Der Weg zur Mauer - Manfred Wilke - E-Book

Der Weg zur Mauer E-Book

Manfred Wilke

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Beschreibung

Der lange Weg zur Berliner Mauer begann 1945. Stalin beauftragte die KPD in der Sowjetischen Besatzungszone, die Macht zu übernehmen; die drei Westmächte sicherten ihren Einflussbereich. 1949 entstanden zwei deutsche Staaten, wobei Berlin in vier Sektoren geteilt blieb und West-Berlin fortan wie ein erratischer Block und ein Schaufenster des Westens mitten in der DDR lag. Nach dem gescheiterten sowjetischen Versuch, die Alliierten durch eine Blockade 1948/49 aus West-Berlin zu vertreiben, folgte 1958 bis 1960
die zweite Berlin-Krise, bei der Moskau ultimativ den Abzug der Westmächte und die Schaffung einer »Freien Stadt Berlin« verlangte. Die Entscheidung zur Grenzschließung fiel durch Nikita Chruschtschow. Ursache waren die steigenden Flüchtlingszahlen aus der DDR.
Für die Rekonstruktion der internationalen Vorgeschichte des Mauerbaus und der genauen Abstimmung zwischen Chruschtschow und SED-Chef Walter Ulbricht konnte der Autor erstmals die Gesprächsprotokolle zwischen den beiden Partei- und Staatschefs nutzen, die bislang der Forschung nicht zugänglich waren.

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BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE VON MAUER UND FLUCHT

Herausgegeben von der Stiftung Berliner Mauer

Manfred Wilke

Der Weg zur Mauer

Stationen der Teilungsgeschichte

Ch. Links Verlag, Berlin

Dieser Band wird herausgegeben von der Stiftung Berliner Mauer und dem institut für zeitgeschichte München – Berlin

Editorische Notiz: Die Schreibung der russischen Namen im Textfolgt den Transkriptionsregeln des Duden; die in Zitaten und beiBuchtiteln dem Original. Offensichtliche Tippfehler wurden stillschweigendkorrigiert.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation i n der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

1. Auflage 2012 (entspricht der 1. Druck-Auflage von 2011)

© Christoph Links Verlag GmbH Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel. (030) 44 02 32-0www.christoph-links-verlag.de; [email protected]

Umschlagfoto: Wasserwerfer vor dem Brandenburger Tor im

August 1961 (Bundesarchiv Koblenz, Bild 173-1282)

Lektorat: Susanne Muhle und Margret Kowalke-Paz

Satz: Michael Uszinski, Berlin

eISBN: 978-3-86284-116-5

Inhalt

Vorwort der Herausgeber

Einleitung

Erster Teil: Die bipolare Nachkriegsordnung Europas

I. Die alliierten Kriegskonferenzen und die europäischeNachkriegsordnung

1. Die Vereinigten Staaten von Amerika und die Friedensziele der Anti-Hitler-Koalition – die Atlantik-Charta von 1941

2. Das sowjetische Exempel in Polen 1944 und Churchills Warnung vor dem Eisernen Vorhang 1945

3. Jalta: Kontrolle über Deutschland, aber keine Zerstückelung

4. Erzwungene Neuorientierung der Deutschen

5. Potsdam 1945

II. Neue Grenzen für Deutschland

1. Polens Grenzen, die Abtrennung Österreichs und der östlichen Provinzen des Deutschen Reiches

2. Die Demarkationsgrenzen der Besatzungszonen

3. Die Reparationsgrenze

4. Die Vier-Sektoren-Stadt Berlin

5. Interzonenhandel – die wirtschaftliche Klammer in der Teilung

6. Der Interzonenpass – die Geburtsstunde der Reise- und Ausreisekontrolle der DDR

7. Die innerdeutsche Flucht- und Ausreisebewegung 1945 – 1989/90

III. Zwei Staaten in Deutschland

1. Konflikte um die Gestaltung des deutschen Parteiensystems und demokratische Wahlen 1946

2. Die Etablierung der kommunistischen Parteiherrschaft in der SBZ

3. Die Bundesrepublik Deutschland – der Weststaat

4. Grundsatzentscheidungen für den Weststaat

IV. Westintegration und Aufbau des Sozialismus – Systemkonkurrenzim geteilten Deutschland

1. Die Bundesrepublik: Rückgewinnung deutscher Souveränität und Westintegration

2. Die Westbindung der Bundesrepublik und die Stalin-Note von 1952

3. Die DDR 1952: der »Aufbau der Grundlagen des Sozialismus«

V. Das Ende der Nachkriegszeit – der Genfer Gipfel als Wendepunktzur »friedlichen Koexistenz« in Deutschland

1. Das Genfer Gipfeltreffen von 1955

2. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen der Bundesrepublik zur Sowjetunion und die »Hallstein-Doktrin«

3. Friedliche Koexistenz im geteilten Deutschland: Zwei-Staaten-Doktrin, Konföderationspläne und der Rapacki-Plan

4. Der Sputnik und das Ende der amerikanischen Strategie der »massiven Vergeltung«

5. Atomraketen für die Bundeswehr?

6. Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

Zweiter Teil: Der Kampf um Berlin

VI. Die Berlin-Krise 1948/49

1. Die historische Bedeutung für die Teilung Deutschlands

2. Weichenstellende Konflikte nach Kriegsende um die politische Ordnung in Berlin

3. Berlin als sowjetischer Hebel zur Verschiebung der Einflusszonen in Deutschland

4. Der Konflikt um die Berliner Währungsreform, Blockade und Luftbrücke

5. Die Spaltung der Stadt

6. Der Ring um Berlin – eine neue Grenze

7. Krisenmanagement als Großmachtdiplomatie

VII. Stalins Tod und die erste Existenzkrise der DDR: der 17. Juni 1953

1. Ein »Neuer Kurs« für die SED

2. Die Legitimationskrise des SED-Staates: 17. Juni 1953

3. Sowjetische Existenzgarantie für den SED-Staat

4. Westliche Initiativen für neue Verhandlungen über Deutschland

5. Anerkennung und Stabilisierung der DDR

VIII. Der Auftakt zur zweiten Berlin-Krise – der SED-Parteitag

1. Der V. Parteitag der SED 1958

2. Die Frage des Friedensvertrages mit Deutschland

3. Chruschtschow fordert den Friedensvertrag und die Lösung des West-Berlin-Problems

4. Die Propaganda der SED im West-Berliner Wahlkampf 1958

IX. Das Berlin-Ultimatum der Sowjetunion 1958

1. Der Paukenschlag: Chruschtschows Rede am 10. November 1958

2. Chruschtschows Motive

3. Das Berlin-Ultimatum

4. Vielstimmige Reaktionen im Westen

X. Verhandlungen über den Friedensvertrag und die »Freie StadtWestberlin«

1. Moskauer Entwürfe

2. Ulbrichts Pläne: volle Souveränität und Lösung des »Westberlin-Problems«

3. Die Genfer Außenministerkonferenz 1959

XI. Die Berlin-Krise und die Veränderung des Kalten Krieges

1. Der weltpolitische Charakter der Berlin-Krise

2. Das sowjetisch-chinesische Schisma und die Position der SED

3. Chruschtschows USA-Reise 1959

4. Der von Chruschtschow abgebrochene Gipfel: Paris 1960

XII. Krise in der DDR, Veränderung des Grenzregimes undInterzonenhandel

1. Fluchtbewegung aus der DDR und Versorgungskrise

2. Grenzkontrollen und Passierscheine für das Betreten von Ost-Berlin

3. Der Konflikt um den Interzonenhandel

4. Die Verhandlungen über den Interzonenhandel

XIII. Ulbricht: Lösung der »Westberlin-Frage« jetzt!

1. Der Status quo in Berlin bis zum Gipfel mit Präsident Kennedy

2. Ulbricht drängt 1961 auf die Lösung der »Westberlin-Frage«

3. Chruschtschows Terminplan im März 1961

XIV. Der Wiener Gipfel 1961 – das zweite sowjetische Ultimatum

1. Die Moskauer Erwartungshaltung vor dem Gipfel

2. Kennedy zwischen Entspannung und Behauptung der westlichen Positionen

3. Konfrontation auf dem Gipfel – das »Wiener Ultimatum« Chruschtschows

4. Die Konsequenz: eine Politik der Stärke

5. Die Reaktion der SED auf Chruschtschows »Wiener Ultimatum«

XV. Die Entscheidung: Schließung der Sektorengrenze Berlin

1. »Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten«

2. Ulbricht fordert die Schließung der Sektorengrenze in Berlin

3. Geheimhaltung und konspirative Kommunikation

4. Kennedys drei Essentials und Chruschtschows Antwort

XVI. Der Mauerbau 1961 – die deutsche Teilung bekommt ihr Symbol

1. »Sie werden die Macht spüren!« – Chruschtschow und Ulbricht über den Mauerbau

2. Westdeutschland ist überlegen: die ökonomische Krise der DDR

3. Legitimierung der Grenzsperre durch den Warschauer Pakt

4. Unternehmen Grenzschließung: Planungen und Truppenaufmarsch

5. Der 13. August 1961 – die Teilung Berlins

Dritter Teil: Das Ende der zweiten Berlin-Krise

XVII. Verhandlungen, aber kein Krieg!

1. Der 13. August und die Berlin-Krise: Berlin – Bonn – Washington

2. Chruschtschow und die deutsche Frage nach dem Mauerbau

3. Gegensätzliche Positionen der Westmächte und Kennedys Verhandlungsinitiative

XVIII. Eine Mauer in Berlin – aber kein Friedensvertrag mit der DDR

1. Die Rücknahme des Ultimatums

2. Militärische Planspiele für den Krieg um Berlin, den keiner wollte

3. Ulbricht fordert den Friedensvertrag

4. Die Panzerkonfrontation am Checkpoint Charlie im Oktober 1961

5. Chruschtschow bestätigt die Befestigung der Grenze

6. Sondierungsgespräche über eine Berlin-Regelung

7. Chruschtschows Kurswechsel: Verhandeln, aber kein Abkommen

XIX. Deutsche Nachspiele und der Wechsel der Krisenherde

1. Ulbricht und die neue Lage

2. Adenauers Konflikt mit Kennedy um die Transitwege nach West-Berlin

3. Deutschlandpolitik oder die Notwendigkeit des Nichtloslassens

4. Von der Berlin- zur Kubakrise

Schluss: Wer verantwortet die Berliner Mauer?

Anhang

Quellen- und Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Personenregister

Angaben zum Autor

»Die Mauer ist eigentlich eine Obsession, besetzt eigentlich die Gedanken derLeute im Osten und Westen.Deshalb findet keine echte Auseinandersetzung statt,die steht wirklich dazwischen und macht eigentlich wirklich konstruktive Möglichkeitenkaputt.« Bärbel Bohley, 1989

Dieses Buch widme ich der Erinnerung an:

den Freund Jürgen Fuchs, der sich gegen die Realitäten von Diktatur und

Teilung

in seine und unsere »eigenen Angelegenheiten« einmischte,

Bärbel Bohley, Stimme und Gesicht des Aufbruchs zur friedlichen Revolution

in der DDR, durch die die Mauer fiel,

Helmut Kohl, der als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland die

deutsche Einheit politisch durchsetzte,

und meinen akademischen Lehrern Siegfried Braun, Karl-Heinz Messelken undTheo Pirker.

Vorwort der Herausgeber

Die noch junge Stiftung Berliner Mauer begründet im Frühjahr 2011 eine wissenschaftliche Buchreihe, die – dem Stiftungsauftrag folgend – einem breiten Publikum unterschiedliche Aspekte der Teilungs- und Fluchtgeschichte zugänglich machen will. Es soll in allen Bänden dieser Reihe darum gehen, Facetten der Geschichte der Berliner Mauer und der Fluchtbewegungen aus der DDR als Teil und Auswirkung der deutschen Teilung und des Ost-West-Konflikts im 20. Jahrhundert zu dokumentieren und zu vermitteln.

In dieser Reihe werden auch insgesamt fünf Bände erscheinen, die im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten interdisziplinären Forschungsvorhabens »Die Berliner Mauer als Symbol des Kalten Krieges: Vom Instrument der SED-Innenpolitik zum Baudenkmal von internationalem Rang« entstanden sind. Dieses Projekt, das von Leo Schmidt (Lehrstuhl Denkmalpflege der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus), Manfred Wilke (Institut für Zeitgeschichte München – Berlin) und Winfried Heinemann vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) der Bundeswehr in Potsdam im Förderzeitraum von 2007 bis 2010 geleitet wurde, untersuchte die Berliner Mauer in ihrer prozessualen Dimension der Wechselwirkung politischer Anforderungen, materieller Ausführung und militärischer Umsetzung. In diesem interdisziplinären Dreiklang sollte eine Synthese entstehen, in der die vielschichtige Aussagekraft und Bedeutung der Berliner Mauer als herausragendes Geschichtsdenkmal des 20. Jahrhunderts möglichst umfassend erforscht wurde. Um die komplexe Denkmalbedeutung der Grenzbefestigung zu begreifen – so das Haupterkenntnisinteresse des Projektes – bedurfte es der intensiven Auseinandersetzung mit den politischen Entscheidungen, die zu ihrer Errichtung, den baulichen Veränderungen zwischen 1961 und 1989 und dem bis heute andauernden Abbau führten. Ebenso unerläßlich war neben neben der Analyse der baulichen Strukturen eine umfassende Beschäftigung mit den Grenztruppeneinheiten, die diese Grenze bemannten und die zugleich das »tödliche Element« dieser Grenze ausmachten. Wichtige Aspekte dieses multiperspektivischen Forschungsansatzes waren auch die öffentliche Wahrnehmung der Grenzbefestigung, die vielschichtige, mitunter auch künstlerische, Auseinandersetzung mit ihr sowie schließlich die vielfältigen (Denkmal-)Bedeutungen der Berliner Mauer und deren Wandlungen im Laufe der Zeit. Schließlich stand das Projekt im Kontext eines internationalen Diskurses zu den Themenbereichen »Nationale Teilung und Wiedervereinigung« sowie »Kalter Krieg und Denkmalschutz«; wichtige inhaltliche Impulse erhielt es durch vielfältige internationale wissenschaftliche Kooperationen, die sich in den Projektergebnissen widerspiegeln.

In diesem Projekt wurden nicht nur dringende Desiderate der zeit-, militärgeschichtlichen und denkmalpflegerischen Forschung bearbeitet, sondern auch außerwissenschaftliche Konsequenzen einbezogen. Bereits im Forschungsprozess selbst wurden Fragestellungen interdisziplinär entwickelt, um Ergebnisse der jeweiligen Disziplin kontinuierlich auf die Arbeit der anderen zu beziehen. Folglich bezwecken die wissenschaftlichen Ergebnisse dieses Projektes eine Versachlichung der gesellschaftspolitischen Diskussion über »die Mauer«, indem hier für einen wesentlichen Bereich die wissenschaftliche Basis erweitert und durch den interdisziplinären Ansatz sowie die verschiedenen Untersuchungsperspektiven »konkurrierende« Erzählungen miteinander in Beziehung gesetzt werden.

Mit diesem Projekt leisteten Denkmalpfleger gemeinsam mit Zeit- und Militärhistorikern einen Beitrag, um das wohl vielschichtigste Dokument der teils bewussten, teils auch unfreiwilligen Selbstdarstellung des SED-Regimes zwanzig Jahre nach seinem Fall vor dem endgültigen Verschwinden als Baudenkmal in Berlin zu bewahren. Leo Schmidt, Koordinator des Projektes, erklärte zu Beginn der Arbeit: »Wir wollen die Sperranlagen im Prozess der Wechselwirkung von politischer Absicht, materieller Ausführung und militärischer Praxis untersuchen, denn das hat so noch niemand versucht.«

Diese Methode folgt dem Verständnis, dass die Architektur der Grenze als fester Bestandteil der staatlichen Ikonografie und Selbstdarstellung direkt mit innen- und außenpolitischen Ereignissen zusammenhängt. Man könnte auch – Karl Schlögel folgend – resümieren: »Im Raume lesen wir die Zeit.«

Die wissenschaftliche Publikationsreihe der Stiftung Berliner Mauer ist der ideale Ort für die Verbreitung dieser wichtigen Forschungsergebnisse, erwartet man doch von ihr die Diskussion unterschiedlicher Aspekte der Geschichte des Bauwerks, mit dem die SED-Diktatur ihren Herrschaftsanspruch für alle Welt sichtbar materialisierte.

Die Stiftung Berliner Mauer und das Institut für Zeitgeschichte danken herzlich dem Autor dieser komplexen Studie, die dazu beiträgt, neues Licht auf bislang noch unbekanntes Quellenmaterial zu werfen, Frau Susanne Muhle und Dr. Gerhard Sälter von der Stiftung Berliner Mauer für das gründliche erste Lektorat sowie Frau Margret Kowalke-Paz vom Ch. Links Verlag für das Verlagslektorat und die Endredaktion. Schließlich danken wir dem Verleger Christoph Links, der das Publikationsprojekt mit großer Energie unterstützt hat.

Axel Klausmeier

Horst Möller

Stiftung Berliner Mauer

Institut für Zeitgeschichte München – Berlin

Berlin und München im März 2011

Einleitung

Die Berliner Mauer war eine in Beton gegossene, vielgestaltige Grenze: Sie teilte die Stadt, sie war Teil der innerdeutschen Grenze und der zwischen dem sowjetischen Imperium und den westlichen Demokratien Europas. Nach ihrem Bau 1961 wurde sie weltweit zum Sinnbild der deutschen Teilung und des Systemgegensatzes zwischen Diktatur und Freiheit. International war die Mauer das einprägsamste Symbol des Kalten Krieges. Als die Berliner sie am 9. November 1989 öffneten, wurde sie mit ihrem Fall zum Sinnbild der deutschen Wiedervereinigung und – im europäischen Kontext – des Endes der kommunistischen Diktaturen in den Ländern Mittel- und Osteuropas sowie der Sowjetunion. Die Berliner Mauer wurde so zum Symbol eines europäischen Epochenwechsels.

Dieses Buch zeichnet den Weg nach, der zu diesem Bauwerk führte. Er beginnt 1945. Die entscheidende Voraussetzung und die Notwendigkeit dafür, dass die Deutschen ihn gehen mussten, hatte der Zweite Weltkrieg geschaffen. Das von Adolf Hitler geführte Deutsche Reich hatte diesen 1939 mit dem Angriff auf Polen vom Zaun gebrochen; er endete in Europa am 8. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht. Im Verlauf des Krieges belastete sich das von den Nationalsozialisten beherrschte deutsche Volk aufgrund der von diesen betriebenen systematischen Vernichtung der europäischen Juden und des rassistischen Vernichtungs- und Unterwerfungskrieges gegen die Slawen mit einer schweren moralischen Hypothek, die bis heute fortwirkt. Es waren die alliierten Armeen Großbritanniens, Frankreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika und vor allem die der Sowjetunion, die Hitler besiegt und die Deutschen von der nationalsozialistischen Diktatur befreit hatten. Der Preis, den auch die Deutschen für diesen Krieg und diese Form der Befreiung bezahlen mussten, war hoch: Millionen Menschen hatten ihr Leben gelassen, Deutschland verlor seine Ostprovinzen und Millionen ihre Heimat. Das Land war den Besatzungsmächten bedingungslos ausgeliefert und verlor seine Souveränität.

Folgenden Fragestellungen wird in diesem Buch nachgegangen, und es werden folgende Entwicklungen nachgezeichnet:

die Bedeutung von Grenzen im Nachkriegsdeutschland, die zugleich die Grenzen der Einflusssphären in der europäischen Nachkriegsordnung waren und die geprägt waren vom Kalten Krieg zwischen den von den Vereinigten Staaten geführten Demokratien des Westens und dem sowjetischen Imperium;

die politischen Entscheidungen, die den gegensätzlichen Wiederaufbau politischer Ordnungen in der sowjetischen und den westlichen Besatzungszonen bestimmten und zur Gründung zweier deutscher Staaten führten;

die Rolle und Bedeutung von Berlin, besonders von West-Berlin in der Deutschlandpolitik der Sowjetunion und der SED;

die Frage nach den Verantwortlichen für den Bau der Mauer;

die Rolle des atomaren Patts zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion für die gefundene Konfliktlösung in der zweiten Berlin-Krise, die immerhin vier Jahre dauerte;

die Bedeutung des Mauerbaus für die westdeutsche Politik im Blick auf das Ziel der Rückgewinnung der deutschen Einheit.

Der Ausgangspunkt der Analyse sind die neuen Nachkriegsgrenzen in Deutschland, die von den Besatzungsmächten gezogen wurden. Grenzen markieren nicht nur die räumliche Abgrenzung von Territorien, sondern auch die politischer und gesellschaftlicher Ordnungen und internationale Einflusssphären. Die Zonengrenzen im besetzten Deutschland bildeten den Ausgangspunkt für die politischen Entwicklungen der einzelnen Besatzungsmächte in ihren Besatzungszonen, die zu unterschiedlichen politischen und ökonomischen Ordnungen führten und in der Gründung von zwei deutschen Staaten mündeten. Als dies 1949 geschah, war der Systemkonflikt zwischen West und Ost bereits zum Kalten Krieg geworden, seine Frontlinie verlief durch Deutschland und Berlin.

Die Analyse konzentriert sich auf die politischen Entscheidungen; sie sind Festlegungen über Lösungen in Konflikten und schließen, nachdem sie gefallen sind, in der Innen- und Außenpolitik denkbare Alternativen aus. Die Orte der Entscheidungen waren in der Zeit vor der Gründung der beiden Staaten London, Moskau, Paris und Washington. Die Auseinandersetzung um die Grenzen in Deutschland und Berlin war ein weiteres Kriterium der immanenten Konflikte zwischen den Mächten, die weiterhin nachhaltigen Einfluss auf die deutschen Geschicke ausübten. Beide deutsche Staaten wurden 1955 als Mitglieder der NATO beziehungsweise des Warschauer Paktes in die gegnerischen Bündnissysteme integriert. Die Zäsuren in den politischen Entscheidungsprozessen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs, mit denen die Teilung Deutschlands vollzogen wurde, stehen im Mittelpunkt der Analyse.

Die Teilung des Landes war ein Prozess, den die Darstellung in drei Teilen nachvollzieht. Der erste Teil behandelt den Zusammenhang von bipolarer Nachkriegsordnung in Europa und deutscher Teilung, die sich in den neuen Grenzen Deutschlands ausdrückte. Namentlich die Zonengrenzen strukturierten die Entstehung der beiden deutschen Staaten. Ein wichtiger Unterschied bei der Entstehung der DDR und der Bundesrepublik bestand darin, dass die Vorbereitung der künftigen kommunistischen Staatsführung des Teilstaates DDR bereits im Moskauer Exil während des Krieges begann. 1944 formulierten die Kader der KPD bereits die Grundfrage deutscher Politik nach Hitler: Wo geht Deutschland hin, Ost- oder Westorientierung? Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht verstanden sich bereits als »staatsaufbauende Partei« und waren sich gewiss, dass ihre Machteroberung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) durch die Besatzungsmacht garantiert würde. Eine der frühen vollendeten Tatsachen des sowjetischen Diktators Josef W. Stalin von weichenstellender Bedeutung überraschte sie nicht: Im Juni 1945 beauftragte er die deutschen Kommunisten in seiner Besatzungszone mit der Übernahme der staatlichen Macht – erst der letzte Generalsekretär der KPdSU, Michail S. Gorbatschow, annullierte diesen Auftrag 1990.

Im Mittelpunkt des zweiten Teils des Buches stehen die beiden Berlin-Krisen und der Mauerbau selbst. Nachvollzogen werden die politischen Ziele, die die Sowjetunion in den von ihr ausgelösten Krisen verfolgte, und die Interaktion mit ihren ostdeutschen Partnern, der SED-Führung. Einbezogen in die Darstellung werden auch die Reaktionen des Westens auf die Krise, wobei die politische Entscheidungsfindung bei den Amerikanern, innerhalb des westlichen Bündnisses, bei der Bundesregierung und im West-Berliner Senat in den Blick genommen wird. Hierbei wird sichtbar, wie sich das Verhältnis der nach dem Weltkrieg besiegten Westdeutschen zu den Siegermächten änderte: Im Zuge der Westintegration wurden aus Besetzten Partner und und aus Besatzern Schutzmächte. Der in der unmittelbaren Nachkriegszeit naheliegende Gedanke, die deutsche Einheit in einem nationalen Konsens auch mit den Kommunisten anzustreben, verflog angesichts der Berliner Konfrontation und der diktatorischen Verhältnisse in der Sowjetischen Besatzungszone. Die erste Bundesregierung unter Konrad Adenauer strebte entschlossen die Westintegration der Bundesrepublik an. Die drei Westmächte waren für Adenauer Anwälte und Garanten deutscher Selbstbestimmung in den Vier-Mächte-Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Deutschland und die Wiederherstellung eines deutschen Nationalstaates, wie die Potsdamer Vereinbarung von 1945 sie vordergründig versprach. Als zuverlässiger Bündnispartner hoffte Adenauer, der Sowjetunion aus einer Position der Stärke die Einheit auf Basis freier Wahlen in ganz Deutschland abhandeln zu können.

Für das Verständnis der Berlin-Krisen ist der 17. Juni 1953 relevant, weil diese zeitlich zwischen den beiden Ereignissen liegende erste Staatskrise der DDR das Verhältnis der SED zu ihrem Staatsvolk grundlegend änderte. Sie war nicht nur für die Staatspartei SED, sondern auch für die sowjetische Führung ein Schock, zumal der polnische Oktober und die ungarische Revolution 1956 folgten. Mit diesen Aufständen war die Illusion zerstört, die kommunistischen Parteien könnten ihre politische Ordnung in Osteuropa widerspruchslos implementieren, und gleichzeitig ging die damit verbundene Illusion verloren, die eine politische Identität von Staatspartei und Staatsvolk ideologisch voraussetzte. Als die Sowjetunion und die DDR 1958 den Versuch wagten, den Status quo in Berlin zu verändern, diente dieses Unternehmen auch der völkerrechtlichen Anerkennung und damit der endgültigen Sicherung des Staates DDR.

Der 17. Juni ist auch als Krisenphänomen des jungen Staates DDR zu sehen. Diese Krise wurde durch die Niederschlagung des Aufstands nicht gelöst, sondern nur vorläufig beendet und konserviert. Sie währte fort, und ihr vielleicht sichtbarstes Zeichen war die anhaltende Abwanderung eines Teils der Bevölkerung. Ende der fünfziger Jahre wurde sie wahrscheinlich durch den in Konkurrenz zu Westdeutschland forcierten und bei gleichzeitiger Abhängigkeit von westdeutschen Zulieferungen behinderten wirtschaftlichen Ausbau, der mit einer Kollektivierung der Landwirtschaft einherging, noch verschärft. Die Darstellung geht der Frage nach, wie Abwanderung und Wirtschaftskirse die Entscheidungsfindung beeinflussten, und zeigt die Verschiebung der politischen Prioritäten, die sich daraus sowohl in Ost-Berlin als auch in Moskau ergaben.

Die Darstellung der zweiten Berlin-Krise konzentriert sich sehr stark auf den politischen Abstimmungsprozess zwischen der SED und der KPdSU. Diese Abstimmungen waren Chefsache. Grundsätzliche Festlegungen über die politische Taktik fanden in persönlichen Gesprächen zwischen Ulbricht und Chruschtschow in Moskau statt, die in diesem Buch erstmals auf Grundlage ihrer Gesprächsprotokolle in die Analyse einbezogen werden konnten. Deutlich wird das asymmetrische Verhältnis der ungleichen Partner. Die Analyse dieser Dokumente wurde durch die Zusammenarbeit mit Gerhard Wettig möglich, der eine Dokumentation über Chruschtschows Westpolitik von 1955 – 1964 erarbeitet hat.1 In der Darstellung der Kommunikation zwischen den beiden Parteiführern wird versucht, die Interessenunterschiede zwischen Chruschtschow und Ulbricht herauszuarbeiten.

»Verhandlungen, aber kein Krieg« ist der Titel des dritten Teils. Er behandelt das Ende der Berlin-Krise und die Gründe, die Chruschtschow bewogen, sich vorerst mit dem 13. August 1961 zufriedenzugeben. Durch die Erweiterung der Perspektive auf die Interessenlage der Weltmacht Sowjetunion gerät die Gefahr eines mit Kernwaffen geführten Krieges in Europa in den Blick, der mit den beiden sowjetischen Berlin-Ultimaten von 1959 und 1961 verbunden war. Analysiert wird, wie das Verhältnis der beiden Supermächte und deren militärische Planungen den Krisenverlauf bestimmten und mögliche Lösungen ausschlossen. Im Unterschied zur ersten Berlin-Krise dominierte sicherheitspolitisch das atomare Patt zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion ihren Verlauf. Das Buch analysiert die Frage, wie diese Konstellation und das Problem, wie ein Atomkrieg vermieden werden könne, die Entscheidungsfindung in Moskau und Washington beeinflussten.

Durch die Mitarbeit im Projekt »Der Wiener Gipfel von Kennedy und Chruschtschow im Juni 1961«2 des Ludwig Bolzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung in Graz konnten weitere sowjetische Quellen über den sowjetischen Entscheidungsprozess während der Berlin-Krise eingesehen werden. Anhand dieses Materials lässt sich vor allem sehr viel deutlicher der weltpolitische Charakter des Konfliktes um Berlin beschreiben, und es konnte ein differenzierteres Bild seines Verlaufs gewonnen werden, wobei nunmehr mehrere Phasen unterschieden werden können, die von unterschiedlichen politischen Interessenlagen und Prioritäten bestimmt waren. Zudem konnte mittels dieses Materials die Frage, in welcher Situation und unter welchen politischen Bedingungen die Entscheidung zum Mauerbau gefällt wurde, beantwortet werden. Auch der Prozess dieser Entscheidungsfindung und die ihn bestimmenden Zäsuren ließen sich genauer fassen.

Erhellend war ein Interview mit dem stellvertretenden Chef der Operationsabteilung der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD), dem seinerzeitigen Oberst Anatoli Grigorjewitsch Mereschko.3 Er konnte wesentliche Informationen zum Ablauf der militärischen Planungen für den Mauerbau präzisieren, die über den bisherigen Kenntnisstand hinausgehen.

Bis 1990 existierten zwei Schreibweisen für die Westsektoren von Berlin. Die Bundesregierung und der Senat von Berlin schrieben »West-Berlin« und analog »Ost-Berlin«. Die DDR und damit die Sowjetunion schrieben »Westberlin« in einem Wort. Für Ost-Berlin stand zunächst das »demokratische Berlin« und dann »Berlin – Hauptstadt der DDR«. Beide Schreibweisen sind Ausdruck unterschiedlicher Rechtsauffassungen über den Status von Berlin; der Westen ging von der gemeinsamen Vier-Sektoren-Stadt aus, der Osten integrierte den Ostteil in die DDR und betonte die besondere politische Einheit Westberlin. Wegen dieses Unterschieds und weil die Quellen, die ohne Änderungen wiedergegeben werden, beide Versionen transportieren, werden beide Schreibweisen in diesem Text verwendet.

Wie im Vorwort der Herausgeber bereits dargestellt wurde, entstand das vorliegende Buch im Rahmen des interdisziplinären Projekts »Die Berliner Mauer als Symbol des Kalten Krieges: Vom Instrument der SED-Innenpolitik zum Baudenkmal von internationalem Rang«. Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft großzügig gefördert.

Es ging in diesem ganz wesentlich darum, die Sperranlagen im Prozess der Wechselwirkung von politischer Absicht, materieller Ausführung und militärischer Praxis zu untersuchen. Erst im Verbund der Disziplinen lässt sich erkennen, dass die Architektur der Grenze als fester Bestandteil der staatlichen Ikonografie direkt mit innen- und außenpolitischen Ereignissen zusammenhängt. Eine Erkenntnis, die durch die hervorragende interdisziplinäre Arbeit stetig erhärtet wurde.

Bleiben noch notwendige Danksagungen an die Menschen, ohne deren Hilfe dieses Buch nicht entstanden wäre:

Der erste Dank gilt allen Projektpartnern des »Cottbusser Mauerprojekts«, insbesondere Leo Schmidt und Winfried Heinemann, durch die meine eigenen Studien unzählige Anregungen erhielten. Horst Möller, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin (IfZ), ermöglichte mir, dieses Forschungsvorhaben am IfZ durchzuführen. Stefan Karner, Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung in Graz, integrierte mich in das Projekt »Der Wiener Gipfel« seines Instituts. Gerhard Wettig und Peter Ruggenthaler waren in der Arbeit ebenso unverzichtbare Gesprächspartner wie Wilhelm Mensing. Der Freund hat obendrein das erste Manuskript Korrektur gelesen, eine Arbeit, die Susanne Muhle gewissenhaft fortsetzte und Gerhard Sälter (beide Stiftung Berliner Mauer) ebenso beendete. Dank gebührt auch Ute Räuber und den Mitarbeitern des SAPMO im Bundesarchiv, Ingrid Morgen vom IfZ sowie Cornelia und Julia Wilke. Ein besonderer Dank gilt meiner Frau Karin für ihre Hilfe und Ermutigung bei der Arbeit an diesem Buch.

1 Gerhard Wettig: Chruschtschows Westpolitik 1955 – 1964. Band 3: Kulmination der Berlin-Krise (Herbst 1960 bis Herbst 1962), München 2011 (im Druck).

2 Stefan Karner et al. (Hg.): Der Wiener Gipfel 1961: Kennedy – Chruščev, Innsbruck 2011 (im Druck).

3 Manfred Wilke und Alexander J. Vatlin: Interview mit Generaloberst Anatoli Grigorjewitsch Mereschko, Wolgograd, 9. 9. 2010, übersetzt von Dr. Tatjana Timofejewa.

Erster Teil:

I. Die alliierten Kriegskonferenzen und die europäische nachkriegsordnung

Die bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 bedeutete die selbstverschuldete Ausschaltung des Deutschen Reiches als europäische Großmacht. Durch den Sieg der alliierten Mächte entstand aber in Mitteleuropa kein machtpolitisches Vakuum. In Europa änderte sich im Vergleich zu der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg die weltpolitische Mächtekonstellation grundlegend: Die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten stiegen zu dominierenden Weltmächten auf, die für die kommenden Jahrzehnte die Politik auf dem Kontinent und in Deutschland maßgeblich prägen sollten.

1. Die Vereinigten Staaten von Amerika und die Friedensziele der Anti-Hitler-Koalition – die Atlantik-Charta von 1941

Die Anti-Hitler-Koalition zwischen Großbritannien, der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten entstand als Zweckbündnis im Krieg nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion und dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten 1941. Die Rhetorik dieser Kriegskoalition aus den atlantischen Demokratien und der diktatorischen Sowjetunion wurde bestimmt vom Kampf gegen das nationalsozialistisch geführte Deutsche Reich. Die Schlüsselworte hatte der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt bereits vor dem Kriegseintritt der USA formuliert: »In seiner Jahresbotschaft vor dem Kongress am 6. Januar 1941 führte er dem amerikanischen Volk die vier menschlichen Grundfreiheiten vor Augen, die im Krieg gegen die Achsenmächte auf dem Spiel standen: die Rede- und Religionsfreiheit, die Freiheit von Not und die Freiheit von Furcht.«1 Gemeinsam mit dem britischen Premier Winston Churchill formulierte der Präsident die ideelle Grundlage des Kampfes gegen die Achsenmächte auf ihrem ersten Gipfeltreffen in Neufundland am 12. August 1941.

Die Atlantik-Charta gab dem Krieg der Anti-Hitler-Koalition ein demokratisch-fortschrittliches Ziel. »Sie hoffen, daß nach der endgültigen Zerstörung der Nazityrannei ein Frieden geschaffen wird, der allen Nationen die Möglichkeit gibt, innerhalb ihrer eigenen Grenzen in Sicherheit zu leben und der Gewähr dafür bietet, daß alle Menschen in allen Ländern in der Welt ihr Leben frei von Furcht und Mangel leben können.« Eine neue Friedensordnung sollte durch »ein umfassendes und dauerhaftes System allgemeiner Sicherheit« errichtet werden. Noch war die amerikanische Regierung neutral, einigte sich aber bereits zu diesem Zeitpunkt demonstrativ mit dem Hauptgegner des Deutschen Reiches auf gemeinsame Kriegsziele. Im Mittelpunkt stand das Recht aller Völker, »die Regierungsform frei zu wählen, unter der sie leben wollen, und sie wünschen, daß denjenigen souveräne Rechte und Selbstregierung zurückgegeben werden,« denen sie genommen worden sind. Zu den Kriegszielen zählte auch der Verzicht auf »Gebietsveränderungen, die nicht mit den frei zum Ausdruck gebrachten Wünschen der betroffenen Völker übereinstimmen«.2 Mit dieser demokratischen Rhetorik, der sich die verbündete Sowjetunion am 1. Januar 1942 anschloss, indem sie die Prinzipien der Atlantik-Charta anerkannte, wurden die unterschiedlichen Interessenlagen überdeckt. Dies sollten die USA und Großbritannien erst 1944 feststellen, als es noch während des Krieges um das Selbstbestimmungsrecht der Polen ging.

Die machtpolitischen Interessen der siegreichen Mächte wurden zudem rhetorisch verschleiert. Die so gesetzten Leitbilder über Freund und Feind in diesem größten Krieg der bisherigen Menschheitsgeschichte sollten dazu beitragen, den Sieg der Anti-Hitler-Koalition herbeizuführen. Diese Eloquenz bestimmte auch die Erklärung über das befreite Europa vom Februar 1945, die Roosevelt, Churchill und Stalin in Jalta unterschrieben. Die drei Mächte kündigten eine Abstimmung ihrer Politik zur Lösung »der politischen und wirtschaftlichen Probleme des befreiten Europa in Übereinstimmung mit diesen demokratischen Grundsätzen« an. Diese Absichtserklärung schloss Deutschland ein, obwohl dieses Land unter alliierter Kontrolle gehalten werden sollte, um »den deutschen Militarismus und Nazismus zu vernichten und die Garantie dafür zu schaffen, daß Deutschland nie wieder in der Lage sein wird, den Weltfrieden zu brechen«. Die Rhetorik verblasste, als die Interessengegensätze zwischen der kommunistischen Sowjetunion und den westlichen Demokratien die neuen Leitbilder des Kalten Krieges in der bipolaren Mächtekonstellation schufen.

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