Der Weg zum Doktortitel - Helga Knigge-Illner - E-Book

Der Weg zum Doktortitel E-Book

Helga Knigge-Illner

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Beschreibung

Wer Jahre seines Lebens der Doktorarbeit widmet, benötigt neben einem klar umrissenen Forschungsthema und fachlichem Know-how die richtigen Strategien, um die Dissertation zu organisieren. Neben Zeitmanagement, kreativem wissenschaftlichem Schreiben und überzeugender Präsentation spielen die Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle: Individualpromotion beim Doktorvater oder strukturierte Promotion im Graduiertenkolleg? Wie gelingt nebenberufliches Promovieren und Promovieren mit Kind? Helga Knigge-Illner erklärt die entstehenden Probleme und Hindernisse auf dem Weg zum Doktortitel. Anhand von Fallbeispielen und Übungen zeigt sie, wie diese gemeistert werden können. Die dritte, überarbeitete Auflage ist um viele neue Aspekte erweitert: die zunehmende Internationalität der Forschungskooperation, Auslandsaufenthalte während der Promotion, neue Promotionswege wie die »kumulative Promotion«, das Plagiatsproblem und wissenschaftliche Standards sowie die Vorzüge von Promotionscoaching.

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Helga Knigge-Illner

Der Weg zum Doktortitel

Strategien für die erfolgreiche Promotion

3., aktualisierte und erweiterte Auflage

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Wer Jahre seines Lebens der Doktorarbeit widmet, benötigt neben einem klar umrissenen Forschungsthema und fachlichem Know-how die richtigen Strategien, um die Dissertation zu organisieren. Neben Zeitmanagement, kreativem wissenschaftlichem Schreiben und überzeugender Präsentation spielen die Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle: Individualpromotion beim Doktorvater oder strukturierte Promotion im Graduiertenkolleg? Wie gelingt nebenberufliches Promovieren und Promovieren mit Kind? Helga Knigge-Illner erklärt die entstehenden Probleme und Hindernisse auf dem Weg zum Doktortitel. Anhand von Fallbeispielen und Übungen zeigt sie, wie diese gemeistert werden können.

Die dritte, überarbeitete Auflage ist um viele neue Aspekte erweitert: die zunehmende Internationalität der Forschungskooperation, Auslandsaufenthalte während der Promotion, neue Promotionswege wie die »kumulative Promotion«, das Plagiatsproblem und wissenschaftliche Standards sowie die Vorzüge von Promotionscoaching.

Vita

Dr. Helga Knigge-Illner ist Diplom-Psychologin und approbierte Psychotherapeutin sowie Autorin verschiedener Studienratgeber. Sie war bis zu ihrer Pensionierung wissenschaftliche Mitarbeiterin der Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologische Beratung der Freien Universität Berlin und arbeitet heute als Dozentin und freie Beraterin.

Inhalt

Vorwort zur dritten Auflage

Zum Inhalt der einzelnen Kapitel

1Welche Motivation braucht es? – Probleme in der Arbeits- und Lebenssituation erkennen und bewältigen

Die Lust zu promovieren und andere Beweggründe

Die Promotion – ein Sprungbrett in die Karriere?

Welche Motive braucht es noch?

Drum prüfe … – Hinterfragen Sie Ihre Motivation!

Der Doktorand als einsamer Einzelkämpfer – was die Arbeitssituation so belastend macht

Die freie Zeiteinteilung – ein Privileg mit Tücken

»Lebensabschnitt Promotion« – der Doktorand in der Gesellschaft

Die beruflichen Tätigkeiten von Doktoranden

Zum Lebensstandard von Doktoranden

Rolle und Selbstverständnis von Doktoranden

Trotz allem – Doktoranden stehen zu ihrem Vorhaben

Der Doktorand und seine Diss – eine spannungsreiche Beziehung

Das Verhältnis zu Doktorvater oder Doktormutter

Wie Doktoranden ihre Doktor-»Eltern« erleben

Erwartungen an den »Übervater«

Ablösung und Emanzipation

2Verschiedene Wege zur Promotion – neue Entwicklungen und Anforderungen

Die zwei Modelle des Promovierens

–Internationalisierung und Promovieren

–Die Plagiatsdiskussion und die Sicherstellung guter wissenschaftlicher Praxis

–Die kumulative Dissertation

Strukturiertes Promovieren – weniger Probleme? Graduiertenkollegs, Graduiertenschulen und Graduiertenzentren

Interview: Ein Einblick in das Innenleben eines Graduiertenkollegs

Vorteile und Nachteile des Promovierens in einem Graduiertenkolleg

Zufriedenheit der Promovierenden

Welche Struktur passt zu Ihnen?

Weitere Tipps

Internationalisierung und Promovieren – Wie organisiert man Auslandsaufenthalte?

Fördermöglichkeiten und Programme

Ein Überblick über die Fördermöglichkeiten der Europäischen Union

Der binationale Doktorgrad

Kommt für mich ein Auslandsaufenthalt infrage?

Wie beginnt man seine Recherche?

Welche formalen Voraussetzungen sind zu beachten?

Ausländer sein in einem fremden Land

Plagiate und die Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis

Kumulative Dissertation – eine geeignete Alternative?

Bedingungen der Lebenssituation

Promovieren mit Kind

Wie gelingt das Promovieren mit Kind?

Geplante Baby-Phase mit Promotion

Einstellungen zum Thema »Promovieren mit Kind«

Fragen zur Entscheidung über den Kinderwunsch

Empfehlungen an werdende Eltern

Promovieren neben dem Beruf

Dazu einige Empfehlungen:

Fazit: Wie Sie sich wappnen können – Strategien, die weiterhelfen

3Die Doktorarbeit »managen« – zwischen Zeitmanagement und Selbstorganisation

Vom Leid mit der Zeit – warum die Diss oft Jahre verschlingt

Die Sache anpacken – vom Vorhaben zum Arbeitsprojekt

Projektplanung und Projektmanagement

Erste Schritte der Projektplanung – ein Überblick über die einzelnen Phasen

Das Formale klären – Hinweise zum Organisatorischen

Die Finanzierung des Projekts – Wissenschaftliche Mitarbeiterstelle oder Stipendium?

Links zur Recherche

Das Wichtigste: die eigenen Ziele

Realistische Arbeitsplanung und Zeitmanagement

Der allgemeine Plan

Der Wochenplan

Nur nicht abschrecken lassen! – Annäherung an das Zeitmanagement

Das Wochenprotokoll als Einstieg ins Zeitmanagement

Ergebnisorientiert arbeiten

Das Controlling der Promotion

Tipps für den Arbeitsalltag

Fazit: Gutes Selbstmanagement ist gefragt!

Exkurs: Promotionscoaching hilft Probleme bewältigen

Warum ein Coaching für Promovierende?

Probleme, die zum Coaching-Wunsch führen

Das Konzept des Promotionscoachings

Wie findet man einen Promotionscoach?

Die Vorgehensweise im Coachingprozess

Explorierendes Gespräch

Empfehlung von Strategien zur Verhaltensänderung

Rollenspiele und Übungen

Vertiefende therapeutische Gespräche

Begleitende Funktion

Ein Gruppencoaching für die Arbeitsprobleme von Promovierenden

Zielsetzungen des Doktoranden-Workshops

Problemzentriertes Promotionscoaching – einige Fallbeispiele

4Erste Schritte des Projekts – Thema und Literatur in den Griff bekommen

Themensuche und Themenwahl

Was man bei der Themenwahl vermeiden sollte

Woran erkennt man ein »gutes« Thema?

Themensuche – Schritt für Schritt

Sich ein Thema geben lassen

Das Thema bestimmen und eingrenzen

Das Exposé

Bestandteile eines Exposés

Literaturauswertung – Lesen mit Ergebnis

Empfehlungen zum ökonomischen Lesen

Literaturverwaltung – die elektronische Kartei

Meinungen zur Anwendung der Literaturverwaltungssoftware

Links:

Fazit: Zeitlimits als Selbstkontrolle

5Wissenschaftliches Schreiben als lebendiger Prozess – Schreibprobleme überwinden

Lust und Last des Schreibens

Das kognitive Modell des Schreibens

Schreiben und Persönlichkeit – die subjektive Seite

Das kreative wissenschaftliche Schreiben

Techniken des kreativen wissenschaftlichen Schreibens

»Free Writing« – Freies assoziatives Schreiben

Freie Assoziationen

Rapid Writing – Schnelles Schreiben

Das Clustering oder Clustern

Das Mind Mapping

Wissenschaftliches Schreiben lebendig gestalten

Was macht einen Text »wissenschaftlich«?

Wissenschaft als kreative Leistung

Wissenschaftliches Schreiben und Gefühle

Schreibübungen

Verschiedene Textversionen schreiben

Klären durch Er-klären

Für verschiedene Adressaten schreiben

Argumente finden – Pro-Kontra-Übung

Einen eigenen Standpunkt beziehen

Schreiben in der Ich-Form

Aus unterschiedlichen Gefühlslagen schreiben

Sich Gefühle von der Seele schreiben

Ergebnisse kreativ vorwegnehmen

Schreibbarrieren überlisten

Einstellungen und Beziehungen schreibend auf die Spur kommen

Mit Schreibbarrieren in Kontakt treten

Schreiben mit Stift oder PC?

Den Schreibprozess anpacken und gestalten – weitere Tipps

Schreiben in verschiedenen Arbeitsphasen

Strukturierendes Schreiben – gliedern und ordnen

Erste Rohfassung in einem Zug schreiben

Die Rohfassung ausarbeiten

Die Rohfassung überarbeiten

Feedback in der Überarbeitungsphase

Zum Umgang mit Kritik

Der Doktorvater als Feedback-Geber

Der Eintritt in die Scientific Community will geplant sein!

Dazu folgende Empfehlungen:

6Zum krönenden Abschluss: Präsentation und Publikation

Präsentation und Selbstpräsentation

Zum Ende kommen – Tipps für die Schlussphase

Übungen zur Selbstbestärkung und Selbstbehauptung

Schreibübungen

Bulletin oder Presseinformation herausgeben

Vorzüge der Arbeit ins rechte Licht rücken

Eine positive Rezension schreiben

Einen Brief an die Scientific Community schreiben

Positive Argumente für verschiedene Rollen sammeln

Rollenspiele – verschiedene Perspektiven einnehmen

Ihr Doktorvater hält eine Lobrede auf Sie

Die beiden Gutachter der Arbeit treffen sich

Journalist interviewt Forscher

Schlüpfen Sie in die Rolle Ihrer Diss

Präsentationsübungen im Alltag

Vorbereitung auf die Disputation

Die häufigsten Mängel beim mündlichen Vortrag

Grundprinzipien der Vortragsgestaltung

Lebendiger Kontakt zum Publikum

Einsatz von Medien

Auf Fragen eingehen

Lampenfieber und Prüfungsangst

Die Phase »danach« – die Veröffentlichung und die weitere Perspektive

Die Veröffentlichung

Folgende Möglichkeiten kommen in Frage:

Zeit sinnvoll überbrücken – Werbung für die Dissertation

Die weitere Perspektive

Literatur

Vorwort zur dritten Auflage

In Deutschland wird erstaunlich viel promoviert: Pro Jahr werden rund 25 000 Promotionen erfolgreich abgeschlossen. Damit liegt Deutschland im Verhältnis zu den Einwohnern an der Spitze der europäischen Länder und der USA. Fast jeder fünfte Hochschulabsolvent strebt den Doktortitel an (Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2013). Was motiviert Menschen dazu, sich vier bis fünf Jahre lang auf ein Promotionsprojekt einzulassen, das bekanntermaßen nicht leicht zu bewältigen ist? Liegt der Anreiz im Doktortitel, der soziales Ansehen und eine aussichtsreiche Karriere verspricht? Oder ist es die Wissenschaft selbst, die den Geist zu diesem Projekt herausfordert? Auf diese Fragen geben Interviews mit Doktoranden, die nach ihren Motiven befragt wurden, in diesem Buch Antwort.

Als reizvolle Aufgabe mag das Promovieren zu Beginn des Projekts erscheinen. Später, im weiteren Verlauf des Arbeitsprozesses, treten jedoch die Belastungen in den Vordergrund und führen dazu, dass das Promovieren als ein »hartes Geschäft« erlebt wird: Denn es fordert einen ganz, bringt viel Stress mit sich, ist sehr langwierig und führt an die Grenzen des Selbstbewusstseins. Um das Ziel trotzdem zu erreichen, braucht es eine starke und anhaltende Motivation.

Dieses Buch will nicht nur ein besseres Verständnis der Probleme von Promovierenden ermöglichen, sondern Ihnen auch die Einstellung vermitteln, dass viele Schwierigkeiten zu überwinden oder abzuwenden sind. Dazu ist es insbesondere notwendig, mit nüchterner Reflexion und adäquaten Handlungs- und Arbeitsstrategien an das Projekt heranzugehen. Solche hilfreichen Strategien, die ich in meiner Beratungstätigkeit mit Promovierenden – in Form von Workshops, Einzel- und Gruppencoachings – mit Erfolg erprobt habe, möchte ich Ihnen als Rüstzeug an die Hand geben. Sie sind gleichfalls geeignet, Ihre Arbeitsmotivation und auch die Lust an der Sache zu fördern.

Damit Sie wissen, welche Probleme auf Sie zukommen können, werden Sie anhand von zahlreichen Fallbeispielen und Berichten Genaueres über die Nöte der Doktoranden erfahren: Zum Beispiel über ihre Angst vor dem Schreiben, die mitunter Schreibblockaden hervorruft, ihre Unsicherheit bei einsamen Entscheidungen über die richtige wissenschaftliche Vorgehensweise und ihr häufig problematisches Verhältnis zu Doktorvater oder Doktormutter.

Manche der Probleme werden durch institutionelle Bedingungen hervorgerufen – durch die formalen und qualitativen Anforderungen an die Dissertation, die Art der Betreuungsstruktur beziehungsweise deren Wahrnehmung durch die persönlichen Betreuer –, aber auch durch die besondere Lebenssituation von Doktoranden in unserer Gesellschaft. Auch diese wichtigen Bedingungen wird das Buch in den Blick nehmen. Andererseits sind es spezielle psychische Konstellationen, die Promovierende anfällig machen für Belastungen durch ihre Doktorarbeit: ihr meist sehr hohes Ego-Involvement und ihre fast immer spannungsreiche emotionale Beziehung zu ihrer »Diss«. Mit anderen Worten: Die Anforderungen des Promotionsprojekts treffen auf ein sensibles Ich, das sich schwer tut, die äußeren wie auch die inneren Maßstäbe zu erfüllen. Aus diesem Wechselspiel entwickelt sich die Brisanz der Probleme. Wenn Sie gerade eine Promotion planen, wird diese Betrachtung Ihnen helfen, im Voraus einzuschätzen, was da auf Sie zukommt: Dann können Sie sich entsprechend wappnen. Wenn Sie bei der Lektüre zu dem Schluss kommen, dass Sie sich lieber nicht darauf einlassen wollen, dann ist es womöglich auch besser so. Falls Sie gerade »mittendrin« stecken, hilft das Buch Ihnen vielleicht zu verstehen, warum Sie mit Ihrer Diss solche Schwierigkeiten erleben. Es kann sicher auch tröstlich sein zu erfahren, dass ein Großteil Ihrer Probleme ganz normal ist und andere Doktoranden Ähnliches durchmachen! Aber Sie erfahren auch, wie Sie es besser machen können!

Durch Reformen des europäischen Wissenschaftssystems haben sich an den Universitäten auch die Betreuungsstrukturen für Doktoranden seit den neunziger Jahren verändert. Die Neuauflage nimmt Bezug auf diese aktuellen Entwicklungen. Mit den verschiedenen Formen der »strukturierten Promotion« eröffnen sich neue Wahlmöglichkeiten: Doktoranden können selbst entscheiden, ob sie die traditionelle Form der sogenannten Individualpromotion – nach dem Meister-Schüler-Modell – bei ihrem ausgewählten Professor wählen oder einem Graduiertenkolleg beziehungsweise einer Graduiertenschule den Vorzug geben und damit im Rahmen eines kooperativen Forschungsprojekts an ihrer Dissertation arbeiten.

Kapitel zwei dieses Buches, das durch neue Themen wesentlich erweitert wurde, stellt die verschiedenen Wege vor, die zur Promotion führen, und macht deutlich, dass auch mit den strukturierten Programmen besondere und erweiterte Anforderungen an die Doktoranden gestellt werden: So zum Beispiel die frühzeitige Integration in die wissenschaftliche Gemeinde und die Weiterbildung in wissenschaftlicher und sozialer Kompetenz.

Als neues Thema werden auch die Anforderungen betrachtet, die infolge der zunehmenden Internationalisierung der Wissenschaft auf Doktoranden zukommen: die Organisation von Auslandsaufenthalten, die Kooperation mit internationalen Forschern und die Bildung von Netzwerken. Diese neuen Anforderungen sind Herausforderung und Chance zugleich, frühzeitig an der wissenschaftlichen Karriere zu arbeiten.

Ein weiterer, neu bearbeiteter Aspekt geht von der vieldiskutierten Entdeckung von Plagiaten in Doktorarbeiten von bekannten Politikern aus. Vertreter der Scientific Community trafen Maßnahmen zur »Sicherstellung guter wissenschaftlicher Praxis«, mit denen sich Doktoranden vertraut machen sollten. Sie sollten die verschiedenen Arten des Plagiierens kennen und Vorsichtsmaßnahmen treffen, denn manche Plagiate entstehen auch unbeabsichtigt.

Eine – zumindest in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern – neue Form der Promotion stellt die kumulative Dissertation dar, die es erlaubt, eine Reihe eigener, bereits publizierter Artikel zur Anerkennung als Promotionsschrift einzureichen. Das mag ein schnelleres Vorankommen ermöglichen, wenn man frühzeitig mit dem Publizieren begonnen hat. Zu diskutieren sind aber auch die Hindernisse und Nachteile dieser Promotionsmöglichkeit.

Am Ende des dritten Kapitels findet sich als ein weiteres neues Unterkapitel der Exkurs »Promotionscoaching hilft Probleme bewältigen«. Er beschreibt die Probleme, die zum Gegenstand von Coachings werden können, und führt dessen Arbeitsweise und Wirkungen anhand von Fallbeispielen und Berichten vor Augen. Sollten Sie selbst bei Ihrer Arbeit in Schwierigkeiten geraten, die Sie allein nicht meistern können, wird Ihnen dieses Kapitel helfen, sich entsprechende Unterstützung zu suchen.

Zum Inhalt der einzelnen Kapitel

Im Fokus des ersten Kapitels stehen die Arbeits- wie auch die Lebenssituation von Doktoranden und deren Belastungsfaktoren und Defizite. Der Blick richtet sich auf den »einsamen Einzelkämpfer am Schreibtisch« wie auch den Prozess der psychosozialen Entwicklung des Promovenden. Viele Fallbeispiele beleuchten die spannungsreiche Beziehung des Doktoranden zu seiner Diss und das häufig problemgeladene Verhältnis zu Doktorvater und Doktormutter.

Im zweiten Kapitel werden die zwei Grundmodelle des Promovierens – die Individualpromotion und das strukturierte Promovieren – und deren Varianten vorgestellt und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile diskutiert. Gefragt wird dann, welche Chancen und Anforderungen sich aus neueren Entwicklungen wie der internationalen Kooperation der Wissenschaftler und der Möglichkeit der publikationsbasierten Promotion herleiten. Darüber hinaus wird auf das Problem des Plagiierens und empfehlenswerte Gegenmaßnahmen eingegangen.

Die weiteren Kapitel werden Ihnen in sehr konkreter Weise Strategien an die Hand geben, mit denen Sie die gefährlichsten Klippen umschiffen und Ihre eigenen Kräfte optimal nutzen können:

Die Strategie des Zeit- und Projektmanagements im dritten Kapitel soll Sie dazu motivieren, bewusst und ökonomisch mit Ihrer Zeit umzugehen und aus Ihrem Promotionsvorhaben ein realisierbares Projekt zu machen. Eine Reihe von Tipps soll Sie dazu anregen, Ihren Arbeitsalltag so zu gestalten, dass Ihre Arbeitsfreude erhalten bleibt.

Das vierte Kapitel behandelt die Arbeitsschritte des Projekts, mit denen Sie das Dissertationsthema und die Literatur in den Griff bekommen. Themensuche, Eingrenzung des Themas und die Anfertigung eines Exposés sowie Strategien effizienter Literaturbearbeitung und Literaturverwaltung stehen dabei im Mittelpunkt.

Kapitel fünf soll Ihnen die Anforderungen wissenschaftlichen Schreibens deutlich machen und Ihnen vielfältige kreative Übungen an die Hand geben, die die Arbeit an der Diss spannender machen können und Schreibprobleme verhindern und überwinden helfen.

Das letzte Kapitel soll Sie auf die mündliche Präsentation vorbereiten und Sie ermutigen, Ihre Arbeitsergebnisse frühzeitig vorzutragen. Die vorgeschlagenen Übungen fordern Sie dazu heraus, Ihre eigene Position zu beziehen und sie argumentativ zu verteidigen. Weitere Empfehlungen zeigen Ihnen, wie Sie sich für die Disputation rüsten können und Ihren Vortrag gestalten können. Abschließend wird auf die Phase »danach«und die verschiedenen Möglichkeiten der Veröffentlichung eingegangen.

Abschließend möchte ich zur Sprachregelung anmerken: Ich verwende aus sprachökonomischen Gründen die Bezeichnung Doktoranden und meine damit selbstverständlich Doktorandinnen und Doktoranden. Es widerstrebt mir, das verkürzende und schwer lesbare Wortungetüm »DoktorandInnen« zu benutzen. Aus stilistischen Gründen – zum Beispiel, um eine Charakterisierung prägnanter zu machen – spreche ich auch manchmal von dem Doktoranden und verwende die männliche Form als Repräsentanten für die »Spezies« der Promovierenden. Ich hoffe, dass meine Geschlechtsgenossinnen mir dies nicht übel nehmen. Bei den Bezeichnungen Professor und Betreuer der Doktorarbeit gebe ich ebenfalls der Sprachökonomie den Vorrang und setze voraus, dass beide Geschlechter einbezogen sind. Den Begriff Doktorvater habe ich bei der Schilderung der besonderen Beziehung zwischen Gutachter und Doktorand bewusst bevorzugt und generalisierend verwendet, da er das patriarchalisch-autoritär geprägte Verhältnis, das auch die Beziehung zur Doktormutter beeinflusst, trefflich wiedergibt.

Helga Knigge-Illner

Berlin, im April 2015

1Welche Motivation braucht es? – Probleme in der Arbeits- und Lebenssituation erkennen und bewältigen

Was treibt Doktoranden an zu promovieren? Ist es die Aussicht auf den Glanz des akademischen Titels vor dem Namen? Oder die Hoffnung, sich selbst auf diese Weise eine wissenschaftliche oder sonstige berufliche Karriere zu eröffnen? Oder gibt es vielleicht noch ganz andere Motive? Das Interesse an der Sache selbst oder ganz persönliche Beweggründe, wie beispielsweise den Drang, sich selbst zu beweisen, dass man zu Größerem fähig ist? Es lohnt sich, diese Motive genauer in den Blick zu nehmen, denn es gilt zu bedenken, dass das Promovieren keine leichte Sache ist. Im Gegenteil, das Projekt Doktorarbeit verlangt dem Doktoranden eine Menge ab: außer der nötigen intellektuellen Kompetenz einen hohen Arbeitseinsatz und große Ausdauer, denn eine Doktorarbeit zu verfassen, ist mitunter ganz schön langwierig und mühsam. Dafür braucht man ein gehöriges Maß an Motivation und verschiedene Motivationsquellen. Sich in die Wissenschaft zu vertiefen, einer eigenen Forschungsfrage nachzugehen und schließlich ein eigenes kleines Werk vorzulegen, enthält jedoch auch reizvolle Momente und ist eine positive persönliche Herausforderung. Deshalb sollten Sie Ihre eigenen Motive überdenken und prüfen, ob Sie auch für das gesamte Projekt Promotion die nötige Motivation mitbringen.

Anschließend betrachten wir die Arbeits- und Lebenssituation von Doktoranden. Wenn Sie sich rechtzeitig in diese Lage hineindenken, können Sie im Voraus abschätzen, was möglicherweise auf Sie zukommt, wenn Sie sich zu einer Promotion entschließen. Falls Sie bereits an Ihrer Dissertation arbeiten, werden Sie nach der Lektüre besser verstehen, warum Sie manchmal so sehr unter Ihrer Situation leiden und warum das Arbeiten Ihnen zeitweise so schwer fällt. Dieses Buch unterstützt Sie dabei, so manche Klippe zu umschiffen und zeigt Ihnen, wie Sie Defizite kompensieren können.

Die Arbeitssituation des Doktoranden erscheint vielen zunächst sehr verlockend, weil sie die Freiheit bietet, sich die Zeit selbst einzuteilen und sich völlig den eigenen wissenschaftlichen Interessen zu widmen. Die Kehrseite ist jedoch, dass man allein und ganz auf sich gestellt am Schreibtisch arbeitet und wenige Möglichkeiten hat, sich mit anderen auszutauschen. Manche Doktoranden verlieren sich dabei in Selbstzweifeln, Ängsten und Unsicherheit. Ihnen fehlt es an aufmunterndem Feedback und konstruktiver Kritik von Kollegen, und häufig wünschen sie sich eine intensivere Unterstützung durch ihren Betreuer.

Viele fühlen sich damit überfordert, ihre Arbeitsmotivation ohne fremde Hilfe aufrechtzuerhalten und die häufigen Schwankungen des Selbstwertgefühls auszugleichen. Ein Ausweg für sie besteht jedoch darin, sich aktiv um Unterstützung und Kooperation zu bemühen.

Abgesehen von dem langwierigen Arbeitsprozess des Promovierens ist aber auch der Lebensabschnitt an sich belastend. Der Doktorand macht in dieser Phase einen psychosozialen Entwicklungsprozess durch, der ihn dazu zwingt, seine Identität zu überdenken. Durch die Promotion rücken traditionelle soziale Rollenaufgaben wie Familiengründung, berufliche Festlegung und gesellschaftliche Etablierung meist in den Hintergrund. Die beruflichen Tätigkeiten, die ihnen offenstehen, bringen relativ wenig oder nur widersprüchlichen Statusgewinn ein: der gering entlohnte Dozent, der Doktorand mit einfachen oder wechselnden Jobs, der noch in Ausbildung befindliche Wissenschaftliche Assistent auf Zeit. Was der Doktorand in Bezug auf seine Arbeit an der Diss leistet, ist für Außenstehende schwer einzuschätzen und wird daher kaum angemessen gewürdigt.

Die Analyse wird deutlich machen, dass Doktoranden trotz mangelnder gesellschaftlicher Anerkennung ein klares und starkes Identitätsgefühl besitzen, das sich auf den Wert ihrer wissenschaftlichen Arbeit und die damit verbundene schöpferische Leistung stützt. Persönlicher Ehrgeiz, starke Gefühle und hohe Ansprüche an sich selbst prägen das Verhältnis des Doktoranden zu seiner Diss, führen aber auch leicht zu Schwankungen des Selbstwertgefühls.

Abschließend wird die Beziehung zum Doktorvater beziehungsweise der Doktormutter in den Brennpunkt gerückt. Sie gestaltet sich in der Regel nicht konfliktfrei. Es wird erörtert, wie man sich aus der Abhängigkeit vom Urteil dieser Autoritätsfigur emanzipieren kann, um einen eigenen wissenschaftlichen Standpunkt zu beziehen.

Die Lust zu promovieren und andere Beweggründe

Gibt es eine Lust zu promovieren? Man könnte auf diesen Gedanken kommen, wenn man liest, dass in Deutschland viel promoviert wird, mehr als in anderen europäischen Ländern und auch als in den USA. Laut Statistischem Bundesamt (2013) sind es etwa 25 000 pro Jahr; im Jahr 2011 waren es sogar fast 27 000. Das bedeutet etwa 2,5 Prozent der Bevölkerung besitzen einen Doktortitel, der OECD-Durchschnitt liegt nur bei 1,5 Prozent. Vereinfacht ausgedrückt: Bei Hundert Leuten, denen wir begegnen, treffen wir auf zwei oder gar drei Doktorinnen und Doktoren.

Was ist so reizvoll an der Vorstellung zu promovieren? Ist es das Wort selbst, das ja im ursprünglichen Sinn eine »Beförderung« verspricht, den Aufstieg in eine höhere Position oder auch den Gewinn an gesellschaftlichem Status? Der Herr Doktor, insbesondere im weißen Kittel, genießt nach wie vor ein hohes Ansehen in der Bevölkerung. Der Doktortitel zeichnet – so hieß es früher – den »Gelehrten« aus, der in der Wissenschaft bewandert ist. Heutzutage würde man eher von promovierten Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen sprechen. Mit der Promotion verbindet sich aber auch die Nähe zur Wissenschaft schlechthin, und Wissenschaft besitzt per se in unserer Gesellschaft einen hohen Wert. Das Eintauchen in die Wissenschaft entfacht die Neugier des Forschens, die Lust an der Auseinandersetzung mit Theorien, das Gewinnen von neuen Erkenntnissen. An die Wissenschaft angenähert hat man sich zwar schon während des Studiums und besonders beim Examen, aber es bleibt das Gefühl, nicht viel mehr als die Grundlagen und bestenfalls das wissenschaftliche Handwerk erlernt zu haben. Bei der Promotion geht es um mehr: um die eigene kreative Forschungsleistung, und das eigene – wenn auch kleine – wissenschaftliche Werk – möglichst in Buchform. Der Doktorgrad verleiht einem erst die höheren Weihen des Wissenschaftlers und Forschers!

Das mag die eine Seite der Attraktion des Promovierens sein. Der andere viel nüchterne Aspekt ist die Frage nach dessen Nutzen und Gewinn. Den Anreiz zu promovieren sehen viele darin, ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, den Doktortitel als Sprungbrett in die Karriere zu nutzen. Strebt man eine Stelle an der Hochschule oder in der Forschung an, so ist die Promotion eine selbstverständliche Voraussetzung. Aber als Promovierter kann man sich auch eine anspruchsvollere und höher dotierte Tätigkeit in anderen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft erhoffen: Eine Kunsthistorikerin verspricht sich zum Beispiel bessere Chancen für die Leitung eines Museums, ein promovierter Jurist für die Leitung der Rechtsabteilung eines Unternehmens oder den Eintritt in eine renommierte Kanzlei.

Die Promotion – ein Sprungbrett in die Karriere?

Ein Blick auf die Realität der Statistik bestätigt diese hoffnungsvollen Erwartungen: Studien zum Berufsverlauf und -erfolg (vgl. Enders und Bornmann 2001; BuWiN 2008; Briedis 2011 und 2012) machen Folgendes deutlich:

Bessere berufliche Chancen! Promovierte haben fünf, zehn und 15 Jahre später einen hochqualifizierten und gut bezahlten Job, mit dem sie sehr zufrieden sind. Das trifft auf 70 Prozent der Befragten zu. Nur 10 Prozent bedauerten später ihre Entscheidung zu promovieren. Festzustellen ist: Wer promoviert, macht nicht zwingend Karriere, aber er macht verglichen mit nicht Promovierten häufiger Karriere. Promovierte sind also nicht zum Taxifahren verdammt! Die Erwerbslosigkeit der Promovierten liegt noch unter der ohnehin schon niedrigen Quote der erwerbslosen Akademiker.

Die Promotion zahlt sich aus! Jedoch nur in einigen Fächern: So bei den Wirtschaftswissenschaftlern und den Elektrotechnikern, nicht aber bei Mathematikern und Germanisten. Auch das Einkommen der promovierten Sozialwissenschaftler liegt nach 15 Jahren um 40 Prozent höher als das der Nicht-Promovierten.

Promovierte sind mit ihrer Berufstätigkeit zufriedener! In den Interviews konnte ein höherer Grad der Zufriedenheit ermittelt werden.

Deutliche Geschlechtsunterschiede auch hier! Promovierte Frauen erzielen im Durchschnitt niedrigere Einkommen als Männer. Bei den Frauen sind allerdings auch befristete und Teilzeitbeschäftigungen häufiger. Weiterhin sind bei ihnen auch Erwerbslosigkeit und Elternzeit deutlich häufiger anzutreffen.

Außerdem macht die Statistik deutlich, dass der Doktortitel generell als Eintrittsticket in eine höhere Karriere dient. Der Großteil der Promovierten ist späterhin nicht in Wissenschaft und Forschung, sondern in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen meist auf der Führungsebene tätig (Briedis 2012).

Allerdings ist die Bedeutung des Doktortitels für die berufliche Karriere in verschiedenen Fachgebieten und Arbeitsbereichen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Von Humanmedizinern wird immer noch ganz selbstverständlich der Doktorgrad erwartet – sowohl von Seiten der Institution als auch von Seiten der Patienten. Bei Zahnärzten und Tierärzten wird der Titel nicht mehr so zwangsläufig erworben. Chemiker und Physiker, die in der Industrie tätig sein wollen, verbessern ihre Chancen durch eine Promotion. Das trifft generell auf Juristen und Volkswirte zu, die in der privaten Wirtschaft eine höhere Führungsebene anstreben. Dass man sich für die Arbeit in Wissenschaft und Forschung auch mittels Promotion qualifizieren muss, ist allgemein bekannt.

Die besseren beruflichen Aussichten mögen manch einen darin bestärken, den Doktorgrad zu erwerben. Die Entscheidung für eine Promotion allein davon abhängig zu machen, erscheint jedoch bei genauerer Betrachtung problematisch. Fraglich ist, ob sich aus der allgemeinen statistischen Prognose die nötige individuelle »Power« beziehen lässt, um das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen. Denn von einem Doktoranden wird eine Menge an Energie, Ausdauer und Fleiß verlangt! Dafür sind ganz andere Motivationsquellen erforderlich.

Welche Motive braucht es noch?

Es gibt andere Gründe als die Karriereorientierung, verschiedene Neigungen und Wege, die Promovierende zu ihrer Entscheidung veranlasst haben. Und nicht immer sind es rationale Beweggründe. Ich habe Promovierende dazu in Interviews befragt. Die folgenden Beispiele spiegeln die unterschiedlichen Motivlagen und deren Vielschichtigkeit wider.

Beispiel

Beispiele »Es hat sich so ergeben!«

Die frisch diplomierte Psychologin Katja war auf Stellensuche. Sie wünschte sich eine praktische Tätigkeit als Klinische Psychologin beziehungsweise Psychotherapeutin. Ganz überraschend bekam sie eine Stelle als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Forschungsprojekt über Konfliktverhalten von Kindern angeboten. Es lagen bereits umfangreiche Beobachtungsdaten vor, die es nun auszuwerten galt. Das Thema sprach sie an, sie hatte sich während ihres Studiums schon damit beschäftigt und fühlte sich auch durch die erforderliche methodische und statistische Arbeit herausgefordert. Gleichzeitig fand sie die Aussicht auf fünf Jahre in einer festen Stelle mit einem sicheren, heimeligen Platz im Büro verlockend. Ursprünglich hatte sie nicht vorgehabt zu promovieren. Aber warum sollte sie sich die Gelegenheit entgehen lassen, aus der Forschungsarbeit eine Doktorarbeit zu machen? Sie sagte zu. Mit der Zeit wurde ihr allerdings klar, dass dabei auch ein ganz persönlicher Anspruch mit im Spiel war, sie wollte schon ein eigenes Werk daraus machen.

Reinhard war seinem Professor in einem Hauptseminar am Ende des Studiums durch ein hervorragendes Referat und gute Diskussionsbeiträge aufgefallen. Nach dem Diplom in Betriebswirtschaftslehre bot der Dozent ihm eine Assistentenstelle an. Natürlich fühlte Reinhard sich geschmeichelt. Eigentlich hätte er eine Management-Aufgabe in der Wirtschaft wesentlich attraktiver gefunden. Andererseits bot die Stelle ihm eine gute Chance zur Weiterqualifizierung. Die Doktorarbeit kam ihm zunächst ganz nebensächlich vor. Er beschäftigte sich kaum eingehender mit der Themenwahl. Später wurde die Dissertation für ihn zu einer »wenig sinnvollen und beschwerlichen Pflichtaufgabe«, die er trotzdem zu einem erfolgreichen Ende führte

Gerade Doktoranden, die über eine Wissenschaftliche Mitarbeiterstelle zu ihrer Doktorarbeit gekommen sind, haben manchmal nicht ein primäres Interesse an der Dissertation. Ihnen geht es vielmehr um die Tätigkeit selbst, die Arbeit in der Lehre und an Projekten, mit der sie sich weiter qualifizieren können. Manchmal gibt auch die Chance, an der vertrauten Alma Mater zu arbeiten, den Ausschlag. Dass sie dabei auch eine Dissertation zu verfassen haben, erscheint ihnen selbstverständlich, wird aber nicht weiter reflektiert.

Bei der Entscheidung für eine Promotion spielt häufig der Aspekt eine Rolle, dass man die Arbeit in Eigenregie und mit großem Spielraum an persönlicher Freiheit gestalten kann. Die Aussicht auf eine selbstbestimmte, an eigenen Interessen ausgerichtete Forschungstätigkeit erscheint vielen wesentlich verlockender als ein Beruf, in dem man in eine feste Organisation eingebunden ist und vorgegebene Pflichten zu erfüllen hat. Manche sehen darin auch eine willkommene Möglichkeit, das vertraute Studentenleben relativ stressfrei fortzusetzen und sich noch nicht dem vermeintlichen Ernst des Berufslebens stellen zu müssen.

Die Doktoranden, die sich um ein Promotionsstipendium bemüht oder sich dazu entschlossen haben, ihre Dissertation durch eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren, haben meist klarere und sachbezogenere Motive. Die Doktoranden-Gruppen, die ich befragt habe, nannten folgende Interessen als ihren maßgeblichen Antrieb:

Lust am Lesen von Fachliteratur,

Neigung zu wissenschaftlichem Arbeiten,

Interesse, das eigene Wissen zu vertiefen,

Expertentum erlangen sowie

Interesse an weitergehender Bildung.

Für viele Doktoranden ist die wissenschaftliche Tätigkeit – das Sammeln, Organisieren und Analysieren von Wissensinhalten – in sich selbst befriedigend.

Beispiel

Beispiele Erforschen von Quellen und Texten

Bei Monika, die Politik und Geschichte studiert hatte, war es »die Lust an Archivarbeiten und das detektivische Erforschen von historischen Quellen«, die sie zu ihrem Vorhaben anregten.

Bei Elena ging die Faszination von Platons philosophischen Texten aus, die sie zu einer Auseinandersetzung herausforderten.

Nach meinen Erfahrungen steht selten am Beginn des Vorhabens schon eine bestimmte wissenschaftliche Frage, die den Forschungsdrang weckt. Das trifft vorzugsweise auf die Geistes- und Sozialwissenschaften zu. Bei den Doktoranden dieser Fächer führt dagegen die Lust an Tätigkeiten, die man im Studium gelernt hat, und die Neigung, sich weiterhin mit Lieblingsthemen zu befassen, zur Hauptmotivation. Anders ist es in den Naturwissenschaften, wo häufig schon spezielle Untersuchungen und Fragestellungen als Gegenstand einer Promotion von Professorenseite bzw. den Leitern von Forschungsprojekten angeboten werden und sich die Promotionsinteressierten ihr Projekt gemäß ihren Interessen aussuchen.

Beispiel

Beispiele Faszination von Themen

Myriam, die Kunstgeschichte studiert hatte, entwickelte ihr Interesse an historischer Gartenkunst im Zusammenhang mit einem Seminarreferat.

Bei der Diplom-Soziologin Anja bestimmte die Liebe zur Oper den Kernpunkt ihres wissenschaftlichen Interesses und regte sie dazu an, sich mit dem gesellschaftspolitischen Bezug der Opern Verdis zu befassen.

In die Entscheidung für eine Dissertation fließen aber meist auch andere, persönliche Ziele mit ein. So entsteht zum Beispiel der Wunsch, sich beruflich umzuorientieren und sich einer neuen Herausforderung zu stellen. Dabei wird an frühere Interessen angeknüpft oder auch ein ganz neues Thema gesucht.

Beispiel

Beispiel Der persönliche Wendepunkt

Janine war längere Zeit in der Öffentlichkeitsarbeit eines Museums praktisch tätig, doch auf Dauer vermisste sie die wissenschaftliche Arbeit, die sie auch schon während ihrer Magisterarbeit im Fach Kommunikationswissenschaft als sehr befriedigend erlebt hatte. Sie bewarb sich erfolgreich um ein Stipendium und hoffte, damit einen entscheidenden Grundstein zu einer akademischen Karriere zu legen.

So wollte Sascha, der ursprünglich Theologie studiert hatte, sich gern aus seiner Vollzeitstelle als Nachrichtenredakteur einer Zeitung zurückziehen, um sich wieder mit seinem Lieblingsthema, der protestantischen Kirchenarchitektur, befassen zu können. Ihn reizte die Aussicht, damit »etwas Besonderes« und »ganz Eigenes zu schaffen«. Das erschien ihm so wichtig, dass er bereit war, »für die Lust auch die Last der zusätzlichen Arbeit und den Frust entgangener Freizeit auf sich zu nehmen«.

Maria hatte eine ähnliche Motivation: den Wunsch, den Blick über den »Gartenzaun«, das heißt den normalen Arbeitsalltag, hinaus zu tun und sich ein zweites Standbein zu schaffen. Sie suchte nach einer Herausforderung, die über ihren Beruf hinausging und ihren Ehrgeiz anstacheln sollte, ein eigenes Werk zu produzieren, »ein Buch zu machen«.

Bei der Diplom-Politologin Monika war der Entschluss zu promovieren mit einer beruflichen Neuorientierung verbunden: Sie wollte einer unbefriedigenden Tätigkeit in der Sozialberatung entkommen und sich für einen Bereich qualifizieren, der ihrer Neigung zur Erforschung historischer Dokumente entgegenkam. Auch für sie sollte das Promotionsstipendium der entscheidende Schritt zu einer selbstständigen wissenschaftlichen Tätigkeit werden.

Manchmal hat der Entschluss zur Promotion aber auch eine kompensatorische Funktion: Es soll ein Defizit ausgeglichen oder eine persönlich frustrierende Erfahrung wettgemacht werden:

Beispiel

Beispiele Es den anderen zeigen wollen

Brigitte hatte nach dem Examen das Bestreben, sich als Wissenschaftlerin durch den Doktortitel mehr Gewicht und Respekt zu verschaffen, da sie fürchtete, als Soziologin im Bereich der Politischen Ökonomie – die ihr zudem eine Männerdomäne zu sein schien – wenig Anerkennung zu finden.

Susanne hatte nicht nur den Wunsch sich weiterzuqualifizieren, sondern suchte auch für sich selbst nach einer Bestätigung ihrer wissenschaftlichen Kompetenz. Sie hatte eine angestrebte Stelle nicht bekommen und wollte den erlebten Misserfolg auf diese Weise wettmachen.

Beispiele Biographisch motivierte Aspirationen

Lisa stammte aus einer bäuerlichen Familie, in der noch niemand einen akademischen Abschluss erreicht hatte. Ihre Entscheidung für eine Promotion nach ihrem literaturwissenschaftlichen Studium brachte ihr von Seiten ihrer Familie mehr besorgte Kritik als Respekt und Bewunderung ein. Sie war hoch motiviert, litt aber unter dem Unverständnis ihrer Eltern für die langwierige Arbeit an ihrer Doktorarbeit.

Judith sah sich in der Situation, mit ihrer Dissertation das anzustreben, was der Vater, ein ehrgeiziger Studienrat, zwar versucht, aber nicht erreicht hatte. Der Vater bot ihr dann auch Unterstützung an, und es entspann sich daraus eine Kommunikation, gegen die sie sich kaum wehren konnte. Die gut gemeinte Hilfe des Vaters beschwor dann zunehmend alte Autoritätskonflikte herauf.

In Antons Familie war es ganz selbstverständlich, den Doktor zu machen. Beide Eltern waren promoviert. Anton strebte mit seiner Juristenausbildung das Richteramt an und meinte, den Doktortitel dafür nicht unbedingt zu benötigen. Er beugte sich aber dem Erwartungsdruck der Familie und ließ sich von seinem Professor ein Thema geben, mit dem er sich dann später sehr herumquälte.

Solche Erwartungen und Aufträge der Familie stacheln manchmal den persönlichen Ehrgeiz an, können aber auch zu großen Belastungen führen, wenn die eigenen Ziele und Neigungen übergangen werden.

Je weiter man sich in die Doktorarbeit vertieft, umso mehr werden verschiedene und andere Formen von Motivation erforderlich. Dazu gehören das Interesse an neuen Erkenntnissen – das eigentliche Forscherinteresse – und eine Art kognitiver Problemlöse-Motivation, das heißt der Antrieb, das Problem in den geeigneten theoretischen Zusammenhang zu stellen, um zu »Lösungen« – wie zum Beispiel neuen Schlussfolgerungen und Ergebnissen – zu gelangen.

Beispiel

Beispiele Die intellektuelle Herausforderung

Eine Doktorandin, die in Platons Dialogen eine bestimmte Argumentationsstruktur aufdecken will, sieht ihr Hauptmotiv in der »Freude an harter denkerischer Auseinandersetzung«. Diese bedeutet ihr so viel, dass sie ihre Situation nicht gegen eine wohl situierte Position mit sozialem Prestige und existenzieller Sicherheit eintauschen würde.

Die von mir befragten Doktoranden, die ihre Dissertation erfolgreich abgeschlossen haben oder noch mitten in der Bearbeitung stehen, sehen in ihr eine intellektuelle Herausforderung. Sie äußerten als weiteres Motiv die Neigung, den Gegenstand »in eine gelungene Form zu bringen«, und die Freude an der formalen und sprachlichen Gestaltung.

Die folgenden Aussagen von Befragten machen deutlich, wie ernst die herausfordernde Aufgabe genommen wird:

Für Anja, die erst in einer späteren Lebensphase ein Studium absolvieren konnte, ist die Diss ein sehr hart erkämpfter Teil ihres Lebens: »Sie ist das, was ich schon immer machen wollte«. Sie musste es aufschieben, weil früher Mann und Kinder den Vorrang hatten. Jetzt würde sie nicht mehr darauf verzichten wollen, auch wenn sie sich vor Augen führt, welche Vorzüge – wie zum Beispiel erholsame Freizeit – eine weniger anstrengende berufliche Tätigkeit bieten würde.

Auch für Petra hätte ein Leben ohne Diss zwar viele Annehmlichkeiten, aber »das Zentrale« würde ihr fehlen: eine ständig fordernde Aufgabe, die Spannung und lebendige Auseinandersetzung mit sich bringt.

Die folgenden Aussagen zeigen besonders deutlich, dass die Dissertation den zentralen Stellenwert in der Lebenssituation erhalten kann.

Beispiel

Beispiele Die Diss als Lebensmittelpunkt

Hanna, die aus einem arabischen Land kommt, stellt sich ihr Leben ohne Diss zwar körperlich angenehmer vor, da sie »dann keine Kopf- und Rückenschmerzen mehr hätte«. Aber »ohne die Aspirations« und ihr Anliegen, die Bedeutung des Theaters für den demokratischen Prozess in ihrem Heimatland herauszustellen, käme sie sich »ohne inneres Leben, wie seelisch tot« vor.

Auch für Christina war die Arbeit an der Diss so wichtig, dass sie dafür Konflikte mit ihrem Ehemann in Kauf nahm. Er hielt nichts von ihrem Vorhaben und erwartete stattdessen von ihr einen wesentlichen Beitrag zum Familieneinkommen. Obwohl er sogar damit drohte, sie zu verlassen, machte sie weiter.

Drum prüfe … – Hinterfragen Sie Ihre Motivation!

Wer sich entschließt zu promovieren, lässt sich auf eine anspruchsvolle, intellektuell fordernde und sehr langwierige Aufgabe ein. Man trifft damit eine Entscheidung über mehrere Jahre seines Lebens, wenn nicht über eine ganze Lebensphase. Nur die wenigsten schaffen es, ihr Vorhaben in weniger als drei Jahren zu verwirklichen. Auch diejenigen, die sich über ein Zweijahresstipendium finanzieren, brauchen letztendlich meist länger. In der Regel – das heißt wenn die Dissertation im Zusammenhang mit einer Stelle als Wissenschaftlicher Assistent an der Universität oder in einem Forschungsinstitut angefertigt wird – ist mit vier bis sechs Jahren zu rechnen. Wenn man parallel zur Promotion seinen Lebensunterhalt in einer Teilzeitarbeit oder einer Job-Tätigkeit verdient, dauert es meist noch länger.

Eine Doktorarbeit lässt sich nicht nebenbei verwirklichen, sondern verlangt einen enormen Energieaufwand und eine hohe Arbeitsmoral. Wenn Sie sich ernsthaft darauf einlassen, wird sie über kurz oder lang zu einer zentralen Aufgabe in Ihrem Leben. Für diese Aufgabe benötigen Sie sehr bedeutungsvolle Motive.

Wegen fehlender Statistiken weiß man zu wenig über die Höhe der Abbruchqoten bei Promovierenden; sie scheint jedoch beträchtlich hoch zu sein. Laut den Ergebnissen einer HIS-Absolventenbefragung des Jahrgangs 1997 hatte im 10. Jahr nach dem Examen jede sechste Person das Promotionsvorhaben abgebrochen (Fabian & Briedis 2009, S. 100 f.) Aufgrund der Dresdener Absolventenstudie wurde eine wesentlich höhere Abbruchquote berechnet (Burkhardt 2008, S. 175 f.) Der Abbruch einer Promotion hat in manchen Fällen vernünftige Gründe und kann eine für die Person gute Entscheidung sein. Jedoch wird das Aufgeben des ehrgeizigen Vorhabens auch als schmerzliches Scheitern erlebt.

In jedem Fall sollten Sie, bevor Sie sich auf die Promotion einlassen, sorgfältig prüfen, ob Sie die folgenden Motivationsquellen für das Projekt mitbringen!

Checkliste

Checkliste

Eine intrinsische Motivation, das heißt ein echtes Interesse an der Sache bzw. dem Thema.

Freude an den Tätigkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens, sei es am Vertiefen in Texte oder am Experimentieren im Labor.

Ein beträchtliches Maß an intellektueller Problemlösemotivation, um das gestellte Problem zu analysieren und hoch differenzierte Lösungsansätze zu entwickeln. Damit einher geht die »mastery motivation«: der persönliche Ehrgeiz, das Problem zu meistern.

Spaß am Schreiben wie an der Gestaltung Ihrer Dissertation. Bis das Manuskript zu Ihrer Doktorarbeit druckreif vorliegt, werden Sie Berge von Papier produziert haben!

Sich auf die Dissertation einzulassen, bedeutet letztendlich, eine längere Beziehung einzugehen, in der Sie sich nicht nur mit Ihrem Projekt, sondern auch mit sich selbst auseinandersetzen müssen. Sie treten damit nämlich zugleich in einen Entwicklungsprozess ein, in dem Sie Ihre Kräfte messen, dabei die Möglichkeiten und Grenzen Ihrer Fähigkeiten erfahren und ein neues Selbstbewusstsein beziehungsweise eine neue Identität ausbilden werden. Für diese Herausforderung brauchen Sie ein Stück Leidenschaft, große Ausdauer und viel Geduld Machen Sie die Sache selbst zu Ihrem persönlichen Anliegen, dem Sie sich stellen. Dadurch schaffen Sie die besten Voraussetzungen, dass Ihr Vorhaben gelingt.

Der Doktorand als einsamer Einzelkämpfer – was die Arbeitssituation so belastend macht

Wenn der erste Schritt getan und die Arbeit ernsthaft im Gange ist, dann müssen die Doktoranden sich auf weiten Strecken als Einzelkämpfer durchschlagen. Sie verbringen einen Großteil der Arbeitszeit allein am Schreibtisch – die meisten zu Hause im »stillen Kämmerlein« oder am Schreibtisch des Instituts, in dem sie beschäftigt sind –, denn die geistige Arbeit erfordert Ruhe und Abgeschiedenheit.

Diejenigen, die ihre Dissertation durch ein Stipendium finanzieren, sind dabei häufig ganz auf sich gestellt. Wer nicht in ein Projekt und eine Institution eingebunden ist, arbeitet als Einzel- und Heimarbeiter und entbehrt dabei die Vorzüge von Teamarbeit, Beziehungen mit Kollegen und informeller Kommunikation über die Arbeit.

Die angestellten Wissenschaftlichen Mitarbeiter haben zwar mehr Möglichkeiten zur Kooperation und zum Austausch mit Kollegen – worum sie von anderen Doktoranden häufig beneidet werden –, aber über das Thema ihrer Doktorarbeit wird ebenfalls nur selten gesprochen. Meist stehen ganz andere Institutsprojekte im Vordergrund.

Regelmäßige Kontakte mit dem Betreuer der Arbeit, dem Doktorvater, sind eher die Ausnahme als die Regel. Meist muss der Doktorand schon selber die Initiative dazu ergreifen. Auch das Vorstellen der Arbeit im Doktoranden-Kolloquium oder in einem Hauptseminar ist ein seltenes, punktuelles Ereignis und dem entsprechend außerordentlich bedeutsam. Von diesen wenigen Gelegenheiten abgesehen, kommen die meisten Doktoranden kaum in den Genuss von positivem Feedback. Ihr Bedürfnis nach Anerkennung und Austausch mit Kollegen bleibt unbefriedigt.

Lange, einsame Arbeitsphasen am Schreibtisch mit dem PC als einzigem Interaktionspartner und ein ständiges Gefühl der Isolation sind das Los des Doktoranden. Fast alle Befragten berichten davon:

Beispiel

Beispiele

Christina bezeichnete rückblickend die vielen Stunden am PC als nachhaltigsten Eindruck. Sie bewundert sich im Nachhinein selbst für die Geduld und Ausdauer, die sie dabei aufgebracht hat. Manchmal fühlte sie sich ganz eingesponnen in die Welt des französischen Dramatikers, über den sie schrieb. Aber es hat ihr trotz der gewaltigen Anstrengung auch Spaß gemacht, denn sie erlebte dabei »ganz wichtige Schaffensprozesse«.

Janine machte die Einsamkeit ebenfalls schwer zu schaffen, obwohl sie ihre Erlebnisse mit der Diss insgesamt positiv bewertet. Sie schildert das selbst bestimmte Arbeiten für das eigene Interesse und das »autonome Gefühl« als höchst befriedigend, entbehrte aber den Austausch mit anderen zutiefst. Sie fühlte sich ganz allein, auf sich gestellt »wie sonst nie zuvor«. Ihren Alltag mit der ständigen Arbeit am Schreibtisch erlebte sie als sehr statisch. Sie kam sich vor »wie in Klausur«, »als Eremit« sozusagen. Es war ein Gefühl wie »aus der Zeit herausgenommen zu sein«. »Das Leben spielte sich nur noch in meinem Kopf ab, völlig abgehoben von der Realität draußen. Manchmal hatte ich das Gefühl, es interessiert sich kein Mensch für mich, ich hätte genauso gut nicht da sein können; es würde niemandem auffallen.«

Auch Katja, die ihre Doktorarbeit im Rahmen eines von der DFG geförderten Forschungsprojekts anfertigte, hatte längst nicht so viel Möglichkeit zur Kooperation, wie sie sich gewünscht hätte. Es gab zwar Besprechungen, aber insgesamt kam sie sich mit der Arbeit dennoch allein vor. Lediglich die theoretische Linie war vorgegeben, doch darüber hinaus hatte sie wenig konkrete Anhaltspunkte. Sie fühlte sich mit der Fülle des Datenmaterials allein gelassen und war manchmal sehr ratlos. Rückblickend findet sie es schlimm, dass sie viel Zeit allein damit zubrachte, »in Details zu wühlen, die eigentlich völlig belanglos waren und niemanden interessierten. Das hatte so etwas Selbstbezogenes, in sich Kreisendes«. Manchmal fürchtete sie, damit »die besten Jahre ihres Lebens zu verplempern«.

Sich ganz in die Sache vertiefen zu können und dafür die Zeit zu haben, erleben Doktoranden als attraktive und herausfordernde Aufgabe, auch als Privileg oder sogar als Luxus. Aber es hat auch eine sehr belastende Kehrseite. Wenn der Doktorand mit der Sache, mit seinen Gedanken, seiner Einschätzung und seinen Zweifeln ganz allein ist, fehlt ihm häufig der äußere Bezugsrahmen. Das bestätigende, aber auch korrigierende Feedback eines Partners kann ihn davor schützen, sich ganz in den eigenen, unrealistischen Vorstellungen und Maßstäben zu verlieren.

In der eigenen inneren Gedankenwelt fühlt der Doktorand sich zeitweise als Entdecker und Eroberer und schwelgt im Hochgefühl seiner intellektuellen Potenz und Kreativität. Es gibt jedoch auch immer wieder Phasen, in denen die Arbeit stockt und kein Fortschritt in Sicht ist. Dann werden kleine Misserfolge zu traumatischen Erfahrungen, die Selbstzweifel und Versagensängste auslösen.

Auch mit diesem inneren Erleben ist der Doktorand ziemlich allein. Da er kaum jemanden hat, der ihn wirklich versteht, spielt der Kampf sich ausschließlich in seinem Inneren ab. Dieses dramatische innere Erleben, in das niemand anders wirklich Einblick hat, rückt die normalen Alltagskontakte in umso weitere Ferne.

In seinem Einzelkampf mit der Wissenschaft fühlt man sich oft von dem Anspruch überfordert, ganz allein zu eigenen Urteilen gelangen zu müssen, und wünscht sich dazu Unterstützung und Orientierungshilfe.

Beispiel

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Janine berichtet, dass sie in solchen Phasen gern jemanden gehabt hätte, den sie am liebsten ständig gefragt hätte, ob sie »damit richtig liege«. Stattdessen war sie ganz allein mit der Angst, vielleicht vollkommen auf Abwege geraten zu sein und es nicht einmal zu merken, weil niemand da ist, der einen bestärkt.

Bei den meisten Doktoranden bleibt das Bedürfnis nach mehr Anleitung, Orientierungshilfe und Bestätigung unbefriedigt. Nur wenige erfahren die leitende Hand ihres Doktorvaters. Die Auseinandersetzung mit der Wissenschaft gerät bei vielen zu strapaziösem und häufig fruchtlosem Kampf.

Bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen man doch einmal Rückmeldung bekommt – zum Beispiel im Gespräch mit dem Doktorvater oder im Rahmen eines Kolloquiums – gewinnt diese einen umso höheren Stellenwert. Entsprechend hart ist das empfindliche Selbstwertgefühl getroffen, wenn das Feedback negativ ausfällt. Einfühlsame Freunde und Kollegen, die konstruktive Kritik üben und die Maßstäbe zurechtrücken, können dem Doktoranden in solchen Situationen helfen, sein Selbstbewusstsein zu festigen. Leider erleben nur wenige eine derartige Unterstützung.

Bei fast allen Doktoranden trifft man auf ein permanentes Bedürfnis nach Austausch mit anderen, die sich in der gleichen Situation befinden, und nach bestätigendem Feedback. Der Bedarf an Beratung und Betreuung ist bei vielen sehr hoch.

Andere erleben das Alleinarbeiten dagegen als angenehm und befriedigend. Das hängt natürlich auch von den individuellen Lebensbedingungen ab:

Beispiel

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Die bereits erwähnte Doktorandin Monika, die sich mithilfe eines Doktorandenstipendiums aus ihrer unbefriedigenden beruflichen Situation befreit hatte, genoss die Zeiten, in denen sie zu Hause – unbehelligt von Kollegen, wie auch von Mann und Kindern – allein an ihrem Schreibtisch sitzen und für sich arbeiten konnte. Sie empfand diese Arbeitssituation als großes Privileg. Im fortgeschrittenen Stadium ihrer Arbeit vermisste sie die Kommunikation mit anderen dann allerdings doch. Sie suchte sich daraufhin ein Coaching bei der psychologischen Beratung ihrer Universität.

Doktoranden in den Naturwissenschaften, die eine experimentelle Arbeit verfassen, arbeiten in aller Regel im Labor, wo sie Versuche durchführen, oder sie betreiben Feldforschung wie manche Biologen. Sie haben dadurch sicherlich mehr Abwechslung und auch mehr Austausch und Anregung durch Kontakte mit anderen. Trotzdem berichten sie ebenfalls davon, dass sie mit ihrer eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit weitgehend auf sich selbst gestellt sind. Bessere Arbeitsbedingungen haben nur diejenigen Doktoranden, die mit ihrer Dissertation in ein größeres Forschungsprojekt eingebunden sind, dessen Organisation einen regelmäßigen Austausch gewährleistet.

Was Doktoranden fehlt, ist nicht nur der alltägliche Umgang mit Arbeitskollegen, sondern über kurz oder lang auch die soziale Geborgenheit, die ein fester Freundeskreis vermittelt. Im Laufe ihrer Arbeit werden nämlich auch die übrigen Kontakte zunehmend in Mitleidenschaft gezogen oder reißen sogar gänzlich ab. Viele Doktoranden vergraben sich völlig in ihrer Arbeit und bringen kaum noch die Zeit auf, bestehende Beziehungen zu pflegen, geschweige denn neue anzuknüpfen. Für ihre Partner und Freunde ist es oft frustrierend, wenn sie viel mehr Verständnis und moralische Unterstützung aufbringen sollen, als sie selbst zurückbekommen. Darunter leidet auf Dauer jede Beziehung.

Der Rückzug ins stille Kämmerlein dient auch dem eigenen Schutz: Man verhindert auf diese Weise, dass andere in der Frühphase der Arbeit deren Schwächen erkennen und kritisieren. Es kann zwar einerseits sinnvoll sein, sich vor Verunsicherung zu schützen, damit die Gedanken erst einmal in Ruhe heranreifen können, aber andererseits besteht auch die Gefahr, dass Umwege und Verirrungen lange unentdeckt bleiben.

Dass eine Dissertation eine eigenständige wissenschaftliche Leistung erfordert, ist nur ein Grund dafür, dass Doktoranden weitgehend auf sich allein gestellt sind. Es ergibt sich nicht einmal zwangsläufig daraus, dass man ausschließlich allein arbeiten muss. Vielmehr scheint es mir, als ob Doktoranden sich selbst zu einsamen Einzelkämpfern stilisieren, um einem Rollenklischee zu entsprechen, das dem von freischaffenden Künstlern oder Privatgelehrten ähnelt. Was diese Rolle so faszinierend macht, ist nicht nur die Freiheit, sich selbst bestimmt dem eigenen Schaffen zu widmen, sondern auch die Idee, sein Tun keinem erkennbaren praktischen Zweck unterzuordnen. Von der Zweckrationalität entbunden, kann man sich unbegrenzt in Betrachtungen vertiefen, wobei es mehr auf die wissenschaftliche Betätigung an sich als auf das Ergebnis ankommt.

Wissenschaftliche Arbeiten müssen aber, anders als künstlerische Produkte, objektiven Kriterien genügen und sich am aktuellen Forschungsstand messen lassen. Darum schadet man sich selbst wesentlich mehr, als man sich nützt, wenn man den Austausch mit anderen Vertretern der Wissenschaft aufschiebt oder vermeidet. Man sollte sich als Doktorand frühzeitig um Kontakte mit anderen wissenschaftlich Tätigen bemühen und sich am besten einen festen Arbeitskreis aufbauen.

Die freie Zeiteinteilung – ein Privileg mit Tücken

Doktoranden werden oft von anderen, die im gleichen Alter schon im Berufsleben stehen, um ihre Chance zur freien Zeiteinteilung beneidet. Sie können ihren Arbeitsalltag selbst organisieren und nach ihren Bedürfnissen gestalten – fast so locker wie im Studentenleben. Häufig sind Doktoranden damit jedoch überfordert, ebenso wie übrigens auch viele Studierende. Die Zeit läuft ihnen davon, sie schaffen nicht das, was sie sich vorgenommen haben, und geraten in die Versuchung, Dinge auf die lange Bank zu schieben. Das spannungsreiche Verhältnis zur Dissertation trägt mit dazu bei, dass sich leicht innere Barrieren gegenüber der Arbeit aufbauen: Man misst ihr einen derartigen Stellenwert bei und schraubt die eigenen Ansprüche so hoch, dass man sich dadurch selbst blockiert.

Eine andere Gefahrenquelle liegt darin, dass die Arbeitszeit nicht von außen geregelt und kontrolliert wird und es weder Vorgesetzte noch Kollegen gibt, die merken würden, wenn man sich vor der Arbeit drückt. Man muss darum schon ein gehöriges Maß an Selbstdisziplin und -organisation aufbringen, um die Sache nicht schleifen zu lassen.

Gut geplante und klar strukturierte Arbeiten sind die ganz große Ausnahme. Die meisten Promotionsvorhaben gleichen vielmehr monströsen Riesenprojekten, bei denen kein Ende abzusehen ist. Entsprechend scheut man eher ängstlich davor zurück, die Sache beherzt anzupacken. Der immense Umfang des Gesamtwerks und die Tatsache, dass man in jeder Arbeitsphase nur einen verschwindend geringen Anteil davon bewältigen kann, geben einem das frustrierende Gefühl, dass man noch endlos weit vom Ziel entfernt ist und nur in winzigen Schritten vorwärts kommt. Erfolgserlebnisse stellen sich dadurch kaum ein.

Doktoranden leiden deshalb häufig unter dem Gefühl, nicht genügend geschafft zu haben. Um ihr ständiges schlechtes Gewissen zu beruhigen, stürzen sie sich häufig noch spätabends in die Arbeit und gönnen sich auch am Wochenende keine Freizeit. Sie stehen ständig unter innerem Leistungsdruck und haben kaum je das Gefühl, ihre Freizeit richtig genießen zu dürfen. Nur wenigen gelingt es, ihre Arbeit systematisch zu planen und einen geregelten Arbeitsalltag zu organisieren. Den meisten fehlt es dafür an Zeitsouveränität, das heißt an der Fähigkeit, mit ihrer Zeit selbstbestimmt umzugehen.

Das Thema Zeitsouveränität und die Frage, wie man zu einer erfolgreichen Arbeitsplanung kommt, werden später unter den Stichworten »Zeitmanagement« und »Arbeitsplanung« behandelt.

»Lebensabschnitt Promotion« – der Doktorand in der Gesellschaft