Didaktik / Methodik Sozialer Arbeit - Johannes Schilling - E-Book

Didaktik / Methodik Sozialer Arbeit E-Book

Johannes Schilling

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Beschreibung

Dieses Standardwerk führt grundlegend in die Didaktik und Methodik Sozialer Arbeit ein. Es hilft Studierenden dabei, • Konzepte für die praktische Arbeit zu entwickeln, • Lösungen praktischer Aufgaben strukturiert und zielorientiert zu erarbeiten, • Arbeitsschritte theoretisch begründen zu können, • die Wirksamkeit der eigenen Arbeit zu überprüfen. Dieses Arbeitsbuch ist reichhaltig mit didaktischen Elementen ausgestattet. Leser:innen finden Verständnisfragen zum Text, Lernfragen zur Prüfungsvorbereitung, Zusammenfassungen und zahlreiche Info-Kästen, die die Ausführungen auf den Punkt bringen. utb+: Leser:innen erhalten als digitales Bonusmaterial zusätzlich zum Buch ausführliche Prüfungsfragen mit Antworten und Musterbeispiele, um das erlernte Wissen zu überprüfen und anzuwenden. Erhältlich über utb.de.

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Seitenzahl: 368

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Studienbücher für soziale Berufe; 2

Hrsg. von Prof. Dr. Roland Merten, Friedrich-Schiller-Universität Jena und Prof. Dr. Cornelia Schweppe, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt

Dr. Johannes Schilling, emeritierter Professor an der Hochschule Düsseldorf, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften; insbes. Didaktik / Methodik; Jugendarbeit und Freizeitpädagogik

Außerdem sind folgende Bände lieferbar:

Schilling, J., Klus, S.: Soziale Arbeit (7., akt. Aufl. 2018, 978-3-8252-8729-0)

Schilling, J., Muderer, C.: Der Clown in der sozialen und pädagogischen Arbeit

(2., aktual. Aufl. 2016, 978-3-497-02537-4)

Schilling, J.: Anthropologie (2000, 978-3-497-01821-5)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

UTB-Band-Nr.: 8311

ISBN 978-3-8252-8782-5 (Print)

ISBN 978-3-8385-8782-0 (PDF E-Book)

ISBN 978-3-8463-8782-5 (EPUB)

8., aktualisierte Auflage

© 2020 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in EU

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Cover unter Verwendung eines Fotos von © txakel / Fotolia.com

Satz: FELSBERG Satz & Layout, Göttingen

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Einleitung

Teil 1 Didaktik – Theoretische Grundlagen

1 Didaktik als Wissenschaft

1.1 Was versteht man unter Sozialer Arbeit?

1.2 Was versteht man unter Didaktik?

1.2.1 Didaktik – eine Wissenschaft

1.2.2 Didaktik – eine Theorie

1.2.3 Didaktik – ein Modell

1.3 Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

2 Klassische Theorien der Didaktik

2.1 Geschichtlicher Überblick, Auswahl von Theorieansätzen

2.2 Bildungstheoretische Didaktik von Wolfgang Klafki (1927–2016)

2.2.1 Theoretische Überlegungen

2.2.2 Didaktische Überlegungen

2.2.3 Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

2.3 Lerntheoretische Didaktik von Paul Heimann (1901–1967) und Wolfgang Schulz (1946–1993)

2.3.1 Vom Berliner zum Hamburger Modell

2.3.2 Hamburger Modell von Wolfgang Schulz

2.3.3 Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

3 Neuere Theorieansätze einer Didaktik

3.1 Interaktionistischer bzw. reflexiv-diskursiver Konstruktivismus von Reich (1948) und Lindemann (1960)

3.1.1 Theoretische Überlegungen

3.1.2 Pädagogische Überlegungen

3.1.3 Konstruktivistische Didaktik

3.1.4 Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

3.2 Neurowissenschaftliche Theorie-Ansätze einer Didaktik nach Herrmann (1950), Roth (1942) u.a.

3.2.1 Forschungsergebnisse

3.2.2 Forderungen an die Pädagogik

3.2.3 Überlegungen zur Neurodidaktik

3.2.4 Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

Teil 2 Didaktik – Praktische Grundlagen

4 Bedingungsanalyse

4.1 Wortfeld Didaktik

4.2 Bedingungsanalyse – anthropologische Konstante

4.3 Didaktische Bausteine

4.3.1 Erster didaktischer Baustein: Lehrender und Ressourcen

4.3.2 Zweiter didaktischer Baustein: Voraussetzungen des Lernenden

4.3.3 Dritter didaktischer Baustein: Lehr-Lern-Situation

4.4 Bedingungsanalyse und Konzepterstellung

4.4.1 Raster einer Bedingungsanalyse

4.4.2 Überarbeitung einer Bedingungsanalyse

4.5 Zusammenfassung: Kernaussagen

5 Ziele

5.1 Handeln und Motiv

5.2 Didaktisches Dreieck

5.3 Erziehungs-, Handlungs- und Lernziele

5.3.1 Erziehungsziele

5.3.2 Handlungsziele

5.3.3 Lernziele

5.3.4 Ergebnis-Verlauf / Begründung

5.4 Formulierung und Kategorie von Zielen

5.5 Abstraktionsgrade von Zielen

5.5.1 Ordnung der Ziele

5.5.2 Richt-, Grob- und Feinziele

5.5.3 Kriterien für Ziel-Ebenen

5.6 Ziel-Ebene: Erziehungs-, Handlungs- und Lernziele

5.6.1 Richtziel-Ebene

5.6.2 Grobziel-Ebene

5.6.3 Feinziel-Ebene

5.7 Zeitaufwand und Kompliziertheit

5.8 Ziele und Konzepterstellung

5.9 Zusammenfassung: Kernaussagen

6 Methoden – Medien – Rhetorik

6.1 Klärung von Fragen zu Methoden

6.1.1 Wortfeld Methode, Methodik

6.1.2 Verhältnis von Didaktik und Methodik

6.1.3 Vermittlungsvariablen

6.1.4 Gute und schlechte Methoden

6.1.5 Methoden der Sozialarbeit

6.1.6 Einstieg in die Praxis

6.2 Überlegungen zum methodischen Lernen

6.2.1 Sinnesorgane

6.2.2 Wahrnehmung

6.2.3 Ganzheitliches Lernen

6.2.4 Gedächtnis

6.2.5 Kommunikation, Motivation, Aktivierung

6.2.6 Pausen, Zeitplan

6.3 Medienpädagogik – Mediendidaktik

6.3.1 Bedeutung der Medien

6.3.2 Regeln für den Einsatz von Medien

6.4 Rhetorik

6.4.1 Bedeutung von Rhetorik

6.4.2 Probleme und Hilfen beim Reden

6.5 Methoden, Medien und Konzepterstellung

6.6 Zusammenfassung: Kernaussagen

7 Anthropologie

7.1 Kriterien für die Entwicklung eines Menschenbildes

7.2 Dimensionen eines Menschenbildes

7.2.1 Sechs Dimensionen

7.2.2 Natur – Gesellschaft – Kultur (Pestalozzi)

7.2.3 Anthropologisches Orientierungs-Modell

7.3 Emotion und Kognition

7.3.1 Analytische Aufteilung

7.3.2 Richard Lazarus: Emotion als postkognitives Phänomen (1965)

7.3.3 Robert B. Zajonc: Emotion als präkognitives Phänomen (1966)

7.3.4 Paul McLean: Emotionen stehen vor Kognitionen (1970)

7.3.5 Josef LeDoux: Zwei Wege der Informationsverarbeitung (1998)

7.3.6 Gerhard Roth: Unbewusste und bewusste Emotionen (2001)

7.3.7 Daniel Goleman: Emotionale und rationale Seele (1999)

7.4 Menschenbild Sozialer Arbeit

7.4.1 Positives Menschenbild

7.4.2 Anthropologisch begründete Ziele

7.5 Anthropologie und Konzepterstellung

7.6 Zusammenfassung: Kernaussagen

8 Konzept

8.1 Vor- und Nachteile einer Planung

8.1.1 Einwände gegen Planung

8.1.2 Vorteile einer Planung

8.2 Planung und Konzept

8.2.1 Planung

8.2.2 Konzept

8.3 Anthropologisches Lern-Spiral-Modell

8.4 Teile eines Konzeptes

8.4.1 A-Teil: Inhaltliche Überlegungen

8.4.2 B-Teil: Konzeptionelle Überlegungen

8.4.3 C-Teil: Überlegungen zur Auswertung / Selbst-Evaluation

8.5 Konzept-Modelle

8.5.1 Verschiedene Konzept-Modelle

8.5.2 Erstes Konzept-Modell: Organisations-Konzept

8.5.3 Zweites Konzept-Modell: Zielgruppen-Konzept

8.5.4 Drittes Konzept-Modell: Situations-Konzept / Planungsgitter

8.5.5 Viertes Konzept-Modell: Spontan-Konzept

8.6 Zusammenfassung: Kernaussagen

Literatur

Sachregister

Einleitung

„Wer kein Ziel hat, braucht sich nicht zu wundern, dass er ganz woanders ankommt.“ (Mager 1994, 5)

Abb. 1: Haus des Lernens

Didaktik und Schule, das gehört zusammen. Lehren und Lernen in der Schule sind ohne Didaktik nicht möglich. Didaktik wird dabei als Wissenschaft vom Unterricht verstanden. Didaktik und Pädagogik sind zwei gleichrangige Disziplinen, sie haben ein gemeinsames Gegenstandsfeld, das sie aus unterschiedlichen Perspektiven angehen. Die Forschungen in der Schuldidaktik sind derart angewachsen, dass sie kaum noch zu überschauen sind. Kron z.B. zählt 46 Theorien und Modelle didaktischen Handelns auf, bei steigender Tendenz (Kron et al. 2014).

Anders ist es in der Sozialen Arbeit. Die Erkenntnisse der Schuldidaktik haben sich in der Sozialen Arbeit (scheinbar) noch nicht herumgesprochen. Obwohl seit der Gründung von Fachhochschulen das Fach Didaktik eingeführt wurde, gibt es bis 2020 keine allgemein anerkannte Didaktik Sozialer Arbeit.

vier Didaktik-Modelle

Da die Didaktik Sozialer Arbeit noch in den Anfängen steckt, die Schuldidaktik jedoch im Vergleich vielfältige Forschungen vorzuweisen hat, sollte man sich in der Sozialen Arbeit mit den Ergebnissen der Schuldidaktik auseinander setzen und herausfiltern, welche Ergebnisse für eine Didaktik Sozialer Arbeit brauchbar sein könnten.

offenes Modell

Der folgende Versuch zur Formulierung einer Didaktik Sozialer Arbeit nimmt deshalb die Schuldidaktik und Allgemeine Didaktik als Grundlage und wägt ab, welche Strukturelemente für eine Didaktik Sozialer Arbeit von Bedeutung sein könnten. Einschränkend muss jedoch gesagt werden: Es handelt sich um einen Entwurf mit drei Besonderheiten: Es ist ein vorläufiges, offenes Lehr-Lern-Spiral-Modell, das LeserInnen zur Mit- und Weiterarbeit anregen will. Unter einem Modell verstehe ich eine Art Vorform einer Theorie, die durch eine gewisse Unabgeschlossenheit und Offenheit gekennzeichnet ist.

Das folgende Modell beruht vor allem auf vier Theorieansätzen: bildungstheoretische Didaktik (Klafki), lerntheoretische bzw. lehrtheoretische Didaktik (Heimann/Schulz), konstruktivistische Anregungen zur Didaktik (Reich, Lindemann) und Neurodidaktik (Herrmann, Roth u.a.).

Allerdings werde ich mich nicht nur an diese Didaktik-Modelle anlehnen, sondern auch von anderen Didaktikansätzen Elemente übernehmen, wenn sie für eine Didaktik Sozialer Arbeit nützliche Aspekte aufweisen.

Arbeitsbuch

Das Buch ist als Arbeitsbuch geschrieben, d.h., LeserInnen werden eingeladen mitzuarbeiten. Ich gehe davon aus, dass sie zu den einzelnen Themen viele eigene Gedanken haben, die sie unbedingt beim Lesen dieses Buches einbringen sollten. Am Schluss jedes Kapitels sind Lernfragen formuliert, an denen LeserInnen ihr Wissen überprüfen können. Die im Buch enthaltenen Lernfragen mit dazugehörigen Antworten gibt es zudem als Online-Material, das unter www.utb.de und www.reinhardt-verlag.de zum Download zur Verfügung steht. Die Hinweise zur „weiterführenden Literatur“ sollen Möglichkeiten zur Weiterbildung eröffnen.

Das Buch ist für StudentInnen und PraktikerInnen geschrieben. Es soll sie befähigen, das Gelesene in die Tat umzusetzen, sie sollen die Notwendigkeit erkennen, selbst praktische Übungen durchzuführen, und versuchen, ein Konzept zu erstellen nach dem Grundsatz: Lernen durch Handeln.

Gegenüber älteren Auflagen dieses Buches möchte ich auf Folgendes hinweisen:

■Das Buch hat in der 7. Auflage ein neues Titelbild bekommen. Es soll andeuten: In der Sozialen Arbeit tätige Personen sind Reisebegleiter in vielen sehr unterschiedlichen Rollen (z.B. Unterhalter, Motivator, Mediator, Helfer, Unterstützer, Berater, Begleiter, Kritiker etc.) Das Titelbild soll auch den Bezug zu einem der anderen Bücher des Autors (Schilling/Klus: Soziale Arbeit) herstellen. Beide Bücher verstehen sich als eine Einheit. „Soziale Arbeit“ legt allgemeine Grundlagen und „Didaktik“ bietet Hilfen für die Praxis Sozialer Arbeit.

■Ich erhebe nicht den Anspruch, dass ich hier eine Theorie der Didaktik Sozialer Arbeit entwerfe. Vielmehr verstehe ich diesen Versuch als ein offenes, vorläufiges Modell. Auch wenn ich im Folgenden häufig nur von Didaktik oder Didaktik Sozialer Arbeit (verkürzt) spreche, ist damit stets Didaktik-Modell Sozialer Arbeit gemeint.

■Das Problem, wie ich die in der Sozialen Arbeit tätigen Personen nennen soll, habe ich eigentlich gar nicht gelöst, sondern spreche von PädagogIn, SozialarbeiterIn, SozialpädagogIn, Lehrende/Lehrender, LernhelferIn, ErzieherIn etc. Gemeint sind damit alle in der Sozialen Arbeit tätigen Personen, welchen beruflichen Titel sie auch immer besitzen.

■Den Inhalt des Buches habe ich in zwei Teile untergliedert (eigentlich sind es drei Teile). Im ersten Teil kläre ich wichtige Begriffe wie Wissenschaft, Theorie, Modell und beziehe diese auf die Frage: Was davon trifft auf eine Didaktik Sozialer Arbeit zu? Im zweiten Teil entwerfe ich einzelne Schritte eines Modells Didaktik Sozialer Arbeit.

■Musterbeispiele für eine Konzepterstellung finden LeserInnen im dritten Teil dieses Buchs, dem Online-Material. Sie können die Musterbeispiele ebenso wie die Lernfragen online unter www.utb.de oder www.reinhardt-verlag.de nachlesen bzw. studieren.

■LeserInnen können beliebig bei einem dieser drei Teile mit dem Studium anfangen. Wen eher die Praxis- und Musterbeispiele interessieren, schaut sich diese im 3. Online-Teil an. Andere beginnen vielleicht mit dem 2. Teil und informieren sich über die einzelnen Arbeitsschritte einer Didaktik Sozialer Arbeit. Ich hoffe natürlich im Stillen, dass auch der 1. Teil gelesen wird. Wichtig sind auf jeden Fall alle drei Teile, aber welche Teile LeserInnen auswählen, bleibt ihnen überlassen.

■Das didaktische Modell Sozialer Arbeit ist unvollständig. Alle möglichen Aspekte können hier nicht berücksichtigt werden. Ich habe folgendes Problem: Diese Didaktik erhebt den Anspruch, praxisbezogen zu sein. Würde ich alle sicher wichtigen Aspekte, die PraktikerInnen vorschweben, berücksichtigen, wäre das Didaktik-Modell nicht mehr praxistauglich. Vor lauter Reflektieren und Berücksichtigen von Aspekten kämen sie nicht mehr zum Handeln. Also habe ich einige wenige Aspekte beispielhaft ausgewählt. PraktikerInnen müssen selbst entscheiden, welche Aspekte für sie wichtig sind, welche fehlen und ergänzt oder ersetzt werden sollten. Manchmal ist weniger mehr. Ich habe eine Auswahl getroffen, Gleiches steht PraktikerInnen natürlich auch zu.

■Im ersten Teil habe ich zwei neuere Theorieansätze von Didaktik ausgewählt und ihre Relevanz für eine Didaktik Sozialer Arbeit dargestellt. Selbstverständlich hätte ich von den etwa 46 Theorieansätzen auch andere auswählen können. Auch hier gilt, was ich zuvor gesagt habe: Niemand muss meiner Entscheidung folgen, sondern hat selbstverständlich jede Freiheit, sich an anderen Theorieansätzen zu orientieren.

■Das Buch hat den Charakter eines Lehrbuches. LeserInnen werden zum Mitdenken und Mitarbeiten eingeladen. Dafür werden im Text häufig Reflexionsfragen gestellt. Auch durch Lernfragen am Ende eines jeden Kapitels können sie ihr Wissen überprüfen. Gleiches gilt auch für die Musterbeispiele, die LeserInnen als Online-Material zur Verfügung stehen.

■Am Ende eines jeden Kapitels wird der Bezug des Themas zum Gesamten in Kernaussagen und in einem Schaubild zusammengefasst. Dieses wird in jedem weiteren Kapitel durch das neue Thema ergänzt, so dass die Graphik im letzten Kapitel insgesamt zeigt, wie die einzelnen Themen und Teile im Zusammenhang stehen und gesehen werden müssen. Für das Schaubild wähle ich die Vorlage eines Hauses. Viele Autoren bezeichnen die Schule bereits als „Haus des Lernens“. Diesem Bild möchte ich mich anschließen und zwar aus zwei Gründen: Erstens steht im Zentrum aller Tätigkeiten Sozialer Arbeit das Lernen. Zweitens geht es immer mehr darum, dass Schule und Soziale Arbeit zusammenarbeiten. Daher passt die gemeinsame Umschreibung „Haus des Lernens“. Des Weiteren werde ich nicht mehr von didaktischen Elementen, sondern entsprechend dem Bild vom „Haus des Lernens“ von didaktischen Bausteinen sprechen.

Einige Textstellen sind mit Zeichen/Symbolen versehen, die einer schnelleren Orientierung dienen sollen. Hier ihre Bedeutung:

Bei diesem Zeichen werden

Reflexionsfragen

formuliert, die Leser-Innen zunächst für sich beantworten sollen.

Wichtige Inhalte sollen leicht zu erkennen sein. Sie sind eingerahmt und durch dieses Zeichen markiert (

Merksatz

).

Definitionen

wichtiger Begriffe sind gekennzeichnet.

Das Zeichen für Praxis weist auf

Fallbeispiele

aus der praktischen Arbeit hin.

Hier werden

Lernfragen

gestellt. Anhand dieser können LeserInnen ihren Wissensstand überprüfen.

Am Schluss eines Kapitels wird

weiterführende Literatur

angegeben.

Lernfragen und Antworten sowie Musterbeispiele aus der Praxis

stehen als Online-Zusatzmaterial unter

www.reinhardt-verlag.de

und

www.utb-Shop.de

zur Verfügung.

Es freut mich, dass das Thema dieses Buches, das nun in der 8. Auflage erscheint, immer noch aktuell ist, und ich wünsche allen LeserInnen viel Freude beim Lesen und hoffe, dass jeder in diesem Buch Anregungen für das Arbeiten in sozialen Berufsfeldern findet.

Donaueschingen 2020

Johannes Schilling

Teil 1Didaktik – Theoretische Grundlagen

Didaktik versucht, die Gesetzmäßigkeiten der Natur bzw. des Menschen, die sein Denken und Handeln bestimmen, herauszufinden, zu erklären und für den Menschen nutzbar zu machen. Sie versteht sich als eine Wissenschaft, die nach dem Plan sucht, warum Menschen so und nicht anders handeln, denn menschliches Handeln geschieht nicht chaotisch, sondern planvoll.

1 Didaktik als Wissenschaft

In diesem ersten Kapitel sollen zunächst wichtige Fragen geklärt werden: Was versteht man unter Sozialer Arbeit? Was unter Didaktik? Was ist das Wesentliche einer Wissenschaft, einer Theorie, eines Modells?

1.1 Was versteht man unter Sozialer Arbeit?

Was versteht man unter Sozialer Arbeit? Diese Frage wurde in dem Buch „Soziale Arbeit“ von Schilling/Klus 2018 beantwortet. Darin wird praktisch die Grundlage für diesen zweiten Band gelegt. In kurzen Zügen soll hier zusammengefasst werden, was Soziale Arbeit ist.

Was ist für Sie Soziale Arbeit? Versuchen Sie eine Umschreibung. Soziale Arbeit ist …

In der Literatur wie auch in der Praxis werden drei Begriffe verwandt: Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziale Arbeit. Ein geschichtlicher Überblick zeigt, dass Sozialarbeit und Sozialpädagogik unterschiedliche Wurzeln haben und über lange Zeit auch unterschiedliche Aufgaben übernahmen. Zielgruppe der Sozialarbeit waren Erwachsene, die in Not geraten waren. Dagegen wandte sich Sozialpädagogik vor allem Kindern und Jugendlichen zu, die zu verwahrlosen drohten. Die Trennung der Arbeitsfelder und Zielgruppen wurde im Laufe der Zeit aufgehoben.

Konvergenz

Sozialarbeit und Sozialpädagogik näherten sich an, ihre Aufgaben überschnitten sich. Diese Annäherung bezeichnet man als Konvergenz. Es besteht allgemeiner Konsens, das gesamte Arbeits- und Berufsfeld mit dem Titel Soziale Arbeit zu bezeichnen.

Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten, kann man Soziale Arbeit so umschreiben:

Soziale Arbeit umfasst drei Bereiche, die sich in eigenständiger Weise auf den gleichen Gegenstand Sozialer Arbeit beziehen und zugleich mit den anderen Bereichen zirkulär verbunden sind. Zu diesen drei Bereichen zählen Soziale Arbeit

1.als Praxis,

2.als Ausbildung/Studium,

3.als Wissenschaft/Theorie (Schilling/Klus 2018).

1.2 Was versteht man unter Didaktik?

In diesem zweiten Schritt soll zunächst der Begriff Didaktik geklärt werden, um zu wissen, wovon ich spreche.

Viele Namen von Wissenschaften lassen sich von einem griechischen Wort ableiten z.B. Pädagogik, Psychologie, Physik etc. Die Namen dieser Wissenschaften sind uns bekannt, wir haben sie in unseren Sprachgebrauch aufgenommen.

Didaktik dagegen ist für viele ein unbekannter Begriff, der in unserer Alltagssprache keinen Eingang gefunden hat. Wer sagt schon: „Den Elternabend habe ich didaktisch gut vorbereitet.“ Vielmehr sagt man: „Den Elternabend habe ich gut geplant.“ Didaktisch klingt hochtrabend und fremd.

Ich möchte das Wort „Didaktik“ zu einem Begriff entwickeln, ihn inhaltlich so ausfüllen, dass er verständlich und die Notwendigkeit von Didaktik für SozialarbeiterInnen deutlich wird.

Wurzeln des Wortes

Die Wurzeln des Wortes Didaktik liegen in der griechischen Antike ca. 600–200 v. Chr. Didaktik hat folgende Bedeutung:

didactos: 1. lehrbar, 2. gelehrt, unterrichtet

didaskalia: 1. Lehre, Belehrung, Unterricht, 2. belehrend

didasko: Lehrer sein, lehren, belehren, unterrichten

didachae: das Lehren, die Lehre, die Belehrung, Unterricht, Unterweisung

Im Lateinischen wird das griechische Wort mit „doceo“ übersetzt und bedeutet:

■lehren, unterrichten, unterweisen, ansagen, mitteilen

■einstudieren, aufführen lassen (Kron et al. 2014).

Zusammenfassend kann man sagen: Didaktik leitet sich von dem griechischen Wort „didaskein“, dem lateinischen Wort „doceo“ ab und bedeutet ein Zweifaches: lehren, belehren und lernen, belehrt werden. Kurz gefasst bedeutet Didaktik: Es geht um Lehren und Lernen.

Den ersten Entwurf einer Didaktik unternahm 1654 Comenius mit seinem Werk „Didactica Magna“ („Die große Didaktik“ ).

1.2.1 Didaktik – eine Wissenschaft

In der Fachliteratur zur Didaktik findet man unterschiedliche Formulierungen:

■Didaktik ist eine Wissenschaft.

■Didaktik ist eine Theorie.

■Didaktik ist ein Modell.

Was ist sie nun? Im Folgenden will ich diese drei Begriffe klären.

Was ist für Sie eine Wissenschaft bzw. was ist das Spezifische einer Wissenschaft?

Wissenschaft

„Das Wort Wissenschaft taucht zum ersten Mal im „Studium Generale“ der Universität Erfurt im Jahr 1392 auf. Dort ist von Wizzentschaft die Rede. Im 17. Jahrhundert wird der Begriff allgemein verwendet und bedeutet dem Sinne nach eine einzelne Erkenntnis. Vom 19. Jahrhundert an beginnt die moderne Fassung des Begriffs.“ (Kron et al. 2014, 268)

Nach Kant heißt eine jede Lehre, wenn sie ein System, das ist ein Prinzip geordnetes Ganzes der Erkenntnis sein soll, Wissenschaft. Drei Aspekte müssen erfüllt sein, will man von Wissenschaft sprechen: 1. Es geht um Erkenntnisse; 2. sie müssen ein System bilden und 3. sie müssen eine argumentative Struktur besitzen (Kant et al. 1967).

Wissenschaft will Zusammenhänge erklären, die der Erkenntnis nicht unmittelbar zugänglich sind. Sie sucht nach Gründen, die erklären können, was sich hinter den Phänomenen verbirgt, um daraus Schlussfolgerungen für notwendiges Handeln zu ziehen, um dadurch einen Fortschritt für die Menschheit zu ermöglichen. Es geht um Erkenntnisse über die wesentlichen Eigenschaften, kausalen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur, Technik, Gesellschaft und des Denkens, das in Form von Begriffen, Kategorien, Messbestimmungen, Gesetzen, Theorien und Hypothesen gefasst wird.

Geht man davon aus, dass Wissenschaft ein geordnetes, folgerichtig aufgebautes, zusammenhängendes System von Erkenntnissen ist, kann man mit Recht davon sprechen, dass Didaktik eine Wissenschaft und zwar eine auf Praxis ausgerichtete Handlungswissenschaft ist (Kron et al. 2014).

Rekus fasst die Bedeutung von Didaktik in den folgenden zwei Sätzen zusammen:

„Didaktisches Handeln ist die Weitergabe des Wissens als erlernbares Wissen. Didaktik als Wissenschaft ist die Theorie didaktischen Handelns.“ (Rekus 2005, 58)

Die Diskussion um die Begründung der Pädagogik/Erziehungswissenschaft einschließlich der Didaktik als deren Teildisziplin als Wissenschaft hat seit Ende der 1990er Jahre ihren vorläufigen Abschluss gefunden. Gorges fasst die Überlegungen zur Wissenschaft Sozialer Arbeit wie Didaktik Sozialer Arbeit in drei Punkten zusammen:

„■Die Wissenschaft der Sozialen Arbeit ist dabei, sich als relativ eigenständige Disziplin zu etablieren. Im Rahmen ihrer Theoriebildung steht sie auch im Dialog mit verschiedenen Bezugswissenschaften (z.B. Pädagogik, Psychologie, Soziologie, Politologie).

■Didaktik als Teildisziplin der Pädagogik kann als relevante Bezugswissenschaft zu der Wissenschaft der Sozialen Arbeit angesehen werden. Zugleich liegt es nahe, Didaktik im Kontext Sozialer Arbeit als eine Teildisziplin der Wissenschaft der Sozialen Arbeit zu verstehen bzw. zu etablieren. In einem interdisziplinären Dialog können dabei bedeutsame Erkenntnisse für den Wissensbestand der Pädagogik und der Sozialen Arbeit gewonnen werden.

■Es kann keine Didaktik der Sozialen Arbeit geben, sondern nur eine Didaktik in der Sozialen Arbeit oder eine Didaktik im Kontext Sozialer Arbeit.“ (Gorges 1996, 31)

1.2.2 Didaktik – eine Theorie

Didaktik ist eine Wissenschaft und Didaktik ist eine Theorie. Was ist sie denn jetzt? Eine Wissenschaft oder eine Theorie oder beides? Worin sehen Sie den Unterschied zwischen einer Wissenschaft und einer Theorie?

Theorie

Der Begriff Theorie ist etymologisch von dem griechischen Verb „theorein“ abgeleitet, was so viel wie schauen, durchschauen bedeutet. Das griechische Substantiv „theoria“ bedeutet: durchschauen eines Zusammenhangs, reine Erkenntnis, wissenschaftliche Lehre, die der Forschung und Entwicklung wissenschaftlich begründeter Praxis dient. Wissenschaften fassen ihre Erkenntnisse in Theorien zusammen.

acht Funktionen

Kron beschreibt acht Funktionen didaktischer Theorien. Sie können

1.zum Verstehen und zum Erklären sowohl individueller als auch allgemeiner sozialer Tatbestände bzw. Gegebenheiten angewendet werden.

2.bei Programmen Anwendung finden.

3.zur Prüfung ihrer kognitiven Qualitäten dienen.

4.zur Kritik an anderen Theorien eingesetzt werden.

5.zur Produktion neuer Theorien verwendet werden.

6.zur kritischen Analyse und regelgeleiteten Veränderungen sozialer Wirklichkeit, also der Praxis dienen.

7.in didaktische Modelle transformiert werden. Didaktische Modelle können zur Lösung praktischer Forschungsprobleme Verwendung finden.

8.als Hypothesenrahmen für empirische Lehr-, Lern-, Schul-, Bildungs- und Unterrichtsforschung dienen (Kron et al. 2014, 55).

drei Grade

Man unterscheidet drei Grade von Theorien:

1.Erster Grad: Alltagstheorien,

2.Zweiter Grad: Handlungstheorien und

3.Dritter Grad: Gegenstandstheorien (reflektiertes Handlungswissen).

Wesen einer Theorie

Das Wesen einer Theorie ist es,

„eine Sache, die nicht gleich offen zutage liegt, anschaulich und verständlich zu machen. Zu diesem Zweck enthalten wissenschaftliche Theorien […] zum einen eine Menge Fachbegriffe, um Situationen und Verhaltensweisen zu definieren und präzise zu beschreiben. Zum anderen kann der wissenschaftlich Informierte aus seiner Kenntnis der theoretischen Zusammenhänge heraus Erklärungen für ein Verhalten anbieten. Dabei erweitert sich sein Wissen als übertragbar auf neue Situationen. […] Alle Theorien sind mehr oder weniger abstrakt. Das ist kein Mangel, der ihnen vorzuwerfen wäre, sondern ihr Wesen. Sie abstrahieren von konkreten Situationen, sie ziehen aus Einzelsituationen das Typische heraus und versuchen, es übersichtlich darzustellen und zu erklären. Deshalb besteht immer eine mehr oder weniger große Kluft zwischen Theorie und Praxis: Die Theorie macht nur allgemeine Aussagen, bleibt abstrakt, ohne Kontext, ohne Sitz im Leben und fern von Praxis. Die Praxis dagegen begegnet uns immer als konkrete Praxis, als besondere Aufgabe. […] Deshalb ist keine noch so gute Theorie geeignet, den SozialarbeiterInnen zu sagen, wie sie in einer bestimmten Situation handeln sollen.“ (Martin 2005, 53f.)

46 Theorien

Für die Didaktik als handlungsorientierte Sozialwissenschaft sind inzwischen viele Theorien entwickelt worden, die sich z.T. überschneiden oder in Konkurrenz oder sogar im Gegensatz zueinander stehen. Kron zählt insgesamt 46 Theorien auf, die er als theoretische Ansätze bezeichnet. Sie alle hier aufzuzählen, würde zu weit führen. Ich verweise auf die entsprechende Quelle (Kron et al. 2014, 65).

Vielfalt von theoretischen Ansätzen

Die Vielfalt von theoretischen Ansätzen macht ein Dreifaches deutlich:

1.Es gibt nicht die didaktische Theorie; es besteht kein Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

2.Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen.

3.Es kann sich nur um offene Theorieansätze handeln. Besonders auf Grund der Heterogenität des Berufsfeldes Sozialer Arbeit ist diese Erkenntnis unabdingbar.

1.2.3Didaktik – ein Modell

Noch einen letzten, dritten Begriff gilt es im Zusammenhang mit Didaktik zu klären: Was versteht man unter einem Modell?

Sehen Sie einen Unterschied zwischen einer Theorie und einem Modell?

Modell

Vorform

Unter einem Modell versteht man eine Reduzierung einer komplexen Theorie auf ihre wesentlichen Strukturen. Da eine Theorie eher abstrakt ist, versuchen Modelle theoretische Aussagen für die Praxis durchschaubar, verständlich und brauchbar zu übersetzen. Modelle sind demnach eine Vorform einer Theorie. Sie enthalten einerseits Elemente, die noch nicht zu einer Theorie verknüpft sind, die aber zur Hypothesenbildung herangezogen werden können. Andererseits reduzieren Modelle die Komplexität von Handlungszusammenhängen auf einige bedeutsame Elemente. Sie vereinfachen die Wirklichkeit und können Handeln somit vorbereiten.

Mittlerrolle

Modelle nehmen somit sowohl in Bezug auf die Theoriebildung als auch im Hinblick auf die Praxis eine Mittlerrolle ein (Kron et al. 2014). Ihnen kommt eine besondere Bedeutung für praktisches Handeln zu.

Das Verhältnis von Theorie, Modell und Praxis kann man folgendermaßen darstellen:

Wissenschaft – Theorie – Modell – Praxis

1.3 Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

Die bisherigen Ausführungen will ich zusammenfassen und die Frage beantworten, ob eine Didaktik Sozialer Arbeit eine Wissenschaft ist und ob man von einer Theorie oder eher von einem Modell sprechen sollte.

Soziale Arbeit ist eine Handlungswissenschaft, die auf sozialwissenschaftlichen Theorien basiert.

Didaktik als Teildisziplin

Soziale Arbeit versteht sich als eigenständige, wissenschaftliche Disziplin. Sie steht in Kooperation mit Nachbardisziplinen wie z.B. Philosophie, Anthropologie, Psychologie, Soziologie, Pädagogik u.a.m. Diese Nachbardisziplinen haben in Bezug auf eine relativ junge Didaktik Sozialer Arbeit wichtige Forschungsergebnisse erarbeitet, an denen sich die Didaktik Sozialer Arbeit orientieren kann bzw. sollte.

Unter Didaktik versteht man kurz gefasst: Didaktik ist die Wissenschaft vom Lehren und Lernen.

Es gibt viele didaktische Theorieansätze. Theorien sind sehr abstrakt formuliert und daher oft schwer verständlich. PraktikerInnen stehen ihnen recht skeptisch gegenüber. Eine Mittlerrolle zwischen Theorie und Praxis nehmen Modelle ein. Sie vereinfachen die Erkenntnisse einer Theorie und können Handeln in der sozialen Praxis vorbereiten.

In Bezug auf unser Thema Didaktik Sozialer Arbeit führen uns all diese Überlegungen über Wissenschaft, Theorie und Modell zu dem Ergebnis:

1.Didaktik ist eine Wissenschaft. Jede Lehre, die ein System, d.h. ein nach Prinzipien geordnetes Ganzes von Erkenntnissen ist, nennt man Wissenschaft.

offenes, theoretischpraktisches Modell

2.Didaktik Sozialer Arbeit kann man (noch nicht) als Theorie bezeichnen, sondern eher als ein offenes, theoretisch-praktisches Modell. Wenn im Folgenden von Didaktik Sozialer Arbeit gesprochen wird, ist damit stets gemeint: Didaktik Sozialer Arbeit ist ein offenes, vorläufiges Theorie-Praxis-Modell.

Kron, F., Jürgens, E., Standop, J. (2014): Grundwissen Didaktik. 6., überarbeitete Aufl. Reinhardt, München

Martin, E. (2005): Didaktik der sozialpädagogischen Arbeit. 6., vollständig überarbeitete Aufl. Juventa, Weinheim und München

Petersen, W.H. (2001): Lehrbuch allgemeine Didaktik. 6., völlig veränderte Aufl. Oldenbourg, München

Schilling, J., Klus, S. (2018): Soziale Arbeit. 7., aktualisierte Aufl. Reinhardt, München

1.Frage: Was versteht man unter Sozialer Arbeit?

2.Frage: Was versteht man unter Konvergenz?

3.Frage: Was besagt das griechische Wort „didaskein“ und wie könnte eine erste Definition von Didaktik lauten?

4.Frage: Was ist das Grundanliegen einer Wissenschaft?

5.Frage: Was ist das Wesen einer Theorie?

6.Frage: Gibt es die Theorie einer Didaktik Sozialer Arbeit?

7.Frage: Was versteht man unter einem Modell?

8.Frage: Worin besteht der Unterschied zwischen einer Theorie und einem Modell?

2Klassische Theorien der Didaktik

2.1 Geschichtlicher Überblick, Auswahl von Theorieansätzen

Die Geschichte der Didaktik lässt sich bis in das Jahr 3000 v. Chr. zurückverfolgen, bis ins alte Reich der Ägypter und ins sumerische Reich der babylonischen Hochkultur.

Homer Aristoteles

Das Wort Didaktik taucht in der Epoche der homerischen Erziehung (8. Jh. v. Chr.) in seinem jetzigen Verständnis auf. Die Anfänge der Didaktik liegen somit in der Zeit des Homer.

Comenius

Aristoteles (300 v. Chr.) fasste die verschiedenartigsten bildungstheoretischen Ansätze seiner Zeit zusammen und legte eine Systematik für das allgemeinbildende und fachliche Unterrichtswesen seiner Zeit vor (Aschersleben 1983, 9–22). Im Mittelalter waren es vor allem St. Viktor (1141), Ratke (1571–1635) und Comenius (1592–1670), die eine Unterrichtslehre entwickelt haben. Die Didaktik von Comenius gilt in ihren Aussagen immer noch und wartet auf ihre Verwirklichung. Er schreibt z.B. über die Aufgabe einer Didaktik (1657):

„Erstes und letztes Ziel unserer Didaktik soll es sein, die Unterrichtsweise aufzuspüren und zu erkennen, bei welcher die Lehrer weniger zu lehren brauchen, die Schüler aber dennoch mehr lernen; und bei der in den Schulen weniger Lärm, Überdruss und unnütze Mühe zugunsten von Freiheit, Vergnügen und wahrhaftem Fortschritt herrscht.“ (Gudjons 2015, 8)

Obwohl Didaktik eine lange Tradition hat, hat sie sich dennoch erst seit ca. den 1930er Jahren von der praktischen Erziehungslehre zur Wissenschaft entwickelt und ist als recht junge Wissenschaft zu verstehen.

Wenn es hier um didaktische Theorien im Handlungsfeld Sozialer Arbeit geht, muss man allerdings zunächst festhalten:

1.Die didaktischen Theorien beziehen sich weitestgehend auf das Lehren und Lernen in der Schule, sind also Schul-Didaktiken.

2.Nach Kron gibt es nahezu 50 verschiedene didaktische Theorieansätze. D.h., es gibt nicht die Didaktik, die didaktischen Ansätze sind offene Systeme und in ihrer Entwicklung nicht abgeschlossen.

3.Die Situation der Didaktik als wissenschaftliche Disziplin an den deutschen Hochschulen kritisiert Reich:

„Gab es noch in den 70er-Jahren zahlreiche didaktische und fachdidaktische Lehrstühle an Universitäten, die in eigenen Bereichen angesiedelt waren und teilweise einen umfangreichen Kontakt zur Praxis unterhielten, so schrumpfte dieser Anteil durch die Neuorganisation der Universitäten, den Abbau von Pädagogischen Hochschulen immer mehr zusammen. Im Zuge von Stelleneinsparungen verringerten sich didaktische Stellen an Universitäten. Einstmals aufgebaute hochschuldidaktische Zentren wurden wieder aufgelöst.“ (Reich 2012, 67)

4.Im Vergleich zu den zahlreichen Theorieansätzen der Allgemeinen Didaktik bzw. der Schuldidaktik steht man in der Diskussion um eine Didaktik Sozialer Arbeit noch am Anfang.

Obwohl seit der Gründung der Fachhochschulen (Hochschulen) das Fach Didaktik eingeführt wurde, gibt es immer noch keine allgemein anerkannte Didaktik Sozialer Arbeit. Ich bin sicher, dass viele Kollegen für ihre Lehrveranstaltungen und für Soziale Arbeit ein didaktisches Modell entwickelt haben, aber bisher nicht die Zeit oder (vielleicht) auch den Mut gefunden haben, diese der Fachöffentlichkeit zur Diskussion zu stellen.

relevante Literatur

Die relevante Literatur (einschließlich der vergriffenen Titel) zum Thema Didaktik Sozialer Arbeit kann man (nach ihrem Erscheinungsjahr) vollständig aufzählen:

■Weinschenk, R. (1976): Didaktik und Methodik für Sozialpädagogen (vergriffen)

■Belardi, N. et. al. (1980): Didaktik und Methodik sozialer Arbeit

■Martin, E. (1989/2005): Didaktik der sozialpädagogischen Arbeit

■Schilling, J. (1993/2020): Didaktik/Methodik Sozialer Arbeit

■Gorges, R. (1996): Didaktik. Eine Einführung für soziale Berufe (vergriffen)

■Buchka, M. (2003): Grundlagen und Grundfragen einer Didaktik-Methodik sozialpädagogischer Praxis. In: Bardy, E. et. al.: Pädagogik (vergriffen)

■Sommer, B. (2009): Didaktische Überlegungen als Grundlage und Orientierungshilfe für sozialpädagogisches Handeln

Es stellt sich hier nun jedoch die schwere Frage: Welche der vielen Theorieansätze wähle ich aus? Da Soziale Arbeit ein sehr breitgefächertes, differenziertes Arbeitsfeld mit unterschiedlichen Problemlagen und Zielgruppen ist, kann man aus vielen Theorieansätzen für eine Didaktik Sozialer Arbeit Anregungen erhalten. Fast jeder Ansatz enthält mögliche Informationen für eine Didaktik Sozialer Arbeit.

Im Gegensatz zur Didaktik Sozialer Arbeit gibt es im Bereich Schuldidaktik weitreichende Forschung und daraus resultierende Erkenntnisse. Es ist nun also die Aufgabe, aus diesen Erkenntnissen all jene herauszufiltern, die für die Didaktik sozialer Arbeit adaptiert werden können, und so aus der Forschung der Schuldidaktik zu lernen.

Für mein Vorhaben, eine vorläufige, offene Didaktik (Modell im Kontext) Sozialer Arbeit zu entwerfen, werde ich aus der Fülle der Theorieansätze vier auswählen und diese etwas ausführlicher darstellen, um zu eruieren, was sie für eine Didaktik Sozialer Arbeit an Erkenntnisgewinn und Förderung von Handlungskompetenzen beitragen können. Dabei gilt es, auf bestimmte Aspekte zu achten, die für eine Didaktik Sozialer Arbeit relevant sein könnten.

Obwohl ich hier nur vier Theorieansätze vorstelle, bedeutet dies keineswegs, dass Forschungsergebnisse weiterer Theorieansätze wie z.B. Curriculare Didaktik, Kritisch-kommunikative Didaktik, Schülerorientierte Didaktik u.a. nicht auch berücksichtigt werden.

Ich wähle beispielhaft zwei bereits klassisch zu nennende Didaktiken und zwei Didaktiken eher neueren Datums aus:

klassische Theorien

1.Klassische Theorien der Didaktik

–bildungstheoretische Didaktik von Wolfgang Klafki

–lerntheoretische Didaktik von Wolfgang Schulz

neuere Theorien

2.Neuere Theorien der Didaktik

–konstruktivistische Didaktik von Kersten Reich u.a.

–neuro-biologische Didaktik von Ulrich Herrmann u.a.

Anhand dieser ausgewählten didaktischen Theorieansätze können sich LeserInnen ein Bild machen, mit welchen Themen sich die Forscher beschäftigen und zu welchen Forschungsergebnissen sie gelangen.

2.2 Bildungstheoretische Didaktik von Wolfgang Klafki (1927–2016)

2.2.1 Theoretische Überlegungen

Ich habe zwei Fragen an Sie:

1.Gibt es (gab es) in Ihrem Studium das Fachgebiet Didaktik (Sozialer Arbeit)?

2.Wurde Ihnen in Ihrem Studium die klassische Didaktiktheorie von Wolfgang Klafki vorgestellt?

Kron gibt einen Überblick über die bildungstheoretische Didaktik, die er eher Didaktik von einem bildenden Lernen nennen möchte.

„Der Bildungsbegriff hat seine Wurzeln in einem komplexen Zusammenhang z.B. von Theorien, Modellen, Ideologien, Anthropologien über das Verhältnis des Menschen zur Welt. […] Das Zentrum des Bildungsbegriffes ist durch die Einzigartigkeit des Menschen bezeichnet. […] Das Ziel dieser individuellen geistigen Tätigkeit liegt in der Entwicklung einer wertvollen und unverwechselbaren Persönlichkeit.“ (Kron et al. 2014, 66)

Unter Bildung, ein zentraler Begriff der von Klafki entworfenen Didaktik, versteht er:

Bildung

„Bildung nennen wir jenes Phänomen, an dem wir – im eigenen Erleben oder im Verstehen anderer Menschen – unmittelbar der Einheit eines objektiven (materialen) und eines subjektiven (formalen) Momentes innewerden. […] Bildung ist der Inbegriff von Vorgängen, in denen sich die Inhalte einer dinglichen und geistigen Wirklichkeit erschließen, und dieser Vorgang ist – von der anderen Seite her gesehen – nichts anderes als das Sich-Erschließen bzw. Erschlossenwerden des Menschen für jene Inhalte und ihren Zusammenhang als Wirklichkeit.“ (Klafki 1967. In: Gorges 1996, 47)

drei Aspekte

Bildung hat nach Vorstellung von Klafki drei Aspekte :

■materialer Aspekt: Dieser Aspekt der Bildung beschreibt die Objektseite. Aus der Fülle der Kulturgüter werden diejenigen ausgewählt, die einen Bildungsgehalt besitzen:

„Bildung ist in dieser Sicht der Prozess, in dem Kulturgüter – sittliche Werte, ästhetische Gehalte, wissenschaftliche Erkenntnisse usf. – in ihrem objektiven So-Sein in eine menschliche Seele Eingang finden.“ (Klafki 1967, 28. In: Gorges 1996, 45)

■formaler Aspekt: Bei diesem Aspekt geht es um das Subjekt des Bildungsprozesses, um dessen Formung.

„Das Wesentliche der Bildung ist nicht Aufnahme und Aneignung von Inhalten, sondern Formung, Entwicklung, Reifung von körperlichen, seelischen und geistigen Kräften.“ (Klafki 1967, 33. In: Gorges 1996, 45)

■kategorialer Aspekt: Materiale und formale Bildung dürfen nicht getrennt voneinander gesehen werden, sondern stehen in wechselseitiger Beziehung, sie bilden eine Einheit. Die Zusammenführung der beiden Aspekte der Bildung zu einem ganzheitlichen Konzept bezeichnet Klafki als kategoriale Bildung. Mit dieser Zusammenfassung der beiden ersten Aspekte zur kategorialen Bildung entwirft Klafki einen neuzeitlichen Bildungsbegriff.

Grundformen

Um die Bildungsinhalte in ein Lehr-Lern-Prozess zu überführen, entwickelt Klafki sieben Grundformen, die er als das „Elementare“ bezeichnet. Die Grundformen sind:

■das Formale,

■das Exemplarische,

■das Typische,

■das Klassische,

■das Repräsentative,

■die einfachen Zweckformen und

■die einfachen ästhetischen Formen (Klafki 1985 In: Kron et al. 2014).

Kron gewinnt aus den Überlegungen zu den elementaren Formen wichtige Einsichten:

1.„Alle Grundformen sind durchwirkt von der Didaktik des Verhältnisses vom Besonderen zum Allgemeinen und umgekehrt.

2.Die sieben Grundformen machen die Binnenprozesse individueller, kultureller Tätigkeiten aus und sie weisen zugleich auf die inhaltlich kulturelle Bestimmung dieser Prozesse hin. Sie repräsentieren die unterschiedlichsten Bildungsbereiche, und sie führen zugleich zu jenen fundamentalen Einsichten und Erlebnissen, die den Menschen zu einer kulturell handlungsfähigen und verantwortlichen Persönlichkeit werden lassen. Der Zusammenhang zu Enkulturation, Sozialisation, Erziehung und Unterricht ist hier augenfällig.

3.Damit sind die Bildungsinhalte bzw. -gehalte und mit ihnen der Lehrplan und/oder das Curriculum in das Zentrum didaktischer Diskussionen gerückt.

4.Die Beschreibung und Bestimmung der Grundformen zeigt eine Konkretion, die bereits auf die Umsetzung in die Praxis und damit auf die Modell- und Konzeptbildung hindeutet.

5.Die Grundformen bleiben in inhaltlicher und struktureller Hinsicht zwar auf das Verhältnis vom Allgemeinen zum Besonderen bezogen, sie müssen aber auch in genetischer Hinsicht betrachtet und verstanden werden. Daher haben sie ihren tragenden Grund im Wechselspiel der doppelten Erschließung im Bildungsprozess. Damit ist eine didaktische Relevanz, die – neben der Relevanz der Inhalte – auf die konstitutive Rolle der Entwicklung der Individuen im Bildungsprozess hinweist, ein Bezug, der auch für das Lernen, die Interaktion und die Konstruktion gilt.

6.Daher sind die sieben Grundformen sowohl auf die Kulturinhalte und ihre Bewertung als Kultur- und Bildungsgüter als auch auf Erfahrung und Entwicklung der Lerner bezogen; denn nur die Lernenden sind die produktiven Stellen im System organisierter Bildungsprozesse. Nur mit und in ihnen kann Kultur lebendig werden bzw. Enkulturation stattfinden.“ (Kron et al. 2014, 75)

2.2.2 Didaktische Überlegungen

Das bildungstheoretische Modell von Wolfgang Klafki ist das älteste unter den verbreiteten Didaktiken. Zum ersten Mal in der Moderne wird eine Definition der Didaktik von Klafki im Jahr 1961 vorgetragen, die er zehn Jahre später so formuliert:

Definition

1.„Didaktik als Wissenschaft und Lehre vom Lehren und Lernen überhaupt.

2.Didaktik als Wissenschaft vom Unterricht […] bzw. Allgemeine Unterrichtslehre.

3.Didaktik als Theorie der Bildungsinhalte, ihrer Struktur und Auswahl […] bzw. der Lehr- und Lernziele und der ihnen zuzuordnenden Lehr- und Lerninhalte und Aufgaben.

4.Didaktik als Theorie der Steuerung von Lernprozessen.“ (Klafki. In: Pädagogisches Lexikon 1971, Sp. 225)

Nach Klafki ist Didaktik eine Handlungswissenschaft.

zwölf Bestimmungen

Für das konkrete Handeln entwickelte Klafki zwölf Bestimmungen zur Struktur des didaktischen Problemfeldes:

1.Primat der Zielentscheidungen

2.Bestimmung des Verhältnisses der Zieldimension zu den Themen

3.Bestimmung der Themen und der Thematik in Bezug auf die Interessen und Lernbedürfnisse der SchülerInnen

4.Herausarbeiten und Akzeptanz der in den vorgenannten thematischen Doppelperspektiven liegenden Unterschiedlichkeiten der Interpretation bei Lehrenden und Lernenden

5.Differenzierung der Themen hinsichtlich der unterschiedlichen Interessen

6.Bedenken der Interaktionszusammenhänge

7.Dabei werden die in den Beziehungen vermittelten Norm- und Wertorientierungen, wie sie in Sozialisationsprozessen stets implizit sind, ausdrücklich gemacht.

8.Bestimmung der Formen des Lernens

9.Bestimmung der Rollen, die die Lernenden bei der Mitbestimmung, Mitplanung, Durchführung und Ausführung der Lehr- und Lernprozesses einnehmen sollen

10.Bestimmung der Vielfalt der Medien

11.Offenlegung des Funktionszusammenhanges zwischen Unterrichtsmethoden und Inhalten, Medien und Zielen, wobei die Beziehungsdimension im Vordergrund des Nachdenkens steht

12.Bedenken der durch die Vermittlungsprozesse herbeigeführten Leistungen einschließlich ihrer Kritik (Klafki 1985; Kron et al. 2014).

Diese zwölf Bestimmungen bilden die Grundlage für ein Planungskonzept, das er „vorläufiges“ Perspektivschema nennt (Abbildung 2).

Abb. 2:Struktur- und Verlaufsmodell nach Klafki 2007

2.2.3Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

Nach diesem kurzen Überblick über den theoretischen und didaktischen Ansatz von Klafki stellt sich die Frage: Finden sich darunter Aspekte, die auch für eine Didaktik Sozialer Arbeit relevant sein könnten. Wie ist Ihre Meinung?

kritisch-konstruktive Didaktik

Drei Aspekte der bildungstheoretischen bzw. kritisch-konstruktiven Didaktik haben für eine Didaktik Sozialer Arbeit besondere Relevanz:

1.der Bildungsbegriff,

2.das Perspektivschema zur Planung mit den vier Schritten:

–Bedingungsanalyse,

–Begründungszusammenhang des Themas,

–Methoden, Medien und

–Überprüfbarkeit.

3.die konstruktiv–kritische Didaktik: Im Unterricht geht es um Selbstbestimmung und Solidarität als übergreifende Zielvorstellung. In den Zielsetzungen werden auch die Dimensionen der rationalen Diskursfähigkeit, der Emotionalität und der Handlungsfähigkeit berücksichtigt.

Eine Didaktik Sozialer Arbeit wird diese und andere Überlegungen von Klafki als Anregung verstehen, sie aufnehmen und entsprechend dem Selbstverständnis Sozialer Arbeit modifizieren.

2.3 Lerntheoretische Didaktik von Paul Heimann (1901–1967) und Wolfgang Schulz (1946–1993)

2.3.1 Vom Berliner zum Hamburger Modell

Auch hier habe ich die Frage an Sie: Haben Sie in Ihrem Studium etwas über die lerntheoretische Didaktik von Paul Heimann bzw. Wolfgang Schulz erfahren?

Paul Heimann

Die lerntheoretische Didaktik entstand aus der Situation, als Paul Heimann (Pädagogische Hochschule Berlin) den Auftrag erhielt, das alte Praktikum der Lehrer durch ein neues Didakticum abzulösen und dafür ein Modell zu entwickeln. Heimann entwarf ein Modell für die systematisch-kritische Beobachtung von Unterricht. Dieses Modell der Unterrichtsanalyse änderte Wolfgang Schulz später zur Unterrichtsplanung.

Berliner Modell

Lernen

Das von Heimann, Otto und Schulz entwickelte Modell ist als Berliner Modell bekannt und versteht sich als Gegenposition zur bildungstheoretischen Didaktik. Es ist ein an wertfreien, empirisch-positivistischen Methoden orientiertes Modell. Im Zentrum steht nicht die Bildung, sondern das Lernen. Wichtige Erkenntnisse der Lernpsychologie/pädagogischen Psychologie wie Sozialisationsforschung bilden die Grundlage für die lerntheoretische Didaktik von Heimann/Schulz.

Interdependenz

Die lerntheoretische Didaktik geht von einem weiten Begriff der Didaktik aus. In dem Berliner Modell werden sechs Strukturelemente miteinander verbunden, die sich wechselseitig bedingen. Bedingungsfelder sind anthropologische und sozio-kulturelle Bedingungen, Entscheidungsfelder sind Ziele, Inhalte, Methoden und Medien. Methoden und Medien werden als didaktische Momente gesehen. Wenn man über Ziele im Unterricht nachdenkt, kann man nicht über Ziele an sich nachdenken, sondern stets im Zusammenhang mit den Wegen und deren Umsetzung. Insofern spricht man in der Berliner Schule von der Interdependenz der Strukturelemente und nicht wie Klafki von einer Nachrangigkeit der Methoden und Medien. Die Interdependenzthese ist das Kernstück der Berliner Didaktik.

Ziele, Inhalte, Methoden, Medien sind aus ihrer Wechselseitigkeit heraus zu verstehen. Methodische Überlegungen müssen die Intentionen und Inhalte genauso einschließen wie umgekehrt.

2.3.2 Hamburger Modell von Wolfgang Schulz

Hamburger Modell

zehn Elemente

Wolfgang Schulz, ein Schüler von Heimann, arbeitete zunächst in Berlin. Nach dem Tod von Heimann (1963) hat Wolfgang Schulz die lerntheoretische Didaktik weiter überarbeitet. Von 1964 an begann er, das Berliner-Modell selbstständig weiter zu entwickeln. Einige Jahre später wird Schulz auf eine Professur nach Hamburg berufen, von da an arbeitete er an einem eigenständigen theoretischen Ansatz, den er das Hamburger Modell nannte. Grundlage seines Modells, das er im Gegensatz zu Heimann lehrtheoretische Didaktik nennt, ist wie schon bei Heimann die Lerntheorie. Kron zeigt auf, dass der Theorie-Entwurf von Schulz zehn Elemente aufweist.

Grundorientierung

„Die ersten fünf Elemente hat Schulz z.T. noch mit Heimann gemeinsam entwickelt; die nachfolgenden sind aus einer eigenständigen Entwicklung erwachsen. Ihre Grundorientierung kann als gesellschaftskritisch bezeichnet werden.“ (Kron et al. 2014, 93)

1.Element: Grundlagen didaktischer Theoriebildung sind die erfahrungswissenschaftlichen Forschungen und die eigene Praxis.

2.Element: Ausgang und Ziel aller Forschungs- und Theoriebemühungen bleibt der Unterricht und seine Bedingungszusammenhänge.

3.Element: Zweck der Forschungen und Theoriebildungen ist die Analyse und Planung von Unterricht.

4.Element: Die Grundstruktur des Berliner Modells bleibt erhalten, wird aber hinsichtlich des emanzipatorischen Interesses vertieft.

5.Element: Die grundlegende Legitimation eines aufgeklärten Unterrichts wird weiter in der Verantwortung des Lehrers bzw. der Lehrerin gesehen.

6.Element: Eine moderne Didaktik muss kritisch sein. Die kritische Intention des lehrtheoretischen Ansatzes ist in vierfacher Hinsicht zu sehen: in der Einbeziehung gesellschaftlicher Entwicklungen, in der Rezeption der kritischen Gesellschaftstheorien, in dem radikalen Ausgang von der Erziehungswirklichkeit und in der Einbeziehung erfahrungswissenschaftlicher Forschungsmethoden und -ergebnisse.

7.Element: Durch Einbeziehung kritischer Positionen entwickelt Schulz zentrale Lernziele: Kompetenz, Autonomie und Solidarität. Sie machen es dem Einzelnen möglich, die Widersprüche in dieser Welt auszuhalten und auch ihre teilweise Überwindung zu realisieren. Wenn SchülerInnen z.B. in fachlich-kognitiver und sozialaffektiver Hinsicht Kompetenz, Autonomie und Solidarität erfahren, kommen sie einen Schritt in Richtung Emanzipation voran.

8.Element: Didaktische Theorien müssen Ergebnisse der Sozialisationsforschung berücksichtigen.

9.Element: Anthropologisches Interesse kann man dort in den Unterricht einbringen, wo auch die gesellschaftliche Entwicklung berücksichtigt wird.

10.Element: Neben der Intentionalität bilden die Inhalte ein Grundkriterium. Daneben werden noch Verfahren und Medien genannt. Die vier Strukturmomente sind: Intentionen, Themen, Verfahren, Medien (Kron et al. 2014) (Abbildung 3)

Planungsmodell

Für Schulz ist Didaktik ein Handlungs- und Planungsmodell. Dieses enthält fünf Schritte:

1.Schritt: Aufstellen von Kriterien für die Planung wie z.B. Lebensorientierung, Wissenschafts- bzw. fachdidaktische Orientierung, Handlungsorientierung, Methodenorientierung, Orientierung an den individuellen und kollektiven Behinderungen von Lernprozessen, Orientierung an den Medien, Orientierung an den Orientierungsformen von Unterricht, Orientierung an Selbst- und Fremdkontrolle (Erfolgskontrolle).

2.Schritt: Strukturmomente für didaktisches Handeln: Verständigung der Lehrenden und Lernenden untereinander, Festlegung der Unterrichtsziele, Bestimmung der Ausgangslage, Festlegung der Vermittlungsvariablen, Bestimmung und Darlegung der Erfolgskontrolle, Herausarbeitung der institutionellen Bedingungen, Erkennen der gesellschaftlichen Widersprüche.

3.Schritt: Tätigkeit und Funktionen didaktischen Handelns: beraten, beurteilen, analysieren, planen, realisieren, verwalten und kooperativ handeln.

Abb. 3: Strukturzusammenhang von Unterricht und Strukturmodell für die Unterrichtsplanung von Schulz 1971

4.Schritt: Prinzipielle Überlegungen für die Planung: Zusammenhang von Erfahrungen und Intentionen (Zielen).

5.Schritt: Ebene der Planung (vier Ebenen): Perspektivplanung, Umrissplanung, Prozessplanung, Planungskorrektur.

Zwischen der lerntheoretischen Didaktik von Schulz und der bildungs-theoretischen Didaktik von Klafki besteht kein prinzipieller Unterschied mehr:

„Irgendwelche prinzipiellen oder wesentlichen Unterschiede zu der Position von Schulz sehe ich schon seit langem nicht mehr und nach den neuen Ansätzen schon gar nicht.“ (Klafki. In: Gudjons et al. 1981, 108)

Auch Schulz hat seit 1972 seine bisherige Position im Sinne einer kritischen Didaktik verändert:

„Die Didaktikdiskussion der letzten 10 Jahre hat gezeigt, dass es sinnvoll und notwendig ist, will man den Zusammenhang zwischen Zielen/Inhalten und Methoden/Medien nicht zerreißen, von einem weiten Didaktikbegriff auszugehen.“ (Schönberger 1987, 35)

2.3.3 Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

Das didaktische Modell von Heimann und Schulz ist weit verbreitet und gilt als praktisches, griffiges Schema für die Unterrichtsplanung, aber nicht nur für den Schulbereich.

Auch hier stellt sich die Frage: Welche Aspekte der lerntheoretischen/lehrtheoretischen Didaktik könnten für eine Didaktik Sozialer Arbeit relevant sein? Tragen Sie einige Punkte zusammen!

Die lerntheoretische Didaktik geht von einer weitgefassten Definition von Didaktik aus. Dadurch bezieht sie ihre Ergebnisse nicht nur auf den schulischen Unterricht, sondern auf alle organisierten Lehr-Lern-Prozesse und damit wird sie auch für eine Didaktik Sozialer Arbeit relevant. Besonders die Überlegungen über Lernziele und das Entscheidungsmodell in seiner Einfachheit und Überschaubarkeit findet in der Sozialen Arbeit Beachtung und Anwendung. Gorges kommt zu dem Schluss seiner Ausführungen:

■„Unter den zahlreichen in der Fachliteratur vertretenen didaktischen Positionen […] haben die bildungstheoretische und die lerntheoretische Didaktik einen herausragenden Stellenwert.

■Ihre jeweilige Weiterentwicklung, die kritisch-konstruktive Didaktik und das Hamburger Modell können als besonders geeignete Theorieansätze für eine Didaktik Sozialer Arbeit angesehen werden.“ (Gorges 1996, 68)

Gudjons, H., Winkel, R. (Hrsg.) (2015): Didaktische Theorien. 13. Aufl. Bergmann + Helbig, Hamburg

Klafki, W. (2007): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. 6., neu ausgest. Aufl. Beltz, Weinheim, Basel

Kron, F./Jürgens, E./Standop, J. (2014): Grundwissen Didaktik. 6., überarbeitete Aufl. Reinhardt, München

Meinert, A., Meyer, H. (2007): Wolfgang Klafki. Eine Didaktik für das 21. Jahrhundert. Beltz, Weinheim

Peterßen, W.H. (2001): Lehrbuch Allgemeine Didaktik. 6., völlig veränderte, aktualisierte und stark erweiterte Aufl. Oldenbourg, München

Schulz, W. (1980): Unterrichtsplanung. Urban & Schwarzenberg, München, Wien

Schulz, W. (2015): Die lehrtheoretische Didaktik. In: Gudjons, H., Winkel, R. (Hrsg.): Didaktische Theorien. 14. Aufl. Westermann, Braunschweig

1.Frage: Welche Bücher über Didaktik Sozialer Arbeit gibt es und welche sind vergriffen?

2.Frage: Gibt es viele Theorieansätze von Didaktik?

3.Frage: Wie nennt Wolfgang Klafki die von ihm entwickelte Didaktik?

4.Frage: Welche drei Aspekte von Bildung nennt Klafki?

5.Frage: Welches sind die sieben Grundfragen eines Lehr-Lern-Prozesses?

6.Frage: Wie nennt Klafki die von ihm entworfene Didaktik?

7.Frage: Wie lauten die zwölf Bestimmungen zur Struktur eines didaktischen Problemfeldes?

8.