Der Templerschatz - Tobias Daniel Wabbel - E-Book

Der Templerschatz E-Book

Tobias Daniel Wabbel

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Beschreibung

Der heilige Gral, die Bundeslade, das Grabtuch Christi? Mit hervorragender Sachkenntnis lässt Tobias Daniel Wabbel in seinem Werk die mysteriöse Welt der Tempelritter lebendig werden und legt erstmals plausible Antworten auf eine der großen Fragen der Geschichtsschreibung vor. Entstanden ist ein faszinierendes Buch über die Suche nach dem wahrhaftigen Schatz der Templer.

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Seitenzahl: 378

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Tobias Daniel Wabbel

Der Templerschatz

Eine Spurensuche

Bassermann

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2020 by Bassermann Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München © der Originalausgabe 2010 by Gütersloher Verlagshaus, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München Projektleitung dieser Ausgabe: Martha Sprenger Covergestaltung: Atelier Versen, Bad Aibling Satz: Satz! zeichen, Landesbergen Herstellung: Marleen Janzen

Natürlich, auch eine alte Handschrift.Meiner Frau Anja gewidmet. Und Émile S. Chmiel.

Über den Autor

Tobias Daniel Wabbel, Jahrgang 1973, ist Schriftsteller und studierter Journalist. 2006 arbeitete er in »Cosmic Connexion« mit dem Fernsehsender ARTE zusammen. 2007 erschien in der Sendung »A40« des WDR Fernsehen ein Portrait über seine Autorentätigkeit. 2010 erläuterte Wabbel in der Dokumentation »Gottes geheimnisvolle Krieger« des MDR Fernsehen seine Theorie über den Verbleib des Templerschatzes.

Der Autor ist Herausgeber von vier Anthologien mit populären Essays von weltbekannten Autoren, wie etwa Stephen Hawking, Douglas Preston oder Jostein Gaarder. Seine Themenschwerpunkte sind die Rätsel der Menschheitsgeschichte und naturwissenschaftlich-philosophische Grenzfragen.

Inhalt

PrologJungfrau und Drache

I. DIE ARMEE GOTTES

1. Die Gründung des Templerordens

2. Das Konzil von Troyes

3. Der heilige Bernhard von Clairvaux

4. Die Lobrede auf die neue Ritterschaft

II. DIE RELIQUIEN GOTTES

1. Das Rätsel von Gisors

2. Das Geheimnis von Rosslyn Chapel

3. Das Grabtuch von Lirey

4. Die Suche nach dem Heiligen Gral

III. DIE LADE GOTTES

1. Der Bund mit Gott

2. Die Lade des Herrn

3. Die Odyssee der Bundeslade

4. Der Tempel des Salomo

5. Das Schicksal der Lade

6. Der Ruhm der Könige

7. Die Lade unter dem Tempelberg

8. Jäger des verlorenen Schatzes

IV. DER TEMPEL GOTTES

1. Abt Suger von St. Denis

2. Der Tempel Gottes

3. Die Bundeslade von St. Denis

4. Der Siegeszug der Gotik

5. Die Kathedrale von Chartres

V. DIE LETZTE SPUR

1. Das Geheimnis des Bahumet

2. Ankunft in Munsalvaesche

3. Die Nationalsozialisten und die Bundeslade

Nachwort

Register

Bildnachweis

Quellennachweis

Postskriptum

Prolog

JUNGFRAU UNDDRACHE

»Hêr, seht ir vor iu ligen den grâl?«

Parzival, 810, 9

— Wolfram von Eschenbach

Freitag, 13. Oktober 1307

Die Truppen des französischen Königs Philipp IV. stürmen im Morgengrauen das Hauptquartier des Templerordens. Der Überraschungsangriff auf die kleine befestigte Stadt innerhalb von Paris, die als Temple bezeichnet wird, gelingt erschreckend reibungslos. Der Widerstand der Tempelritter ist sehr schnell gebrochen. Zur gleichen Zeit führen die Milizen von Philipp IV. weitere Verhaftungsaktionen im ganzen Land durch.

Zunächst scheint sich der Großmeister der Tempelritter, Jakob von Molay, der ausweglosen Lage nicht bewusst zu sein. Er wähnt sich und seine Brüder durch den Segen von Papst Klemens V., dem sie als einzige Instanz unterstehen, in trügerischer Sicherheit. Jakob von Molay ist Patenonkel einer der Töchter des französischen Königs, der dem Großmeister der Templer erst im Jahre 1303 seinen Schutz garantiert hatte, weil sie – mit Unterbrechung – sein Vermögen verwalteten. Wie konnte der König also so skrupellos handeln? Philipp IV., genannt der Schöne, ignoriert einfach einen wütenden Brief des Papstes.

Als die Milizen von König Philipp IV. in den Temple eindringen, um die Kammern zu plündern, in denen das Gold der Templer lagert, werden sie enttäuscht. Nur ein winziger Bruchteil des unermesslichen Reichtums ist noch vorhanden. Offenbar hatten die Templer vorher das Gold entfernt, wohlwissend, dass die Verzweiflung des Königs ihn dazu verleiten würde, gewaltsam seine leere Staatsschatulle wieder mit frischem Gold aufzufüllen.

Jakob von Molay weiß nun, dass es dem König um das Geld geht, das die Templer seit ihrer Gründung im Jahr 1129 durch großzügige Schenkungen erhielten, aber auch für europäische Adlige und Könige verwalteten und durch Kredite und Darlehen in ganz Europa zu exorbitanten Summen anhäuften – die Templer sind die Erfinder des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. 1307 ist Philipp IV. in akuter Geldnot. Doch die Templer sind reich – das jedenfalls glaubt Philipp der Schöne. Der König hat also keine andere Wahl, als gegen die Templer vorzugehen. Philipp IV. braucht das Geld der Templer. Er selbst hatte in der Vergangenheit vergeblich versucht, ein Ordensbruder der Tempelritter zu werden, um so an die Reichtümer des Ordens zu gelangen. Jakob von Molay hatte Philipps Pläne bislang durchschaut. Doch mit einem solchen perfekt organisierten Schlag wie der Verhaftungswelle vom 13. Oktober 1307 hatte er nicht gerechnet. Bevor Jakob von Molay protestieren kann, werden ihm und 546 weiteren Templern in ganz Frankreich Ketten angelegt.

Nach der Gefangennahme der Templer in Frankreich gibt Papst Klemens V. dem Druck des Königs und dessen listigen Kanzler Wilhelm von Nogaret nach. Er veröffentlicht am 22. November 1307 seine Bulle Pastoralis praeeminentiae. Niemand dürfe sich über die Kirche erheben, auch nicht die Templer. Kein Wort des Papstes über die Unschuld der Mönchsritter dringt nach außen. Stattdessen befiehlt Klemens V. nun auch die Verhaftung der Templer in ganz Europa und die Enteignung ihrer Besitztümer. Ein überraschender Sinneswandel. Bald darauf werden Templer in England, Irland, Wales, Italien, Deutschland und Spanien verhaftet und der Ketzerei angeklagt.

Der Verhaftungswelle waren entscheidende politische Ereignisse vorausgegangen. Jakob von Molay hatte Philipp IV. im Jahre 1306 im Temple Unterschlupf gewährt, als das hungernde Volk den König durch die Straßen von Paris jagte, nachdem er die Währung abgewertet hatte. Philipp der Schöne muss bei dieser Gelegenheit die Schätze der Templer gesehen haben. Am 8. April 1307 schlug Jakob von Molay trotzig ein Angebot von Papst Klemens V. aus, die Tempelritter mit dem Orden der Johanniter zu vereinigen. Hinter diesem Vorschlag verbarg sich eine hinterlistige Strategie Philipps des Schönen, der die politische Schwäche von Papst Klemens V. ausnutzte. Die Ritter vom Hospital des heiligen Johannes zu Jerusalem – kurz Johanniter – unterlagen dem direkten Befehl des Königs, der Templerorden nicht. Von Molay wusste, dass eine Vereinigung der Templer mit den Johannitern das Ende aller Privilegien bedeutete. Dazu zählte etwa die Befreiung von allen Steuern, das Recht, eigene Kirchen zu bauen, oder der unbedingte Gehorsam einzig gegenüber dem Papst. Jakob von Molay wusste, dass die Templer im Falle einer Zusage ihre Identität verlieren und zum Spielball des Königs werden würden.1 Also lehnte er das Angebot von Papst Klemens V. ab. Der König schäumte vor Wut, als er von Molays Antwort las, dass ein vereinigter Orden so stark und mächtig sei, dass er seine Rechtegegen jeden, auch den König, verteidigen könne. Eine geschickte Manipulation des Königs.

Als diese List Philipps scheiterte, blieb ihm nur noch ein einziges Mittel, um den Templerorden gewaltsam zu vernichten: die im Mittelalter sehr beliebte Anschuldigung der Ketzerei. Zuvor hatte Philipp IV. mit den Mitteln der Verleumdung und Denunziation gearbeitet, um Papst Bonifatius VIII. zu entmachten, der 1302 forderte, dass die Kirche über jeder weltlichen – und daher auch königlichen – Macht stünde. Philipp IV. ließ Bonifatius kurzerhand verhaften, der einige Wochen darauf schockiert und gebrochen starb.

Philipps Pläne zur Vernichtung der Templer waren bereits so weit gediehen, dass Papst Klemens V. am 24. August 1307 dem Drängen des Königs nachgab, die Vergehen der Templer durch den Großinquisitor Wilhelm Imbert untersuchen zu lassen. Bereits am 14. September 1307 erging der geheime Befehl des durch Kriege hoch verschuldeten Philipp IV. an die Seneschalle und Milizen des Königs im ganzen Land, am 13. Oktober alle Templer im Land zu verhaften.2

Die Anklage besteht aus sieben Hauptpunkten und enthält 127 Unterparagrafen. Die schlimmsten Anschuldigungen lauten: Verleugnung Jesu Christi, der heiligen Jungfrau und der Heiligen durch Spucken oder Urinieren auf das Kreuz; Anbetung eines Götzenbildes; die Ablehnung der Sakramente – und nicht zuletzt homosexuelle Handlungen während des Aufnahmerituals. Man bezichtigt die Templer mithin der schlimmsten Ketzereien, derer man sich im Mittelalter schuldig machen kann. Jakob von Molay ist sich nun schmerzlich bewusst, dass er den König unterschätzt hat.

Der Prozess gegen die Tempelritter zieht sich bis 1312 hin. Die Verhörmethoden sind, gelinde gesagt, fantasievoll: Die Beschuldigten werden an Händen gefesselt, mit Seilen hochgezogen und dann wieder fallen gelassen, sodass die Knochen brechen und Sehnen reißen. Aber auch glühende Eisen, zerquetschte Finger und Füße, herausgerissene Zähne und Haare, Verbrennen der Füße durch glühende Kohlen und Feuer sind im virtuosen Folterrepertoire enthalten. Unter diesen Qualen gestehen die Templer alles. Oftmals genügt die Androhung der Folter, um einzelne Templer gesprächig zu machen oder die bloße Anwesenheit bei der Folterung eines anderen Templers, um jeden Widerstand zu brechen. Was immer sie auch aussagten, die Angeklagten waren bereits verurteilt, bevor sie sich überhaupt verteidigen konnten.3

Doch auch Klemens V. und einige seiner Kardinäle befragen in Poitiers zweiundsiebzig Templer höchstpersönlich – darunter den Großmeister Jakob von Molay. Papst Klemens V. beschließt nach diesen Verhören, den Orden aufzulösen – womöglich, um unangenehmen Enthüllungen über die Kirche zuvorzukommen. Auf einem Konzil im burgundischen Vienne besiegelt er mit den Bullen Vox excelso und Vox clamatis am 22. März 1312 das Ende des Templerordens. Am 2. Mai 1312 übereignet Klemens V. den Johannitern die Besitztümer der Templer mit seiner Bulle Ad providendam.

Knapp zwei Jahre darauf wird Jakob von Molay am 18. März 1314 zusammen mit dem Provinzmeister der Normandie, Gottfried von Charney, auf dem Scheiterhaufen in Paris verbrannt – nachdem sie ihre Geständnisse von Poitiers widerriefen. Eine Legende berichtet, dass Jakob von Molay durch die mörderischen Flammen heraus den Tod von König Philipp IV. und Papst Klemens V. binnen Jahresfrist prophezeit habe.

Am 20. April 1314 stirbt Papst Klemens V. qualvoll. Historiker vermuten ein Dahinsiechen an einer Form der Ruhr. Am 29. November 1314 verunglückt Philipp IV. tödlich bei einem Jagdunfall. Zufall? Wir werden es nie erfahren. Im Jahre 2001 entdeckte die italienische Historikerin Barbara Frale in den Dokumenten des Vatikanischen Geheimarchivs ein verschollenes Dokument, das seitdem als so genanntes Chinon-Pergament für Aufsehen sorgt. Darin teilt Papst Klemens V. mit, dass er die Templer für unschuldig hält.4

Gab es überhaupt einen Schatz? In einer Aussage vor der päpstlichen Untersuchungskommission sagte der Templer Johann von Châlon im Jahr 1308 als 46. Zeuge Folgendes aus: Der Schatz des Großvisitators von Frankreich, Hugo von Pairaud, sei in der Nacht vor der Verhaftungswelle durch Hugo von Châlon und Gerhard von Villers auf drei Karren und mit fünfzig Pferden aus dem Temple zum Templerhafen von La Rochelle gebracht worden. Anschließend seien achtzehn Schiffe mit unbekanntem Ziel ausgelaufen. Im Übrigen verfüge er über Wissen darüber, dass hochrangige Templerbrüder von der bevorstehenden Verhaftung Kenntnis gehabt hätten.5

Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass Hugo von Châlon und Gerhard von Villers mit ihren Pferdekarren die Straßensperren bis zur Küste umfahren konnten, die Philipp IV. zuvor in der Nacht hatte postieren lassen. Auslaufende Schiffe wären aufgefallen und mit Sicherheit geentert worden. Gewiss ist nur, dass Hugo von Châlon einer von dreißig Templern war, die von der Verhaftungswelle wussten und die Flucht ergreifen konnten. Fünfzehn von den dreißig Geflohenen wurden verhaftet und der Inquisition vorgeführt. Zwölf Flüchtlinge wurden in einer Liste aufgeführt, von denen zwei, Hugo von Châlon und Gerhard von Villers, das Weite suchen konnten.6 Somit ist gewiss, dass zumindest der Schatz aus dem Temple durch Hugo von Châlon und Gerhard von Villers fortgeschafft wurde und mit unbekanntem Ziel verschwand.

Doch wo blieb der Schatz? Dass Hugo von Pairaud von der geplanten Verhaftung wusste, legt nahe, dass er von der Anweisung, die Philipp IV. zur Verhaftung der Templer verfasste, bereits vorher Kenntnis hatte. Hugo von Pairaud erschien am 1. Oktober vor dem Papst, meldete Protest an und verkündete, dass er sein Leben sowie die Leben seiner Mitbrüder retten wolle.7 Doch wenn also Hugo von Pairaud seinen Großmeister von der geplanten Verhaftung durch die Milizen vor dem 13. Oktober 1307 informierte, warum ließ sich dann Jakob von Molay ohne Gegenwehr gefangen nehmen? Jakob von Molay ist niemals gefoltert worden.8 Warum gestand er dann die Anschuldigungen der Verleumdung Jesu Christi, die gegen den Orden hervorgebracht wurden? Warum gestand der Templer Petrus Brocart des Pariser Temple vor dem Papst in Poitiers ohne Folter, dass er auf das Kreuz gespien und Jesu Christi abgeschworen habe? Diese Berichte finden wir allenthalben in den Prozessakten. Die Templer verleugneten Jesus Christus und gaben diesen Frevel unverhohlen zu. Von 138 befragten Templern beharrten nur vier auf ihrer Unschuld.9 Warum?

Die südfranzösischen Akten des Templerprozesses erwähnen Aussagen über ein von den Templern angebetetes Idol, das manche von ihnen als Baphomet oder Bahumet10 bezeichneten. Es sei golden, mit zwei Köpfen, sogar vier Füßen, wie der Großvisitator der Templer, Hugo von Pairaud, während des Prozesses aussagte.11

Jakob von Molay war wenige Monate vor seinem Tod in der normannischen Burg von Gisors inhaftiert. Er hinterließ in den Wänden des Gefangenenturms eingeritzte Graffiti. Darunter ist eine Zeichnung des Heiligen Georgs zu Pferd, der den Drachen tötet – rechts daneben befindet sich die Heilige Jungfrau. Noch heute sind diese rätselhaften Bilder zu bewundern. Ist Bahumet identisch mit dem Templerschatz und harrt er heute noch seiner Entdeckung?

Um die Frage zu beantworten, wo der Templerschatz verborgen sein könnte, ist es unerlässlich, die im Mittelalter hinterlassenen Zeichen zu Rate zu ziehen. Die maßgeblichen Primärquellen – die Registraturbücher der Templer – in denen alle Schulden, Reichtümer, Reliquien sowie Boden- und Gebäudebesitztümer aufgelistet waren, sind verschollen oder wurden absichtlich vernichtet. So müssen wir uns erstens an die ikonografischen Zeichen halten, die an Kirchen und gotischen Kathedralen sichtbar sind und seit vielen Jahrhunderten Wind und Wetter trotzen. Zweitens müssen wir mittelalterliche Manuskripte studieren, die Aufschluss darüber geben, was der Schatz der Templer gewesen sein könnte. Sobald wir herausgefunden haben, was die Zeichen bedeuten, können wir eine Arbeitshypothese aufstellen. Bahumet, Jungfrau und Drache sind dabei nur drei entscheidende Hinweise.

Dies ist eine Spurensuche, die einzig zum Zweck hat, orthodoxe historische Erkenntnisse zu hinterfragen. Nicht mehr – aber auch nicht weniger.

Machen wir uns auf den Weg.

I.DIEARMEEGOTTES

»Der wirt sprach mir ist wol bekant,

ez wont manc werlîchiu hant

ze Munsalvæsche bîme grâl.

durch âventiur die alle mâl

rîtent manege reise:

die selben templeise,

swâ si kumbr od prîs bejagent,

für ir sünde si daz tragent.«

Parzival, 468, 23–30

— Wolfram von Eschenbach

1. Die Gründung des Templerordens

Meine Suche nach dem Schatz der Tempelritter beginnt in der französischen Champagne. Wer die Nationalstraße 19 nimmt, die von Troyes nordöstlich Richtung Provins führt, passiert nach etwa zehn Kilometern die Ortschaft Payns, eine verschlafene Gemeinde, die auf der linken Uferseite der Seine inmitten von schier endlosen, kalkig-weißen Äckern liegt. Als ich die Ortseinfahrt hinter mir lasse, erblicke ich auf der linken Straßenseite einen hellgelb gestrichenen Wasserturm, auf dem werbewirksam ein überdimensionaler Tempelritter gemalt ist.

Nach zwei Minuten biege ich in die Voie Riot 10 ein. Das Musée Hugue de Payns ist in einem bescheidenen Reihenhaus mit angrenzendem Schotterparkplatz untergebracht. Lange waren die Öffnungszeiten des Museums auf wenige Sonntage im Jahr beschränkt. Jetzt, nach aufkommender Hysterie um verschollene Templerschätze, ist es beinahe täglich geöffnet und wird von zwei jungen Damen ehrenamtlich im Auftrag von Dr. Thierry LeRoy geleitet, dem Gründer der Fondation Hugue de Payns. Neben Merchandising-Artikeln wie T-Shirts, Tassen, Stiften und Aufklebern mit roten Templerkreuzen können Interessierte auch diverse Lektüren zum Thema erwerben. Schautafeln und Vitrinen mit mittelalterlichen Münzen, Tonscherben oder abgebrochenen Speerspitzen dokumentieren die dramatische Geschichte des Templerordens, der hier mit dem Ritter Hugo von Payns seine Anfänge hatte.

Die mannshohe, schildbewehrte Puppe eines bewaffneten Tempelritters starrt mich mit leblosen Augen an. Leider kann diese Attrappe von Hugo von Payns nicht sprechen und mir die Geheimnisse über die Entstehung des Templerordens verraten.12 Einige Aspekte werden jedoch nach eingehender Recherche immer klarer …

Hugo wird um 1070 in Payns geboren, ist Herr von Montigny-Lagesse und besitzt ausgedehnte Ländereien im burgundischen Tonnerre. Er wird früh zum Ritter geschlagen. Wahrscheinlich dient er während des ersten Kreuzzugs zwischen 1095 und 1099 im Heer des Grafen von Blois und der Champagne und kehrt um 1100 nach Frankreich zurück. Ob Hugo von Payns Geschwister hatte, ist nicht gesichert. Einige Historiker und Autoren geben einen gewissen Stephan an, einige andere einen Acheus, angeblich aus erster Ehe seines Vaters.13 Hugos Frau Elisabeth de Chappes schenkt ihm einen Sohn, Theobald, der Abt des Klosters St. Colombe unweit von Sens wird14 – und bei den Mönchen des Klosters dafür in Ungnade fällt, weil er den Klosterschatz verpfändet, um seine Teilnahme am zweiten Kreuzzug zu finanzieren.15 Die Urkunden der Abtei Molesme im Burgund legen nahe, dass Hugos Familie verwandt war mit den Montbards, der auch Abt Bernard von Clairvaux entstammte.16

Bild 1: Es begann in Payns bei Troyes in der Champagne.

Hugo verfügt über beste Kontakte zum Zisterzienserorden und zum Grafen Hugo I. von Champagne (ca. 1074–ca.1125), dessen Ländereien größer sind als die des französischen Königs. Er wird zum Vasall des Grafen. Eine enge freundschaftliche Beziehung oder gar Verwandtschaft zur Adelsfamilie der Champagne wird von den meisten Historikern angenommen, denn Hugo von Payns ist im Jahr 1100 urkundlich mehrere Male im Zusammenhang mit ihnen erwähnt, unter anderem mit den Grafen von Bar und Ramerupt.17 Er ist also ein bedeutender Adliger, der in den höchsten Kreisen verkehrt und über einen nicht geringen politischen Einfluss verfügt.

Die Jahre 1100 bis 1103 liegen im Leben des Hugo von Payns wieder im Dunkeln. Anno 1104 ist dokumentiert, dass er zusammen mit dem Grafen von Champagne nach Jerusalem zu einer Pilgerreise aufbricht. Ob die Initiative nun von Hugo von Payns oder dem Grafen Hugo I. von Champagne ausgeht, ist nicht bekannt. Vermutlich ist jedoch der tiefgläubige Graf Hugo I. von Champagne, ein bedeutender Förderer des Zisterzienserordens und Freund des Abtes Bernhard von Clairvaux, der alleinige Impulsgeber.

Danach wird es erstmals mysteriös. Unmittelbar nach ihrer Rückkehr in Frankreich im Jahre 1108 sucht Graf Hugo I. von Champagne den Zisterzienserabt Stephan Harding auf. Harding ist nach dem Gründer Robert von Molesme und dem zweiten Abt Alberich von 1109 bis 1134 der dritte Vorsteher des Zisterzienserklosters Cîteaux. Hier entsteht in den Jahren 1109 bis 1134 ein Schreibsaal, in dem Harding häufig anzutreffen ist. Harding ist berühmt für seine Überarbeitung der fehlerhaft übersetzten und seit der Spätantike verwendeten lateinischen Bibel – der so genannten Vulgata –, um sie anhand von werkgetreuen Übersetzungen aus dem Hebräischen zu korrigieren.18 Harding selbst gibt in seinen Aufzeichnungen an, dass er mit den Rabbinern des Burgund in französischer Sprache über die problematischen alttestamentlichen Bibelstellen debattierte und diese dann im Lateinischen abänderte. Er beschreibt den Vorgang folgendermaßen:

»Wir waren erstaunt über die Diskrepanzen in unseren Büchern. Da sie alle von einem einzigen Übersetzer stammten, konsultierten wir bestimmte jüdische Schriftgelehrte. Wir befragten sie vorsichtig auf Französisch nach all diesen Bibelstellen und Zeilen, die wir in den Büchern gefunden hatten, die wir gerade übertrugen und bislang immer in unsere eigenen Bücher übernommen hatten und in vielen anderen lateinischen Bibeln nicht finden konnten. Die Juden entfalteten vor unseren Augen ihre vielen Schriftrollen und erklärten uns, was da auf Hebräisch und Aramäisch stand. Die Rabbis fanden keine Spur der Textstellen und – zeilen, die uns so viel Kopfzerbrechen bereiteten. Wir vertrauten auf die Wahrhaftigkeit der hebräischen und aramäischen Versionen und in die vielen lateinischen Bücher und tilgten die unnötigen Zusätze.«19

Der maßgebliche Biograf des heiligen Bernhard von Clairvaux, Elphège Vacandard, schreibt über Stephan Harding: »Für das Alte Testament, von dem man in Ermangelung des Originals einen überlieferten hebräischen oder chaldäischen Text wiederfinden konnte, trug er keine Bedenken, die jüdischen Rabbiner der Nachbarschaft um Rath zu fragen.«20

Das Resultat waren die berühmte Harding-Bibel und ein Kontakt zwischen Harding und den jüdischen Rabbis, die ihn über unbekannte, nicht kanonisierte Bibelpassagen und den Talmud aufklärten. Somit wurde Harding in taldmudische Geheimnisse eingeweiht, die kein christlicher Kleriker vor ihm erfuhr. Zisterzienser und jüdische Bibel- und Talmudexperten der Region arbeiteten demnach zusammen.21 Zu einer Zeit, in der Juden häufig Opfer von Übergriffen und Diskriminierungen wurden, ist dies bemerkenswert.

Nachdem Graf Hugo I. von Champagne seinen Freund Abt Stephan Harding aufsucht, veranlasst dieser genauere Studien des Alten Testaments mit Hilfe jüdischer Talmud-Experten der Tora-Schule von Troyes.22 Möglicherweise war der größte Bibel- und Talmudgelehrte seiner Zeit, Rabbi Salomo bar Isaac, genannt Raschi, an diesen Studien beteiligt. Raschi war der führende jüdische Experte auf dem Gebiet der Torah, der fünf Bücher Mose.23 Hinzu kommt die Tatsache, dass sich Raschi in Troyes in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kloster Cîteaux befand und sehr gute Beziehungen zu Christen und insbesondere zum Grafen von Champagne unter anderem wegen seines Weinanbaus unterhielt, mit dem er seine Bibelstudien finanzierte.24

Warum Hugo von Payns und Graf Hugo I. von Champagne zusammen mit Stephan Harding und jüdischen Rabbinern hebräische Texte zu den fünf Büchern Mose und des Talmud – des jüdischen Kommentars des Alten Testaments – untersuchten, ist zunächst unklar. Die Texte scheinen jedoch offensichtlich interessant genug zu sein, um eine weitere Reise nach Jerusalem zu rechtfertigen. Diese Tatsache erlaubt eine zwingende Schlussfolgerung, auf die wir noch zurückkommen werden.

Doch zurück zu Hugo von Payns. 1113 kann er urkundlich in Payns als Grundherr nachgewiesen werden.25 1114 brechen er und Hugo I. von Champagne erneut nach Jerusalem auf. Jetzt bleibt Hugo von Payns dort. Sein Freund, der mächtige und reiche Graf hingegen, kehrt nach Frankreich zurück. Etwa sechs Jahre danach ereignet sich etwas Erstaunliches.

Bild 2: Die Synagoge von Rabbi Raschi existiert noch heute.

1120 kommt es in Jerusalem zu einer geheimnisvollen Zusammenkunft. Die Hintergründe sind bis heute nebulös.26 Hugo von Payns und sein Stellvertreter, der Ritter Gottfried von St. Omer, sprechen am Hofe von König Balduin II. und Garmond von Picquigny, dem Patriarchen von Jerusalem, vor. Später gesellen sich die Ritter Andreas von Montbard, Payen von Montdidier, Archambaud von St. Amand, Gottfried Bisol sowie drei weitere Zeitgenossen zu ihnen, von denen man nicht weiß, ob sie Ritter oder Mönche waren: Roral, Gundemar und Gottfried.27

Andreas von Montbard ist der Onkel des heiligen Bernhard von Clairvaux, dem geistigen Vater des Ordens, auf den wir noch ausführlich zu sprechen kommen werden. Andreas ist verwandt mit dem Grafen von Burgund, seine Schwester ist die Frau von Tescelin le Roux, dem Vater des heiligen Bernhard von Clairvaux. Gottfried von St. Omer, Payen von Montdidier und Archambaud von St. Amand sind Ritter mittleren Adels aus der Picardie, der Kornkammer im Nordosten Frankreichs, auf deren Boden die schönsten gotischen Kathedralen entstehen werden. Von Gottfried Bisol, Roral und Gottfried ist nur bekannt, dass sie 1128 am Konzil von Troyes teilnehmen werden. Über Gundemar hüllen sich die Geschichtsschreiber in Schweigen.

König Balduin II. debattiert über den Vorschlag mit dem Patriarchen von Jerusalem und gewährt ihnen anschließend einen Teil seines Palastes in der ehemaligen Al-Aqsa-Moschee.28 Auch dies ist sehr bemerkenswert. Ein König räumt nicht ohne Weiteres sein Quartier für einen versprengten Trupp von Rittern. Doch der König überlässt den neun Rittern ausgerechnet die Al-Aqsa-Moschee, die auf dem Areal des ehemaligen Salomonischen Tempels errichtet wurde – und nicht irgendein anderes Gebäude in der heiligen Stadt. Mit Sicherheit bitten Hugo von Payns und Gottfried von St. Omer um dieses Quartier – nicht umgekehrt. Von nun an werden die acht Pilger als Arme Bruderschaft Christi vom Salomonischen Tempel zu Jerusalem29, kurz Templer, in die Geschichtsbücher eingehen. Die Chronik des Wilhelm von Tyrus berichtet weiter, dass Hugo und seine Männer fortan Keuschheit, Armut und Gehorsam gelobt hätten, gemäß der Ordensregel der Benediktiner und Augustiner.

Bild 3: Nachbildung Hugos von Payns

Im Jahre 1120 stößt der einflussreiche und wohlhabende Graf Fulko V. von Anjou, der künftige König von Jerusalem und Nachfolger Balduins II., zu den Templern. Er unterstützt sie finanziell, denn der offiziellen Geschichtsschreibung zufolge leben die Templer von Spenden und Almosen. Fulko V. bleibt bis 1121 ein inoffizielles Mitglied des Ordens und unterstützt ihn mehrmals mit dreißig angevinischen Silberstücken.30 Hugo und seine Freunde dürften wohl kaum gehungert haben. Es ist auch unwahrscheinlich, dass sie in Armut lebten, denn ihre adlige Abstammung wirkte ihrem Vorhaben entgegen, wie enthaltsame Mönche zu darben. Selbst wenn sie es gewollt hätten, freiwillig ergaben sie sich nicht diesem asketischen Schicksal. Die engen Beziehungen Graf Hugos I. von Champagne zu Balduin II. legen den Schluss nahe, dass die Finanzierung durch den König von Jerusalem und die Barone stattfand.31

1125 geschieht etwas noch Mysteriöseres: Nun schließt sich den acht Bewohnern des Tempelberges auch Graf Hugo I. von Champagne an.32 Zuvor überträgt er seinen Besitz an seinen Neffen Theobald II., trennt sich von seiner Frau und verleugnet sein Kind. Der Graf wirft seiner hochschwangeren Frau Elizabeth von Varais plötzlich an den Kopf, dass er eigentlich unfruchtbar sei – demzufolge könne er auch kein Kind von ihr haben. Das Kind sei vielmehr das Resultat eines Seitensprungs von Elizabeth.33 Eine krasse Anschuldigung.

Überhaupt ist der Graf ein merkwürdiger Zeitgenosse. Um 1074 als dritter Sohn des Theobald I. geboren, ist er der erste, der den Titel »Graf von Champagne« trägt. Er nimmt nicht am ersten Kreuzzug teil, lässt sich in Troyes nieder und treibt regen Handel mit jüdischen Kaufleuten. Seine Beziehung zu den Juden der Region ist also ausgezeichnet. Als Graf von Champagne unterhält er Verbindungen zu Rabbi Raschi und dessen Talmud-Schule. 1104 wird Graf Hugo das Opfer eines Attentats, das er jedoch überlebt. Die Hintergründe sind unklar. Belegt ist ebenso, dass er den Templern ein riesiges Grundstück schenkt. Noch heute sind ein Wald und ein See nach den Templern benannt: der Forêt de Temple sowie der Lac du Temple, südöstlich von Troyes. Graf Hugo I. von Champagne ist zu seiner Zeit einer der mächtigsten Männer Frankreichs. Umso erstaunlicher und unerklärlicher ist sein Schritt, sich einem Ritterorden anzuschließen. Ein Brief an Graf Hugo I. von Champagne aus dem Jahre 1125 dokumentiert die Gedanken des heiligen Bernhard von Clairvaux über den Eintritt des Grafen in den Templerorden:

»Wenn Du um Gottes Willen vom Grafen zum Ritter und von einem Reichen zu einem Armen geworden bist, so beglückwünschen wir Dich natürlich dazu, wie es recht ist, und geben Gott in Dir die Ehre. […] Dass uns aber in dieser Weise Deine teure Gegenwart durch einen Ratschluss Gottes, den ich nicht kenne, entzogen wurde, sodass wir Dich nicht einmal von Zeit zu Zeit sehen können, wo wir doch möglichst nie ohne Dich sein wollten, das können wir, zugegeben, nicht gleichmütig ertragen. Wieso? Können wir etwa die frühere Liebe vergessen und all die Wohltaten, die Du unserem Hause so großzügig erwiesen hast?«34

Wir lesen hier große Verwunderung, aber auch Bedauern aus Bernhards Worten heraus. Der Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux, der in jener Epoche des 12. Jahrhunderts mächtiger werden wird als der Papst, äußert sein Trübsal darüber, dass Graf Hugo I. von Champagne nicht dem Zisterzienserorden beitritt, sondern nach Jerusalem eilt, um sich auf dem Tempelberg niederzulassen. Wir hören hier heraus, dass der Graf vorher intensive Beziehungen zu Bernhard und dem Zisterzienserorden unterhält – sehr wahrscheinlich ist er ein häufiger Besucher des Klosters Cîteaux. Bernhard spielt in seinem Brief auch auf die großzügige Schenkung des Grundstücks im Wald von Bar-sur-Aube durch den Grafen von Champagne an, auf dem er im Jahre 1115 seine Abtei errichten ließ: das weltberühmte Kloster Clairvaux. Bernhard ist dank der Schenkungen und der großen Freundschaft des Grafen Hugo I. von Champagne von nun an ein glühender Anhänger des Templerordens.

Doch was treiben eigentlich Hugo von Payns und seine Freunde in Jerusalem? Nachdem sich also Graf Hugo I. von Champagne den Templern anschließt, beteiligen sich weder er noch Hugo von Payns und seine sieben Gefolgsleute an Kämpfen, obwohl es zu dieser Zeit genug Anlässe gibt, um an kriegerischen Auseinandersetzungen teilzunehmen. 1119 greifen Armeen der Seldschuken aus dem heutigen Syrien und Heere der Fatimiden aus Ägypten das Königreich Jerusalem an. Balduin II. gelingt es, beide Armeen zurückzudrängen – die Templer um Hugo von Payns kämpfen jedoch nicht mit. 1123 wird Balduin II. von Seldschuken gefangen genommen und erst 1124 wieder frei gelassen – die Templer eilen auch hier nicht zu Hilfe. Im gleichen Jahr noch belagert Balduin II. die syrische Stadt Aleppo – doch erneut ohne jegliche Templerunterstützung. 1125 schlägt er die Armee der Seldschuken in der Schlacht von Azaz – ohne die Teilnahme der Templer. Tatsächlich scheint es so, als ob die Templer an Kämpfen nicht im Geringsten interessiert sind, sondern andere Ziele verfolgen.

Aber nicht nur kriegerische Auseinandersetzungen bedrohen das Königreich. Jerusalem ist im Jahr 1125 nach der Eroberung durch die Kreuzritter (1095–1099) mit seinen biblischen Stätten ein beliebtes Ziel für christliche Gläubige aus ganz Europa. Insbesondere die Grabeskirche. Doch viele Pilger werden durch den Mangel an Milizen regelmäßig überfallen, ausgeraubt, entführt oder gar getötet. So beschreibt der Kreuzzugschronist Wilhelm von Tyrus die Aufgabe der Tempelritter um Hugo von Payns mit der Bewachung der Pilgerwege. Seitdem ist diese Erklärung für die Gründung des Templerordens unhinterfragt von den meisten Historikern übernommen worden.35

Mehrere Fakten sprechen eindeutig gegen diese Erklärung. Zunächst einmal wurde Wilhelm von Tyrus erst 1130 geboren. Daher war für ihn keine direkte Berichterstattung von der Gründung des Templerordens möglich. Seine Chronik der Kreuzfahrerstaaten verfasste Wilhelm von Tyrus erst 1170. Wilhelm griff dafür auf erhaltene und ihm zugängliche Dokumente und Zeugenaussagen von anderen Chronisten und Überlebenden zurück – Jahrzehnte nachdem sich der Templerorden in Jerusalem gegründet hatte.

So ist es zwar denkbar, dass Hugo von Payns und seine Gefolgsleute an eine Sicherung der Pilgerwege zwischen Jaffa und Jerusalem als mögliche zukünftige Aufgabe dachten. Ganz gewiss jedoch waren sie nicht in der Lage, mit neun und zeitweilig zehn Männern gegen Zehntausende von gewaltbereiten Wegelagerern zu kämpfen, die vor Mord nicht zurückschreckten. Dieser Gedanke ist geradezu absurd. Ganz im Gegenteil gesteht der englische Historiker Malcolm Barber von der Universität Reading, dass die Templer zunächst im Sinne einer Laienbruderschaft handelten, sich weltlich kleideten und eher zurückgezogen in den Gemäuern der Al-Aqsa-Moschee lebten. Sie kämpften nicht. Dabei scheint es so zu sein, dass die Gemeinschaft der Templer vor der offiziellen Gründung schon bestand. Der deutsche Biograf des Bernhard von Clairvaux, August Neander, schreibt über die Gründung des Templerordens im Jahre 1120: »Schon zehn Jahre bestand die Verbindung und noch hatten sie keine bestimmte Regel, ihr Ruf hatte sich noch nicht weit verbreitet und ihre Zahl sich nicht vermehrt.«36 Die Verbindung von Hugo von Payns zu seinen acht Mitstreitern bestand also viel länger, nämlich mindestens zehn Jahre – von Hugos Bekanntschaft zum Grafen von Champagne ganz zu schweigen.

1137 berichtet ein gewisser Wilhelm, Burgkastellan von St. Omer, in einem Dokument, dass der »Patriarch Garmond und die Barone« den Templern geraten hätten, Jerusalem zu verteidigen.37 Hieraus geht hervor, dass König Balduin II., der Patriarch und die Barone des Königs die Templer um die Sicherung der Pilgerwege baten – Jahre, nachdem sie sich auf dem Tempelberg niedergelassen hatten. Es war also eindeutig nicht die ursprüngliche Idee Hugo von Payns und seiner Männer. Diese Aufgabe wurde erst an sie herangetragen, als sie bereits lange auf dem Tempelberg residierten.

Ein weiteres Argument gegen die Theorie der Pilgerwegesicherung ist die logistisch wie strategisch unsinnige Vorgehensweise Hugos von Payns und Gottfrieds von St. Omer: Sie wären gut beraten gewesen, vorher die finanziellen Mittel von Grafen und Fürsten in Frankreich für die Gründung eines Ritterordens zu sichern – nicht erst, wenn sie in Jerusalem ankommen, dort acht Jahre lang von milden Spenden leben und mitansehen müssen, wie Gebäude auf dem Tempelberg durch mangelnde Gelder immer weiter verfallen. Die Mission der Templer um Hugo von Payns war also eine andere, als sie nach Jerusalem gingen. Ihre ursprüngliche Absicht war es nicht, die Pilgerwege zu sichern – diese Erklärung tauchte erst anschließend auf. Daran gibt es nunmehr keinen Zweifel.

Geradezu seltsam ist die Tatsache, dass König Balduin II. ihnen einen Teil seines Palastes in der ehemaligen Al-Aqsa-Moschee ohne Umschweife räumte und zur Verfügung stellte. Anscheinend war es für Hugo von Payns sehr hilfreich, dass er mit König Balduin II. eine enge Beziehung pflegte. Umso merkwürdiger ist es, dass Hugo von Payns und Gottfried von St. Omer ihren Plan nicht vorher mit Adeligen absprachen, um die Finanzierung zu sichern – ein weiterer Beleg dafür, dass die Idee der Pilgerwegesicherung nicht von Hugo von Payns und seinen Templerbrüdern stammt.

Ebenfalls geradezu seltsam ist die Tatsache, dass Graf Hugo I. von Champagne zu drei Pilgerreisen nach Jerusalem aufbrach. Sein Verhalten zeugte von großer Eile und Besessenheit. Er schien ein konstantes Ziel und eine äußerst wichtige Mission vor Augen zu haben, denn die großen Gefahren, die solche Reisen für Leib und Leben mit sich brachten, schreckten ihn offensichtlich nicht ab. Was immer in Jerusalem vor sich ging, war weitaus bedeutender als die Sicherung der Pilgerwege. Doch wenn die Mission der Templer eine andere war, was unternahmen die Templer um Hugo von Payns in diesen acht Jahren auf dem Jerusalemer Tempelberg? Was war so wichtig, dass Graf Hugo I. von Champagne und Hugo von Payns 1108 sofort Stephan Harding aufsuchten, um biblische Studien zu betreiben? Und was war so wichtig, dass Graf Hugo I. von Champagne 1125 seine Familie regelrecht verstieß und auf seinen gewaltigen Besitz in Frankreich verzichtete – nur um auf dem Tempelberg zurückgezogen zu leben und Kämpfe zu scheuen?

Sie gruben. Der Kreuzzugschronist Fulcher von Chartres berichtet, dass die Templer in den 1120er-Jahren einen großen Bereich des westlichen Tempelbezirks umgestalteten und die so genannten Ställe Salomos unterhalb der Al-Aqsa-Moschee freilegten, die den Aussagen des Pilgers Theoderich zufolge etwa 10.000 Pferde mit Stallknechten aufnehmen konnten. Die Dimensionen der Gewölbe seien so groß, dass ein einziger Schuss mit einem Langbogen kaum von einem Ende zum anderen des Bauwerks reichte, weder in der Länge noch in der Breite. Außerdem seien in und westlich an der Al-Aqsa-Moschee Umgestaltungen der Gebäude durchgeführt worden, so Theoderich.38

Der israelische Archäologe Meir Ben-Dov erforschte in den 1980er-Jahren unterhalb des Tempelberges einen Tunnel, dessen Alter er auf das 12. Jahrhundert zurückdatieren konnte. Dieser Tunnel war zuvor durch Archäologen des Palestine Exploration Fund in den 1860er-Jahren unter der Leitung des Archäologen Charles Warren entdeckt worden. Der Gang befindet sich dreißig Meter von der Südmauer des Tempelberges unterhalb der Ställe Salomos entfernt – und somit direkt unter dem ehemaligen Hauptquartier der Templer. Der Schacht wurde offensichtlich angelegt, um in die weiter unten liegenden Gänge und Höhlen des Tempelberges von Jerusalem eindringen zu können. Auf einer Karte aus dem zwölften Jahrhundert – als Cambria-Manuskript bekannt – ist eine Nebentür eingetragen mit der Bezeichnung Poterna. Meir Ben-Dov benennt diesen Schacht als Geheimtunnel, weil er unterhalb der Ställe Salomos verläuft. Er schreibt ihn zweifelsfrei den Templern zu.39

Um 1120 zieht König Balduin II. aus der Al-Aqsa-Moschee in den neuen Königspalast am Jaffa-Tor im Westen Jerusalems. Die Templer haben nun freie Hand. Um 1128 sind die Al-Aqsa-Moschee und das gesamte Areal zum Hauptquartier der Templer umgebaut. Hugo von Payns und seine Freunde sind fleißig. Sehr wahrscheinlich sind noch mehr Männer bei der Umstrukturierung des Tempelberges behilflich. Historisch verbürgt ist diese Vermutung zwar nicht. Doch ebenso wenig wie neun Männer die Pilgerwege sichern konnten, war es unmöglich, derartig große bautechnische Aktivitäten ohne die Hilfe zusätzlicher Arbeitskräfte zu bewerkstelligen.

Die Frage muss daher lauten: Warum versammelten sich neun Männer, einige von ihnen adelig und sehr mächtig, auf den Grundmauern des ehemaligen Salomonischen Tempels, um unter dem Deckmantel eines neu gegründeten Ritterordens jahrelang zurückgezogen zu leben und unterhalb des Tempelberges zu graben und das Areal zu erforschen? Wonach suchten sie?

2. Das Konzil von Troyes

Besondere Brisanz bekommt diese Frage, wenn wir darüber nachdenken, was Hugo von Payns ab dem Jahr 1115 in Jerusalem unternahm, bevor sich der Orden im Jahr 1120 offiziell gründete. Der Kreuzzugschronist Albert von Aachen berichtet, dass Hugo von Paynsund einige seiner Mitstreiter angeblich vor der Gründung des Ordens unter dem Schutz des Priors der Grabeskirche von Jerusalem leben. Hugo von Payns und Gottfried von St. Omer hätten somit in Jerusalem ungestört Nachforschungen anstellen können. Erst 1119 kommt es zu einem Vorfall, bei dem einige hundert Pilger unweit von Jerusalem durch Wegelagerer und marodierende Banden überfallen und ermordet werden – ein Ereignis, dass nach Albert von Aachen den Ausschlag für die Gründung des Templerordens zum Schutz der Pilgerwege gab.40Dies ist jedoch eine Mutmaßung Alberts von Aachen. Denn wie wir gesehen haben, beteiligen sich Hugo und seine Männer zwischen 1115 und 1128 an keinerlei Kämpfen, sondern leben zurückgezogen wie eine Laienbruderschaft, die sich auf emsige Grabungsaktivitäten konzentrierte. Ein Brief des heiligen Bernhard von Clairvaux an den Patriarchen von Jerusalem aus dem Jahr 1130 veranschaulicht, dass der Patriarch anscheinend wenig Geduld mit den Templern hat, weil sie ihrerzukünftigenAufgabe, die Pilgerwege zu sichern, noch nicht nachkommen, sondern stattdessen Grabungen anstellen:

»Ich bitte Euch: Richtet Eure Augen auf die Ritter des Templerordens und öffnet den so tapferen Streitern der Kirche das Herz Eurer großen Liebe. Das wird Gott gefällig und den Menschen willkommen sein, wenn Ihr Eure Gunst denen zuwendet, die ihr Leben für die Brüder eingesetzt haben.«41

Bernhard fleht den erzürnten Patriarchen geradezu an, denn die Templer haben ihr Leben anscheinend zu selten für die Pilgerbrüder eingesetzt. Als König Balduin II. die Bemühungen des Abtes von Clairvaux spürt, schlägt er Hugo von Payns und seinen acht Templern vor, einen Ritterorden zu gründen, der auf einem Konzil eine Verfassung erhält und durch den Papst in Rom abgesegnet wird.

Der Patriarch ist überstimmt. Hugo zeigt sich notgedrungen einverstanden. König Balduin II. schickt Andreas von Montbard und Bruder Gundemar mit einem Sendschreiben nach Frankreich, um Bernhard von Clairvaux darum zu bitten, für die neue Ritterschaft der Templer eine Verfassung zu schreiben.42

Zuvor entsendet König Balduin II. Hugo von Payns um 1127 nach Frankreich, um von dort aus eine Rekrutierungsreise durch Europa zu unternehmen. Sie machen einen Abstecher nach Rom, um sich mit Papst Honorius II. zu beraten, der seinerseits seinen Segen gibt und Hugo von Payns und seine Begleiter an den päpstlichen Legaten Matthäus von Albano und Bernhard von Clairvaux verweist.43

Die Rekrutierungsreise Hugos dient dazu, einflussreiche Adelige für den Templerorden zu gewinnen, um die Finanzierung des Aufenthaltes in Jerusalem zu sichern und die Aufnahme von neuen Brüdern in den Orden zu beschleunigen. Hugos Reise führt ihn dabei zurück nach Frankreich, nach England und Schottland. In Schottland trifft er auf König David I., der dem Templerorden Ländereien bei Ballantrodoch, dem heutigen Temple, unweit von Edinburgh, schenkt. Hugo kehrt mit Dutzenden von Freiwilligen zurück, die bereit sind, sich dem Orden anzuschließen.

Nach seiner Rückkehr wird für den 13. Januar 1129 ein Konzil in Troyes einberufen, um eine Ordensregel zu bestätigen, die Hugo von Payns bereits mit der Hilfe seines Freundes Bernhard von Clairvaux verfasst hat. Dies ist zu diesem Zeitpunkt ein äußerst bemerkenswertes Vorgehen für einen Ritterorden. Denn bereits 1109 hatten sich in Jerusalem die Ritter vom Hospital des heiligen Johannes zu Jerusalem – die Johanniter – gegründet, die sich zur Krankenpflege und medizinischen Betreuung der Pilger verpflichteten. Das Hospital des Ordens hatte Papst Paschalis II. im Jahr 1113 als unabhängige und notwendige Institution anerkannt – jedoch ohne ein Konzil einzuberufen.

Diese Tatsache zeigt, welche Bedeutung der Klerus dem Templerorden beimisst, denn Hugo von Payns und seine acht Gefolgsleute könnten sich einfach den Johannitern anschließen. Doch haben sie offensichtlich eingesehen, dass es viel größere Vorzüge hat, einen eigenen Orden zu gründen. Die große Aufmerksamkeit, die sie durch die französischen Bischöfe, König Balduin II., aber auch Papst Honorius II. erhalten, bestätigt ihre herausragende Stellung. Möglicherweise auch ihre Entdeckung, die sie unter dem Tempelberg von Jerusalem machten. Vieles spricht dafür, dass sie fanden, wonach sie unter dem Tempelberg gruben. Es ist aber nicht überliefert, ob die Tempelritter um Hugo von Payns während des Konzils ein Wort über ihre Suche verloren und ob sie auch fündig geworden sind. Der mögliche Fund eines Schatzes in Jerusalem würde aller Wahrscheinlichkeit auf dem Konzil von Troyes nicht debattiert worden sein, um eine noch andauernde Suche nicht zu gefährden und Neider nicht auf den Plan zu rufen.44

Eine alleinige Absegnung der Templerregel hätte aber den Aufwand des Konzils nicht gerechtfertigt. So bescheinigt die Liste der Anwesenden die herausragende Bedeutung dieser außerordentlichen Bischofsversammlung. Sie beginnt mit Hugo von Payns und Gottfried von St. Omer, den Rittern Gottfried, Roral, Gottfried Bisol, Payen von Montdidier und Archambaud von St. Amand. Tatsächlich sind sieben Gründungstempler in Troyes anwesend. Da Bernhard im Vorfeld des Konzils häufig mit dem Patriarchen und dem König von Jerusalem kommuniziert, ist es nicht sehr verwunderlich, dass er nun auch mit Abt Stephan Harding von Cîteaux an der Versammlung teilnimmt.45 Darüber hinaus sind die Zisterzienseräbte aus Trois-Fontaines und Pontigny zum Konzil eingeladen, das unter dem Vorsitz des päpstlichen Legaten Matthäus von Albano stattfindet.

Die hochrangigsten Würdenträger des ganzen Landes strömen in die Stadt. Die Erzbischöfe von Reims und Sens, die Bischöfe von Chartres, Soissons, Paris, Troyes, Orléans, Auxerre, Meaux, Châlons, Laon, Beauvais. Es sind die Bischöfe der Städte, aus deren Böden wenige Jahrzehnte später die berühmten gotischen Kathedralen Frankreichs emporwachsen werden. Auch der Finanzverwalter der Champagne, Andreas von Baudement, nimmt an der Synode teil, ebenso wie der Graf von Nevers und Theobald II., der Neffe von Graf Hugo I. von Champagne, der bereits vor dem Tod seines Onkels im Jahre 1126 der Erbe des Vermögens und der Ländereien wurde.

Worüber debattieren die Teilnehmer des Konzils? Wir werden enttäuscht. Außer der Gründung des Templerordens sind seltsamerweise keine weiteren Themen überliefert. Fest steht jedoch, dass die zunächst aus 72 Artikeln bestehenden, in Latein verfassten Regeln des Templerordens auf dem Konzil von Troyes von den anwesenden Bischöfen und insbesondere vom päpstlichen Legaten, Matthäus von Albano, abgesegnet werden.

Hugo von Payns persönlich trägt die Statuten vor, die sich an der strengen Ordensregel der Zisterzienser orientieren. Hier entstehen Vorschriften für das tägliche Leben in der Bruderschaft. Hier finden wir Anweisungen über die Aufnahme von möglichen neuen Brüdern. Wir erfahren, dass Kinder nicht in den Orden aufgenommen werden dürfen, wohl aber weltliche Ritter, die zuvor aus der Kirche ausgeschlossen wurden; dass nur die Ritter Christi aufgrund der großen Hitze im Heiligen Land dort ein weißes Leinenhemd tragen dürfen; dass zu üppiges Haar und zu lange Kleider verboten sind, denn ein Bruder müsse vor Gott innerlich wie äußerlich rein sein.

Wir finden hier Anweisungen, dass die Brüder gemeinsam im Refektorium essen und mittags und abends während der Mahlzeiten den Worten der Bibel lauschen sollen; dass zwei Brüder aus einem Napf essen müssen, wenn nicht genug Geschirr vorhanden sei; dass jeder Bruder stets eine gleich große Portion Wein in seinem Becher habe. Abgesehen von Festtagen wie Weihnachten oder Allerheiligen dürfe Fleisch nur dreimal wöchentlich gegessen werden, denn es verweichliche den Körper. Die übrigen Wochentage Montag, Mittwoch und Sonnabend seien dem Genuss von Hülsenfrüchten und Gemüsesuppe vorbehalten. Freitag werde aus Ehrerbietung vor dem Herrn Jesus Christus gefastet, abgesehen von den kranken und schwachen Brüdern. Vor der Komplet – dem Nachtgebet – solle stets eine Erfrischung eingenommen werden, der Meister entscheide, woraus sie bestünde. Umgang mit Frauen sei verboten, weil einige Brüder dann vom rechten Wege zum Paradies abgelenkt werden – Kinder zeugen sei noch verwerflicher. Jeder Bruder könne über drei Pferde und einen Knappen verfügen, der nicht geschlagen werden dürfe, wenn er freiwillig und unentgeltlich den Dienst ausübe. Prunkhafte Zügel, Lanzenüberzüge, Falkenjagd, Futtersäcke aus Leinwand oder Wolle seien ebenso verboten, wie sich seiner Fehler zu rühmen oder böse Gerüchte und Verleumdung unter den Brüdern zu verbreiten. Und so weiter und so fort. Der Verhaltenskodex der Templerregeln ist lang und streng, die beratende spirituelle Handschrift von Bernhard von Clairvaux und den Zisterziensern unübersehbar.46

Doch erstaunlich locker sind die Statuten bezüglich des Besitzes von Landgütern und Leuten, Bauern und Feldern und der Erhebung von Zinsen. Der einzelne Tempelritter musste das Armutsgelöbnis ablegen, doch der Orden durfte Geschenke und Wohltätigkeiten annehmen und besitzen. Dieser Artikel war der zündende Aspekt für den unermesslichen Reichtum des Ordens.

Der auf dem Konzil anwesende Schreiber Johann Michael vermerkt, dass die Bischöfe und Äbte andächtig Hugos Worten lauschen.

Die später ergänzten französischen Templerregeln bestehen sogar aus 686 Paragrafen, weil die Entwicklung des Ordens ständig neue Regeln erfordert.

Durch die Templerverfassung entsteht der Nimbus des kämpfenden Mönchs, aber auch eine militärische Hierarchie. Hugo von Payns wird zum ersten Großmeister der Templer, dem sämtliche Angehörigen des Ordens unterstehen – Knappen, Kapläne, Mönchsritter. Sein Stellvertreter wird der so genannte Seneschall, der den Großmeister in allen militärischen Aspekten berät. Die Aufgabe des Großpräzeptors ist es, die Einhaltung der Ordensregel durch die Templerbrüder zu überwachen und die Finanzen zu verwalten. Landbesitze der Templer werden in Komtureien unterteilt. Sollte der Großmeister einmal abkömmlich sein oder während eines Kampfes in Gefangenschaft genommen werden, wird er bis zu seiner Rückkehr durch den Großkumtur vertreten. Im Kampf trägt der Marshall die Verantwortung für die Schlachtanordnung und Kampftaktik und bestimmt den Bannerträger. Während der Schlacht sind die Templer in Schwadrone unterteilt, jedes von ihnen wird von einem Konstabler geleitet.

Das Konzil von Troyes begründet auch das äußere Erscheinungsbild des Ordens in der Öffentlichkeit jener Zeit. Die Templer müssen ihre bisherige Laienkleidung nun durch weiße Mäntel eintauschen, die sie fortan über ihrer Ritterbekleidung tragen. Das alles können Hugo von Payns und Bernhard von Clairvaux unmöglich an einem einzigen Tag aus dem Stegreif erdacht haben. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass sie die Templerregeln und die militärische Hierarchie lange vor dem Konzil entwickelten. Auf dem Konzil von Troyes wird der Orden durchstrukturiert und für den Kampf im Heiligen Land vorbereitet. Wir finden beinahe jede kleinste Verhaltensvorschrift für die Templerbrüder.

Doch das Wichtigste finden wir nicht: Die Sicherung der Pilgerwege als mögliches Leitmotiv des Templerordens wird mit keinem einzigen Wort erwähnt.

3. Der heilige Bernhard von Clairvaux