Der Teufel - Mythos und Geschichte im Christentum - Max Henning - E-Book

Der Teufel - Mythos und Geschichte im Christentum E-Book

Max Henning

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Beschreibung

Der Untergang der Kultur und der Religionen der alten Welt im Christentum vollzieht sich "in, mit und unter" Herausbildung des neuen allumfassenden und allesverschlingenden Mythos vom Christ, der als Sohn Gottes aus seiner himmlischen Vorexistenz in die Welt geboren wurde, um das Reich des "Fürsten dieser Welt", das Reich Satans oder des Teufels, das im Tode gipfelt, zu zerstören und die Menschheit durch die Aufrichtung des Reiches Gottes aus seinen Banden und vor dem nahenden Weltgericht zu erretten. In diesem Band soll die Entstehung dieses Mythos, seine mit Blut und Tränen geschriebene Geschichte und sein Zusammenbruch vor der Wissenschaft in großen Strichen gezeichnet werden als die Entwicklungsgeschichte des Teufels im besonderen und als eine Entwicklungsphase des religiösen Denkens im allgemeinen. Inhalt: I. Vorgeschichte des Teufels. II. Der Teufel im Neuen Testament. III. Der Teufel in der Kirche bis zu Konstantin dem Großen IV. Fortschreitende Ausbildung und Dogmatisierung des Teufels im 4. bis 6. Jahrhundert V. Völlige Ausbildung des mittelalterlichen Teufels VI. Der "Fürst dieser Welt". VII. Der Kampf gegen den Hexen- und Teufelswahn. VIII. Der Sieger IX. Der Teufel im 19. Jahrhundert. X. Ausblick. Literatur

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Der Teufel. Sein Mythos und seine Geschichte im Christentum

Max Henning

Inhalt:

Eine Definition des Teufels

Der Teufel. Sein Mythos und seine Geschichte im Christentum

Einleitung.

I. Vorgeschichte des Teufels.

II. Der Teufel im Neuen Testament.

III. Der Teufel in der Kirche bis zu Konstantin dem Großen

IV. Fortschreitende Ausbildung und Dogmatisierung des Teufels im 4. bis 6. Jahrhundert

V. Völlige Ausbildung des mittelalterlichen Teufels

VI. Der "Fürst dieser Welt".

VII. Der Kampf gegen den Hexen- und Teufelswahn.

VIII. Der Sieger

IX. Der Teufel im 19. Jahrhundert.

X. Ausblick.

Literatur

Der Teufel, Max Henning

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849627584

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Eine Definition des Teufels

(Griech. Diabolos, »Verleumder«; hebr. Satan, soviel wie Widersacher), das personifizierte Prinzip des Bösen. Die bereits in den niederen Religionen begegnende Unterscheidung wohltätiger und unheilvoller göttlicher Wesen, wie sie durch die Erfahrung sei es freundlicher und förderlicher, sei es beängstigender und schädigender Wirkungen der Geister und Naturkräfte nahegelegt war, gestaltete sich mit zunehmender Versittlichung der Religion einerseits zu einer Überordnung der als Vertreter des Guten aufgefassten Götter über die Dämonen, anderseits zu einer dualistischen Gegenüberstellung der Macht des Guten und der Macht des Bösen und des Übels. Am ausgebildetsten trat ein solcher Dualismus im alten Persien auf. Von da drang die Lehre von einem persönlichen Haupte des Reiches des Bösen in das Judentum ein, und erst jetzt wurde der Satan, der im Buch Hiob noch als ein übelwollender, aber Gott untergeordneter und in seinem Dienst handelnder Unglücksengel erscheint, zum eigentlichen T., neben dem und unter dem in der spätjüdischen Literatur noch andre Dämonen als Plagegeister der Menschen erscheinen. Dieselbe dämonologische Vorstellungswelt ist in voller Stärke dann auch in die neutestamentlichen Schriften übergegangen, wie schon die große Rolle beweist, welche die »Besessenen« in den Evangelien spielen. Wenn dann auch noch in den späteren Lehrschriften des Neuen Testaments Christus als Sieger erscheint über den »Fürsten dieser Welt«, d. h. den mit landesüblichen Ausdrücken auch Beelzebub oder Beelzebul, eine Form des Baal, und Belial oder Beliar (ursprünglich wohl ein Gott der Unterwelt) genannten Satan, so tritt damit die mit Hölle und T. sich befassende Vorstellung vor allem in den Dienst der Vertiefung der religiösen Ideen und Motive. Der Glaube an die Überwindung des Teufels durch Christus trug wesentlich dazu bei, der Lehre vom Messias einen sittlichen Gehalt zu geben und alle Energie der sittlichen Kräfte in den Gläubigen zum Kampfe wider die Gewalt des Argen ins Feld zu rufen. Aber auch, als die sittliche Begeisterung abgekühlt war, erhielt sich die Vorstellung vom T., der seither in der christlichen Dogmatik den persönlichen Repräsentanten der Sünde bildet, den Widersacher des göttlichen Reiches, den Urheber des Sündenfalls, den allzeit geschäftigen Veranlasser böser Lüfte und unfrommer Gedanken in den Gläubigen. Im Gegensatz zu den Schutzengeln und guten Geistern galten in der alten Kirche die Dämonen oder bösen Engel als geschaffene, aber freiwillig abgefallene Geister, welche die Heidenwelt beherrschen, Gegenstand des heidnischen Kultus sind, Christenverfolgungen veranlassen und die Ausbreitung der Kirche hindern. Ihr Haupt Lucifer hat sich gleich nach der Schöpfung aus Neid oder Hochmut von Gott losgesagt; seine endliche Bekehrung, die einzelne Lehrer in Aussicht stellten, wurde schon von Irenäus und seit Augustin von der ganzen Rechtgläubigkeit geleugnet. Dagegen war man der Ansicht, dass infolge des Sieges Christi über Tod und Hölle die Sakramente und das Gebet, ebenso Weihwasser, Kreuzeszeichen u. dgl. erfolgreiche Mittel seien, den Versuchungen des Teufels zu begegnen. Das Volk gab dem T. eine schreckhafte Gestalt, und besonders im germanischen Volksglauben spielte er von jeher eine große Rolle, teils allerdings auch humoristisch im Märchen, meistens aber schauerlich im Glauben an Hexerei und Zauberei. Die Theologen und Juristen, die seit dem 15. Jahrh. die Theorie und Praxis der Hexenprozesse kultivierten, haben auch die genauere Naturgeschichte des Teufels festgestellt. Selbst die Reformation hat den Teufelsglauben als unentbehrlichen Artikel mit in den Kauf genommen, Luther voran, der sein lebelang wider den »alt' bösen Feind« zu Felde lag. Erschüttert wurde die Lehre erst im Zusammenhang mit den Hexenprozessen, und infolge der kritischen Richtung, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. die protestantische Theologie erfasste, singen selbst die offenbarungsgläubigen Theologen an, die Lehre vom Satan zu mildern, während die Rationalisten ihn ganz aus dem christlichen Glauben verwiesen, indem sie die biblischen Äußerungen auf Akkommodation zurückführten. Ebenso ersetzt die moderne Theologie die Satansvorstellung durch den Gedanken einer über den Einzelnen stehenden Macht der menschlichen Gesamtsünde. Die neuere Orthodoxie dagegen hat sich des Teufels wieder mit Vorliebe angenommen, und im Volksglauben spielt er noch immer eine große Rolle; selbst die Meinung, dass man durch Zaubersprüche den T. und seine Geister herbeirufen und unter gewissen Bedingungen sich dienstbar machen könne (Teufelsbeschwörung), steht noch vielfach in Blüte. Vorgestellt wird er nach altväterlicher Weise schwarz und behaart, mit Bocks- oder Pferdefüßen, Krallen, Hörnern, einem Kuhschwanz, hässlichem Gesicht und langer Habichtsnase und bei seinem Verschwinden einen argen Gestank hinterlassend. Überdies hat er im Volksglauben noch viel von dem Wesen, den Gestalten und den Namen der alten Gottheiten beibehalten, und die meisten Sagen, die vom T. handeln, sind auf die ehemaligen Götter zu beziehen. Daher spukt der T. hauptsächlich an Stätten, die im Heidentum heilig waren, heischt dieselben Opfer, die einst die Götter empfingen, erscheint häufig als grüner Jäger oder in Tiergestalt. Mitunter sind auch Züge von den Riesen auf ihn übergegangen, und deshalb werden nicht nur uralte Bauten, Fußspuren in Felsen und Pflanzen nach ihm benannt, sondern auch viele Sagen von ihm erzählt, in denen er, wie einst die Riesen von Helden, von Menschen überlistet wird. Die Kunst pflegt den T. allegorisch, namentlich unter den biblischen Bildern einer Schlange oder eines Drachen, darzustellen. Vgl. Roskoff, Geschichte des Teufels (Leipz. 1869, 2 Bde.); Wessely, Die Gestalten des Todes und des Teufels in der darstellenden Kunst (Leipz. 1875); Längin, Die biblischen Vorstellungen vom T. (das. 1890); Osborn, Die Teufelliteratur des 16. Jahrhunderts (Berl. 1893); Carus, The history of the devil (Chicago u. Lond. 1900); Lancelin, Histoire mythique de Shatan (Par. 1903); Wünsche, Der Sagenkreis vom geprellten T. (Wien 1905).

Der Teufel. Sein Mythos und seine Geschichte im Christentum

Einleitung.

Der Untergang der Kultur und der Religionen der alten Welt im Christentum vollzieht sich "in, mit und unter" Herausbildung des neuen allumfassenden und allesverschlingenden Mythos vom Christ, der als Sohn Gottes aus seiner himmlischen Vorexistenz in die Welt geboren wurde, um das Reich des "Fürsten dieser Welt", das Reich Satans oder des Teufels, das im Tode gipfelt, zu zerstören und die Menschheit durch die Aufrichtung des Reiches Gottes aus seinen Banden und vor dem nahenden Weltgericht zu erretten.

Christus und im weiteren Verlaufe Gott und der Teufel mit ihren Heerscharen stehen sich von nun an als die beiden einzigen überirdischen Mächte in der Welt gegenüber. Die gesamte übrige heidnische Götterwelt ist vor ihnen erblaßt. Der Teufel als der Gegengott ist allerdings nicht ganz so mächtig als der Gott, was ja der dem Christentum vom Judentum her überkommene Monotheismus, wenigstens in dogmatischer Hinsicht, nicht zulassen konnte, aber tatsächlich doch "unter Gottes Zulassung" der eigentliche Herr der Welt bis zum Tag des endgültigen Gerichts über ihn.

Freilich unterscheidet sich dieser christliche Mythos in wesentlichen Punkten von den alten, aus freischaffender Phantasie entstandenen und ihr zur weiteren religiösen Vertiefung überlassenen Göttermythen. Während letztere ihre Wurzeln in Naturerscheinungen und Naturvorgänge herabsenkten, deren Träger eine heroisierte Dämonenwelt wurde – bei den Griechen ein olympisches Geschlecht seliger Genießer, deren Wesen eine idealisierte, ästhetisierte und ethisierte Natürlichkeit ist –, entsprießt der christliche Mythos einem weltabgewandten, naturfeindlichen, ethisch-asketischen Dualismus, in dem der Kampf zwischen den beiden personifizierten sittlichen Prinzipien Gut und Böse zum Ausdruck kommt. Der Mensch des urchristlichen Mythos ist nicht mehr der weltselige Mensch der hellenischen Blütezeit, der heiteren und freien Gemüts Natur und Geist in eins setzt und sich einen Himmel voll von Göttern mit liebenswürdigen, bisweilen allzumenschlichen Menschlichkeiten erschafft, sondern ein von Sündenschuld geplagtes, innerlich zerrissenes Wesen. Die Materie gilt ihm als Sitz allen Übels, die entgötterte Natur und das "Fleisch" als Bereich und Angriffspunkt böser Dämonen, die Welt mit ihren Freuden als nichtig, der Leib als das Gefängnis der Seele, das Jenseits als Erlösung vom Diesseits.

Ferner gerät der neue Mythos in die Hände der Theologie und unterliegt der Dogmatisierung, wodurch er in höchstem Maße kultur- und wissenschaftsfeindlich wird. Indem er endlich in der Person Jesu von Nazareth als dem Christ vermenschlicht wird und sich in der Kirche vergeschichtlicht, organisiert er sich eine kämpfende und sich siegreich ausbreitende Glaubens- und Lebensgemeinschaft überweltlichen Charakters mit universalem Anspruch, die das ganze menschliche Leben von der Geburt an bis zum Tode beherrscht und sich schließlich sogar die Weltmacht Rom dienstbar macht. Der universale Mythos wird zur universalen Theokratie. Im Guten und vielleicht noch mehr im Bösen wirkt er sich im Verlaufe von annähernd zwei Jahrtausenden als allein maßgebender Kulturfaktor aus, bis der Mensch, die Natur und sich selbst auf Erden wiederfindend, auf seinen Trümmern das Reich einer sich ewig verjüngenden, diesseitigen idealen Menschheit aus eigener Kraft aufzurichten sich anschickt, die nunmehr wiederum Geist und Natur, Sinnlichkeit und Vernunft, in sich zu einer höheren Einheit zu erheben bestrebt ist.

Im folgenden soll die Entstehung dieses Mythos, seine mit Blut und Tränen geschriebene Geschichte und sein Zusammenbruch vor der Wissenschaft in großen Strichen gezeichnet werden als die Entwicklungsgeschichte des Teufels im besonderen und als eine Entwicklungsphase des religiösen Denkens im allgemeinen.

I. Vorgeschichte des Teufels.

Entstehung des Dämonen- und Götterglaubens.

Vor dem Menschen war das Tier und aus dem Getier erhob sich der Tiermensch und ward zum Menschen. Mensch aber ward der Tiermensch dadurch, daß der Funke Vernunft in seinem Hirne aufzuglimmen begann – matt und flackernd zunächst wie ein Irrlicht – und Fragen an seine Umwelt stellte, soweit seine einfachsten Lebensbedürfnisse, die Stillung seines Hungers, die Sicherung seines Lebens, die Fortpflanzung seines Geschlechts es erforderten. In diesen engen Bezirken begann der Mensch zunächst die Welt sich zu erklären, die Natur sich dienstbar zu machen. Als einzigen Erkenntnisschlüssel für die Welt aber besaß er nur sein eigenes Wesen. Und so bemaß und erklärte er sich die Dinge und Vorgänge in seiner Umwelt nach seinem eigenen Wesen und trug es in alles hinein. Hinter allem sah er geheimnisvolle Kräfte lauern, ähnlich ihm selbst, und alle auf sich selbst gerichtet. Er fühlte sich selbst als den Mittelpunkt, um den sich alles Geschehen drehte. Es waren durchaus keine holden, freundlichen Kräfte, die er in der Natur am Werk sah, wie er selbst im Anfang dem Menschen gegenüber nicht hold war. Homo homini lupus! Der Mensch dem Menschen ein Wolf! Tückische, feindliche Kräfte, dämonenhafte, spuk- und geisterartige Wesen, ähnlich seinen schreckhaften Traumgebilden, umlauerten ihn auf Schritt und Tritt, stets bereit, ihm Schaden zuzufügen. Nur ganz wenige waren ihm freundlicher gesinnt, wie der in der Flamme seines Herdfeuers sich offenbarende Dämon oder die Geister seiner Väter und Vorväter, denen er seine Kenntnisse des Feueranmachens, der Jagd, des Fischfangs und dgl. verdankte, die ihm sein Obdach schützten und denen er zum Dank dafür und zur Erhaltung ihres Wohlwollens Opfergaben in Gestalt von Speise und Trank darbrachte.

Und der Mensch wuchs und wuchs und ward zu einem seßhaften, ackerbauenden Wesen. Brauch und Sitte festigten sich ihm, und Hand in Hand mit seinem Kulturaufstieg gestalteten sich seine Vorstellungen von der ihn umgebenden Dämonenwelt freundlicher. Die Schar der hilfreichen wohlgesinnten Geister erweiterte sich, er lernte die segenbringenden Wirkungen der Naturerscheinungen in ihrem Wechsel mit den zerstörenden, Winterskälte und Sommersglut, Sturm, Regen, Gewitter und Sonnenschein, kennen. Ganz von der Natur und ihren Erscheinungen in seinem Dasein sich abhängig fühlend, sah er in ihnen gute und böse, d. h. nützliche und schädliche, Dämonen in ewigem Kampf, deren Gunst zu erlangen und Zorn abzuwehren er in der Darbringung reicher Opferspenden – und seien es selbst Menschenopfer – als seine Lebensaufgabe ansah!

Aber mit der beginnenden Kultur ward er auch ein soziales Wesen. Über das primitive, kulturlose Hordenleben hinauswachsend, organisierte er sich im Stammesleben und organisierte Stämme schlossen sich wieder zu Stammesverbänden, zu Völkern, zusammen. Die sozialethische Stammes- und Volksordnung erzeugte in ihm auch die Vorstellung von gut und böse im ethischenSinne. Er trug sie in seine Dämonenvorstellung hinein und erschuf sich dadurch die Götterwelt. Seine Götter galten ihm nunmehr als die Schöpfer der sittlichen Weltordnung, während er selbst sich als ihr Geschöpf fühlte. So wuchs in den naturhaften Gegensatz holder und unholder überirdischer Mächte auch der sittliche Gegensatz hinein. Die Winterriesen, die Dämonen der Finsternis, der Wüste und unfruchtbaren Steppe, der Krankheiten und des Todes wurden ihm nunmehr auch die Träger des Bösen gegenüber den freundlichen, Licht, Fruchtbarkeit und Leben spendenden Göttern, die in seligen Götterburgen oder im Himmel selbst thronten und das Regiment der Welt sowie das Schicksal der Menschen in Händen hielten. Noch tobte zwar der Kampf zwischen beiden Lagern weiter, doch rüttelten die bösen Dämonen vergebens an den festgegründeten Pfeilern der natürlichen und sittlichen Ordnung der Welt.

Nach diesem Schema etwa vollzog sich bei fast allen aufsteigenden Kulturvölkern die Entwicklung der religiösen Vorstellungswelt, bis sich das Prinzip des Guten sowie des Bösen in je einer überragenden Götter- und Dämonengestalt in der von Zarathustra auf Grund älterer, mehr naturhafter Vorstellungen gestifteten persischen Mazdayasnareligion verdichtete.

Die Mazdayasnareligion.

Der Feuerpriester Zarathustra, der von der heiligen Sage umsponnene Stifter der Mazdayasnareligion, nach der Legende um 600 v. Chr. geboren, als Religionsstifter im Alter von vierzig Jahren auftretend und 522 gestorben, verkündete in Ormuzd (Ahuramazda) den von Licht umflossenen, selbst lichten, reinen, allwissenden, allgütigen, wahren und einigen Gott, unter dem der heilige Geist (Spenta Mainyu) alles Gute, Ahriman (Angro mainyu) als Prinzip des Bösen alles Böse erschaffen hat. Beide bekämpfen einander mit ihren dienenden Geistern. In den späteren heiligen Schriften tritt uns jedoch ein ausgesprochener Dualismus scharf entgegen. Hier stehen sich Ormuzd selbst mit seinen zahllosen Engelscharen und Ahriman mit seinen ebenso zahlreichen Scharen böser Dews von Anfang an in ewigem Kampfe gegenüber. Das gesamte Welt- und Geschichtsdrama ist die Entfaltung dieses Gegensatzes, der sich auf Erden nicht nur im Gegensatz von Kulturland und Wüste, Ackerbau und Nomadentum, nützlichen und schädlichen Pflanzen und Tieren, sondern auch in der Brust des Menschen im Kampf zwischen gut und böse, Wahrheit und Lüge abspielt, bis Ahriman von Ormuzd endgültig besiegt ist und die ganze Schöpfung, selbst Ahriman, im Feuer des Weltbrands geläutert und alles zu Licht wird.

Ganz durchsichtig erscheint jedoch auch in der spätern Entwicklung der Religion das Verhältnis zwischen beiden noch nicht. Jedenfalls darf von einem ethischen Dualismus zwischen Geist und Materie – der Geist als Prinzip des Guten, die Materie als Prinzip des Bösen – nicht gesprochen werden, da die Welt, von Ormuzd erschaffen, uranfänglich gut ist und Ahriman nur als ihr Verderber, als Herr der Lüge, des Trugs und Frevels, der Unreinheit und des Todes, sowie als Schöpfer der verderblichen Tiere, alles Ungeziefers und der schädlichen Pflanzen erscheint. Zarathustras Religion, die "Religion der Reinheit" mit dem Moralprinzip "gut denken, gut reden, gut handeln", ursprünglich eine religiös-philosophische Lehre, eine "Religion der Wissenden", konnte erst nach Mythologisierung durch die volkstümlichen Göttergestalten, insonders Mithra, Volksreligion werden, als die sie sich mit Unterbrechung bis zur Vernichtung des Sassanidenreiches durch den Islam erhalten hat. Als "Hochburg der Ethik", insonders aber in ihrem kampf- und lebensfreudigen Optimismus, erscheint sie als eine der erhabensten religiösen Schöpfungen des Altertums, die durch den Umstand, daß ganz Vorderasien vom Indus bis zum Nil jahrhundertelang unter persischer Oberhoheit stand, auf die Religionen Vorderasiens von tiefgreifender Wirkung gewesen ist. Dieser Einfluß zeigt sich besonders im späteren nachexilischen Judentum und dem aus ihm hervorgegangenen Christentum, wie selbst noch im Islam. Allerdings wurde Ahriman auch neben einem beträchtlichen babylonischen Einschlag der Stammvater Satans, des jüdischen und christlichen Teufels.

Der Satan im Alten Testament.

Die alten Hebräer kannten in ihrer vorexilischen Zeit noch keinen Teufel, wiewohl sich Rudimente eines alten volkstümlichen Dämonenglaubens bei ihnen finden. So hören wir u.a. von dem Wüstendämon Azazel, dem am großen Sühnetage, dem Versöhnungsfest, ein Bock, mit der Sündenschuld des Volks beladen, in die Wüste hinaus entsandt wurde. Erst in dem nachexilischen Buche Hiob tritt uns der "Satan" als "Ankläger" oder "Widersacher" der Menschen entgegen. Nach althebräischer, auch von der Prophetie vertretener Anschauung gilt Jahve als der heilige und gerechte Gott, dem ein heiliges und gerechtes Leben in der Befolgung seiner Gebote zu weihen ist, um dafür als Lohn von ihm ein glückliches Leben auf Erden zu erlangen. Leiden und Übel werden als Strafe für die Übertretung der Gebote Jahves angesehen. Aber nur zu oft zeigte es sich, daß der Schuldige im Glück lebte, während der Gottesfürchtige vom Unglück betroffen ward. Wie stand dies mit der göttlichen Gerechtigkeit im Einklang? Aus dem schweren Konflikt des guten Gewissens mit der bisher herrschenden religiösen Auffassung wurde die Dichtung des Buches Hiob geboren, eine der bedeutsamsten Schöpfungen nicht nur der religiösen, sondern auch poetischen Weltliteratur. Die folgenschwere Lösung findet der Dichter auf dem Wege, daß er das Übel nicht mehr als Strafe für begangene Sünden, sondern als göttliche Prüfung, als Läuterungs- und Erziehungsmittel bewertet. Gott läßt im Sinne der Versuchung das Übel zu. Aber er ist nicht mehr wie bisher, wie z. B. in der Geschichte der Opferung Isaaks oder der Volkszählung Davids, selbst der Versucher. Dem vorgeschrittenen religiösen Bewußtsein erschien dies nicht mehr mit der Gottesvorstellung vereinbar. Vielmehr ist dies nunmehr das Amt des Satans, eines der Gottessöhne (d. i. Engel), der sich mit den andern Gottessöhnen zur Audienz bei Jahve einfinden darf, also durchaus noch nicht ein widergöttliches, sondern Gott dienendes Engelwesen ist, etwa mit der Funktion eines moralischen Aufsichtsrats der Menschen und Oberstaatsanwalts Jahves in einer Person. Seine Aufgabe ist es, auf der Erde umherzustreifen und nach dem Rechten zu sehen, Vergehen aber vor Gottes Thron zu bringen. Solch ein Beruf färbt natürlich ab, läßt überall Unrat wittern und verdirbt schließlich den Charakter. Als Jahve ihm Hiobs Frömmigkeit rühmt, zieht er sie zynisch als keine selbstlose in Zweifel und wird dadurch mit Jahves Zulassung der Veranlasser von Hiobs Heimsuchung, indem er zunächst sein Gut und Vaterglück vernichtet, und als dieses bei Hiobs unerschütterlicher Frömmigkeit fehlgeht, Hiob selbst mit Aussatz schlägt.