Der Weg der Schamanin - Anja Brigitte Roehl - E-Book

Der Weg der Schamanin E-Book

Anja Brigitte Roehl

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Beschreibung

Hast du dich schon mal gefragt, ob da "was dran sein könnte" an vergangenen Leben? Wie oft du wohl schon hier warst? Wie würde es sich wohl anfühlen, wenn du dich wieder an deine vergangenen Leben erinnern könntest? Du bist damit nicht allein. Deshalb möchte ich dich mitnehmen auf die Reise der Schamanin: Die Reise in vergangene Leben. Erfahre, dass es nicht nur unsere Ahnen waren, die unsere Geschichte geschrieben haben - sondern auch wir selbst! Lerne, was es mit "Karma" auf sich hat und wie du deine eigene Reise in Richtung emotionaler Freiheit antreten kannst: Erkenne, wer du wirklich bist und lüfte den Schleier des Vergessens! Du bist mehr als nur dieser Körper. Du bist eine Seele mit einem großartigen Wissen und einer einzigartigen Aufgabe hier in diesem Leben, die Welt braucht dich! Es ist Zeit, die Angst vor dem Tod zu überwinden, indem du dich daran erinnerst, dass du ihn schon unzählige Male durchlebt hast. Dahinter wartet deine Freiheit, dein Leben wahrhaftig zu leben. "Die Menschen leben, als würden sie nicht sterben, und sterben, obwohl sie nie wirklich gelebt haben." Dalai Lama

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Seitenzahl: 338

Veröffentlichungsjahr: 2021

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DANKSAGUNG

Ohne meinen Mann wäre ich nicht die, die ich jetzt bin.

Danke, dass du mich immer unterstützt hast, aufgeschlossen bist für meine Ideen und mir zeigst, dass Spiritualität auch durchaus eine männliche, bodenständige und witzige Seite hat.

INHALT

Über die Autorin

Über dieses Buch

Vorwort

Unterwegs nach Polen

Zwölf Jahre zuvor

Die Schamanin

Zurück in der Realität

Die Zeitreise beginnt

Heilung durch die Geschichten anderer Menschen

Eingesperrt im Auto

Trotz

Stille Strassen

Was ist Heilung eigentlich?

Daheim bei Freunden

Abtreibung

Vater-Erfolg

Der polnische Bürgerkrieg

Ego

Konsequenzen

Daheim

Die Ehebrecherin

Sträuben

Die Scheidung

Verhungert

Der zweigleisige Vater

Die Vergewaltigung

Jesus

2000 Jahre in einem Augenblick

Intuition

Herzensangelegenheiten

Der Beweis

Nachwort

Seminare

Einzelsitzungen

ÜBER DIE AUTORIN

Ich bin Mutter von zwei Kindern, verheiratet und begleite als Hypnosetherapeutin und Schamanin seit über einem Jahrzehnt Menschen in meiner Praxis in ihren Entwicklungsprozessen. Reinkarnationstherapie ist ein wichtiger Eckpfeiler geworden und ich habe mittlerweile unzählige Menschen in ihre vergangen Leben begleitet und ihnen dabei geholfen, sie nicht mehr länger zu verdrängen, sondern sie anzunehmen, zu transformieren und als Kraftquelle für ihre jetzige Lebensaufgabe zu nutzen.

Meine eigene Aufgabe besteht darin, anderen Seelen dabei zu helfen, den Schleier zu lüften und ich empfinde eine unendliche Dankbarkeit und Freude über jeden Menschen, den ich in seine Wahrhaftigkeit begleiten darf.

Dieses Buch widme ich daher all jenen Menschen, die aufwachen wollen.

ÜBER DIESES BUCH

Wir lernen am besten durch Geschichten, deshalb habe ich mich dazu entschieden, die Fallbeispiele aus meiner Praxis und meiner eigenen Erfahrung zu einer einzigen, großen Geschichte zusammen zu fassen. Die Erinnerungen sind tatsächlich passiert, lediglich die Namen sind ausgetauscht und nicht jede Geschichte wurde von ein und derselben Person erlebt.

Ich habe die Erinnerungen den Chakren entsprechend zusammengestellt, dass sie den häufigsten emotionalen Erlebnisinhalt repräsentieren, den meine Patienten üblicherweise mitbringen. Allein die Geschichten zu hören, wird in dir einen wunderbaren Heilungsprozess anstoßen.

Es wird deine Neugier, deine eigene Vergangenheit zu entschleiern, fördern und dir damit die Augen für dein wahres Ich öffnen.

Hab Mut, liebe Seele! Du bist wunderbar. Alles das gehört zu dir und ist es wert, angenommen und geliebt zu werden.

VORWORT

Gibt es ein Leben nach der Geburt?

Ein ungeborenes Zwillingspärchen unterhält sich im Bauch

seiner Mutter

„Sag mal, glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt?“ fragt der eine Zwilling.

„Ja, auf jeden Fall! Hier drinnen wachsen wir und werden stark für das, was draußen kommen wird“, antwortet der andere Zwilling.

„Ich glaube, das ist Blödsinn!“ sagt der erste. „Es kann kein Leben nach der Geburt geben – wie sollte das denn bitteschön aussehen?“

„So ganz genau weiß ich das auch nicht. Aber es wird sicher viel heller als hier sein. Und vielleicht werden wir herumlaufen und mit dem Mund essen?“

„So einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört! Mit dem Mund essen, was für eine verrückte Idee. Es gibt doch eine Nabelschnur, die uns ernährt. Und wie willst du herumlaufen? Dafür ist die Nabelschnur doch viel zu kurz.“

„Doch, es geht ganz bestimmt. Es wird eben alles nur ein bisschen anders.“

„Du spinnst! Es ist noch nie einer zurückgekommen von ‚nach der Geburt‘. Mit der Geburt ist das Leben zu Ende.“

„Ich gebe ja zu, dass keiner weiß, wie das Leben nach der Geburt aussehen wird. Aber ich weiß, dass wir dann unsere Mutter sehen werden und sie wird für uns sorgen.“

„Mutter??? Du glaubst doch wohl nicht an eine Mutter?! Wo ist sie denn bitte?“

„Na hier – überall um uns herum. Wir sind und leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein.“

„Quatsch! Von einer Mutter habe ich noch nie etwas bemerkt, also gibt es sie auch nicht.“

„Doch, manchmal, wenn wir ganz still sind, dann kannst du sie singen hören. Oder spüren, wenn sie unsere Welt streichelt…“

Nach Henry Nouwen

UNTERWEGS NACH POLEN

Ich sitze im Flugzeug, Emotionen überrollen mich. Zum ersten Mal seit knapp 180 Jahren werde ich wieder polnischen Boden berühren.

Wie wird es sich anfühlen? Werde ich etwas wiedererkennen?

Werde ich mich heimisch fühlen? Fremd?

Ich bin unterwegs zu einem Seminar. Es geht um emotionale und finanzielle Freiheit.

Ich lächle in mich hinein. Damals, also vor 180 Jahren habe ich als der Mann, der ich damals war, auch Menschen in die Freiheit führen wollen. Wir waren im Bürgerkrieg. Leider war unser Kampf nicht von Erfolg gekrönt. Wir hatten es nicht überlebt. Trotzdem haben wir viel bewegt. Die polnische Bürgerkriegsbewegung war der Anfang für Gleichberechtigung in Europa. Schade, dass ich damals das große und ganze Bild nicht erfassen konnte. Ich war erfüllt gewesen von Zorn und Frust.

Jetzt erfüllt mich tiefer Friede. Ich weiß heute, dass Freiheit nicht im Außen zu finden ist.

Heute weiß ich: Freiheit beginnt tief in uns selbst. Erst, wenn wir erkennen, dass Wir es sind, die unsere Realität Tag für Tag erschaffen durch die Emotionen, die wir fühlen und die Entscheidungen, die wir fällen, und unsere Emotionen und Entscheidungen meistern, sind wir wirklich frei.

Ändern wir unsere Emotionen, so ändern wir unsere Entscheidungen und das ändert ALLES.

Ja. Wieder in Polen zu sein, 180 Jahre später, immer noch diesen Antrieb zu verspüren, seit Jahren das gleiche Ziel wie damals zu verfolgen – nur eben anders… Es ist kaum in Worte zu fassen, wie dankbar ich dafür bin, jetzt wieder nach Polen „heimkehren“ zu können.

Es ist, als ob sich eine Zeitschleife schließt und endlich rund wird, ich einen verlorenen Anteil nach Hause hole.

ZWÖLF JAHRE ZUVOR

Manchmal stelle ich mir vor, ich hätte unendlich viel Zeit. Nur so zum Spaß.

Ach, was würde ich mit dieser Zeit alles machen!

Als erstes würde ich aufhören, mich damit zu stressen, dass ich nicht genügend Zeit habe, denn ich habe ja unendlich viel davon. Dann würde ich mir für alles, was ich gerne mache, viel mehr Zeit gönnen.

Ich würde meinen Stress und meine Hektik, die meinen Alltag bestimmen, erst mal in den Urlaub schicken.

Ich würde wieder Ausflüge mit meiner Familie machen, so wie früher. Ich würde mehr Bücher lesen, dabei in der Sonne liegen und nebenbei einen Saft schlürfen und am Strohhalm kauen.

Ich würde mit meinen Freundinnen öfter Kaffee trinken gehen und ratschen.

Ich würde wieder anfangen zu malen und zu träumen.

Oh, ich würde auf lange Reisen gehen und mir die Welt anschauen!

Denn endlich habe ich ja genügend Zeit, alle diese wundersamen Länder anzuschauen, die so anders sind als das Land, in dem ich selbst lebe. Ach wäre das spannend!

Und… ich würde einfach mal NICHTS tun. Mich einfach mal langweilen und es mir gönnen, mich langweilen zu können. Ach, ich würde mich so reich an Zeit fühlen!

Wie schön wäre es, eine Zeit-Multimillionärin zu sein!

Aber wie es so ist, habe ich ja leider nicht unendlich viel Zeit.

Genaugenommen haben wir Frauen im Durchschnitt ca. 90 Jahre Zeit und Männer etwas weniger, bevor der Sargdeckel zuklappt und damit ist unsere Zeit auch vorbei.

Aus die Maus. Ich habe nur dieses Eine Leben, diese Eine Chance, das war’s dann.

Also verbringe ich meine Zeit damit, meinen Alltag möglichst effizient zu planen, möglichst nichts zu verpassen, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit zu erreichen.

Meine Familie muss ich dabei oft vertrösten:„Ich kann leider nicht, ich habe keine Zeit!“

Es ist am leichtesten, die Familie hintenanzustellen, denn die meckern nicht sofort, im Gegensatz zu Chef und Arbeit.

Wehe, ich zeige nicht vollsten Einsatz, mache Überstunden, um zu zeigen wie wichtig mir die Arbeit ist, dann schwebt über meinem Kopf auch schon das Damokles-Schwert:

Chef unzufrieden

Kündigung

Kündigung

Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit

nicht genügend Geld

nicht genügend Geld

unbezahlte Rechnungen

unbezahlte Rechnungen

Leben auf der Straße

auf der Straße leben

Tod

Sterben will ich nicht, deshalb rackere ich mir lieber den Allerwertesten ab. Weil ich dazwischen aber auch noch meine Familie und Freunde sehen will, meinen Hobbies nachgehen will, bleibt eigentlich keine Zeit mehr übrig, um mich Zeit-reich zu fühlen.

Seltsame Logik? Mag sein, aber ich gebe zu, ich habe Angst vor dem Tod.

Vor dem absoluten Ende der Existenz. Vor dieser Endgültigkeit. Ganz egal, ob es meinen eigenen Tod, oder den eines geliebten Menschen angeht. Bumm, Ende, aus. Chance vertan.

Deshalb gilt mein ganzes Streben dem Besiegen des Todes.

Arbeiten, Geld verdienen, Einkaufen gehen. Je mehr ich besitze, desto mehr steht zwischen mir und dem Tod. Hoffe ich zumindest.

Eigentlich muss ich schon fast lachen, wenn ich mich so reden höre. Das ist so absurd! Aber ich kann nicht anders, dieses Gefühl ist mein Hauptantrieb für meinen Stress und meine Hektik und trotzdem kann ich ja nichts dagegen tun.

Den Tod kann ich nicht bekämpfen, er wird kommen.

Somit bleibt mir nichts anderes übrig, als in diesem Hamsterrad zu laufen, in dem ich dem Tod davonlaufen möchte. Bloß nicht stehen bleiben. Sonst sterbe ich.

DIE SCHAMANIN

Mittlerweile ist ein Monat vergangen, seit ich die Schamanin auf der Messe kennengelernt habe. Zweifel über die Richtigkeit meiner Entscheidung haben sich eingeschlichen und ich halte mich für verrückt an einem Seminar einer Schamanin teilzunehmen.

Die Anmeldung ist aber schon gemacht, das Geld überwiesen, der Urlaub eingetragen – also kein Grund einen Rückzieher zu machen. Es gibt nichts zu verlieren.

Ich schaue auf die Uhr – du meine Güte, bin ich überpünktlich! Die Fahrt auf der Autobahn war reibungslos gelaufen, so dass ich die extra Zeit, die ich für Stau einkalkuliert hatte, jetzt noch mit einem Brötchen und Kaffee beim Bäcker vertrödeln kann. Die halbe Stunde Wartezeit vergeht kläglich langsam, meine Ungeduld darüber, was mich jetzt wohl erwartet, möchte befriedigt werden und so beschließe ich, lieber vor der Haustüre zu warten als beim Bäcker aus dem Fenster zu starren.

Ich bin nicht die einzige, die so früh am Ort der Bestimmung ankommt. Als ich mit dem Auto um die Ecke biege, stehen vor der Haustüre des dreigeschossigen Wohnhauses bereits zwei Frauen und ein Mann, in ein Gespräch miteinander vertieft. Scheinbar gehören sie zu den Seminarteilnehmern.

Ich parke mein Auto an der Straße und geselle mich zu den Wartenden. Wir stellen uns einander vor und gleich fühle ich mich besser.

Ich bin nicht die Einzige, die sich für verrückt hält.

Und trotzdem sind wir alle hier. Neugierig und jeder mit seinem eigenen Paket auf dem Rücken, das er gerne loswerden würde. Voller Misstrauen und Hoffnung gleichermaßen.

Noch zwei weitere Frauen fahren vor. Wir sind also sechs Teilnehmer.

Etwa zehn Minuten vor Seminarbeginn fährt ein alter BMW vor und Anna-Maria steigt aus. Sie begrüßt uns herzlich und sperrt uns die Türe auf. Sichtlich gut gelaunt kommt sie gerade vom Frühstücken.

Das 3-Etagen Gebäude beinhaltet mehrere Wohnungen. Natürlich müssen wir bis hoch unters Dach. Die Wohnung, die wir jetzt betreten, hat etwas sehr Privates. Ich hatte mir die Location für ein Schamanen-Seminar wirklich anders vorgestellt. Ein spirituell erleuchteter Ort oder etwas dergleichen. Wenn ich überhaupt eine Ahnung davon habe, wie so etwas aussehen könnte. Das Einzige, was hier auf eine abgefahrene Tätigkeit hinweist, ist eine riesige Glaskugel, die auf einem Regal steht.

Auf meine Frage, wozu Anna-Maria diese Kugel benötigt, lachte sie auf. „Die ist zur Klischee-Erfüllung!“

Aha, jetzt muss ich auch lachen. Die Wohnung einer Schamanin hatte ich mir nicht so vorgestellt. Trotzdem ist es genau das, was mich beruhigt, mir das Gefühl gibt, bei jemandem zu sein, der den Boden nicht unter den Füßen verloren hat, der fest in der Realität unserer Zeit steht und nicht mit dem Büffelschädel auf dem Kopf um das Feuer tanzt.

Sechs Teilnehmer sind wir, mit Anna-Maria zusammen sind wir sieben Leute, die sich jetzt im Wohnzimmer aufhalten.

Erst wird das Geschäftliche erledigt. Jeder bekommt eine Quittung für seine Teilnahmegebühr. Dann zeigt uns Anna-Maria, wo wir uns mit Wasser, Tee und Kaffee, sowie Keksen und Schokolade versorgen können, dann setzen wir uns jeder auf einen der sechs im Halbkreis aufgestellten Stühle. Ich setze mich auf einen der mittleren Stühle.

Uns gegenüber steht ein weißer Sessel, auf dem es sich Anna-Maria gemütlich macht.

„Sooo… Hallo erstmal! Ich freue mich, dass ihr da seid!“ Sie lächelt uns an und schaut in die Runde.

„Als erstes möchte ich euch darum bitten, dass ihr euch vorstellt und erzählt, warum ihr da seid und was ihr euch von dem Seminar erhofft.“

Wie gut, dass ich in der Mitte sitze, dann kann ich erst mal zuhören, was die anderen so sagen.

Ich schaue mich kurz um. Unter uns Frauen ist nur ein Mann. Und ja, ich scheine hier die mit Abstand Jüngste zu sein.

Die Dame, die jetzt spricht, ist Nahe der 70, schätze ich sie. Doris heißt sie. Ich finde, sie trägt sehr schöne Kleidung. Alles ist farblich abgestimmt in einem altrosa, ein Seidentuch fällt locker um ihren Hals. Auch ihr Gesicht ist dezent geschminkt.

Sie ist eine sehr flotte und schicke Frau…

Sie erzählt von Herzproblemen und ihrem Ärztemarathon. Außerdem sei ihr Sohn Schamane und er habe ihr dazu geraten, doch auch mal so etwas zusätzlich zu machen. Sie freut sich sehr auf das Seminar – schließlich ist ihr Sohn begeistert von Anna-Maria. Da der Sohn leider die Mutter nicht behandeln kann – das stelle ich mir auch wirklich schwierig vor, wenn man so eng verbandelt ist! – ist sie jetzt also hier. Die tiefe Bewunderung für ihren Sohn ist deutlich zu vernehmen.

Doris ist sich so sicher, dass ihr das Seminar weiterhelfen wird. Wir, der zögerliche Rest, hört ihr geduldig zu.

Direkt rechts von mir sitzt eine Frau, ca. Anfang vierzig. Sie spricht als nächste vor. Ihr Name ist Angela. Sie hat lange, schwarze Haare, die als wilde Mähne nur durch ein Haarband gezähmt an ihrem Hinterkopf locker zusammengebunden sind.

Auch sie trägt geschmackvolle Kleidung, ein roter Pullover, der ihre gute Figur betont und dazu eine schwarze Hose. Mir fällt auf, dass ihre Fingernägel sehr gepflegt sind und beinahe an jedem ihrer Finger ein Ring steckt.

Ein körperliches Leiden hat sie nicht. Sie ist unglücklich und hat mit Depressionen zu kämpfen. Sie erhofft sich ein Ende dieses Jammertales. Auch sie ist war lange in therapeutischer Behandlung, hatte aber zum Schluss keine Fortschritte mehr gemacht, weshalb sie deprimiert abgebrochen hatte.

„Jetzt erhoffe ich mir hier Hilfe, einfach mal etwas anderes machen…“

Jetzt bin ich dran.

Ich stelle mich vor und erzähle von meiner Geschichte mit der chronischen Erkrankung und davon, dass ich in meinem Job ziemlich unglücklich bin, mich aber ziemlich gefangen fühle darin.

„Ich erhoffe mir von diesem Seminar Hilfe zur Selbsthilfe. Ich möchte die Kraft haben, diesen Job zu kündigen – aber innerlich auch die Anziehungskraft erwerben, dass ich mir einen besseren Job finde. Denn ich möchte nicht von einem Scheiß Job zum nächsten gehen. Die Erfahrung, dass einfach nur weggehen nichts bringt, habe ich nämlich schon gemacht. Seine inneren Probleme nimmt man leider mit.“

Ich merke, wie mein linker Nachbar mir bejahend zunickt. Er – Martin – ist als nächstes dran. Zwar hat er keine körperlichen Probleme – dafür hängt sein Ehesegen schief – aber er hat das gleiche Problem mit seinem Job. Allerdings hat er eher das Problem, dass er sich unterfordert fühlt.

Ich fühle mich dabei gleich wie zwei in einem Boot und bin erleichtert, mit meinem beruflichen Problem nicht allein zu sein.

Auch er hat schwarze Haare und ich würde ihn durchaus als attraktiv einstufen. Er ist etwa so groß wie ich, schlank und hat schöne Gesichtszüge. Ich schätze ihn um die vierzig und heimlich denke ich mir, dass er bei Frauen sicher gut ankommt.

Die Frau links neben ihm wirkt etwas verschlossen. Sie ist Mitte bis Ende dreißig und heißt Marlene. Sie hat braunes, glattes, schulterlanges Haar, durch das sich bereits graue Strähnen ziehen. Sie ist ungeschminkt, trägt einen alten, braunen Strickpulli, dazu eine einfache, braune Jeans.

Sie scheint nicht so viel Wert auf ihr Erscheinungsbild zu legen, denke ich mir.

Mit unbeteiligter Stimme erzählt sie davon, dass sie vor acht Jahren ihren Mann durch Krankheit verloren hat. Sie hängt seit Jahren in der Luft, nichts macht ihr Freude, in ihrem Beruf ist sie schon längst unglücklich gewesen, weshalb sie ihn gekündigt hat. Jetzt lebt sie seit drei Jahren von ihrem Ersparten, ist aber immer noch nicht glücklicher.

Ein Gefühl, als ob sie von einer grauen Dunstglocke umgeben ist, kommt in mir auf.

„Ich erhoffe mir, dass ich wieder Freude an einer Tätigkeit finden und mich beruflich neu orientieren kann.“

Also gehört auch sie zur Gruppe der „Beruf-Orientierenden“.

Die letzte Frau in der Reihe ganz links von mir wirkt quirlig und aufgeschlossen. Elisabeth passt sehr gut zu ihr, finde ich, sie ist auch etwa Mitte dreißig. Sie trägt ihre kastanienbraunen Haare in einem flotten Kurzhaarschnitt, lange Ohrringe baumeln neben ihrem schlanken Hals.

Sie erzählt in gut gelaunter Stimme: „Ja, ich bin auch zufällig hier, meine Freundin hat hier auch schon einmal teilgenommen und sie war so begeistert. Ich habe selbst die Veränderungen bei ihr gesehen und finde das ganz super! Also habe ich beschlossen, dass ich hier auch mitmachen will. Ich bin – wie ihr auch“, sie schaut zu uns herüber und lächelt. „ – in einer beruflichen Neuorientierung. Ich bin als Bürokauffrau eingestellt, aber das macht mir seit einigen Jahren schon keinen Spaß mehr. Ich weiß aber nicht, was ich sonst so machen soll. Ich merke aber, dass sich von selbst nichts tun wird, deshalb dachte ich mir, schaue ich mal, was mich eigentlich blockiert.“

Elisabeth ist mir auf Anhieb sympathisch.

Ich schaue mich in der Runde um – wir alle scheinen neben den einzelnen Nebenthemen zwei gemeinsame Hauptthemen zu haben: Berufliche Sinnsuche und depressive Stimmung.

Unsere Gruppe scheint sehr gut zusammenzupassen.

Ob das ein Zufall ist… frage ich mich. Oder doch das Gesetz der Anziehung…?

Naja, jedenfalls fühle ich mich hier einfach richtig am Platz, beschließe ich.

„Gut, dann erkläre ich euch jetzt, was wir heute machen und wie das Seminar funktioniert.“ Anna-Maria hat fleißig mitnotiert, welche Probleme und Zielsetzungen wir haben. Jetzt legt sie den Block zur Seite und holt einen Ordner hervor.

Auch nicht gerade Schamanisch, denke ich mir, aber was soll‘s!

Es ist scheinbar an der Zeit, meine Klischees fallenzulassen.

Sie ist wohl eine Schamanin, die mit der Zeit geht und heute verteilt ein Schamane auch Infoblätter, damit wir uns das Ganze besser merken können.

Auf der schwarz-weißen Kopie, von dem sie jedem von uns ein Exemplar in die Hand drückt, ist ein Mensch zu sehen. Auf diesem Menschen sind von Stirn bis Schambein sieben Punkte verteilt.

Darüber steht: „Die 7 Haupt-Chakren des Menschen“

Aha. Das sind also Chakren. Gehört habe ich ja davon schon, solche Bilder habe ich auch schon gesehen. Aber wie man damit arbeiten soll? Ich habe ja keinen Dunst davon.

Jedenfalls ist mir so ziemlich alles, was sie erzählt, neu und ich kann zumindest nicht behaupten, bei diesem Seminar nichts neues gelernt zu haben – und das bereits bei der Einführung.

Sieben Haupt-Chakren, Energiewirbel, besitzt der Mensch. In Indien kennt das jedes Kind. Hierzulande ist das eher Hokuspokus. Da ich aber bereits bei mehreren Kulturen unabhängig voneinander davon gelesen habe, habe ich irgendwann beschlossen, das nicht als bloßen Humbug abzutun, sondern hätte eher gerne tatsächliche Beweise für deren Existenz. Mit bloßem Auge kann ich sie ja nicht sehen – und offensichtlich der größte Teil der Menschheit auch nicht, sonst wäre es ja nicht so umstritten.

Aber da ich auch nicht jede Frequenz des Lichtes sehen kann, bzw. ich eigentlich nur die Reflektion eines Gegenstandes sehe, das ich als Leuchten definiere, halte ich die Existenz von Chakren auf alle Fälle schon mal für möglich.

Anna-Maria erklärt uns, dass jedes einzelne Chakra für verschiedene Lebens- / Gefühls- und Erlebensbereiche zuständig ist. Traumata aus dem jetzigen und aus vergangenen Leben…

Wie bitte?! Da habe ich mich jetzt aber gerade verhört, oder?! Vergangene Leben? Das ist aber nicht der Grund, warum ich hier bin!

…seien in diesen Chakren abgespeichert, vergleichbar einer Festplatte aus Licht. Diese Chakren sind die Tore, durch die unsere Seele den Körper bewohnt.

Aahhaa... Seele… Körper… Wie auch immer, wenn ich hier einen Beweis für die Existenz bekomme, dann will ich auch gar nicht länger misstrauisch sein!

Mein Inneres sehnt sich längst nach dem Wissen – und nicht dem bloßen Glauben – dass ich mehr als nur ein Körper bin. Dass ich auch eine Seele habe – oder bin. Dass es etwas Größeres gibt als den Menschen, die Erde, das Universum – und dass ich kein Zufallsprodukt bin, sondern hier eine Aufgabe zu erfüllen habe.

Aber bitte – naiv einfach glauben, das will ich auch nicht. Wir sind im Zeitalter der Beweisführung angekommen. Also her mit den Beweisen!

Anna-Maria erklärt uns, dass wir mittels einer Tiefenentspannung zu den Chakren reisen werden und die Traumata dann dort lösen.

Wie auch immer, Lady! Lass uns loslegen!

Nach weiteren Erklärungen fangen wir endlich an.

„Wir fangen bei unserem Wurzelchakra an. Das sitzt ganz unten bei unserem Wirbelsäulenfortsatz. Dieses Chakra ist für unsere Triebe, auch unseren Antrieb zuständig.“

Anna-Maria erklärt uns, da es unser Basis-Chakra ist, ist es auch für unser Urvertrauen zuständig. Ähnlich wie bei einem Gebäude, ist es unser Fundament, auf dem wir aufbauen. Kommt es hier zu Störungen, haben wir Schwierigkeiten, Vertrauen ins Leben zu fassen und unser Antrieb ist gehemmt.

Sie blickt auf. „Seid ihr bereit?“

Wir nicken. Ich bin gespannt, wie das jetzt funktionieren soll!

Anna-Maria leitet uns an, unsere Augen zu schließen. In einer Art Traumreise führt sie uns zu in einen Zustand der Tiefenentspannung und wir reisen mit unserem inneren Auge jeder für sich zu seinem Wurzelchakra.

Zu meiner Überraschung tauchen Bilder von einem grauen, dunklen Raum auf. Anna-Maria weist uns an, bei diesen Bildern zu bleiben, bis wir dran sind. Einer nach dem anderen.

Als erstes beginnt wieder die Dame ganz rechts, Doris.

Sie sieht sich in ihrer frühen Kindheit. Ein Konflikt mit ihren Eltern. Sie war bei ihrer Großmutter aufgewachsen, weil ihre Mutter arbeiten musste.

Während Doris erzählt, versuche ich zu verstehen, wie es ihr geht.

Sie erscheint mir traurig zu sein, ich interpretiere die Situation so, dass sie sich wohl von ihrer Mutter ungeliebt gefühlt hat, da diese nie zu Hause war und keine Zeit für sie hatte.

Anna-Maria bittet sie jetzt, mit ihrem erwachsenen Bewusstsein in diese Situation zu gehen und Verständnis für ihre Mutter zu entwickeln.

Ihren Groll auf die Eltern soll sie loslassen und sich vorstellen, wie er aus ihr herausfließe.

Ich blinzle durch meine geschlossenen Augen und sehe, wie die Anspannung in Doris’ Gesicht nachlässt und zunehmend einer Entspannung weicht.

So einfach geht das!? Ich blicke zur Anna-Maria. Sie hat auch ihre Augen geschlossen.

Was sie wohl gerade macht? Irgendeine Art energetischer Arbeit?! Für einen solchen Konflikt hatte ich mehrere Sitzungen beim Psychotherapeuten gebraucht!

Auch meine zweite Nachbarin von rechts, Angela, hat einen frühen Kindheitskonflikt mit den Eltern aufzuweisen.

Auch wenn mir kein Blickwinkel des Verständnisses für beide Parteien einfällt, Anna-Maria findet ihn, weist sie darauf hin, hilft ihr und auch sie beginnt sich wieder zu entspannen.

Ich begreife nicht ganz, wie das jetzt funktioniert hat!

Jetzt bin ich dran. Ich erzähle von dem grauen Raum. Mehr sehe ich nicht.

„Schau doch mal genauer hin, wo ist denn dieser Raum?“

Der Raum wird deutlicher und auch ich befinde mich plötzlich in meiner frühen Kindheit, im Streit mit meinem Vater.

Wie ärgerlich, denke ich mir. Ich dachte, ich hätte schon alle Konflikte mit ihm gelöst!

Fast schäme ich mich dafür, immer noch einen versteckten Groll auf ihn zu haben. Aber es ist wie es ist.

Ich sehe mich also, wie ich als kleines Kind von vier Jahren zornig vor ihm stehe und mit einer Entscheidung von ihm (nämlich ins Bett zu gehen) nicht einverstanden bin. Ich finde es total ungerecht, dass er die Entscheidung treffen darf, was ich mache und was nicht. Papa reicht es irgendwann, er langt mir eine und das Geschrei ist natürlich perfekt. Cholerisch vor Zorn schreie ich noch lauter, bis ich fast keine Luft mehr bekomme.

Wie ungerecht! Wieso darf ich das nicht selbst entscheiden?!

Ich fühle mich total hilflos gegen den Großen.

Zu meiner Überraschung lacht Anna-Maria erst mal laut auf. Klar, für einen Zuschauer sieht das sicher lustig aus, wenn so ein kleines Kind dem Papa zeigt, was es davon hält, wenn es nicht selbst entscheiden darf. Besonders therapeutisch finde ich ihre Reaktion allerdings nicht.

„So, jetzt dehnst du dich mal aus und gehst aus dem kleinen Kind heraus. Spüre dich doch mal in deinen Vater hinein.“

Ich versuche es, in meiner Phantasie gehe ich aus der kleinen Cholerikerin heraus und spüre mich in meinen Vater ein. Er ist ganz schön erledigt nach der Arbeit und möchte einfach Ruhe haben. Das geht aber schlecht, wenn die Kleine auch noch spielen will.

„Spüre mal rein, liebt dich dein Vater?“

Was soll denn das jetzt?! Er hat mir soeben eine gescheuert! Natürlich NICHT!

In solchen Situationen habe ich bisher immer geglaubt, er liebt mich nicht. Trotzdem tue ich, wie mir geheißen wurde. Ich stelle mir wieder vor, dass ich geistig in die Haut meines Vaters schlüpfe.

Was würde ich spüren, wenn ich er wäre…?

Wie überrascht bin ich jetzt, als ich spüre, dass er mich trotzdem lieb hat! Er die harte Arbeit auf sich nimmt – auch wegen mir.

„So, wenn du das erkennst, kannst du dann akzeptieren, dass er jetzt seine Ruhe haben will?“ Mein Gesichtsausdruck muss Bände gesprochen haben.

Wieder bin ich überrascht, dass die kleine Cholerikerin in mir sich beruhigt. Es fällt mir jetzt leicht, den Zorn auf ihn gehen zu lassen. Auch ist das Gefühl der Ohnmacht besser – schließlich entscheide ich jetzt selbst, ins Bett zu gehen – ihm zuliebe.

So hilft mir Anna-Maria, diesen Groll ziehen zu lassen und auch ich merke, wie ich mich innerlich entspanne. Es fühlt sich hervorragend an...

In meinen Gedanken tausche ich die Köpfe meines Vaters und meines Chefs. Die Emotionen sind die gleichen.

Na, da haben wir’s mal wieder. Immer das Problem mit den Projektionen.

Kein Wunder also, dass ich mich immer mit meinem Chef zanke. Er erinnert mich immer wieder an meinen Vater – wo ich nicht selbst entscheiden durfte.

Trotzdem erscheint mir der Konflikt etwas zu klein, um schon die Wurzel des ganzen Übels gewesen zu sein.

Wie auch wir, haben die anderen Teilnehmer frühe Kindheitskonflikte aufzuweisen, die durch Verständnis und die Veränderung des Blickwinkels mitsamt einer Prise Liebe gelöst werden können.

Aha, so also funktioniert das! Und schon geht es in die zweite Runde.

Die Konflikte werden jetzt heftiger, Doris als die Älteste unter uns hat ordentlich mit sich zu kämpfen. Schließlich hat sie die deutsche Nachkriegszeit noch voll miterlebt. Ich empfinde Mitleid mit ihr. Trennung von der Mutter, aufgezogen von ihrer Großmutter, dann wieder zurück an die Mutter. Was für eine Hin und Her. Kein Wunder, dass sie sich so unsicher im Leben fühlt.

Doch Anna-Maria findet auch hier den Seelenplan und zu meiner Überraschung kann Doris damit auch diese Konflikte, sich ungeliebt zu fühlen, nun ablegen und versteht die Not ihrer Mutter. Kann sogar die Liebe dahinter annehmen.

Auch Angela neben mir hat keine leichte Kindheit gehabt – auch ihre Eltern haben seelische Verletzungen aus dem Krieg und taten sich deshalb hart, Liebe zu leben.

Ich beginne mit meinen Nachbarinnen mitzufühlen, fühle, wie sie sich verärgert, verletzt, gekränkt, zurückgewiesen fühlen und spüre, wie sich das Gefühl in Frieden, Vergebung, Geliebt Sein und Liebe verändert.

Ich bin wieder an der Reihe. Ich sehe nichts. Außer das Grau, das weiterhin die vorherrschende Farbe vor meinem inneren Auge ist, sehe ich gar nichts.

Aber Anna-Maria ist hartnäckig. „Schau genauer hin!“

Ich sehe immer noch nichts… Oder vielleicht doch! „Drei Steine verstopfen einen großen Abfluss“

Was auch immer das zu bedeuten hat.

Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals mit Steinen einen Abfluss am Boden verstopft zu haben und das in einem grauen Raum, dessen Größe der einer Schuhschachtel bis hin zu einer Kathedrale sein könnte.

„Dann nimm einen Stein in die Hand und frage ihn nach seiner Herkunft.“

„Er spricht nicht.“

„Frage ihn, wann er entstanden ist.“

Aha, also ist das eine Metapher. Ich beginne zu begreifen, worauf sie hinauswill.

„Es kommt nichts. Kein Alter, kein Jahr.“

„Frage nach, ob er in einem vorherigen Leben entstanden ist.“

Es rennt mir eiskalt den Rücken hinunter und ein Adrenalinstoß durchfährt mich.

Von vergangenen Leben war bisher aber noch nicht die Rede! Das ist doch verrückt!

Mein Unterbewusstes weiß es aber scheinbar besser, denn es antwortet eindeutig mit einem „Ja“.

„Dann schauen wir uns das Ganze mal an.“

Als ich kurz die Augen öffne und sie ansehe, sitzt sie gespannt auf ihrem Sessel, beide Beine leger auf der Sitzfläche, ihr Kinn auf ihrer Hand aufgestützt. Schamanisch sieht sie wieder gerade nicht aus, eher wie die Freundin, die mit mir gerade beim Kaffeetrinken den neuesten Tratsch besprechen will.

Kann das denn möglich sein… vergangenes Leben? Daran sollte sich mein Gehirn aber nicht erinnern können! Schließlich ist es doch erst ein viertel Jahrhundert alt!

Ich schließe meine Augen wieder und reise mit meinem Bewusstsein zu meinem Wurzelchakra.

Ich habe soeben beschlossen, alles für möglich zu halten – das hier ist einfach zu verrückt und trotzdem - fühlt es sich hilfreich an. Das ist alles, was ich brauche.

Ein bisschen verrückt ist das aber schon!

Die Bilder, die jetzt vor meinem inneren Auge auftauchen sind genauso klar und teilweise unklar, wie Erinnerungen an meine Kindheit.

„Ich sehe mich als junge Frau. Ich bin Deutsche.“

Soviel ist klar. Das bin ich auch jetzt. Trotzdem ist alles anders, meine Geschichte ist anders, mein Umfeld ist anders. Auch wirke ich eher klein und zierlich, als ich an mir herabblicke – was ich jetzt nicht bin. Heute bin ich überdurchschnittlich groß und habe ordentlich weibliche Rundungen aufzuweisen.

„Wo bist du denn?“

Vor mir taucht eine Landkarte auf, eine Pin Nadel deutet auf die Gegend um Leipzig. „Nicht weit weg von der polnischen Grenze.“

„Welche Zeit ist denn?“

Ich schaue mich um. Bilder einer teilweise zerstörten Stadt tauchen vor mir auf und dann trifft es mich wie ein Schlag: „Ich bin im 2.Weltkrieg!“

Panik überfällt mich schlagartig, während ich immer mehr in diese Bilder hineintauche, sie deutlicher werden und die Standbilder plötzlich zu einem Film werden.

„Ich verstecke mich in einem Schrank, ich bin Haushaltshilfe bei der Familie einem meiner Verwandten. Doch diese Familie wurde schon geholt. Ich bin die Letzte, die übrig geblieben ist.“

Ich breche in Schweiß aus.

Das ist doch irrsinnig?! Woher kommen diese Bilder?!

„Welche Nationalität hast du denn?“

„Ich bin Deutsche!“ Die Panik lässt sich kaum unterdrücken, obwohl ich weiß, dass ich das gerade nur in meinem Kopf erlebe, sind die Bilder gestochen scharf und die Emotionen fühlen sich viel zu echt an, als dass ich mich ihnen entziehen könnte.

Ich schaue an meinem rechten Arm hinunter. Ich trage eine Schärpe mit dem Judenstern um den Oberarm.

„Ich bin Jüdin...“

Während ich mich in meinem Schrank verstecke, kommen Männer über die große Haustreppe nach oben und durch die Türe. „Sie kommen mich holen!“

Todesangst durchfährt mich und ich beginne weinen. Natürlich begreife ich, dass das nicht jetzt passiert, trotzdem ist alles einfach so REAL!

„Hinter den Männern steht ein blonder Mann, den ich kenne. Er hat den anderen verraten, dass die Familie nicht komplett war. Jetzt sind sie zurückgekommen, um mich zu holen!“ Meine Todesangst raubt mir fast den Verstand. Ich fühle mich hilflos diesen Emotionen ausgesetzt, obwohl mein Verstand mir keine Erklärung liefern kann, was hier gerade passiert.

„Ich habe solche Angst vor dem Erhängt-werden!“ Ich spreche diesen Gedanken laut aus, während mir die Tränen über die Wangen strömen.

Anna-Maria nimmt aus der Packung Tempos einige heraus und drückt sie mir in die Hand.

„Alles halb so wild, das passiert doch nicht jetzt, sondern ist schon lange passiert.“ Ihre Stimme ist gelassen und offensichtlich hat sie so etwas schon öfter erlebt, denn sie scheint mein Drama, das ich gerade durchlebe, nicht aus der Ruhe zu bringen.

Machtlosigkeit, maßloser Zorn und Groll gegen diese Ungerechtigkeit, diese Verurteilungen und Angst vermischen sich in mir wie in einem großen Pulverfass.

„So, jetzt schaust du mal nach, wie du gestorben bist, erhängt haben sie dich nicht. Du bist sanfter gestorben.“ Mit ihrer Stimme sehr sachlich bleibend, als ob das Thema „Wie man gestorben ist“ ein Thema wäre, über das man beim Kaffeeklatsch spricht, fasst mir Anna-Maria an die Schulter.

Das beruhigt mich wieder etwas und ich kann den inneren Film wieder weiterlaufen lassen. Keine Zeit mir darüber Gedanken zu machen, woher sie das wissen will.

In der nächsten Szene meines inneren Erlebens sehe ich mich in einem Konzentrationslager. Um mich herum sind etwa 20 oder auch mehr Frauen und sie alle sind nackt. Ich sehe an mir herunter, auch ich bin nackt.

Wir stehen wie eine Horde ängstlicher Hühner in einem langen, dunklen Flur, wohl wie das Geflügel am Schlachthof ahnend, dass das nichts Gutes bedeuten würde – aber wir haben keine Gewissheit darüber. Man hat uns gesagt, dass wir uns duschen sollten. Doch es gehen Gerüchte um, dass dies keine normalen Duschen sind, sondern sie uns töten würden. Glauben kann ich es noch nicht. Ich hoffe und bange, wie all die anderen Frauen um mich herum, dass diese Gerüchte falsch sind.

Wir werden in den großen Duschsaal getrieben, wir schauen uns ängstlich um. Als die Duschen angehen, fallen um mich herum die ersten Frauen bewusstlos zu Boden. Auch ich breche zusammen, spüre nichts mehr, als große Erleichterung und sehe mich über meinem toten Körper schweben.

Ich bin wohl schon einmal gestorben, schießt es mir durch den Kopf. Dies scheint nicht mein erstes Leben zu sein.

Immer noch durchwühlen mich jetzt Ohnmachtsgefühle, Hilflosigkeit, Zorn und – sogar Hass. Aber nicht auf die Menschen, die mir das angetan haben, seltsamerweise. Es ist das Leben selbst, auf das ich große Abneigungen verspüre.

Wie kann das Leben nur so ungerecht sein? Wie kann es zulassen, dass der Mensch zu solchen Grausamkeiten fähig ist?

In Gedanken sehe ich den Wärtern in die Augen. Ich verspüre keinen Zorn auf sie.

Aber die Abneigung gegen das Leben selbst bleibt. Für mich ist es die Aneinanderreihung einer leidvollen Erfahrung nach der anderen. Der Zorn nichts dagegen tun zu können bleibt auch.

Die Hilflosigkeit darunter ist kaum auszuhalten.

Ich frage mich, wie mir Anna-Maria wohl dabei helfen kann, diese Emotionen aus mir herauszulassen und sie in Liebe und Frieden umzuwandeln. Es erscheint mir ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.

Immerhin, ich heule jetzt nicht mehr wie wild vor mich hin, in meinem „toten Zustand“ fühlt es sich erträglich an.

„Frag mal nach, wer entscheidet denn, ob du stirbst, oder lebst?“

Mein erster Gedanke schreit: Die anderen! Siehst du nicht, wie hilflos ich bin?!

Doch mein Unterbewusstes weiß es scheinbar besser. Es sagt: „Ich selbst.“

Ich bin erstaunt und verblüfft über diese – meine eigene! – Aussage.

„Ganz genau.“ Anna-Maria setzt sich wieder auf ihren Sessel. „Du, deine Seele entscheidet. Frag mal nach, ob sie dich nicht gefunden hätten, wenn du es nicht zugelassen hättest.“

Ich bin wieder im Schrank und mein Unterbewusstsein zeigt mir deutlich, dass ich in einer solchen Welt nicht mehr leben möchte. Ein Teil in mir will gefunden werden. Ich sehe keinen Sinn im Weiterleben.

„Es ist nicht nur das. Frage nach, ob du die Erfahrungen, die du machen wolltest in diesem Leben, gemacht hast und es damit Zeit war für dich zu gehen.“

Wieder erstaunt mich mein Unterbewusstes mit einem klaren „Ja“, das sich als Gefühl der großen Gewissheit durch meinen gesamten Körper ausbreitet. Ich entspanne mich zusehends, obwohl mein Kopf daraus noch keine rechte Erklärung basteln kann.

„Welche Erfahrung wolltest du denn machen?“

Ich rate herum. „Ich wollte mit meiner Familie sein, für sie da sein?“

„Nein, das war es nicht. Das war nicht der Grund. Frag nochmal ganz unten nach.“

Da meint sie wohl bei meinem Wurzelchakra.

Ein Wort taucht auf, dann ein ganzer Satz. „Ich wollte stärker werden…“

„Genau.“

Damit entspannt sich mein gesamter Körper – auch wenn der Kopf jetzt beinahe heiß läuft vor Fragen – aber ich genieße die Entspannung und beschließe, meine Erfahrung erst etwas setzen zu lassen, bevor ich sie mit Fragen bombardiere.

Die Hilflosigkeit fließt aus mir heraus und wird durch die Erkenntnis der Selbstbestimmung ersetzt. Macht über mein eigenes Leben…

Was bedeutet es dann, hat jeder alles selbst in der Hand?! Wieso geschieht dann Unglück? Wieso gibt es Grausamkeiten? Wenn wir das selbst entscheiden können…? Vielleicht ist die Entscheidungsebene aber tiefer als die Handlungsebene, so dass wir sie nicht in dem Maße bewusst mitentscheiden, wie ich mir das gerade vorstelle?!

Ok, ich kann meinen Kopf doch nicht so abschalten, aber wenigstens bleibt das glühende Gefühl erhalten, dass ich selbst über meinen Tod entscheide – oder zumindest meine Seele.

Die Erkenntnis, dass ich schon einmal gelebt habe und „wieder da“ bin, ist so seltsam, irgendwie schwer zu realisieren – und doch ist der Gedanke allein faszinierend!

Ich kann nicht sterben! Schießt es mir durch den Kopf. Wenn es immer weiter geht, warum habe ich dann eine solche Angst vor dem Tod?... Oder… muss ich vielleicht jetzt gar keine Angst mehr haben? … Habe ich denn jetzt noch Angst?... Hm… es fühlt sich ganz still an. Keine Angst weit und breit.

„Schau mal nach unten zu deinem Wurzelchakra. Was siehst du jetzt?“ Anna-Maria reißt mich aus meinen Gedanken.

Ich schaue in mich hinein und sehe eine hellweiße Wolke und darunter blitzt es rot. Ich schildere, was ich sehe.

„Schieb die Wolke zur Seite!“

„Ok… ich schiebe die Wolke weg und plötzlich wird alles um mich herum rot“, stelle ich fest.

„Prima!“ Anna-Maria scheint zufrieden mit sich und mir zu sein. Eine Art Zwischenziel scheine ich wohl erreicht zu haben.

“Was bedeutet das denn jetzt?” Will ich von ihr wissen.

„Das Weiß sind deine Gedanken. Das Rot ist die Farbe des Chakras, das du jetzt gereinigt vor dir siehst. Die Steine haben den Fluss deines Chakras beeinflusst. Jetzt sind sie weg, oder?“

„Stimmt!“ Auch die zwei kleinen Steine scheint es bei dieser Gelegenheit gleich mit weggerissen zu haben.

Als ich meine Augen öffne, um mir ein Glas Wasser zu holen (ich habe das Gefühl, völlig ausgetrocknet zu sein!), blicke ich in die Augen meiner zwei Nachbarinnen, die bereits dran waren in dieser Runde. Sie waren wohl genauso überrascht von dem „Ausflug in ein vergangenes Leben“, wie ich selbst. Sie hatten mit mir genauso mitgefühlt, wie ich vorher mit ihnen.

Puh, wenn das so weitergeht, dann haben wir alle heute Abend eine Mords-Achterbahnfahrt hinter uns!

Martin und Marlene und Elisabeth finden sich auch wieder in Kindheitserinnerungen, die aufgelöst werden. Wieder fühle ich mit, ich stelle mir vor, wie das wohl ausgeschaut hat, wie eine Art Kopfkino. Am Ende jedes Kinofilms wird jede Geschichte mit einer Auflösung beendet. Anna-Maria hilft jedem eine andere Sichtweise einzunehmen und eventuell sogar Liebe zu erkennen.

Nach dieser Runde ist dann endlich Mittagessen angesagt. Wir gehen alle gemeinsam zum Italiener und es ist Zeit genug, dass wir uns über unser „Erlebtes“ austauschen können.

Jeder von uns ist sehr berührt, nicht nur von den eigenen Erlebnissen, sondern auch mit denen der anderen. Wir durften schließlich alle sehr Privates teilen – und das obwohl wir uns alle vorher noch nie gesehen haben.

Mit Doris unterhalte ich mich als erstes. Sie ist durch ihren Sohn, den Schamanen, bereits sensibilisiert auf „vergangene Leben“ und so erzählt sie mir von ihm und wie sie selbst schon darauf gespannt ist, in eines ihrer vergangenen Leben zu reisen.

Die Eindrücke an mein „Erlebnis im 2. Weltkrieg“ verblassen bereits und ich beginne mich zu fragen, ob ich mir das nicht alles eingebildet habe. Doris dagegen ist überzeugt, dass es tatsächlich so war.

Anna-Maria kann ich erst mal nicht dazu befragen, sie wird gerade von den anderen mit Fragen belagert.

Also belasse ich es erst einmal dabei und wir beginnen uns am Tisch über unser „normales“ Leben zu unterhalten. Was wir beruflich machen, welche Hobbies wir haben. Ich möchte die anderen gerne kennenlernen und nicht nur von ihren „Traumata“ hören.

Doris finde ich sehr interessant. Im Hinblick was ich von ihrer Nachkriegskindheit in meinem Kopfkino schon gesehen habe, finde ich sie überaus positiv und optimistisch, voller Kraft und Zuversicht. Hätte ich mir ja nicht gedacht. Aber ihre Herzbeschwerden machen ihr schwer zu schaffen.

Unsere Mittagspause ist vorbei und ich bin ja schon sehr gespannt, wie es weitergeht. Wir spazieren gemeinsam zurück zur Wohnung und nach ein paar Keksen geht es auch schon wieder weiter.