Diagnostik von Stress und Stressbewältigung - Carl-Walter Kohlmann - E-Book

Diagnostik von Stress und Stressbewältigung E-Book

Carl-Walter Kohlmann

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Beschreibung

Stress beeinflusst das Wohlbefinden und die Gesundheit. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Umgang mit Stress zu. Dieses Buch widmet sich aus anwendungsorientierter Perspektive der Diagnostik von Stresssituationen, Stressreaktionen, Formen der Stressbewältigung sowie Ressourcen und Schutzfaktoren. Es informiert für verschiedene Praxisfelder (z. B. aus der Pädagogischen Psychologie, der Klinischen, Medizinischen und Gesundheitspsychologie, der Arbeits- und Organisationspsychologie) über die wichtigsten diagnostischen Verfahren und deren Anwendung. Nach einer Einführung in den aktuellen wissenschaftlichen Stand zu verschiedenen Konzeptionen von Stress und Stressbewältigung wird ein Überblick über die Anforderungen an die Diagnostik und Klassifikation gegeben. In den nachfolgenden Kapiteln werden Verfahren zur Erfassung von Stressoren, Stressreaktionen, Stressbewältigung und Ressourcen vorgestellt. Den Schwerpunkt der vorgestellten Erhebungsverfahren bilden dabei Selbst- und Fremdberichte über Fragebögen und Interviews, die jeweils differenziert nach dem Einsatz im Kindes- und Jugendalter oder bei Erwachsenen vorgestellt werden. Neben allgemeinen Verfahren mit einem breiten Anwendungsspektrum werden auch Erhebungsinstrumente für spezifische Problemfelder (z. B. Diagnostik von Burnout, Stressbewältigung am Arbeitsplatz, Krankheitsbewältigung) berücksichtigt. Darüber hinaus werden Ansätze aus der psychobiologischen und experimentellen Stressdiagnostik sowie Anwendungsbereiche des Ambulanten Assessments skizziert. Beispiele zur Anwendung der psychologischen Stressdiagnostik in verschiedenen Handlungsfeldern runden den Band ab.

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Carl-Walter Kohlmann

Heike Eschenbeck

Matthias Jerusalem

Arnold Lohaus

Diagnostik von Stress und Stressbewältigung

Kompendien Psychologische Diagnostik

Band 20

Diagnostik von Stress und Stressbewältigung

Prof. Dr. Carl-Walter Kohlmann, Prof. Dr. Heike Eschenbeck, Prof. Dr. Matthias Jerusalem und Prof. Dr. Arnold Lohaus

Begründer der Reihe:

Prof. Dr. Franz Petermann, Prof. Dr. Heinz Holling

Prof. Dr. Carl-Walter Kohlmann,geb. 1958. Studium der Psychologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 1989 Promotion. 1996 Habilitation. Seit 1998 Professor für Pädagogische Psychologie und Gesundheitspsychologie an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Forschungsschwerpunkte: Emotionen, Stress und Stressbewältigung sowie gesundheitsbezogenes Verhalten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Prof. Dr. Heike Eschenbeck,geb. 1974. Studium der Psychologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 2003 Promotion. 2010 Habilitation. 2011–2014 Professorin für Pädagogische Psychologie an der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Seit 2014 Professorin für Pädagogische Psychologie an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd, Abteilung Pädagogische Psychologie und Gesundheitspsychologie. Forschungsschwerpunkte: Befinden, Stressbewältigung und Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen.

Prof. Dr. Matthias Jerusalem,geb. 1952. Studium der Psychologie in Aachen. 1983 Promotion. 1989 Habilitation. Seit 1992 Professor für Pädagogische Psychologie und Gesundheitspsychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Forschungsschwerpunkte: Ressourcen, Stress, Motivation und Selbstwirksamkeitsförderung.

Prof. Dr. Arnold Lohaus,geb. 1954. Studium der Psychologie in Münster. 1982 Promotion. 1987 Habilitation. 1996–2006 Professor für Entwicklungspsychologie an der Universität Marburg. Seit 2006 Professor für Entwicklungspsychologie und Entwicklungspsychopathologie an der Universität Bielefeld. Forschungsschwerpunkte: Entwicklungspsychologische Themen sowie Fragen der Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention im Kindes- und Jugendalter.

Wichtiger Hinweis:Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Fax +49 551 999 50 111

[email protected]

www.hogrefe.de

Satz: Mediengestaltung Meike Cichos, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2021

©2021Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG,Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF]978-3-8409-2010-3; E-Book-ISBN [EPUB]978-3-8444-2010-4)

ISBN978-3-8017-2010-0

https://doi.org/10.1026/02010-000

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Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Konzeptionen von Stress und Stressbewältigung

1.1 Stressbegriff im Alltag und in der Psychologie

1.2 Reaktionsbezogene Stresskonzeptionen

1.3 Situationsbezogene Stresskonzeptionen

1.4 Relationale Stresskonzeption und Stressbewältigung

1.5 Stressrelevante Persönlichkeitsmerkmale und Ressourcen

2 Diagnostik von Stress und Stressbewältigung

2.1 Herausforderungen bei der Diagnostik von Stress und Stressbewältigung

2.2 Klassifikation von Stressoren

2.3 Klassifikation von Stressreaktionen

2.4 Klassifikation von Stressbewältigung

2.5 Burnout

3 Verfahren zur Erfassung von Stressoren

3.1 Einleitung

3.2 Stressoren im Kindes- und Jugendalter

3.2.1 Verfahren zur Befragung von Kindern und Jugendlichen

3.2.2 Verfahren für Erwachsene zu Erfahrungen im Kindes- und Jugendalter

3.3 Stressoren bei Erwachsenen

3.3.1 Lebensereignisse

3.3.2 Alltagsstressoren

3.3.3 Berufliche Stressoren

3.4 Zusammenfassung und Fazit

4 Verfahren zur Erfassung von Stressreaktionen

4.1 Stressreaktionen im Kindes- und Jugendalter

4.1.1 Einleitung

4.1.2 Symptomlisten mit explizitem Bezug zum Stresserleben

4.1.3 Symptomlisten mit implizitem Bezug zum Stresserleben

4.1.4 Zusammenfassung

4.1.5 Probleme bei der Erhebung von Stressreaktionen über Selbst- und Fremdauskünfte und Implikationen

4.2 Stressreaktionen von Erwachsenen

4.2.1 Einleitung

4.2.2 Screeningverfahren zum Stresserleben

4.2.3 Befindlichkeitsskalen

4.2.4 Ambulantes Assessment

4.2.5 Mehrdimensionale Fragebögen zur Erfassung von Stresserleben

4.2.6 Stresserleben am Arbeitsplatz

4.2.7 Psychobiologische und experimentelle Stressdiagnostik

4.2.8 Zusammenfassung und Fazit

5 Verfahren zur Erfassung von Stressbewältigung

5.1 Überblick über Stressbewältigungsstrategien

5.2 Stressbewältigung im Kindes- und Jugendalter

5.3 Stressbewältigung bei Erwachsenen

5.3.1 Bewältigungsstrategien

5.3.2 Aktuelle Bewältigung

5.3.3 Krankheitsbewältigung

5.3.4 Stressbewältigung am Arbeitsplatz

5.4 Zusammenfassung und Fazit

6 Verfahren zur Erfassung von Ressourcen und Schutzfaktoren

6.1 Einleitung

6.2 Persönliche Ressourcen

6.2.1 Selbstwert

6.2.2 Dispositionaler Optimismus

6.2.3 Selbstwirksamkeit

6.2.4 Kohärenzsinn

6.3 Soziale Unterstützung als Ressource

6.4 Ressourcen-Inventare

6.5 Zusammenfassung und Fazit

7 Diagnostik von Stress und Stressbewältigung in der Praxis

7.1 Fallbeispiel aus einem schulpsychologischen Kontext

7.2 Adaptation und Übersetzung von Testverfahren am Beispiel des Fragebogens zur Erhebung von Stress und Stressbewältigung im Kindes- und Jugendalter (SSKJ 3 – 8 R)

7.3 Ambulantes Assessment im Feuerwehralltag

7.4 Ressourcenförderung in der Schule

7.5 Schlussbemerkung

Literatur

Anhang

|9|Vorwort

Die Darstellung von Verfahren zur psychologischen Stressdiagnostik widmet sich in dem vorliegenden Band der Reihe „Kompendien Psychologische Diagnostik“ sowohl den Stressoren und Stressreaktionen als auch der Stressbewältigung und den Ressourcen bzw. Schutzfaktoren für Stresserleben und -bewältigung. Den Schwerpunkt der Verfahren bilden Selbst- und Fremdberichte über Fragebögen und Interviews. Psychobiologische und experimentelle Stressdiagnostik sowie Ambulantes Assessment werden ansatzweise skizziert.

Nach einer Einführung in die verschiedenen Konzeptionen von Stress und Stressbewältigung und die Anforderungen an die Diagnostik und Klassifikation werden in jeweils eigenständigen Kapiteln Verfahren zur Diagnostik von Stressoren, Stressreaktionen, Stressbewältigung und Ressourcen vorgestellt. Innerhalb dieser Kapitel werden die diagnostischen Erhebungsmethoden zunächst für Kinder und Jugendliche und anschließend für Erwachsene beschrieben. Auch wenn aufgrund der Vielzahl der Verfahren die Darstellung primär bereichsübergreifende Ansätze beinhaltet, so werden doch auch Erhebungsinstrumente für spezielle Problemfelder (z. B. Berufsleben, Krankheit) berücksichtigt. Nicht eingegangen wird auf die Diagnostik im Kontext von traumatischen Erfahrungen, weil hierzu ein separater Band in der Reihe „Kompendien Psychologische Diagnostik“ geplant ist. Den Abschluss bilden Beispiele zur Anwendung der psychologischen Stressdiagnostik in verschiedenen Handlungsfeldern.

Unserem Kollegen Franz Petermann verdanken wir die Einladung zum Verfassen eines Bandes über Stressdiagnostik in dieser Reihe. Dem Hogrefe Verlag, vor allem Frau Tanja Ulbricht und Frau Susanne Weidinger, danken wir für die Unterstützung bei der Fertigstellung unseres Buchs.

Schwäbisch Gmünd,

Carl-Walter Kohlmann,

Berlin und Bielefeld,

Heike Eschenbeck,

im September 2020

Matthias Jerusalem und

Arnold Lohaus

|11|1 Konzeptionen von Stress und Stressbewältigung

1.1 Stressbegriff im Alltag und in der Psychologie

Eltern, Kinder und Jugendliche, Studierende sowie Beschäftigte beschreiben sich als gestresst. Viele Menschen sehen in Hetze und Zeitdruck im Alltag und hohen Ansprüchen von anderen und an sich selbst Auslöser von Stress. Das Stresssymptom Erschöpfung wird nicht selten als Folge erlebt (für einen Überblick siehe Kohlmann & Eschenbeck, 2018a).

Sloterdijk (2011) geht in seiner Berliner Rede zu „Streß und Freiheit“ sogar davon aus, dass Stress die Gesellschaft im Sinne einer Sorgengemeinschaft zusammenhält:

Nach meiner Auffassung sind die politischen Großkörper, die wir Gesellschaften nennen, in erster Linie als streß-integrierte Kraftfelder zu begreifen, genauer als selbst-stressierende, permanent nach vorne stürzende Sorgen-Systeme. Diese haben Bestand nur in dem Maß, wie es ihnen gelingt, durch den Wechsel der Tages- und Jahresthemen hindurch ihren spezifischen Unruhe-Tonus zu halten. Aus dieser Sicht ist eine Nation ein Kollektiv, dem es gelingt, gemeinsam Unruhe zu bewahren. In ihm muß ein stetiger, mehr oder weniger intensiver Streßthemenfluß für die Synchronisierung der Bewußtseine sorgen, um die jeweilige Bevölkerung in einer sich von Tag zu Tag regenerierenden Sorgen- und Erregungsgemeinschaft zu integrieren. (Sloterdijk, 2011, S. 12)

Große Bedeutung besitzen die Themen Stress und Stressbewältigung in der Klinischen Psychologie (Heinrichs, Stächele & Domes, 2015), der Gesundheitspsychologie und Gesundheitsförderung (Knoll, Scholz & Rieckmann, 2017; Kohlmann, Salewski & Wirtz, 2018) oder auch in der Sportpsychologie (Fuchs & Gerber, 2018). Programme zur Stressbewältigung und Prävention von Stress für Kinder und Jugendliche (z. B. Beyer & Lohaus, 2018; Klein-Heßling & Lohaus, 2021) und Erwachsene (z. B. Kaluza, 2018) richten sich primär an Kleingruppen und können z. B. in Schulen, Beratungsstellen, psychotherapeutischen Praxen oder im Kontext der Betrieblichen Gesundheitsförderung eingesetzt werden. Stressprävention ist darüber hinaus ein zentrales Handlungsfeld der gesetzlichen Krankenkassen im Bereich Prävention (GKV-Spitzenverband, 2018). Der Diagnostik von Stress und den individuel|12|len Strategien des Umgangs mit Stress kommt dabei eine zentrale Rolle im Rahmen der Indikation und Evaluation von Maßnahmen zur Stressprävention und -bewältigung zu. Dabei ist jedoch die Komplexität des Stressphänomens zu berücksichtigen.

Psychologisch lässt sich Stress umfassend als ein Muster spezifischer und unspezifischer psychischer, körperlicher und verhaltensbezogener Reaktionen eines Individuums auf interne oder externe Reize ansehen, die das Gleichgewicht stören, die Fähigkeiten zur Bewältigung beanspruchen oder überschreiten und Anpassungsleistungen verlangen (Contrada & Baum, 2011). Diese Begriffsbestimmung macht bereits deutlich, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen Stress durch eine differenzierte Analyse gekennzeichnet ist, in der zwischen drei zentralen Stressauffassungen unterschieden wird.

In reaktionsbezogenen Konzeptionen steht die Analyse stressbezogener Reaktionen im Zentrum.

In situationsbezogenen Konzeptionen wird die Rolle von Umweltbedingungen als Stressoren (d. h. als Stressauslöser) analysiert.

In relationalen Konzeptionen wird die Person-Umwelt-Beziehung in belastenden Auseinandersetzungen untersucht und die Rolle von Bewertungsprozessen und der Stressbewältigung thematisiert.

1.2 Reaktionsbezogene Stresskonzeptionen

In den reaktionsbezogenen Stressvorstellungen werden primär physiologische Veränderungen (u. a. bei Atmung, Herzrate, Blutdruck, Freisetzung von z. B. Cortisol, ACTH, Noradrenalin, Adrenalin, Glukose), die den Organismus insgesamt aktivieren (insb. Sympathikus-Nebennierenmark-Achse) und Energiereserven bereitstellen (insb. Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse), betrachtet. Selye (1936, 1986) beschrieb mit dem „Allgemeinen Adaptationssyndrom“ die unspezifische Reaktion des Organismus auf unterschiedliche Anforderungen mit dem Ziel der Anpassung. Mit Alarmreaktion, Widerstandsphase und Erschöpfungsphase werden drei Phasen unterschieden. Ist das Individuum einem Stressor ausgesetzt, so ist die Widerstandskraft zunächst herabgesetzt. Auf diesen anfänglichen „Schock“ werden endokrine Prozesse angestoßen, die den Körper zur Bewältigung der Belastung befähigen sollen (sog. Alarmreaktion). Dauert der Stressor an, kommt es in der Widerstandsphase zu einer weiteren Aktivierung metabolischer und endokriner Prozesse. Der Organismus versucht, die Homöostase wiederherzustellen. Hält der Stressor an, folgt die Phase der Erschöpfung. Die Adaptation an die Stresssituation bricht zusammen, Schädigungen von Organsystemen können die Folge sein.

|13|Auch aktuelle Modelle betonen die Adaptivität der (akuten) physiologischen Stressreaktion. So bezeichnet McEwen (1998) den psychobiologischen Prozess der Anpassung des Organismus an die Anforderungen als Allostasis („stability through change“). Eine inadäquate Aktivität allostatischer Systeme (z. B. fehlende Adaptation, verlängerte Stressreaktion; Kirschbaum, Pirke & Hellhammer, 1993) kann zu stressbedingten Erkrankungen führen. Experimentelle Verfahren und Ambulantes Assessment stehen bei der Erfassung physiologischer Stressreaktionen im Vordergrund (siehe Abschnitt 4.2.4 und 4.2.7).

Langanhaltender, chronischer Stress ist auch im Zusammenhang mit einer Burnout-Symptomatik (von „to burn out“, ausbrennen) zu sehen. Symptome sind primär emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und reduzierte Leistungsfähigkeit bzw. -bereitschaft (Kaschka, Korczak & Broich, 2011). An diesem Beispiel wird deutlich, dass die reaktionsbezogene Stresskonzeption sich nicht auf biologische Prozesse beschränkt, sondern dass Stressreaktionen auch die Symptomwahrnehmung, Emotionen und Verhaltensaspekte (z. B. nachlassende Leistungsfähigkeit) umfassen können. Zur Diagnostik bieten sich dabei insbesondere Selbst- aber auch Fremdbeschreibungsverfahren an.

1.3 Situationsbezogene Stresskonzeptionen

Im Mittelpunkt situationsbezogener Stresskonzeptionen stehen die potenziellen Stressauslöser. Relevant sind hier kritische Lebensereignisse (z. B. Arbeitsplatzverlust), Widrigkeiten des Alltags („daily hassles“; z. B. unzuverlässiger Nahverkehr auf dem Weg zur Arbeit), traumatische Ereignisse und Erfahrungen (z. B. Naturkatastrophen, sexuelle Übergriffe) oder chronische Stressoren (z. B. Armut, chronische Erkrankung), aber auch Entwicklungsaufgaben (z. B. Entwicklung einer Geschlechtsidentität, Ablösung vom Elternhaus) können Stressquellen darstellen.

Ein Paradebeispiel für die situationsbezogene Stressmessung stellt die von Holmes und Rahe (1967) eingeführte Social Readjustment Rating Scale (SRRS) zur Messung der sogenannten kritischen Lebensereignisse dar (siehe Abschnitt 3.3.1). Über das Ausmaß der erlebten Stressereignisse wird die auf ein Individuum wirkende Stressbelastung diagnostiziert. Grundannahme ist dabei, dass bestimmte Ereignisse mit größeren Lebensveränderungen („life-change units“, LCUs) einhergehen als andere Ereignisse. Nicht nur negative Ereignisse, sondern auch positive erfordern dabei eine Anpassungsleistung (z. B. Tod eines Familienmitglieds = 100 LCUs, Heirat = 58 LCUs, dauernder Ärger mit dem Auto = 26 LCUs). Je höher die Summe an LCUs in einem bestimmten Zeitraum, desto größer fällt die Stressbelastung aus. Da der Zusammen|14|hang zwischen dem Ausmaß an Belastung durch kritische Lebensereignisse und dem Gesundheitszustand jedoch eher gering ausfiel, wurde in nachfolgenden Ansätzen nicht nur nach dem Auftreten von Ereignissen gefragt. Auch die Einschätzung der Ereignisse (z. B. als negativ, neutral, positiv, ggf. mit einer Intensitätsskala, z. B. von „sehr günstig“ bis „sehr ungünstig“) wurde mit erhoben (z. B. Life Experiences Survey, LES; Sarason, Johnson & Siegel, 1978).

Manchmal werden reaktions- und situationsbezogene Stresskonzeption aber auch nicht klar getrennt. So wird in der Perceived Stress Scale (PSS; Cohen, Kamarck & Mermelstein, 1983; siehe auch Klein et al., 2016) z. B. danach gefragt „Wie oft wurden Sie im letzten Monat von unerwarteten Ereignissen überrascht?“ oder „Wie oft hatten Sie im letzten Monat das Gefühl, dass Sie mit anfallenden Aufgaben nicht zu Rande kommen?“ Mit den „unerwarteten Ereignissen“ und den „anfallenden Aufgaben“ werden die stressbezogenen Situationen, mit der „Überraschung“ und dem „nicht zu Rande kommen“ die Stressreaktionen angesprochen. Ähnlich wird im Trierer Inventar zum chronischen Stress (TICS; Schulz, Schlotz & Becker, 2004; siehe Abschnitt 4.2.5) danach gefragt, wie oft man in den letzten drei Monaten eine bestimmte Situation erlebt oder eine bestimmte Erfahrung gemacht hat. Nicht nur die erlebten situativen Stressauslöser (z. B. Arbeitsüberlastung), sondern auch das Ergebnis der gedanklichen Auseinandersetzung (z. B. Mangel an sozialer Anerkennung) werden erfasst. Durch die subjektive Bewertung der Situation (z. B. hinsichtlich des Grades der Beeinträchtigung) ist eine strikte Differenzierung zwischen Stressor und Stressreaktion nicht mehr möglich.

Auch in arbeitspsychologischen Stresskonzeptionen spielen die subjektiven Bewertungen von Aspekten der Arbeitswelt eine Rolle. Dies lässt sich an zwei zentralen Modellen zum Arbeitsstress aufzeigen. In dem Anforderungs-Kontroll-Modell (Karasek & Theorell, 1990) sind nicht allein die Anforderungen (z. B. Zeitdruck), sondern auch die Kontrollmöglichkeiten (z. B. der Entscheidungsspielraum) entscheidend dafür, ob Stress am Arbeitsplatz erlebt wird. Die Kombination aus hohen Anforderungen und geringer Kontrolle soll einen stressreichen Arbeitsplatz charakterisieren. Das Modell beruflicher Gratifikationskrisen (Siegrist, 1996) stellt das Verhältnis von Verausgabung und Anerkennung am Arbeitsplatz in den Mittelpunkt, um das Ausmaß des Stresses zu bestimmen. Eine „Gratifikationskrise“ ist wahrscheinlich, wenn die erlebte Belohnung (z. B. Gehalt, Wertschätzung) im Vergleich zu dem gezeigten Arbeitsengagement (d. h. Verausgabung, z. B. aufgrund von erfüllten Anforderungen) als zu gering erlebt wird. Nicht nur extrinsische Faktoren der Arbeitswelt tragen zu Bewertungen der Belohnung und Verausgabung bei, sondern gerade auch in der Person liegende Faktoren wie eine übersteigerte Belohnungserwartung oder eine extreme Verausgabungsneigung (z. B. aufgrund von Perfektionsstreben).

|15|Somit dürfte deutlich werden, dass bei Burnout, zu dem u. a. Belastungen und Konflikte im Beruf beitragen, nicht nur den Umständen, sondern auch der Bewertung der Umstände (z. B. hohe Arbeitsanforderungen, mangelnder Einfluss auf den Arbeitsablauf) eine wichtige Funktion zukommt (für eine Einführung siehe Koch, Lehr & Hillert, 2015; zu entsprechenden Fragebogenverfahren siehe Abschnitt 4.2.6). Für die Stressdiagnostik hat das zur Folge, dass auch Aspekte der Persönlichkeit (wie z. B. Perfektionismus, starkes Bedürfnis nach Anerkennung, Optimismus) sowie bevorzugte Stressbewältigungsstrategien (z. B. Vermeidung, Problemorientierung) und die somit zwischen Personen variierenden Bewertungen von potenziellen Stressoren nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.

1.4 Relationale Stresskonzeption und Stressbewältigung

Maßgebend für die gegenwärtige psychologische Auffassung zu Stress und Stressbewältigung waren die Arbeiten von Richard Lazarus und seinem Team an der University of California in Berkeley. Danach spielen subjektive Bewertungsprozesse (sog. „appraisals“) die entscheidende Rolle bei der Bestimmung von Stress.

Definition psychologischer Stress

„Psychologischer Stress bezeichnet eine Beziehung mit der Umwelt, die vom Individuum im Hinblick auf sein Wohlergehen als bedeutsam erlebt wird, aber zugleich Anforderungen an das Individuum stellt, die dessen Bewältigungsmöglichkeiten beanspruchen oder überfordern“ (Lazarus & Folkman, 1986, S. 63).

Das Stresserleben ist nach dieser Definition somit nicht unabhängig von den Bewertungs- und Bewältigungsmöglichkeiten eines Individuums zu bestimmen. Die relationale Stresskonzeption ist eingebettet in eine umfassendere Stressbewältigungstheorie.

Sowohl bei der angenommenen stressbezogenen Beziehung zwischen Person und Umwelt als auch hinsichtlich der resultierenden Konsequenzen sind die kognitive Bewertung („appraisal“) und die Stressbewältigung („coping“) entscheidend. Der Bewertungsvorgang kann als Sequenz beschrieben werden (siehe Abbildung 1), wobei sich die Komponenten der sog. primären Bewertung und sekundären Bewertung jedoch gegenseitig beeinflussen.

|16|Primäre Bewertungen bezeichnen Einschätzungen einer Person-Umwelt-Konstellation im Hinblick auf das eigene Wohlergehen (z. B. Bedrohung oder Verlust). Sekundäre Bewertungen beziehen sich auf die Einschätzung der individuellen und sozialen Bewältigungsressourcen. Ob Stress entsteht, hängt auch vom Ausgang sekundärer Bewertungen ab. Bewältigungsmöglichkeiten bestimmen nach Lazarus somit maßgeblich mit, ob sich jemand in einer stressbezogenen Situation (z. B. bei einer bevorstehenden Prüfung) bedroht oder herausgefordert fühlt (Rückwirkung auf die primäre Bewertung). Im Verlauf der Auseinandersetzung mit der Situation kommt es somit zu einer Neubewertung der Person-Umwelt-Beziehung, d. h. den Einstieg in eine erneute primäre Bewertung. Das Ziel der Stressbewältigung liegt darin, die Bedrohungsquelle zu kontrollieren und den ausgelösten emotionalen Zustand zu regulieren.

Abbildung 1: Die Stresstheorie nach Lazarus (Lazarus & Folkman, 1984; Darstellung nach Kohlmann & Hock, 2005, S. 375)

Definition Stressbewältigung

„Stressbewältigung umfasst kognitive und verhaltensbezogene Anstrengungen zur Handhabung externer und interner Anforderungen, die von der Person als die eigenen Ressourcen beanspruchend oder überfordernd angesehen werden“ (Lazarus & Folkman, 1984, S. 141).

Zur Stressbewältigung können problemzentrierte und emotionszentrierte Strategien eingesetzt werden, die sich hinsichtlich ihrer Funktion unterscheiden: Problemzentrierte Strategien setzen an den auslösenden situativen Bedingungen an. Das Individuum bemüht sich, auf diese Bedingungen so einzuwirken, dass die Belastung ausgeschaltet oder zumindest reduziert wird, z. B. |17|durch planvolles Eingreifen in die Situation. Emotionszentrierte Strategien zielen dagegen auf die Veränderung stressbezogener Emotionen und deren Manifestation im Verhalten. Die Person versucht hier, die subjektiven und somatischen Komponenten der Stressreaktion zu regulieren, z. B. durch Entspannung. Nach Lazarus und Folkman (1986) kann ein konkretes Bewältigungsverhalten (z. B. Informationssuche) aber auch beide Funktionen gleichzeitig erfüllen: Einerseits hilft die problemrelevante Situationsanalyse, um besser agieren zu können; andererseits kann die Informationssuche von der eigenen emotionalen Erregung ablenken und diese somit reduzieren.

Die mit der Lazarus-Theorie eingeführte transaktionale Sichtweise von Stress hat zur Folge, dass die Operationalisierung der zentralen Konstrukte zum Stress wie primäre Bewertung, sekundäre Bewertung und Neubewertung oder problem- bzw. emotionszentrierte Stressbewältigung nahezu ausschließlich über Selbstberichte erfolgt (für eine klassische Studie zur Stressbewältigung von Studierenden siehe Folkman & Lazarus, 1985). Neben der Unterteilung in problem- und emotionszentrierte Strategien liegen vielfältige alternative Klassifikations- und Beschreibungssysteme zum Prozess der Stressbewältigung vor (siehe Kapitel 2). Van Dick und seine Arbeitsgruppe (für einen Überblick siehe van Dick, 2015) haben das transaktionale Stressmodell um die Perspektive der sozialen Identität erweitert. Sieht man sich als Mitglied einer Gruppe (z. B. eines Arbeitsteams), können primäre Bewertung („Was ist unser Problem?“) und sekundäre Bewertung („Was können wir dagegen tun?“) über das eigene Bewältigungsverhalten hinausgehen (zum Coping von Paaren siehe Bodenmann, 2000).

1.5 Stressrelevante Persönlichkeitsmerkmale und Ressourcen

Die Rolle der Persönlichkeit für die Stressbewältigung kann über verschiedene Zugangswege analysiert werden (für eine ausführliche Betrachtung siehe Kohlmann & Eschenbeck, 2018b). So haben beispielsweise Connor-Smith und Flachsbart (2007) in einer Metaanalyse die Rolle der Big Five (McCrae & Costa, 1997) im Kontext der Stressbewältigung betrachtet. Dabei zeigte sich, dass insbesondere erhöhte Neurotizismuswerte mit ungünstiger Stressbewältigung einhergingen.

Eine andere Forschungstradition stellt – zum Teil auf Basis der generellen Stresstheorie von Lazarus – interindividuelle Unterschiede in den Bewertungsprozessen und den bevorzugt eingesetzten Stressbewältigungsmaßnahmen in den Vordergrund. Damit werden Dispositionen der Stressbewältigung im Sinne von bereichsspezifischen Persönlichkeitsmerkmalen eingeführt. Be|18|deutung kommt dabei dem Prozess der Informationsverarbeitung zu. Als übergeordnete Strategien haben sich hier die Tendenzen zur Bedrohungsannäherung („approach“) und zur Bedrohungsvermeidung („avoidance“) etabliert (Roth & Cohen, 1986). Repression-Sensitization (bzw. Defensivität; Byrne, 1964; Weinberger, 1990) sowie Vigilanz und kognitive Vermeidung (Krohne, Hock & Kohlmann, 1992) stehen in der dispositionellen Bewältigungsforschung im Vordergrund. Vigilanz und Sensitization (als Gegenpol zu Repression) beschreiben die habituellen Tendenzen zu erhöhter Bedrohungsbewertung (in der primären Bewertung) und Bedrohungszuwendung (in der sekundären Bewertung und Stressbewältigung). Demgegenüber stehen Repression, Defensivität und kognitive Vermeidung für Gewohnheiten zur verminderten Bedrohungsbewertung (primäre Bewertung) und zur Abwendung von der Bedrohung (sekundäre Bewertung und Stressbewältigung).