Der Vatikan - Jürgen Erbacher - E-Book

Der Vatikan E-Book

Jürgen Erbacher

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Beschreibung

In dieser vollständig neu überarbeiteten Ausgabe sind alle wichtigen Fakten für Vatikan-Neugierige, Romreisende und Christen zusammengefasst. Von A wie Ablass bis Z wie Zeremonie am Papsthof stellt Jürgen Erbacher die wichtigsten Fakten zu Papst, Kirche und Vatikan in kurzen informativen Texten zusammen.

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Jürgen Erbacher

Der Vatikan

Das Wichtigste über den kleinsten Staat der Welt

Impressum

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2017

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Verlag Herder

Umschlagmotiv: iStock

E-Book Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (Print) 978-3-451-30507-8

ISBN (E-Book) 978-3-451-81120-3

Inhalt

1Vorwort

2Die Geschichte

»Petrus war der erste Papst.«Die Entwicklung des Papstamtes

»Der Vatikan ist der älteste Staat der Welt.«Die Geschichte des Vatikanstaats

3Die Organisation

»Der Vatikan und der Heilige Stuhl sind dasselbe.«Die Organisation des Vatikanstaats

»Der Heilige Stuhl ist ein Verwaltungsmoloch.«Die Organisation der Kurie

»Im Vatikan haben Laien nichts zu sagen.«Die Rolle der Laien im Zentrum der katholischen Kirche

»Im Vatikan regiert das Opus Dei.«Der Heilige Stuhl zwischen Internationalisierung und Seilschaften

»Der Heilige Stuhl ist die reichste Institution der Welt.«Die Finanzen des Papstes

4Der Papst

»Der Papst kann machen, was er will, weil er unfehlbar ist.«Wie der Papst seine Entscheidungen trifft

»Der Papst kann nicht zurücktreten.«Zwei Päpste im Vatikan

»Papst kann nur ein Europäer werden.«Franziskus, der erste Papst aus Lateinamerika

»Ein Papst hat niemals frei.«Der Alltag von Franziskus

5Der Global Player

»Der Papst will einen Gottesstaat.«Wie der Vatikan Politik macht

»Der Vatikan ist für Diplomaten uninteressant.«Warum Länder eine Botschaft beim Heiligen Stuhl unterhalten

»Der Vatikan ist ein Bremsklotz in der Ökumene.«Wie der Heilige Stuhl die Einheit der Christen sucht

6Vatikan inside

»Der Papst lebt abgeschottet von der Öffentlichkeit.«Feiern, Feste und Audienzen mit dem Papst

»Die Schweizergarde ist eine Folkloretruppe.«Die Sicherheit im Vatikan

»Der Vatikan vertuscht seine dunkle Vergangenheit.«Wie der Vatikan mit seiner Geschichte umgeht

7Anhang

Glossar

Buchhinweise

Die offiziellen Internetseiten

Feiertage im Vatikan

Bildnachweise

Vorwort

Papst Franziskus will der katholischen Kirche ein neues Gesicht geben. Sie soll an der Seite der Menschen stehen, die Hilfe brauchen, die gesellschaftlich ins Abseits geraten sind oder die unter den ungerechten sozialen Strukturen leiden, ganz gleich welcher Nation oder Religion. Um das zu erreichen, stellt er alte Traditionen infrage und löst damit heftige Diskussionen aus. Innerhalb kürzester Zeit hat er sich nach seiner Wahl im März 2013 zu einer weltweit geachteten moralischen Persönlichkeit entwickelt. Weit über die katholische Kirche hinaus genießt er hohes Ansehen. Das Oberhaupt von weltweit mehr als 1,2 Milliarden Katholiken gehört zu den politischsten Päpsten der jüngeren Kirchengeschichte. Die Kardinäle haben ihn im März 2013 zudem gewählt, damit er den Vatikan reformiert und ein neues Gleichgewicht zwischen der römischen Zentrale der katholischen Kirche und den Kirchen vor Ort herstellt. Beim Versuch, diese Veränderungen umzusetzen, erfährt Franziskus Widerstand.

Welche Macht hat der Papst? Wie sieht sein Alltag aus und wie funktioniert sein Apparat, die Römische Kurie? Das zu verstehen, soll das vorliegende Buch helfen. Es wirft einen Blick hinter die dicken Mauern des Vatikans. 2007 ist bereits eine erste Auflage in der Reihe »Wissen was stimmt« erschienen. Die Ausführungen von damals wurden stark überarbeitet. Denn entgegen dem alten Klischee, dass sich in der katholischen Kirche nichts bewege, hat sich in den zehn Jahren viel verändert. Das hängt natürlich sehr stark mit dem Papstwechsel zusammen, der sich nach dem spektakulären Amtsverzicht Benedikts XVI. vom Februar 2013 vollzogen hat. Die Fragen an Papst und Vatikan sind nahezu dieselben, doch die Antworten sind neu.

Am Anfang steht der Blick in die 2000-jährige Geschichte der katholischen Kirche. Sie ist ein wichtiger Schlüssel, um das Geheimnis Vatikan zu verstehen. Im ersten Kapitel geht es um die Entwicklung des Papsttums und die Geschichte des Kirchenstaats. Im zweiten Teil steht die Organisation des Vatikanstaats und des Heiligen Stuhls als Verwaltung der katholischen Weltkirche im Mittelpunkt. Es geht um die Menschen, die dort arbeiten, und die Frage der Finanzen. Beim Papst laufen alle Fäden zusammen. Er ist das irdische Oberhaupt der katholischen Kirche und der Souverän des Vatikanstaats. Wie er seine Entscheidungen trifft, wie sein Alltag aussieht und wie er überhaupt ins Amt kommt, sind die Themen des dritten Teils, inklusive der Frage, wie das Miteinander der beiden Päpste im Vatikan funktioniert. Die katholische Kirche ist der älteste Global Player. Welche politische Macht der Papst heute hat, wird im vierten Teil untersucht, bevor abschließend der Blick noch einmal in den Vatikan geht auf den Spuren der Sicherheitsdienste des Papstes und der »geheimen« Archive im kleinsten Staat der Welt. Ein wenig Servicecharakter hat das Kapitel über die Feiern und Audienzen des Papstes. Wer den Pontifex treffen möchte, findet hier Hinweise zu seinen öffentlichen Auftritten.

Rom, 1. November 2016

Die Geschichte

»Petrus war der erste Papst.«

Die Entwicklung des Papstamtes

Papst Franziskus ist der 265. Nachfolger des Apostels Petrus. Er ist aber nicht der 266. Papst. Das Papstamt, wie es heute existiert, ist das Ergebnis eines Jahrhunderte andauernden Entwicklungsprozesses. Dieser ist noch nicht abgeschlossen. Franziskus hat wie seine beiden Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. mit Blick auf die Ökumene dazu aufgerufen, sich Gedanken darüber zu machen, wie das Papstamt so ausgeübt werden kann, dass es kein Hindernis mehr für die Einheit der christlichen Kirchen ist.

In vielen Büchern über das Papsttum gibt es eine Liste der Päpste – angefangen von Petrus bis zum amtierenden Pontifex Franziskus. Entsprechend finden die Besucher der römischen Basilika Sankt Paul vor den Mauern in den Seitenschiffen Mosaikmedaillons mit Abbildungen der Nachfolger des Apostels. Allerdings müssen diese Listen mit Vorsicht betrachtet werden, zumindest was die Zeit bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts anbetrifft. Denn die früheste bekannte Bischofsliste für Rom erstellte Irenäus von Lyon gegen Ende des 2. Jahrhunderts.

Die Gemeinde in Rom hat wie alle frühchristlichen Gemeinden bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts eine kollegiale Leitung. Es gibt eine Gemeindeversammlung, der verschiedene Personen vorstehen können. Es muss nicht immer ein Bischof (episkopos) sein, sondern auch Presbyter und Diakone übernehmen die Leitung. Erst langsam entwickelt sich die Gemeindeleitung hin zu einer monepiskopalen Struktur, also der Leitung durch einen Bischof. Das hatte verschiedene Gründe. Zum einen gab es bereits in der kollegialen Struktur oft einen Sprecher, dessen Funktion sich verfestigte. Zum anderen wurde durch verschiedene Fehlentwicklungen (z. B. Montanismus) in der Lehre ein Amt in der Gemeinde notwendig, das den Glauben authentisch auslegt. Dies wird durch den Bischof in besonderer Weise gewährleistet, da bereits in der Alten Kirche die Meinung vorherrschte, dass der Bischof in der Nachfolge der Apostel, in der sogenannten »apostolischen Sukzession«, steht und damit besondere Autorität besitzt.

Montanismus: altkirchliche Bewegung im 2. Jahrhundert, die glaubte, Offenbarungen des Heiligen Geistes zu empfangen.

Was das Verhältnis der Gemeinden untereinander betrifft, ist die frühe Kirche dezentral verfasst. Es stehen gleichberechtigte und selbstständige Ortskirchen nebeneinander. Größere Probleme werden auf regionalen Synoden besprochen und zu lösen versucht. Die Bischöfe tragen gemeinsam die Verantwortung für die gesamte Kirche. Man spricht auch vom Communio-Charakter der Gesamtkirche. Rom war folglich eine Bischofsstadt unter vielen. Eine Vorrangstellung vor allen anderen entwickelt sich erst langsam. Bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts heben sich vor allem die Bischofssitze gegenüber den anderen ab, die sich auf einen Apostel zurückführen. Jerusalem, Alexandria, Antiochien und Rom bekommen so eine gewisse Sonderstellung. In wichtigen Fragen suchen Bischöfe den Rat dieser Gemeinden, die durch ihre apostolische Gründung im Ruf stehen, die Tradition in besonderer Weise zu wahren. Bei dieser Profilierung der Apostelkirchen kommt Rom eine besondere Stellung zu, denn es ist die einzige Apostelkirche im Westen, während es im Osten drei, später mit Konstantinopel sogar vier gibt. Rom beruft sich zudem auf zwei Apostel. Der Tradition nach waren sowohl Petrus als auch Paulus dort. Sie sind zwar nicht die Gemeindegründer, aber ihre Anwesenheit wird nach und nach als Grund für die besondere Autorität des römischen Bischofsstuhls angegeben. Die Missionierung Nordafrikas, Galliens und anderer europäischer Gebiete geht von Rom aus. Die neu entstehenden Ortskirchen haben in der Gemeinde der alten Reichshauptstadt ihren Bezugspunkt. In Rom selbst entsteht nach der Verlagerung der Reichshauptstadt nach Konstantinopel 330 ein Machtvakuum, das nach und nach der römische Bischof ausfüllt.

Parallel dazu entwickelt sich bis zum 5. Jahrhundert, der Amtszeit Leos des Großen (440 – 461), eine theologische Begründung der Vorrangstellung des Bischofs von Rom. Christus selbst habe Petrus zum ersten unter den Aposteln gemacht, daher auch der Titel des Apostelfürsten. Diese herausragende Position lebe nun im Bischof von Rom als Nachfolger des Petrus fort.

Grundlage für diese Deutung ist eine Stelle im Matthäusevangelium. Dort sagt Jesus zu Petrus: »Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.« (Mt 16,18.19)

Es gelingt dem römischen Bischof allerdings nicht, seine Primatsansprüche, die Ende des 4. Jahrhunderts voll ausgebildet sind, auch gegenüber den Gemeinden im Osten durchzusetzen. Im Westen braucht es noch Jahrhunderte, bis die Theorie des päpstlichen Primats sich auch in der Praxis durchsetzen kann.

In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts taucht zum ersten Mal der Begriff »Papst« (griech. πάπας; lat. papa; Vater) als Bezeichnung für den Bischof von Rom auf. Der Titel wird ursprünglich im griechischen Bereich für Äbte und Bischöfe verwendet. Seit dem 5. Jahrhundert trägt ihn im Westen nur noch der Bischof von Rom, im Osten sind es die Patriarchen. Mit Gregor dem Großen (590 – 604) wird er als ausschließliche Amtsbezeichnung für den Bischof von Rom festgeschrieben. Nur die koptische Kirche behält den Titel Papst für ihr Oberhaupt bei. Sie hatte sich bereits nach dem Konzil von Chalkedon 451 wegen theologischer Differenzen von der lateinischen Kirche getrennt. Im 11. Jahrhundert kommt die Bezeichnung »Papsttum« für die Institution auf.

Im Mittelalter gerät das Papstamt in unruhiges Fahrwasser. Römische Adelshäuser streiten sich um die Besetzung der Kathedra Petri. Könige und Kaiser versuchen Einfluss zu nehmen auf die Kirche. Der Investiturstreit im 11. Jahrhundert und die Bulle »Unam sanctam«, mit der Bonifaz VIII. 1302 die päpstliche Universalherrschaft auch in weltlichen Angelegenheiten durchzusetzen suchte, gehören ebenso in diese Zeit wie das Exil von Avignon und das darauf folgende Abendländische Schisma. Von 1309 bis 1377 sind die Päpste in der südfranzösischen Stadt Avignon. Dort stehen sie unter dem Einfluss des französischen Königs. Nach dem Tod Gregors XI. 1378, der auf Drängen der heiligen Katharina von Siena wieder nach Rom zurückgekehrt war, kommt es zum Streit in der Kurie. Französische Kardinäle erkennen die Wahl Urbans VI. nicht an und wählen in Avignon den Gegenpapst Clemens VII. Erst auf dem Konzil von Konstanz 1417 kann der Streit beigelegt werden.

Investiturstreit: Streit zwischen weltlichen und geistlichen Machthabern um die Einsetzung von Priestern.

Der Beginn der Neuzeit ist für das Papsttum mit einem neuen schmerzlichen Konflikt verbunden. Mit der Reformation verliert die katholische Kirche ab Ende 1517 einen großen Teil ihres Einflusses in Nord-, Mittel- und Osteuropa. In der Gegenreformation gelingt es der römischen Kirche, ihre Hierarchie zu stärken, den Machtverlust kann das aber nicht ausgleichen. Zumal mit der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert der Einfluss des Papsttums auch in katholischen Ländern immer mehr zurückgeht. Als dann auch noch der Kirchenstaat zunehmend schrumpft und mit dem Einmarsch italienischer Truppen in Rom 1870 ganz von der Weltkarte verschwindet, scheint das Papsttum am Ende, ohne jede politische Bedeutung. Doch unter dem Eindruck der schwindenden äußeren Macht erfährt es eine innerkirchliche Stärkung. Sie gipfelt 1870 in der Formulierung des Jurisdiktionsprimats und der Unfehlbarkeit des Papstes auf dem I. Vatikanischen Konzil.

Ulrich Richental, Konzilssitzung im Konstanzer Münster

Mit den Lateranverträgen und der Gründung des Vatikanstaats 1929 wird die Unabhängigkeit des Papstes auch physisch wieder sichtbar. Schnell gewinnt er politische Macht zurück, die sich aber nicht auf Divisionen, sondern auf die moralische Autorität gründet. Das II. Vatikanische Konzil bestätigt die herausragende Stellung des Papstes als oberstem Lehrer und Hirten der Kirche, bindet ihn aber ein in das Kollegium der Bischöfe, die zusammen mit dem Papst die gleiche außerordentliche Macht der Unfehlbarkeit und des Primats besitzen.

Gleich acht Titel vereint der Papst auf sich. Er ist Bischof von Rom, Stellvertreter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten und oberster Bischof (Pontifex) der Universalkirche. Er ist Primas Italiens, Erzbischof und Metropolit der römischen Kirchenprovinz und Souverän des Staats der Vatikanstadt. Schließlich ist er Diener der Diener Gottes, ein Titel, der auf Papst Gregor den Großen zurückgeht und in vielen päpstlichen Dokumenten verwendet wird.

Papst Benedikt XVI. hat zur Überraschung vieler im Jahr 2006 den Titel »Patriarch des Abendlandes« abgelegt, den der Bischof von Rom traditionell seit dem 7. Jahrhundert trug. Offiziell wurde der Schritt als ökumenische Geste bezeichnet; doch gerade die orthodoxen Kirchen kritisierten den Vorgang, der vor allem zwei Gründe hatte. Zum einen trägt er der Entwicklung der katholischen Kirche Rechnung, die nicht mehr nur im traditionellen Abendland verbreitet ist, sondern heute vor allem außerhalb seiner Grenzen stark wächst. Zum anderen wollte Benedikt XVI. damit den universalkirchlichen Anspruch seines Amts betonen. Nachdem der Papst den Titel »Patriarch des Abendlandes« abgelegt hatte, wurden auch die vier »Patriarchalbasiliken« in Rom offiziell in »Papstbasiliken« umbenannt: San Giovanni in Laterano, Sankt Peter, Sankt Paul vor den Mauern und Santa Maria Maggiore.

Papst Franziskus betont sein Amt als Bischof von Rom. Äußerst selten spricht er von sich als Papst. Im Päpstlichen Jahrbuch, das alle Kardinäle, Bischöfe und höheren Kleriker der katholischen Kirche weltweit verzeichnet, hat er alle Titel außer dem des Bischofs von Rom auf die zweite Seite verbannt. Das bedeutet nicht, dass Franziskus beim Jurisdiktionsprimat des Papstes Abstriche macht. Vielmehr möchte er eine stärkere Einbindung des Papstamts ins Bischofskollegium signalisieren.

»Der Vatikan ist der älteste Staat der Welt.«

Die Geschichte des Vatikanstaats

Den Vatikanstaat, wie er heute existiert, gibt es erst seit 1929. Er wird zwar im Volksmund als Kirchenstaat bezeichnet; doch dabei handelt es sich streng genommen um das Territorium Mittelitaliens und Südfrankreichs, das mit wechselnder Ausdehnung von der Mitte des 8. Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhundert die Päpste zu weltlichen Herrschern machte. Mit der Einnahme Roms durch die italienischen Truppen 1870 endet der Kirchenstaat. Die Lateranverträge von 1929 begründen ein neues völkerrechtliches Subjekt: den Staat der Vatikanstadt.

Vatikan ist der Name eines Hügels (mons vaticanus) auf dem rechten Tiberufer in Rom. Seit dem 2. Jahrhundert wird dort das Grab des Petrus verehrt. Er soll im Zirkus, den der Kaiser Nero am Abhang des Hügels hatte errichten lassen, um das Jahr 67 den Märtyrertod erlitten haben. Kaiser Konstantin baute über der Stelle eine Basilika, die im 16. Jahrhundert durch den heutigen Petersdom ersetzt wurde. Als im Mittelalter immer mehr Gläubige zum Petrusgrab pilgerten, entstanden um Alt-Sankt Peter eine große Zahl von Kirchen und Pilgerhospizen. Leo IV. (847– 855) ließ um den als »Borgo« bezeichneten Bereich eine Stadtmauer bauen, um ihn vor den Sarazenen zu schützen. Der Borgo wird seitdem auch »Città Leonina« genannt.

Papst Julius II.

Die Päpste wohnten aber nicht hier, sondern im Palast bei der Lateranbasilika, die bis heute die eigentliche Bischofskirche des Bischofs von Rom ist. Bei Alt-Sankt Peter entstanden im 10. Jahrhundert erste Repräsentationsgebäude für die Päpste. Sie wurden in der Folgezeit immer weiter ausgebaut. Ende des 12. Jahrhunderts wohnte Innozenz III. als erster Papst längere Zeit im Vatikan, da der Lateranpalast nicht mehr sicher war. Nach der Rückkehr aus dem Exil von Avignon und dem Abendländischen Schisma verlegten die Päpste Mitte des 15. Jahrhunderts ihre Residenz dauerhaft in den Vatikan. In seinem Gefolge zogen auch große Teile der Kurie mit um. Es setzte eine rege Bautätigkeit ein, da die Räumlichkeiten zu klein und nicht repräsentativ genug waren. 1506 beginnt unter Papst Julius II. der Bau von Neu-Sankt Peter. Mit dem Aufstellen antiker Kunstwerke wie der Apollo-Statue und der Laokoon-Gruppe begründet er die päpstliche Kunstsammlung, die im 18. Jahrhundert offiziell zu den Vatikanischen Museen wird.

Parallel dazu verlaufen Aufstieg und Niedergang des Kirchenstaats. Nach der Legalisierung des Christentums mit dem Mailänder Edikt 313 durch Kaiser Konstantin wird die Kirche durch Schenkungen des Kaisers und des Adels zu einem der größten Grundbesitzer der italienischen Halbinsel. Dieses seit dem 6. Jahrhundert »Patrimonium Petri« genannte Land (im Umland von Rom, in Süditalien, Südgallien, auf Sizilien, Sardinien, Korsika u. a.) ist der Grundstock für den Kirchenstaat. Der wird im 8. Jahrhundert durch Karl den Großen begründet. Nach seiner Kaiserkrönung unterstellt er den größten Teil der Ländereien des Patrimonium Petri der Herrschaft der Päpste. Es beginnt die wechselvolle Geschichte des Kirchenstaats, der im Kampf um Einfluss von Königen, Kaisern und römischem Adel viele Höhen und Tiefen durchlebt, bis schließlich Napoleon 1809 die Aufhebung der Schenkung Karls des Großen verkündet und den Kirchenstaat dem Königreich Italien eingliedert. Zwar stellt ihn der Wiener Kongress 1815 wieder als eigenständigen Staat her; doch mit dem Einmarsch der italienischen Truppen in Rom am 20. September 1870 ist das endgültige Ende des Kirchenstaats besiegelt. Der Papst ist im Vatikan »gefangen«.

Über ein halbes Jahrhundert bleibt die sogenannte »römische Frage« ungelöst. Zwar hatte der neu gegründete italienische Staat dem Papst in einem Garantiegesetz 1871 das kleine Territorium zugestanden, das heute weitestgehend mit dem Vatikanstaat identisch ist, doch eine völkerrechtlich anerkannte Vereinbarung gab es nicht. 1919 schließlich begannen offizielle Verhandlungen zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl, die mit der Unterzeichnung der Lateranverträge am 11. Februar 1929 erfolgreich abgeschlossen wurden. Sie bestanden aus drei Teilen: dem Staatsvertrag, mit dem der Staat der Vatikanstadt als völkerrechtlich unabhängiges Subjekt begründet wurde, dem Konkordat, das die Beziehungen zwischen Staat und Kirche in Italien regelte, und einem Finanzabkommen, demzufolge Italien dem Heiligen Stuhl als Entschädigung 750 Millionen Lire in bar und eine Milliarde Lire in Staatstiteln zahlte. Unterzeichner auf italienischer Seite war Benito Mussolini.

Der Vatikanstaat umfasst in etwa das Gelände, das von der Leoninischen Mauer umgeben wird. Der Petersplatz gehört ebenfalls dazu. Die Grenze bildet die Verbindungslinie zwischen den beiden Enden der Kolonnaden. Neben dem rund 44 ha umfassenden Gelände auf dem Vatikanhügel gehören noch zahlreiche exterritoriale Gebiete zum Vatikanstaat. Ihre Fläche ist größer als die Vatikanstadt und in den letzten Jahrzehnten ständig gewachsen. Zu diesen gehören unter anderem die drei Papstbasiliken: San Giovanni in Laterano, Santa Maria Maggiore und Sankt Paul vor den Mauern sowie der Palazzo della Cancelleria, in dem die Gerichte des Heiligen Stuhls untergebracht sind, der Palazzo San Callisto im Stadtteil Trastevere, der ebenfalls eine Reihe von Kurienbehörden beherbergt, und große Teile des

Sankt Peter

Gianicolo-Hügels mit dem Generalat des Jesuitenordens und der Päpstlichen (Missions-)Universität Urbaniana. Das größte exterritoriale Gelände ist die päpstliche Sommerresidenz in Castel Gandolfo mit 55 ha. Interessanterweise steht auch der Palazzo der Glaubenskongregation nicht auf ureigenstem Gelände des Vatikanstaats, sondern auf exterritorialem Gebiet. Das gilt auch für den Campo Santo Teutonico, die älteste deutsche Nationalstiftung in Rom (gegründet um 1450). Der Gebäudekomplex mit dem angrenzenden Friedhof im Schatten des Petersdoms ist Sitz der Erzbruderschaft zur schmerzhaften Muttergottes der Deutschen und Flamen sowie Sitz eines Priesterkollegs und des Römischen Instituts der Görresgesellschaft.

Ein Gebäude, das im Anhang der Lateranverträge zum exterritorialen Gebiet gehört, existiert heute nicht mehr: der Palazzo dei Convertendi an der Piazza Scossacavalli. Er stand dort, wo heute die breite Via della Conciliazione von der Engelsburg zum Petersplatz führt. Bis 1936 gab es hier eine enge Bebauung bis wenige Meter vor dem Petersplatz. Doch Mussolini wünschte eine »der größten Kirche der Christenheit würdige« Zufahrt. Ganze Straßenzüge mussten der Prachtstraße weichen. 600.000 m³ Gebäude wurden abgerissen. Mussolini selbst machte den ersten Spatenstich. Zum Heiligen Jahr 1950 wurde die Straße fertig. Entlang der Via della Conciliazione und der Piazza Pio XII. sind im Laufe der Zeit eine Reihe weiterer exterritorialer Gebäude dazugekommen. Sie beherbergen Büros der Kurie und am unteren Ende direkt gegenüber der Engelsburg das Funkhaus von Radio Vatikan. Der Name »Straße der Versöhnung« erinnert an die Versöhnung Italiens mit dem Heiligen Stuhl durch die Lateranverträge.

Die Organisation

»Der Vatikan und der Heilige Stuhl sind dasselbe.«

Die Organisation des Vatikanstaats

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Begriffe Vatikan oder Vatikanstadt bzw. Vatikanstaat einerseits und Heiliger Stuhl andererseits oft synonym verwendet. Doch es sind zwei unterschiedliche Größen. Vereint sind sie in ihrem jeweiligen Oberhaupt, das ein und dasselbe ist: dem Papst.

Der Heilige Stuhl – auch Apostolischer Stuhl genannt – ist das Leitungsorgan der katholischen Weltkirche. Es umfasst den Papst als obersten Leiter und die verschiedenen Kurienbehörden, die das Kirchenoberhaupt in der Ausübung seiner Leitungsaufgabe unterstützen. Der Heilige Stuhl, in der Person des Papstes, ist ein souveränes, nicht staatliches Völkerrechtssubjekt. Der Grund dafür ist, dass nach dem Ende des Kirchenstaats im 19. Jahrhundert der Heilige Stuhl den Status eines Völkerrechtssubjekts nicht verlieren sollte. Der Vatikan hingegen ist ein unabhängiger Staat mit eigenem Staatsgebiet und eigener Staatsgewalt. Er entstand durch die Lateranverträge. Nach vatikanischer Darstellung dient er dazu, die »Freiheit des Apostolischen Stuhls zu verbürgen« und damit die »tatsächliche und sichtbare Unabhängigkeit des Papstes in der Ausübung seiner Weltmission zu gewährleisten«. Er ist damit die physische und territoriale Basis für den Heiligen Stuhl. Streng genommen ist auch der Staat der Vatikanstadt, so die offizielle Bezeichnung, ein Völkerrechtssubjekt. Doch wenn der Papst Botschafter in alle Welt entsendet und internationale Beziehungen pflegt, macht er dies nicht als Souverän des Vatikanstaats, sondern als Oberhaupt der Weltkirche.

Während die Kurie dem Papst hilft, sein Amt als oberster Hirte der katholischen Kirche auszuüben, stehen ihm für den Vatikanstaat das Governatorat und die Päpstliche Kommission für den Staat der Vatikanstadt zur Verfügung. Der Vatikanstaat ist die letzte absolute Monarchie in Europa mit dem Papst als Staatsoberhaupt, der die volle legislative, exekutive und gerichtliche Gewalt ausübt. Dem Governatorat unterstehen die Vatikanischen Museen, die Vatikanische Sternwarte, die Päpstlichen Villen in Castel Gandolfo und die infrastrukturellen Dienste des Vatikanstaats wie etwa der Gesundheitsdienst, Telekommunikation, Fuhrpark etc. Zum 31.12.2014 arbeiteten im Staat der Vatikanstadt 1.930 Personen. 1.871 von ihnen waren Laien.

Obwohl der Vatikanstaat mit 44 ha der kleinste Staat der Welt ist, besitzt er aufgrund der Lateranverträge von 1929 alle Rechte eines souveränen Staates. Dazu gehört auch eine eigene Gerichtsbarkeit. Über Recht und Ordnung im Staate des Papstes wacht die Gendarmerie, die als Staats-, Verkehrs- und Finanzpolizei agiert. Die Einwohnerzahl liegt bei rund 450. Nur etwa die Hälfte sind auch vatikanische Staatsbürger,