Der Weg zur veganen Welt - Tobias Leenaert - E-Book

Der Weg zur veganen Welt E-Book

Tobias Leenaert

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Beschreibung

Wie können wir eine vegane Welt erschaffen? Dieses Buch verfolgt einen pragmatischen und breitenwirksamen Ansatz, der zeigt, wie wir alle dazu beitragen können, dieses Ziel realistisch zu erreichen: Die Überwindung unserer umfassenden Abhängigkeit von der Tiernutzung und dem massiven Leid, das sie produziert. Tobias Leenaert verlässt die ausgetretenen Pfade des Engagements für Tierrechte und wirft einen neuen, undogmatischen Blick auf Strategien, Ziele und die Kommunikation der veganen Bewegung. Er liefert zahlreiche wertvolle Ideen und Erkenntnisse für angehende Tierschützer*innen und erfahrene Aktivist*innen, für einschlägige Organisationen und sogar für Vertreter*innen der Wirtschaft.

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Seitenzahl: 321

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Tobias Leenaert, Redner, Trainer und Stratege, ist Mitgründer von »ProVeg International«, einer Organisation für bewusste Ernährung, die sich mit dem Ziel, den Tierverbrauch bis 2040 um 50% zu senken, für einen Wandel im globalen Ernährungssystem einsetzt, sowie Mitgründer des Center for Effective Vegan Advocacy (CEVA). Leidenschaftlich an Wirksamkeit interessiert, schreibt er regelmäßig für seinen Blog »The Vegan Strategist«.

Tobias Leenaert

Der Weg zur veganen Welt

Ein pragmatischer LeitfadenMit einem Vorwort von Sebastian JoyMit Illustrationen von Amy Hall-BaileyAus dem Englischen von Dennis Schmidt und Leandra Thiele

First published as How to Create a Vegan World. A Pragmatic Approach © Tobias Leenaert, 2017 published by Lantern Books, 128 Second Place, Garden Suite, Brooklyn, NY 11231-4102, USA

Diese Übersetzung wurde gefördert und inhaltlich begleitet von ProVeg International ‒ einer international tätigen gemeinnützigen Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das globale Ernährungssystem nachhaltiger, gerechter und tierfreundlicher zu gestalten, indem tierische Nahrungsmittel durch pflanzliche und zellkultivierte Alernativen ersetzt werden. Die Arbeit von ProVeg ist nachhaltig auch durch die Ideen von Tobias Leenaert beeinflusst.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2022 transcript Verlag, Bielefeld

Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.

Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld

Korrektorat: Jonas Geske, Bielefeld

Print-ISBN 978-3-8376-5161-4

PDF-ISBN 978-3-8394-5161-8

EPUB-ISBN 978-3-7328-5161-4

https://doi.org/10.14361/9783839451618

Buchreihen-ISSN: 2702-945X

Buchreihen-eISSN: 2702-9468

Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de

Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download

Stimmen zum Buch

»Der Weg zur veganen Welt« ist eine Pflichtlektüre für alle, die ihre Wirkung maximieren möchten, um die Welt zu einem besseren Ort für Tiere zu machen. Tobias Leenaert verbindet eine Fülle von Forschungsergebnissen mit seinen eigenen umfangreichen Erfahrungen als Veganer, um klare Argumente und praktische Tipps für ein effektives Engagement für die Sache zu geben. Ich empfehle dieses Buch sehr! – Dr. Melanie Joy, Autorin von Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen;Gründerin von Beyond Carnism, Mitgründerin von Center for Effective Vegan Advocacy (CEVA)

Tobias Leenaert liefert ein sehr überzeugendes Argument dafür, warum der Fokus auf Nahrungsmittel ein wesentlicher Teil des strategischen Werkzeugkastens der Tierschutzbewegung sein sollte. Ein erfrischendes, überzeugendes und letztlich sehr positives Buch, das alle lesen sollten, die Tieren helfen wollen. – Bruce Friedrich, geschäftsführender Direktor, Good Food Institute

Tobias’ Pragmatismus in diesem Buch ist erfrischend. Jeder Ansatz, der zu einer Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, Treibhausgasemissionen und Tierleid führt, sollte verfolgt werden. Um Tobias’ Argumente in diesem Buch zu veranschaulichen: Meine persönliche Bereitschaft, als ein gewohnheitsmäßiger Fleischesser Vegetarier oder Veganer zu werden, wird durch das Essen in einem spektakulären veganen Restaurant, die Tatsache, dass ich eine vegetarische Tochter habe, und die Begegnung mit vernünftigen Menschen wie Tobias mehr gefördert als durch meine beruflichen Bemühungen oder einen erhobenen Zeigefinger. – Mark Post, Pionier in der Zellkultivierung von Fleisch, Mosa Meat

»Der Weg zur veganen Welt« liefert einige nicht immer leichte Wahrheiten über unsere Wirksamkeit als Menschen, die sich für die Sache der Tiere einsetzen. Es ist ein Denkanstoß vom Feinsten – und eine Pflichtlektüre für alle pragmatischen Aktivisten, die nach evidenzbasierter Forschung und bewährten Strategien suchen. – Matthew Glover, Mitbegründer, Veganuary, CEO, Vegan Fried Chicken

Dieses Buch enthält viele der Ideen, von denen ich wünschte, ich hätte sie gleich gehabt, als ich 2005 vegan wurde. Es hätte mich und andere vor unzähligen fruchtlosen Diskussionen bewahrt. Sehr empfehlenswert für jeden vegan lebenden Menschen, der etwas bewegen will! – Mahi Klosterhalfen, CEO und Präsident, Albert Schweitzer Stiftung

»Der Weg zur veganen Welt« ist ein spannender Leitfaden für alle Menschen, die mehr über den Zusammenhang zwischen unserem tierlastigen Ernährungssystem und zahlreichen drängenden Problemen verstehen wollen – und die vor allem nach pragmatischen Lösungen suchen, die wirklich funktionieren. Ein absolutes Muss für alle, die etwas bewegen wollen – für die Tiere, das Klima und uns alle. – Ria Rehberg, CEO, Veganuary

Pflanzliche Ernährung hat sich längst zum Mainstream-Phänomen entwickelt, und die Menschen suchen zunehmend nach ethischen und nachhaltigen Alternativen zum Konsum von Tierprodukten. »Der Weg zur veganen Welt« führt mitten hinein in die wichtigen Fragen, wie die Ernährungswende zum Erfolg werden kann – und das auf äußerst spannende und lösungsorientierte Weise. Absolut lesenswert! – Niko Rittenau, Ernährungswissenschaftler und Bestseller-Autor

Ein großartiges Buch – nach dem Motto: Hör auf, perfekt sein zu wollen und fange lieber an, die Welt zu verändern. Geschrieben von dem Mitgründer einer der effektivsten Organisationen, die an der Transformation unseres Ernährungssystems arbeiten. – Rutger Bregman, Bestseller-Autor

Wenn Sie einen Beitrag zur Veganbewegung und zu der besseren Welt, die sie anstrebt, leisten wollen, ist dieses Buch ein ausgezeichneter Anfang; und wenn Sie bereits Teil dieser Bewegung sind, wird dieses Buch Ihnen helfen, über Ihren Einsatz für Tiere Bilanz zu ziehen und Ihnen Wege aufzeigen, wie Sie sich noch besser engagieren können. – Peter Singer, Philosoph, Bioethiker an der Universität Princeton

Tobias Leenaerts Buch ist Pflichtlektüre für alle, die das Leid in der Welt strategisch klug verringern wollen. Zu lange haben wir dabei die Tiere ignoriert, obwohl sie nicht weniger leidensfähig sind als wir. Das schadet auch uns selbst, denn die Tiernutzung treibt den Klimawandel an, erhöht das Pandemierisiko und schafft weitere Probleme mehr. Auf dem Weg zu einer veganen Welt brauchen wir nun aber die Unterstützung möglichst vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger – eine vegane Subkultur wird wenig bewirken. Leenaert zeigt kenntnisreich und überzeugend auf, dass die vielen Vegetarier:innen, Flexitarier:innen und Reduzierer:innen zusammen viel mehr zu einer veganen Welt beitragen als wir Veganer:innen. – Adriano Mannino, Philosoph, Mitgründer Solon Center for Policy Innovation

Dieses Buch ist für Aktivisten und Profis, für Neueinsteiger und Routiniers in Sachen Veganismus gleichermaßen wertvoll. Tobias’ strategische Überlegungen haben bereits viele inspiriert und liegen jetzt endlich auch in deutscher Übersetzung vor. Wenn ich ein Buch über Aktivismus auswählen und empfehlen müsste, wäre es klar dieses. – Felix Hnat, CEO, Vegane Gesellschaft Österreich

Seit vielen Jahren befasst sich Tobias Leenaert mit der veganen Bewegung und sucht den optimalen Weg zu einer veganen Welt. In diesem Buch hat er sein fundiertes Wissen darüber zusammengefasst. Dabei sind dies keine rein theoretischen Überlegungen sondern kommen aus der langjährigen erprobten Praxis. Sehr empfehlenswert für alle Aktivisten. – Renato Pichler, CEO, Swissveg und V-Label GmbH

Zuversicht ist der Vogel, der das Licht spürt und singt, wenn es am Morgen noch dunkel ist. – Rabindranath Tagore

Inhalt

Vorwort

Einführung Der lange Weg nach Veganville

Langsame Meinung

Herausfinden, was funktioniert

Der Weg nach Veganville

Begriffe und Geltungsbereich

1.Wie wir uns orientieren Wohin gehen wir, und wo sind wir?

Die Ziele dieser Bewegung

Eine doppelte Forderung

Zu viele »Steakholder«

Gewohnheitstiere

Unsere Sache ist anders

Tiere sind keine Menschen

Kämpfen ohne die Opfer

Etwas Uraltes verändern

Zeit für Pragmatismus

Fazit

2.Der Handlungsaufruf Was wir von den Menschen fordern

Kompromissbereitschaft ist keine Komplizenschaft

Eine Lektion vom Glutenfrei-Phänomen

Warum Fleischreduzierer:innen so wichtig sind

Unseren Handlungsaufruf verbessern

Aber was ist mit Veganismus?

Einwände gegen einen Handlungsaufruf zum Reduzieren

Fazit

3.Argumente Wie motivieren wir zum Umstieg?

Moralische und nicht-moralische Faktoren

Der Fokus unserer Bewegung auf das Moralische

Aufklärung wird überbewertet

Einstellungsänderungen können auf Verhaltensänderungen folgen

Schlussfolgerung 1: Alle Gründe zulassen

Gegenargumente

Schlussfolgerung 2: Es einfacher machen

Fazit

4.Umgebung Die Dinge leichter machen

Verbesserung der Alternativen

New Kids on the Block

Die Veganbewegung und das Business

Verbündete oder Feinde?

Wie man Unternehmen dabei hilft, der Veganbewegung zu helfen

Wenn Veganer:innen Geschäfte machen

Weitere Möglichkeiten eine förderliche Umgebung zu schaffen

Wandel in der Bildung

Gesetzliche Änderungen

Choice-Architektur

Die Bedeutung von professionellen Organisationen

Ein Wort zum Thema Geld

Tierrechts- oder Veganismusorganisationen?

Fazit

5.Unterstützung Jeden Schritt ermutigen

Zielgruppenorientierte Kommunikation

Eine Lizenz zum Beeinflussen

Unser Ziel: Impact

Es geht nicht um euch, es geht um sie

YANYA: Sie sind nicht Ihre Zielgruppe

Die Kunst des Zuhörens

Sanftes Auftreten

Vom Warum zum Wie, von der Theorie zum Essen

Der Weg zu einem inklusiveren Veganismus

Regeln und Resultate

Warum Konsequenz überbewertet wird

Gänzlich konsequent zu sein ist ineffektiv

Gänzlich konsequent zu sein ist unnötig

Gänzlich konsequent zu sein ist unzureichend

Gänzlich konsequent zu sein ist unmöglich

Gegenargumente

Wenn wir nicht konsequent sind, sind die Leute verwirrt

Wir laufen Gefahr, das Konzept des Veganismus zu verwässern

Wir müssen ein Vorbild für die Menschen sein

Fazit: Wie man Veganer:in mit maximalem Impact wird

6.Nachhaltigkeit Wie man am Ball bleibt

Veganer vegan halten

Aktivisten aktiv halten

Fazit Die Zukunft veganer Strategie und Kommunikation

Anhang Ressourcen

Anmerkungen

Bibliografie

Danksagung

Über den Autor

Vorwort

Tobias habe ich zum ersten Mal 2008 getroffen. Damals war ich ganz frisch zum stellvertretenden Vorsitzenden des Vegetarierbund Deutschland (VEBU) gewählt worden und hatte eine Rundreise durch Europa gemacht, um die Vertreter:innen der verschiedenen europäischen Organisationen und Verbände im Bereich Vegetarismus und Veganismus persönlich zu treffen. Tobias hatte einige Jahre zuvor in Belgien die Organisation EVA gegründet und mit seinem innovativen Ansatz und sichtbaren Erfolg für viel Aufsehen in der Szene gesorgt. Auf meine Reise nach Gent hatte ich mich daher ganz besonders gefreut, um Tobias und seine Herangehensweise aus erster Hand kennen zu lernen. Und in der Tat hat mich dann Tobias’ Ansatz maßgeblich dabei geprägt, den Vegetarierbund in eine einflussreiche und pragmatische Organisation umzubauen. Innerhalb weniger Jahre konnten wir so unsere Mitgliederzahlen verfünffachen und viele erfolgreiche Initiativen, Veranstaltungen und Kampagnen etablieren. Aufbauend auf diesem Erfolg und der entstandenen Freundschaft mit Tobias haben wir dann – zusammen mit der Sozialpsychologin und Autorin Dr. Melanie Joy (die ich inzwischen auch meine Frau nennen darf) – den Entschluss gefasst, eine weltweite Organisation mit dem Namen ProVeg International aufzubauen.

Für den »Weg zur veganen Welt« sprechen viele gute Gründe. Denn die landwirtschaftliche Tierhaltung, die aktuell unseren Hunger nach Fleisch, Milch und Eiern stillt, ist mitverantwortlich für eine lange Reihe an Problemen: Sie trägt zu rund 15 % der weltweiten Treibhausgasemissionen und bis zu 80 % der Regenwaldzerstörung bei; sie verschlingt über 80 % der nutzbaren Landfläche, 30 % des Trinkwassers und 75 % der Sojaernte; und sie tötet jährlich über 75 Milliarden Landtiere und unfassbare 2,3 Billionen Fische, nachdem zuvor noch rund 75 % unserer Antibiotika in sie geflossen sind. Zudem trägt der hohe Konsum an Tierprodukten aufgrund der schlechten Konversionsrate von pflanzlichen Futtermitteln zu Tierprodukten zum Welthunger bei. Und gleichzeitig erhöht er verschiedene Gesundheitsrisiken – nicht nur für diejenigen, die Tierprodukte essen, sondern für uns alle: von Wohlstandskrankheiten wie Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes Typ-2 und Übergewicht, über Antibiotikaresistenzen bis hin zu zoonotischen Pandemien wie Covid-19.

Die Lösung all dieser Probleme liegt auf der Hand: Die Abkehr von der landwirtschaftlichen Tierhaltung und die Ersetzung von Tierprodukten wie Fleisch, Milch und Eiern durch Alternativen auf Pflanzen-, Fermentations-, oder Zellkultivierungsbasis. Durch diese beispiellose Transformationsleistung kann unser Ernährungssystem zu einer Multiproblemlösung werden – und zwar weltweit.

Ein solcher Transformationsprozess erfordert das Zusammenwirken der individuellen und institutionellen Ebene – der Menschen und der Umgebungsbedingungen. Um Veränderung zu bewirken, kann man nun entweder von den Menschen mehr Anstrengung fordern – oder aber es ihnen leichter machen. Und Letzteres ist genau das, was Tobias Leenaert als ausgezeichneter Kenner der menschlichen Psychologie in diesem Buch empfiehlt. Ferner bedarf es einer Orientierung an Effektivität, Ergebnissen und Fakten – und natürlich eine grundlegende Offenheit, um das eigene Vorgehen immer wieder kritisch zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.

All das haben auch wir bei ProVeg uns ausdrücklich auf die Fahnen geschrieben, um unsere Mission, den weltweiten Tierkonsum bis 2040 um 50 % zu reduzieren, erfolgreich umzusetzen.

Es hat sich viel getan in den letzten Jahren – sehr viel. Denn die Transformation des globalen Ernährungssystems findet bereits statt. Alle gesellschaftlichen Bereiche zeigen erste bis deutliche Veränderungen. Am beeindruckendsten sind die Weiterentwicklungen in der Gesellschaft: Nicht nur internationale Stars und Vorbilder wie Beyoncé oder Lewis Hamilton machen Werbung für Veganismus und die pflanzliche Lebensweise; die Botschaft ist inzwischen auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Weltweit identifizieren sich inzwischen 42 % der Menschen als Flexitarier:innen – Menschen also, die ihre Ernährung flexibler gestalten, ihren Konsum von tierischen Lebensmitteln aktiv reduzieren und offener für pflanzliche Alternativen sind. In Deutschland sind es laut einer aktuellen Studie sogar 55 %. Auch wenn Flexitarier:innen noch nicht komplett vegan sind, haben sie sich auf den Weg gemacht, wie Tobias sagen würde. Und dabei sollten wir es ihnen so leicht wie möglich machen. Dass auch genau das bereits stattfindet, zeigen die Entwicklungen in anderen gesellschaftlichen Bereichen.

Auf politischer Ebene mahnen die Vereinten Nationen bereits seit Jahren, dass ein globaler Wechsel zu einer pflanzlichen Ernährung essentiell ist, um die Welt vor Hunger und den schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu bewahren. Und die EU hat sich mit der Farm-to-fork-Strategie ambitionierte Ziele im Rahmen ihres Green Deals zum Klimaschutz gesetzt. Dabei kann sich die Politik auf eine breite Unterstützung aus der Wissenschaft berufen, die inzwischen aus verschiedenen Gründen eine deutliche Reduktion des Tierkonsums fordert.

Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist eine Reduktion des Fleischkonsums in Deutschland um bis zu 70 % aus gesundheitlichen Gründen dringend angeraten. Und auch für die Gesundheit und das Klima unseres Planeten ist ein Wandel zu mehr pflanzlichen Alternativen die einzige Möglichkeit, gesteckte Ziele zu erreichen. Ferner warnen Wissenschaftler:innen vor einer drohenden Antibiotika-Apokalypse, bei der ab dem Jahr 2050 bis zu 10 Millionen Menschen jährlich an den Folgen von Infektionen mit multiresistenten Keimen sterben werden – unter anderem, weil bis zu 75 % unserer lebenswichtigen Antibiotika in die landwirtschaftliche Tierhaltung gehen und ihre Wirksamkeit verlieren. Und schließlich hat auch die aktuelle Covid-19-Pandemie wissenschaftliche Argumente für eine Proteinwende befeuert. Denn mit jeder neuen Massentierhaltungsanlage, die wir bauen, und mit jedem weiteren Lebensraum, den wir zerstören, erhöhen wir das Risiko zukünftiger zoonotischer Ereignisse. Wir essen sozusagen unseren Weg zur nächsten Pandemie.

Ganz entscheidend ist aber, dass inzwischen auch die Wirtschaft die Zeichen der Zeit verstanden und den Weg zur veganen Welt als einzigartige Gelegenheit erkannt hat. Investoren wie Bill Gates und Richard Branson setzen auf alternative Proteine; Startups, die an pflanzlichen, fermentationsbasierten oder zellkultivierten Alternativen zu Fleisch, Milch und Käse arbeiten, sprießen wie die Pilze aus dem Boden und bringen immer weitere innovative und attraktive Produkte auf den Markt; und auch die etablierten Lebensmittelhersteller integrieren immer mehr Produkte in ihr Portfolio.

Es hat sich also vieles geändert, seit ich Tobias kennengelernt habe – eines jedoch nicht: die Richtigkeit und Wichtigkeit eines pragmatischen, lösungsorientierten Vorgehens. Und da ist Tobias Leenaerts Buch zeitlos wichtig. Wer sich nicht nur selbst auf den Weg zur veganen Welt machen will, sondern ihn insbesondere auch allen anderen ebnen will, findet in diesem Buch einen reichen Erfahrungsschatz und anwendbares Wissen, das keine bloße Theorie bleibt. Die aktuell positiven Entwicklungen verdanken sich auch Vordenkern wie Tobias und Büchern wie diesem. Und die Verbreitung dieser Ideen ist auch weiterhin wichtig und wirkungsvoll, um diese Entwicklungen weiter zu befördern.

Daher ist es mir eine große persönliche Freude, dass dieses wichtige Buch jetzt auch auf Deutsch vorliegt. Ich wünsche ihm eine zahlreiche und interessierte Leserschaft, die sich von Tobias’ Überlegungen genauso inspiriert fühlt wie ich und unsere gesamte Organisation!

Sebastian Joy, Mitgründer und Vorsitzender ProVeg International, Mitgründer 50by40.org

Einführung Der lange Weg nach Veganville

In allen Angelegenheiten ist es gesund, die Dinge, die man lange für selbstverständlich gehalten hat, hin und wieder mit einem Fragezei-chen zu versehen. – Bertrand Russell zugeschriebenes Zitat.

Das Töten und Leiden von Tieren durch Menschenhand zu beenden könnte eine der größten Herausforderungen sein, die jemals von einer Gruppe von Menschen in Angriff genommen wurde. Wenn Sie dieses Buch lesen, gehören Sie wahrscheinlich zu dieser Gruppe. Vielleicht sind Sie Vegetarier:in, Veganer:in, Fleischreduzierer:in oder einfach ein:e Fürsprecher:in oder ein:e Verbündete:r. Vielleicht spenden Sie für die Sache der Tiere oder arbeiten oder engagieren sich ehrenamtlich für eine Tierrechts- oder Veganismusorganisation. Vielleicht sind Sie in der Wirtschaft oder für den Staat tätig, oder Sie möchten einfach mehr darüber erfahren, wie Sie Tieren helfen können. Ich hoffe, dass Sie unabhängig davon, wer Sie sind und was Sie tun, aus diesem Buch neue Einsichten gewinnen werden, wenn Sie helfen wollen, eine bessere Welt für Tiere zu schaffen.

Der Weg zur veganen Welt präsentiert eine pragmatische Strategie, die uns zu einem Wendepunkt in Bezug auf die Einstellung und das Verhalten der Gesellschaft gegenüber Tieren, insbesondere landwirtschaftlichen Nutztieren, führen soll. Hier ist ein kurzer Abriss von dem, was Sie erwartet.

Während ich dies schreibe, sind wir alle abhängig von Tieren. Immer mehr Menschen auf der ganzen Welt essen tierische Mahlzeiten, manchmal dreimal am Tag. Ich nenne diese Menschen Steakholder. Um diese Situation zu ändern, können wir uns nicht hauptsächlich oder übermäßig darauf verlassen, sie mit ethischen Argumenten zu überzeugen; vielmehr müssen wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen. Traditionell versucht die Tierrechtsbewegung seit jeher, die Einstellung der Menschen zu ändern und sie so zu motivieren, ihr Verhalten zu ändern. Der komplementäre Ansatz, den ich in diesem Buch beschreibe, besteht darin, sich darauf zu konzentrieren, Verhaltensänderungen zu erleichtern, sodass weniger Motivation erforderlich ist.

Pragmatisch zu sein verstehe ich folgendermaßen:

•verwenden wir auch beträchtliche Energie darauf, Menschen zu ermutigen, ihren Konsum von Tierprodukten zu reduzieren. Mit einer Vielzahl von Reduzierer:innen können wir den Wendepunkt schneller erreichen als mit einer kleinen Anzahl von Veganer:innen.

•Wir erlauben es den Menschen, aus welchen Gründen auch immer umzusteigen, nicht nur, weil sie aus moralischen Gründen davon überzeugt sind, dass sie keine Tiere essen sollten. Menschen ändern ihre Einstellung oft erst nachdem und nicht bevor sie ihr Verhalten ändern.

•Wir fördern eine Umgebung, die den Umstieg erleichtert, vor allem dadurch, dass wir Alternativen zu tierischen Produkten besser, billiger und noch besser verfügbar machen.

•Wir entwickeln ein entspannteres Verständnis von Veganismus.

Langsame Meinung

Wir urteilen oft vorschnell über Dinge. Das Internet und die sozialen Medien – wo es nur ein paar Sekunden dauert, um einen Kommentar oder eine spöttische Bemerkung zu veröffentlichen – tragen zu einer »schnellen Meinung« bei. Ich bin ein begeisterter Befürworter der »langsamen Meinung«. Wenn Sie ein:e »langsame:r Meinungsbildner:in« sind, sind Sie sich der Komplexität des Lebens, der Menschen und der modernen Gesellschaft bewusst, und Sie weigern sich, sich eine Meinung zu bilden, bevor Sie die Dinge durchdacht und sich über sie informiert haben.

Langsame Meinungsbildner:innen glauben nicht, dass diejenigen, die bei einem Argument oder einer Frage die Gegenposition einnehmen, zwangsläufig falsch liegen. Und sie werden nicht verfrüht Ja oder Nein zu etwas sagen. Langsame Meinungsbildner:innen stellen Fragen, und sie werden der Person, die gegenwärtig mit ihrer Position nicht einverstanden ist, sagen, dass sie auf sie zurückkommen werden, nachdem sie sich etwas Zeit genommen haben, um über das Argument ihres »Gegners« nachzudenken. Bei langsamer Meinungsbildung geht es auch um Empathie. Es geht darum, sich zu fragen, wie es ist, in der Haut der anderen Person zu stecken. Langsame Meinungsbildner:innen interessieren sich für andere Menschen: Welche Werte sind für sie wichtig? In welchen Positionen befinden sie sich? Könnten sie vielleicht einen guten Grund haben, dies zu sagen, zu schreiben oder zu tun? Einer der größten Vorteile einer langsamen Meinung ist, dass sie der Neigung zur vorschnellen und pauschalen Verurteilung anderer Menschen (einschließlich derer, die wir nur allzu gerne hassen, wie etwa Politiker:innen und Berühmtheiten) und ihrer Meinungen entgegenwirken kann.

Die Bewegungen für Tierrechte und Veganismus könnten von langsamen Meinungen und tiefem Nachdenken sehr profitieren. Es würde uns gut stehen, weniger urteilend zu sein – sowohl gegenüber Menschen auf unserer Seite als auch gegenüber denen auf der anderen. Eine langsame Meinung würde uns helfen, unsere Strategien zur positiven Beeinflussung der Menschen zu verfeinern.

In den Augen vieler meiner Mitstreiter:innen für Tierrechte und Veganismus wird der Ansatz, den ich in diesem Buch darlege, vermutlich wie ein Bruch mit den Regeln und ein Abweichen von bekannten Pfaden erscheinen. Aber ich glaube, dass alles – selbst unsere tiefsten Überzeugungen – gelegentlich hinterfragt werden sollte, damit wir sicherstellen können, dass wir auf dem richtigen Weg sind und unsere Taktiken und Strategien kontinuierlich verbessern. Auch wenn Sie vielleicht nicht mit allem, was Sie lesen, einverstanden sein werden, empfehle ich Ihnen, offen zu bleiben und ein:e langsame:r Meinungsbildner:in zu sein.

Herausfinden, was funktioniert

Eine langsame Meinung mag uns bedächtiger und strategischer machen, aber unsere Offenheit für Nuancen und Unschärfen darf uns nicht lähmen. Deshalb müssen wir mit der gebührenden Sorgfalt herausfinden, was funktioniert. Manchmal müssen wir Ansätze testen, derer wir uns nicht sicher sind, um zu sehen, ob sie uns unserem Ziel näherbringen oder nicht.

In Steven Spielbergs Film Lincoln diskutieren der gleichnamige Held und der Abgeordnete Thaddeus Stevens, wie der Zusatzartikel zur Abschaffung der Sklaverei verabschiedet werden kann. Stevens spricht über unseren »inneren Kompass« und wie er nach Norden zeigen sollte, um uns zu zeigen, wohin wir gehen sollen und was richtig ist. Bedauerlicherweise, fügt er hinzu, sei der Kompass vieler Menschen nicht richtig ausgerichtet. Darauf entgegnet Lincoln:

Ein Kompass, so habe ich es beim Vermessen gelernt, zeigt... zeigt immer den Wahren Norden von Ihrem Standort aus an, aber er enthält keine Hinweise auf die Sümpfe, Wüsten und Abgründe, auf die Sie auf Ihrem Weg stoßen werden. Wenn Sie bei der Verfolgung Ihres Ziels ohne Rücksicht auf Hindernisse vorwärtsstürmen und nichts weiter erreichen, als in einem Sumpf zu versinken … was nützt es dann, den Wahren Norden zu kennen? (Tuttle)

Lincoln (zumindest im Film) ist schlau und gerissen, obwohl seine Vorsicht und Bedachtsamkeit diejenigen wütend macht, die das Gefühl haben, dass die moralischen Imperative ihres Anliegens direkte Taten erfordern. Lincoln weiß, dass wirksame Strategien oder Taktiken diejenigen sind, die uns helfen, unser Ziel so schnell wie möglich zu erreichen; sie sind nicht unbedingt die geradlinigsten oder reinsten oder, in diesem Fall, die offensichtlichsten.

Wenn wir Strategien diskutieren, begehen viele von uns wahrscheinlich einen von zwei Fehlern. Der erste ist, zu glauben, dass es nur einen richtigen Ansatz gebe. Die Menschen und die Gesellschaft sind offensichtlich zu vielfältig und komplex, als dass dies wahr sein könnte. Der zweite ist das Gegenteil des ersten: zu glauben, dass alle Strategien nützlich und notwendig sind. Einige werden besser funktionieren als andere und wir wollen unsere begrenzten Ressourcen in die besten oder vielversprechendsten von ihnen investieren. Wir sollten uns nicht mit wahren, aber trivialen Aussagen wie »unterschiedliche Ansätze funktionieren für unterschiedliche Menschen« zufriedengeben. Wenn wir nur eine Person überzeugen, obwohl wir inzwischen schon tausend hätten überzeugen können, haben wir unsere Mühen vergeudet, es sei denn natürlich, diese eine Person hat erheblichen Einfluss in der Gesellschaft. Darüber hinaus ist es möglich, dass einige Strategien mehr Schaden als Nutzen anrichten. Wenn eine Strategie hundert Menschen anspricht, aber tausend andere abschreckt, ist sie vermutlich nicht effektiv.

Wenn wir wissen wollen, welche Strategien, Taktiken oder Kampagnen erfolgreicher sind als andere, können wir uns nicht einfach auf unsere persönlichen Erfahrungen, unser Bauchgefühl oder unsere Intuition verlassen. Sie alle haben ihren Platz, aber wir müssen sie mit gesicherten Forschungsergebnissen stützen. Unsere Annahmen darüber, was andere Menschen antreibt oder beeinflusst, sind oft falsch, und wir sind zudem leicht anfällig für allerlei Voreingenommenheiten.

Kurz gesagt: Wir müssen alles gut durchdenken. Wir sollten wissenschaftlich vorgehen und Daten und Beweise sammeln, auch wenn wir keine endgültigen Ergebnisse und Antworten auf all unsere Fragen erwarten können. Wir sollten viele verschiedene Faktoren, Parameter und Unwägbarkeiten aus einem breiten Spektrum von Forschungsmethoden berücksichtigen. Einige Forscher:innen, ob aus Organisationen oder akademischen Institutionen, messen die Reaktionen von Menschen auf Aussagen und Bilder, ihre psychologischen Veranlagungen und Motivationen, wie sie online »klicken« und andere Verhaltensweisen. Einige analysieren die Geschichte anderer sozialer Bewegungen, um daraus wertvolle Lehren für unsere eigene zu ziehen. Wir können auch Ergebnisse aus Studien anderer Bereiche heranziehen, z.B. aus der Psychologie oder den Sozialwissenschaften, oder auch aus Marketing-, Innovationsforschung und weiteren Disziplinen. Die Erkenntnisse, die wir so gewinnen, helfen uns, unsere Bemühungen zu optimieren, um die von uns gewünschten Veränderungen herbeizuführen.

Für dieses Buch habe ich so weit wie möglich auf Forschungsarbeiten zurückgegriffen, wie sie im vorigen Absatz aufgeführt wurden, und meine Aussagen entsprechend belegt. Das meiste von dem, was ich vorbringe, wird durch unterschiedlich starke Belege untermauert. Der Rest ist etwas spekulativer und mag durch zukünftige Studien bestätigt werden oder auch nicht. Ein Teil der Funktion dieses Buches besteht darin, Fragen aufzuwerfen, die zum Denken und zur weiteren Forschung anregen sollen.

Effektiver Altruismus

Effektiver Altruismus (EA) ist eine Philosophie und Bewegung, deren Anhänger:innen wissenschaftliche Forschung und Evidenz nutzen, um Leiden zu verringern und Glück zu vermehren. Die EA-Bewegung spielt nicht nur eine wichtige Rolle bei der weiteren Verbreitung des Themas Tierleid, sondern sie hatte in den letzten Jahren auch einen bedeutenden Einfluss auf die Tierrechtsbewegung selbst. Die Konzepte und Ideen des EA haben der Tierrechtsbewegung geholfen, sich mehr auf Effektivität zu konzentrieren, indem sie die verschiedenen Kriterien betont, die wir berücksichtigen sollten, wenn wir Entscheidungen treffen und unsere eigene Wirkung bewerten. Zu den Kriterien gehören (1) das Ausmaß und die Intensität des Leidens, (2) die Ressourcen, die bereits in ein bestimmtes Problem investiert werden (wird es, mit anderen Worten, vernachlässigt?), und (3) ob es gute und eindeutige Lösungen für dieses Problem gibt.

Eine EA-Organisation im Bereich der Tierrechtsbewegung ist Animal Charity Evaluators, die versucht, effektive Methoden zur Verbesserung des Lebens von Tieren zu finden und diese bekannt zu machen. Auch die Bücher von Nick Cooney (Veganomics, Change of Heart, How to Be Great at Doing Good) und die Organisation Faunalytics haben maßgeblich dazu beigetragen, die Tierrechtsbewegung evidenzbasierter und ergebnisorientierter zu gestalten. Siehe Anhang und Literaturverzeichnis für weitere Einzelheiten.

Der Weg nach Veganville

Im gesamten Buch verwende ich eine Metapher, um meine Argumentation zu illustrieren und verschiedene Konzepte zu verdeutlichen. Dadurch lässt sich die Strategie leichter merken.

Veganville ist eine imaginäre Stadt auf dem Gipfel eines Berges. Die meisten von Ihnen, die dieses Buch lesen, leben vielleicht schon dort. Aber wenn Sie das tun, ist es Ihr (und mein) Ziel, so bald wie möglich so viele andere Menschen wie möglich dazu zu bewegen, mit uns zu leben. Wie alle Metaphern ist auch diese nicht perfekt – so wäre unsere Stadt irgendwann etwa extrem überfüllt –, aber sie dient einem Zweck. Im Folgenden werden die verschiedenen Bestandteile der Metapher ausführlicher erläutert.

•In Kapitel 1, »Wie wir uns orientieren«, werfen wir einen Blick darauf, wohin wir gehen wollen und wo genau wir im Moment stehen. Aus einem kurzen Blick auf die gegenwärtige Situation schließe ich, dass unsere Bewegung eine hohe Dosis Pragmatismus braucht. In jedem der nächsten Kapitel erkläre ich, wie man pragmatisch sein kann.

•In Kapitel 2, »Der Handlungsaufruf«, untersuchen wir, was wir von den Menschen idealerweise verlangen sollten, um sie dazu zu bringen, sich auf die Reise zu machen. Es mag den Anschein haben, dass das Naheliegendste, was man ihnen sagen könnte, wäre: »Kommt zu uns. Jetzt sofort!« Aber, der Logik Lincolns folgend, gibt es vielleicht verschiedene Wege nach Veganville. Wir können den Menschen sagen, dass sie die Reise in Etappen machen oder dass sie uns bei Tagesausflügen besuchen sollen.

•Kapitel 3, »Argumente«, fragt, welche Gründe wir nutzen können oder sollten, um andere zu ermutigen, sich uns anzuschließen. Die Menschen müssen viele Tage lang bergauf wandern, um nach Veganville zu gelangen. Wir wissen, dass es die Mühe wert ist, aber sie tun es nicht – zumindest noch nicht. Wie können wir sie also am besten motivieren?

•In Kapitel 4, »Umgebung«, geht es um alles, was außerhalb unserer Reisenden liegt. Wir müssen die Wege verbessern und dafür sorgen, dass es Hütten, Rastplätze und Helfer gibt, falls die Reisenden unterwegs Hilfe brauchen.

•In Kapitel 5, »Unterstützung«, geht es darum, dass wir vom Berg herunterkommen und die Menschen ermutigen, den Aufstieg zu beginnen und fortzusetzen. Es geht um unsere alltäglichen Interaktionen und Kommunikation mit ihnen. In diesem Kapitel gehe ich auch näher darauf ein, wie wir Veganismus definieren sollten.

•In Kapitel 6, »Nachhaltigkeit«, geht es darum sicherzustellen, dass unsere Reisenden, wenn sie es einmal geschafft haben, bleiben und dass diejenigen, die anderen helfen den Berg zu besteigen, nicht ausbrennen.

In der Abbildung des Weges nach Veganville auf der nächsten Seite (Abb. 1) geben die Zahlen die Kapitel des Buches an.

Abb. 1: Der Weg nach Veganville

Begriffe und Geltungsbereich

Obwohl Tiere nicht nur wegen unserer Essgewohnheiten leiden und getötet werden, konzentriere ich mich hauptsächlich auf Strategien zur Verringerung des Konsums und der Produktion von tierischen Lebensmitteln. Die Nutztierhaltung ist die weitreichendste und folgenreichste Form der Tierausbeutung. Auf sie entfallen 99 Prozent der vom Menschen getöteten Tiere und in der Lebensmittelindustrie sterben viel mehr Tiere als durch wissenschaftliche Forschung, Jagd und die Bekleidungs- und Unterhaltungsindustrie zusammengenommen.

Wenn ich von »Fleisch«spreche, meine ich in der Regel Fleisch und andere tierische Produkte, einschließlich Fisch, Milchprodukte und Eier, ebenso steht »Fleischreduzierer:in«für Reduzierer:in von tierischen Produkten allgemein. Wenn ich von »Veganer:innen«schreibe, schließe ich auch Vegetarier:innen ein. Wenn der Unterschied zwischen beiden relevant ist, schreibe ich entsprechend »Vegetarier:inund Veganer:in«. Unter der Veganbewegung oder der Tierrechtsbewegung verstehe ich eine diverse und sich ständig verändernde Gruppe von Menschen, die das Töten und die Leidzufügung sowie die Ungerechtigkeiten in Bezug auf Tiere minimieren wollen (über das genaue Ziel werden wir auf den nächsten Seiten sprechen), auch wenn sie sich hinsichtlich des Endziels – und noch mehr über den Weg dorthin – bisweilen voneinander unterscheiden. Ich möchte Menschen, die speziell oder hauptsächlich aus Sorge um ihre Gesundheit motiviert sind, hierbei nicht ausschließen, denn das halte ich für strategisch nicht sinnvoll. Wenn ich in diesem Buch von der »Veganbewegung«spreche, denke ich jedoch an diejenigen, die von der Überzeugung motiviert sind, dass es unethisch ist, Tiere für Nahrung, Kleidung und andere Zwecke auszunutzen. Ich zähle mich selbst zu diesen Menschen – mit einigen Vorbehalten, wie sich zeigen wird.

Meine Beispiele kommen hauptsächlich aus der Bewegung in Europa und Nordamerika. Und auch die meisten verfügbaren Studien stammen aus diesen Regionen, insbesondere aus den USA. Manchmal können Fakten und Daten auf andere Regionen übertragen werden; manchmal können oder sollten sie es nicht. (In Nordamerika und Europa etwa stagniert oder geht der Verbrauch von Tierprodukten zurück; in Entwicklungsländern dagegen steigt er oft schnell an.)

Schließlich verwende ich der Kürze halber den Begriff »Tiere«anstelle von »nichtmenschliche Tiere«.

1.Wie wir uns orientierenWohin gehen wir, und wo sind wir?

Geschwindigkeit ist irrelevant, wenn man in die falsche Richtung geht. – Mohandas K. Gandhi

Wenn wir wollen, dass alle nach Veganville ziehen, müssen wir uns ein Bild von der Situation machen, in der wir uns gerade befinden. Wie viele Menschen leben am Fuß des Berges? Was denken und fühlen sie? Ist es einfach für sie, die Reise anzutreten? Wie ist der Zustand der Wege? Übertragen auf die Veganbewegung geht es bei diesen Fragen um die öffentliche Unterstützung für unser Ziel, um die Vorstellungen, die die Menschen von Tieren haben, um die verfügbaren Alternativen, um die Hindernisse, die einer Umstellung auf eine vegane Lebensweise im Wege stehen, und darum, was Veganer:innen motiviert. Bevor wir uns jedoch der gegenwärtigen Situation zuwenden, wollen wir kurz untersuchen, inwieweit wir uns über unsere Endziele einig sind. Denn diese sind nicht so offensichtlich, wie es erscheinen mag.

Die Ziele dieser Bewegung

Ganz allgemein gesagt wollen wir in der Veganbewegung so vielen Tieren wie möglich so viel wie möglich helfen. Was bedeutet in diesem Zusammenhang »helfen«? Hier sind drei Möglichkeiten, diese Frage zu verstehen. Helfen könnte bedeuten:

1.So viel Tierleid wie möglich zu reduzieren

2.Die Zahl der Tötungen so weit wie möglich zu reduzieren

3.Die Ungerechtigkeit gegenüber Tieren so weit wie möglich zu reduzieren

Ich vermute, die meisten Leser:innen dieses Buches werden den Punkten (1) und (2) zustimmen. Ich bin mir bewusst, dass viele Menschen es für akzeptabel halten, Tiere zu töten, wenn es schmerzlos geschieht und das Tier »ein gutes Leben« hatte (was auch immer das bedeutet), aber das Publikum, das ich in diesem Buch im Auge behalte, sind diejenigen, die das Schlachten von Tieren für Nahrung, Kleidung oder Vergnügen als verwerflich empfinden und es abschaffen wollen.

Punkt (3) auf unserer Liste ist komplizierter. Einige unserer Handlungen gegenüber oder Beziehungen zu Tieren, die als speziesistisch1 angesehen werden könnten oder den Tieren zugeschriebene Rechte verletzen, sind nicht unbedingt schädlich für sie. Diskutieren könnte man z.B. über das Reiten von Pferden, über Hühner, die im Garten Eier legen, oder sogar über Hunde und Katzen als tierische Gefährten. Ich persönlich bin gegen fast jeden Gebrauch von Tieren, vor allem, weil ich sie vor Leid und/oder Tötung schützen möchte. Tiere sind vielleicht nicht ganz frei, aber das bedeutet nicht unbedingt, dass ihnen Schaden zugefügt wird (nicht jeder »Gebrauch« stellt einen »Missbrauch« dar). Umgekehrt können Tiere, die in freier Natur leben, zuweilen extremem Leid ausgesetzt sein (siehe Kasten »Das Leiden der Wildtiere«).

Es liegt außerhalb des Rahmens dieses Buches, eine ausführliche philosophische Diskussion über die ultimativen Ziele der Tierrechtsbewegung zu führen, die über die drei oben aufgeführten Ziele hinausgehen. Ich nehme es als gegeben an, dass Veganer:innen und Tierrechtsaktivist:innen diesen Zielen weitgehend zustimmen und ihre Verwirklichung voranbringen wollen.

Eine vegane Welt ist daher eine Welt, in der keinem Tier von Menschen mutwillig Leid zugefügt, in der kein Tier getötet wird und in der die Haltung und Nutzung von Tieren fast vollständig abgeschafft wurde, auch wenn einige für beide Seiten vorteilhafte Beziehungen zwischen Mensch und Tier bestehen bleiben mögen. Nach dieser Definition ist eine vegane Welt nicht das Ziel an sich, so wie Veganismus kein Selbstzweck ist, sondern ein Mittel für diese Vision.

Das Leiden der Wildtiere

Tiere in freier Wildbahn leiden unter Hunger, Bejagung, Krankheiten, Parasiten und ungünstigen klimatischen Bedingungen – unabhängig von menschlichem Handeln oder Nichthandeln. Diese Realität veranschaulicht auf nützliche Weise die Unterschiede zwischen der Fokussierung auf Leiden (und Töten) einerseits und Gerechtigkeit, Fairness, Autonomie und anderen Werten andererseits. Selbst wenn wir uns auf die Beseitigung von Ungerechtigkeiten fokussieren, werden all diese natürlichen Realitäten bestehen bleiben.

Die für viele von uns schwer zu akzeptierende Wahrheit ist, dass die Ursache des Leidens – menschlich oder nicht – für diejenigen, die es erfahren, irrelevant ist. Für ein Kaninchen macht es keinen Unterschied, ob es an einer schrecklichen Krankheit leidet oder ob es in der Falle eines Menschen gefangen wurde. Die Krankheit könnte tatsächlich mehr Leid mit sich bringen, aber nur der Fallensteller und nicht die Natur oder Raubtiere können sich einer moralischen Übertretung schuldig machen. Der springende Punkt hierbei ist, dass die Fokussierung auf Leiden als das Grundproblem dazu führen kann, dass wir uns (wenn möglich und wirksam) in die Natur einmischen sollten. Die Werte, auf die wir uns fokussieren, können also einen Unterschied in unserem Handeln und unserer Argumentation machen.

Eine doppelte Forderung

Wenn wir uns in der Veganbewegung genauer anschauen, was wir von Nicht-Veganer:innen verlangen, stellen wir fest, dass dies zwei verschiedene Dinge sind. Erstens wollen wir, dass andere ihr Verhalten ändern: dass sie aufhören, tierische Produkte zu konsumieren. Zweitens wollen wir auch, dass sie ihre Einstellung ändern: Sie sollen aufhören, tierische Produkte zu konsumieren, weil sie sich um Tiere sorgen. Mit anderen Worten, wir wollen nicht nur, dass die Menschen das Richtige tun; wir wollen, dass sie das Richtige aus den richtigen Gründen tun. Um das noch deutlicher zu machen: Stellen Sie sich eine Welt vor, in der niemand mehr tierische Produkte isst, da sie als »Ressourcen« überflüssig geworden sind, und es besser verfügbare, billigere und gesündere Alternativen gibt. Ich bin ziemlich sicher, dass die meisten Vegan-Aktivist:innen, mich eingeschlossen, sich in dieser »zufällig veganen« Welt nicht ganz wohl fühlen würden. Wir wünschen uns, dass die Menschen aus moralischer Überzeugung motiviert werden – und zwar nicht nur, weil solche Einstellungen die Grundlage für die Nachhaltigkeit der Veränderung zu sein scheinen, sondern auch, weil es an sich schon wertvoll ist, moralisch zu sein. Wir wollen eine »beabsichtigte vegane Welt«, in der die Menschen moralische Werte und Einstellungen gegenüber Tieren vertreten, die ihnen inhärente und nicht-instrumentelle Rechte zusprechen; in der sie tatsächlich die Gewohnheiten und Traditionen aufgeben, die scheinbar einen Großteil unseres Fleischkonsums verursachen, und sich ihrer Nahrungsmittelwahl bewusst werden.

Die folgende Illustration (Abb. 2) zeigt, was die meisten von uns in der Bewegung wollen: dass die Menschen Veganer:innen werden, weil sie Tiere mögen. Alle anderen Optionen – selbst wenn man aus anderen Gründen Veganer:in ist – erscheinen uns als weniger ideal (daher die unglücklichen Gesichter).

Abb. 2: Verhalten und Motivation

Sowohl Verhalten als auch Einstellungen sind wichtig. Wie ich jedoch in den folgenden Kapiteln erläutern werde, brauchen wir nicht beides gleichzeitig zu fordern, und wir brauchen diese doppelte Forderung nicht in allen unseren Botschaften.

Da wir nun eine Vorstellung davon haben, wo wir hinwollen, werfen wir einen Blick auf die aktuelle Situation.

Zu viele »Steakholder«

Die enorme Menge an tierischen Produkten, die konsumiert wird, wird durch eine riesige, wirtschaftlich bedeutende Industrie ermöglicht, unterstützt und aufrechterhalten. Um eine Vorstellung von dem wirtschaftlichen Wert zu bekommen, den Tiere allein im Bereich der Nahrungsmittelprodukte erzeugen, müssen wir Verschiedenes berücksichtigen: die Primärproduktion (Menschen, die ihr Geld mit der Aufzucht von Schweinen, Kühen, Hühnern und anderen Tieren verdienen), die Landwirt:innen, die Tierfutter anbauen, Unternehmen, die landwirtschaftliche Geräte herstellen, die Pharmaindustrie, die Antibiotika und andere Medikamente an Landwirt:innen verkauft, Tierärzt:innen und Lebensmittelkontrolleur:innen, Schlachthöfe, Speditionen, Supermärkte und Restaurants und Caterer, um nur einige zu nennen.

In seinem Buch Changing the Game kommt der verstorbene Norm Phelps nach Ermittlung und Addition der Zahlen für Landwirtschaft, Weiterverarbeitung und Einzelhandelsverkauf allein in den Vereinigten Staaten auf einen direkten Jahresumsatz von 2,74 Billionen Dollar. Vergleichen Sie dies mit den »nur« 734 Milliarden Dollar an direktem Jahresumsatz in der Automobilindustrie – einschließlich Herstellung, Verkauf und Service (Phelps, S. 45). Zu dieser Zahl können wir noch ein ganzes Universum von Köch:innen, Kochbuchautor:innen, Kochwettbewerben, Kochkursen und vielen anderen Sektoren oder Untersektoren hinzufügen, die zumindest für einen Teil ihres Umsatzes oder Erfolgs auf tierische Produkte angewiesen sind. Und wir haben noch nicht einmal damit begonnen, Tiere in der Kleidung, Unterhaltung oder Forschung zu berücksichtigen.

Diese Skizze macht deutlich, wie umfassend abhängig unsere Gesellschaft von der Nutzung von Tieren ist. Man könnte fast sagen, dass dieser Planet, oder die Menschheit, »von Tieren angetrieben« wird. Meines Wissens gibt es bisher keine Studie über das volle Ausmaß der Abhängigkeit, aber sie scheint unsere Ausbeutung von versklavten Menschen, Frauen oder Kindern in den Schatten zu stellen. Diese Abhängigkeit ist grundlegend und muss angegangen werden. Doch es ist nicht leicht, etwas zu ändern, wenn man völlig abhängig ist oder glaubt, es zu sein. Tatsächlich ist es nicht allzu weit hergeholt zu sagen, dass die (Aus-)Nutzung von Tieren zum jetzigen Zeitpunkt ein zu wesentlicher Teil unserer Kultur und Wirtschaft ist, als dass man sie aufgeben könnte, selbst wenn die ganze Welt uns zustimmen würde, dass die gegenwärtige Situation problematisch ist.

Diese systemische Realität könnte durchaus ein Grund dafür sein, warum es für die meisten Menschen so schwer ist, zu akzeptieren, dass eine Abkehr von den Tieren notwendig ist, und dieses Bewusstsein in die Praxis umzusetzen. Weitere Gründe werden durch die »drei N’s der Rechtfertigung« der Psychologin Melanie Joy abgedeckt (Joy 2010; Piazza et al. 2015):

•Es ist normal,