nicht gefällt und ich nicht wahrhaben will, von mir schiebe. Trotzdem kommt mir doch ab und zu der Verdacht, dass Lukas sein schlechtes Gewissen auf mich projizieren wollte und dass er hinter meinem Rücken seinen hübschen Arsch jemand anderem zum Geschenk machte. Wie sollte er sonst so schnell an einen neuen Stecher gekommen sein?

Obwohl »Stecher« für den Alten echt eine Übertreibung ist, weil es das Bild eines durchtrainierten und jugendlich wirkenden Mannes impliziert. »Sugar Daddy« ist bei ihm wesentlich realistischer. Wobei »Candy Grandpa« noch am besten passen würde. Dass der Alte es geschafft hat, zwei Stühle mit einem Mal die Treppe hinunter zu tragen, ohne einen Herzkasper zu bekommen, ist schon erstaunlich. Aber vermutlich hat Lukas den Alten so gut im Griff, dass der das Testament zu seinen Gunsten geändert hat und nun ärgert sich der Kleine, dass der den Umzug so gut überstanden hat.

Oh Gott, bin ich böse! Oder auch nicht, denn schließlich hatte ich den Grauhaarigen aus Sorge, dass er umkippen könnte, immer im Blick. Selbstverständlich nur, um rechtzeitig den Notarzt bestellen zu können.

 

»Fehlt nicht viel und der Brotteig fängt an zu stöhnen«, sagt Axel. Auf meinen irritierten Blick hin, deutet er auf die bemehlte Arbeitsfläche und den Brotteig. Auf dem liegen meine Hände, als würden sie einen Knackarsch bedecken. »Gib es ruhig zu: Du hast gerade an Judith gedacht«, lacht er ein weiteres Mal krächzend. Der sollte echt mal was wegen seiner Stimme unternehmen, sonst wird er sich irgendwann wie eine Krähe anhören, das Lachen passt ja nun schon.

»Ja, wie ich ihr den Hals umdrehe«, antworte ich brummig. Mich ärgert es eigentlich wirklich nur, dass Lukas mich noch immer so fest im Griff hat, dass ich fast ständig an ihn denken muss und sogar meine Arbeit schon darunter leidet.

Grummelnd hebe ich den Teig in einen der Brotkörbe, die am Rand der Arbeitsfläche gestapelt sind und wische meine mit Mehl bestäubten Hände an der abgenommenen Vorbindeschürze ab. So richtig könnte ich nicht sagen, warum ich es mir angewöhnt habe, die Schürze abzulegen, wenn ich nach vorn in den Verkaufsraum gehe. Vielleicht hat es einfach etwas damit zu tun, dass ich aus den gefliesten Bäckereiräumen heraus in eine ganz andere Welt trete.

 

»Ach, schön, dass nun endlich die Semmeln gebracht werden!«, erklärt Judith der älteren Dame, die vor dem Tresen wartet. Wie ich es bereits erwartet habe, ist es eine Freundin, die mindestens einmal in der Woche vorbei kommt und dann werten sie die Neuigkeiten des gesamten Bekanntenkreises aus.

»Schrippen«, widerspreche ich schlecht gelaunt. Schließlich sind wir in Berlin und da heißen Semmeln halt nicht Semmeln, sondern Schrippen. Da Judith inzwischen seit über vierzig Jahren hier wohnt, ist doch anzunehmen, dass sie irgendwann mal die Eigenheiten der Berliner kapiert hat. Oder sehe ich da etwas verkehrt?

Außerdem denke ich, dass jeder angepisst reagieren würde, wenn sich hinter Worten eine Rüge versteckt, die man sich überhaupt nicht erlauben dürfte. Judith kann froh sein, dass sie Bestandsschutz in der Bäckerei und nur noch wenige Monate hat, bis sie in Rente geht. Sie weiß, dass ich nicht viel unternehmen kann, da mein Vater sie mit der Bäckerei übernommen hatte. Trotzdem steht ihr noch lange nicht das Recht zu, den Juniorchef vor Kunden zu kritisieren. Aber das werde ich nachher noch mit ihr ausdiskutieren - wenn keine Kundschaft anwesend sein wird.

Zu allem Übel fühle ich, wie mich die Verärgerung überreagieren lässt und ich kurz vor dem Explodieren bin. Bevor es in Gegenwart der Dame vor dem Tresen geschehen kann, tausche ich eilig den großen Korb mit den noch warmen Brötchen gegen den Leeren aus.

In dem Moment berührt mich Judith am Arm, worauf ich absolut nicht gefasst bin und ihr einen bitterbösen Blick zuwerfe. Sie hingegen beachtet ihn überhaupt nicht, sondern deutet mit dem Kopf in Richtung Eingangstür. Neben dieser ist unser »Schwarzes Brett« an der Wand angebracht, an dem besondere Angebote des Geschäfts vermerkt sind, aber auch Mitteilungen über Veranstaltungen in der Nähe, sowie ganz wichtig: Mein Angebot wegen des nun freien WG-Zimmers.

Davor steht eine schmale Gestalt, die uns den Rücken zukehrt und mich von der Statur her im ersten Moment an Lukas erinnert. Jedoch würde er niemals einen tiefschwarzen Anzug tragen, zu buisnessmäßig. Außerdem hat dieser hier schwarzes Haar, welches so lang ist, dass es den Kragen berührt und sich an dieser Stelle Löckchen gebildet haben. Ich vermute, dass ...

»Der Herr möchte mit dir sprechen!«, teilt mir in diesem Augenblick Judith mit und reißt mich aus meiner Betrachtung des Fremden. »Er scheint sich für das Zimmer zu interessieren«, setzt sie noch hinzu und wendet sich ihrer Kundin wieder zu.

Der »Herr«, wie Judith sagte, muss wohl ihre Worte gehört oder meinen Blick gespürt haben - was ja eigentlichen so ziemlich egal ist. Das Ergebnis ist, dass er sich zu uns, beziehungsweise zu mir umdreht. In der einen Hand hält er ein Smartphone, auf dem er wohl gerade etwas gelesen hat, während er mit der anderen eine Kaffeetasse an die Lippen führt. Über dessen Rand hinweg sieht er mich an.

›Ohhh ...‹, kann ich nur denken, als ich in smaragdgrüne Augen blicke.