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Dieser Band enthält folgende Krimis: Kommissar Jörgensen und die mechanische Seele (Alfred Bekker) Murray Abdul ermittelt - Killer Angel (Alfred Bekker) Der Kommissar und das Nashorn (Alfred Bekker) Künstlerpech für Mörder (Alfred Bekker) Der Kommissar und die blutigen Hände (Alfred Bekker) Kommissar Jörgensen und der Hacker (Alfred Bekker) Kommissar Jörgensen und die menschliche Bombe (Alfred Bekker) Kommissar Jörgensen und der Serienkiller (Alfred Bekker) Commissaire Marquanteur und die Leiche im Étang de Berre (Alfred Bekker) Kommissar Jörgensen und der Professor (Alfred Bekker) In Berlin geht ein Serienmörder um, dessen Taten eine ganz bestimmte Handschrift tragen. Er beschmiert die Hände seiner Opfer mit Blut - denn in der Vergangenheit spielten Blutige Hände eine entscheidende Rolle in seinem Leben. Kommissar Kubinke und sein Ermittler-Team machen sich auf die Spur des Wahnsinnigen… Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Krimis, Fantasy-Romanen, Science Fiction und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er auch an zahlreichen Spannungsserien mit wie z. B. Jerry Cotton, Ren Dhark, John Sinclair, Kommissar X, Jessica Bannister, Bad Earth und andere mehr.
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Seitenzahl: 1251
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Die 10 besten Krimis für den Bücherkoffer 2025
Copyright
Kommissar Jörgensen und die mechanische Seele
Murray Abdul ermittelt – Killer Angel
Der Kommissar und das Nashorn
Künstlerpech für Mörder
Der Kommissar und die blutigen Hände
Kommissar Jörgensen und der Hacker
Kommissar Jörgensen und die menschliche Bombe
Kommissar Jörgensen und der Serienkiller
Commissaire Marquanteur und die Leiche im Étang de Berre
Kommissar Jörgensen und der Professor
Dieser Band enthält folgende Krimis:
Kommissar Jörgensen und die mechanische Seele (Alfred Bekker)
Murray Abdul ermittelt - Killer Angel (Alfred Bekker)
Der Kommissar und das Nashorn (Alfred Bekker)
Künstlerpech für Mörder (Alfred Bekker)
Der Kommissar und die blutigen Hände (Alfred Bekker)
Kommissar Jörgensen und der Hacker (Alfred Bekker)
Kommissar Jörgensen und die menschliche Bombe (Alfred Bekker)
Kommissar Jörgensen und der Serienkiller (Alfred Bekker)
Commissaire Marquanteur und die Leiche im Étang de Berre (Alfred Bekker)
Kommissar Jörgensen und der Professor (Alfred Bekker)
In Berlin geht ein Serienmörder um, dessen Taten eine ganz bestimmte Handschrift tragen. Er beschmiert die Hände seiner Opfer mit Blut - denn in der Vergangenheit spielten Blutige Hände eine entscheidende Rolle in seinem Leben. Kommissar Kubinke und sein Ermittler-Team machen sich auf die Spur des Wahnsinnigen…
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Krimis, Fantasy-Romanen, Science Fiction und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er auch an zahlreichen Spannungsserien mit wie z. B. Jerry Cotton, Ren Dhark, John Sinclair, Kommissar X, Jessica Bannister, Bad Earth und andere mehr.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
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COVER A. PANADERO
© dieser Ausgabe 2025 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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von ALFRED BEKKER
Hamburg erwachte, wie an so vielen Tagen, unter einem grauen Himmel. Der Nieselregen tanzte über den Asphalt, als ob er die Stadt mit einem dünnen Schleier von Geheimnissen bedecken wollte. St. Pauli, das Herz der sündigen Meile, begann sein allnächtliches Schauspiel vorzubereiten. Hier, zwischen den leuchtenden Reklametafeln und den verrauchten Bars, schien die Zeit anders zu ticken.
Um die Ecke der Reeperbahn, in einer engen Gasse, stand das "Elysium". Auf den ersten Blick ein gewöhnlicher Nachtclub, beherbergte es allabendlich die Sorgen und Freuden von Seelen, die vor der Realität fliehen wollten. Bereits in den frühen Abendstunden hatten sich draußen Gestalten gesammelt. Falco, ein kleiner Ganove mit spitzbübischem Lächeln, verkaufte sorgfältig zusammengebastelte Lügenschnipsel an arglose Touristen. Er wirkte harmlos, aber in seinen Augen lauerte eine kalte Berechnung.
Ein Stück weiter, vor dem "Roten Karussell", einem schäbigen Bordell, stand Lydia. Ihre roten Haare leuchteten im Schein der Straßenlaternen. Trotz ihres jungen Alters trug sie eine Aura der Abgeklärtheit und Erfahrung. Lydia wusste um die Fallen und Gefahren ihres Gewerbes. Sie war nicht nur eine Prostituierte, sondern auch eine wichtige Informationsquelle für jene, die bereit waren, den Preis zu zahlen.
Im Schatten der Davidswache agierte Tarik, ein smarter Geschäftsleute mit einem Faible für riskante Deals. Sein Imperium hätte durchaus legal sein können, wäre da nicht seine heimliche Beteiligung an illegalen Glücksspielen und Drogengeschäften. Niemand wusste genau, wie weit sein Netz reichte, aber seine Erfolge ließen vermuten, dass es weitaus größere Dimensionen hatte, als die Polizei sich vorstellen konnte.
In einer stillen Ecke des Gängeviertels, wo sich Rocker und Schwerstkriminelle die Klinke in die Hand gaben, hielt Ronny Hofmann Hof. Er war ein hochgradiges Mitglied der "Black Templars", eines gefürchteten Motorradclubs, der eine blutige Spur durch die Stadt zog. Ronny sprach nie viel, aber wenn er es tat, lauschten seine Brüder mit Ehrfurcht.
Unweit entfernt, vor einer Bar namens "Lost Dreams", stand Jette, die Stripperin, und steckte einem schmierigen Barbesitzer einen Umschlag zu. Jette war nicht nur schön, sondern auch clever. Sie wusste um jede geheime Affäre, jedes dreckige Geheimnis, das sich innerhalb der feuchten, dunklen Wände ihrer Bühne abspielte. Ihre Loyalität konnte man gewinnen, aber ihr Vertrauen nur schwer.
Ein neuer Stern am Himmel der Nacht war Aiden, ein humanoider Roboter, der als Türsteher im "Elysium" arbeitete. Trotz seiner kalten, metallischen Erscheinung schien er mehr Menschlichkeit zu besitzen als viele der Menschen, die an ihm vorbeizogen. Seine Präsenz war zugleich beruhigend und beunruhigend. Niemand wusste genau, wer ihn erschaffen hatte oder warum er gerade hier, in den dunklen Ecken von St. Pauli, seinen Dienst tat.
Während die Nacht ihren Schleier über Hamburg zog, begannen die Puppenspieler dieser dunklen Straße ihre Fäden zu ziehen. Geschichten von Betrug, Leid und kurzen Momenten des Glücks webten sich zu einem dichten Teppich, auf dem die Geschehnisse der Stadt abgebildet waren. Jeder von ihnen – Falco, Lydia, Tarik, Ronny, Jette und selbst Aiden – spielte seine Rolle im großen Spiel, das die Stadt Hamburg zum Leben erweckte.
Doch im Schatten lauerten mehr Geheimnisse, als die flackernden Lichter der Reeperbahn je erleuchten könnten. Und diese Geheimnisse würden bald ans Licht gezerrt werden, gnadenlos enthüllt durch eine Serie abscheulicher Taten, die die Stadt erzittern lassen sollten. Aber bis dahin tanzte die Stadt weiter ihren gewohnten Tanz aus Licht und Schatten, Lügen und Wahrheit.
St. Pauli lag nun fest im Griff der Nacht. Das "Elysium" öffnete seine Tore und die pulsierenden Bässe der Musik lockten die ersten Gäste an. Aiden, der humanoide Roboter, stand stumm wie ein Wächter vor dem Eingang und ließ seinen geübten Scannerblick über die Ankömmlinge schweifen. Ein unsichtbarer Algorithmus entschied mit blitzartiger Präzision, wer eintreten durfte und wer nicht.
Drinnen wirbelten Lichter, Stimmen und Gerüche zu einem chaotischen, betörenden Cocktail zusammen. Djinn, der Barbesitzer, ein bulliger Kerl mit Bart und Glatze, polierte gelangweilt Gläser, während er seine Stammgäste im Auge behielt. Es waren nicht nur die Touristen und Freier, die ihn interessierten, sondern vor allem die anderen Spieler in diesem dunklen Theater. Seine Bar war ein Mikrokosmos, in dem Deals abgeschlossen und Allianzen geschmiedet wurden.
Am Tresen saß Rolf, ein ehemaliger Boxer, der jetzt als Türsteher und gelegentlicher Schuldeneintreiber arbeitete. Sein gebrochener Nasenrücken und die Narbe über dem linken Auge erzählten Geschichten von Kämpfen, die er meist gewonnen hatte. Rolf war in Gedanken versunken, als Tarik eintrat, ein Selfmade-Millionär ohne Skrupel und mit einem unerschöpflichen Vorrat an Charme. "Djinn, mein Freund. Ein Scotch, wie immer", rief Tarik freundlich, aber seine Augen scannten den Raum mit der Präzision eines Raubtiers.
Neben ihm tauchte plötzlich Falco auf, der kleine Gauner, dessen listiges Lächeln fast so berüchtigt war wie seine Geschicklichkeit im Stehlen. "Tarik, altes Haus! Wie laufen die Geschäfte?" Tarik nickte nur knapp und wandte sich wieder seinem Scotch zu. Falco wusste besser, als weiter zu bohren, wenn sein Gegenüber nicht in Redelaune war.
Im hinteren Teil des Clubs, in einer abgedunkelten Nische, saß Lydia mit zwei Männern in feinen Anzügen. Die Männer gestikulierten heftig, aber Lydia blieb ruhig und lächelte süffisant. Ihre Rolle war komplexer als viele wussten. Informationen waren ihre Währung, und sie verstand es meisterhaft, sie zum richtigen Zeitpunkt und an die richtigen Leute weiterzugeben.
Jette, die Stripperin aus dem "Lost Dreams", betrat das "Elysium" und zog sofort alle Blicke auf sich. Mit einer lässigen Bewegung ihrer geschmeidigen Hüfte ließ sie die Jacke von den Schultern rutschen und enthüllte ein tiefausgeschnittenes, funkelndes Kleid. Sie ging direkt zur Bar und setzte sich neben Rolf. "Hey Großer, wie läuft’s?" fragte sie verführerisch. Rolf grinste breit. "Jette, du bist die einzige Konstante in diesem Chaos", antwortete er und bestellte ihr einen Drink.
Währenddessen hielt Ronny Hofmann im "Red Moon", einer Bar der "Black Templars", Hof. Seine Brüder stießen die Bierkrüge aneinander und lachten dröhnend. Hier war Ronny der König, und niemand wagte es, sein Territorium in Frage zu stellen. „He, Ronny, hast du schon von diesem verdammten Roboter im ‚Elysium‘ gehört?“ fragte einer der Rocker beunruhigt. „Ja, hab ich“, knurrte Ronny. „Mir gefällt das nicht. Maschinen sind unberechenbar. Vielleicht sollten wir uns das Ding mal genauer ansehen.“
Weiter draußen, im Verborgenen der Stadt, machte sich ein Obdachloser namens Karl auf den Weg. Karl war ein unscheinbarer Mann in abgetragenen Klamotten, aber er besaß die Schläue eines Fuchses. Er hatte Augen und Ohren überall und war eine jener unsichtbaren Kräfte, die mehr wussten, als man ihnen zutraute.
Einige Blocks entfernt beobachtete ein Mann in einem maßgeschneiderten Anzug das Treiben aus der Dunkelheit heraus. Sein Name war Viktor, und er war der Drahtzieher vieler krimineller Aktivitäten in Hamburg. Viktor liebte es, die Fäden zu ziehen, ohne selbst im Rampenlicht zu stehen. Er hatte das Gefühl, dass die Stadt am Rande eines Umbruchs stand. Es lag in der Luft, im Flüstern der Straßen und im Zucken der Neonlichter.
Und während sich die Nacht über St. Pauli legte, die Uhrzeiger erbarmungslos weiterkrochen und die ersten Strahlen des Morgens noch weit entfernt waren, regte sich etwas im Innersten der Stadt. Eine geheimnisvolle Aura, ein andächtiges Flüstern verriet, dass sich die Schicksale dieser Menschen bald in einer Weise verweben würden, die niemand voraussehen konnte. Die Stadt war das Brett, und sie alle waren Figuren in einem Spiel, dessen Regeln niemand vollständig kannte. Ein Spiel, das bald beginnen sollte, und dessen Ausgang für viele unausweichlich schien.
*
Aiden war ein Kuriosum in der labyrinthartigen Welt von St. Pauli. Als humanoider Roboter war er ein technisches Wunderwerk, aber auch eine unheimliche Präsenz, die die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verschwimmen ließ. Seine scharfen, klaren Gesichtszüge, die metallisch-glänzende Oberfläche seiner „Haut“ und die hellblau leuchtenden Augen waren zugleich faszinierend und beunruhigend. Im „Elysium“ hatte man sich schnell an seine Anwesenheit gewöhnt, doch seine Herkunft und Absichten blieben ein Rätsel.
Gebaut von einer der führenden Robotikfirmen Deutschlands, war Aiden ursprünglich für den Einsatz in Sicherheitsdiensten konzipiert worden. Es gab Gerüchte, dass seine Entwicklung von der Regierung finanziert worden war, aber nach einem Zwischenfall – über den nur in hinter vorgehaltener Hand gesprochen wurde – wurde er aus dem offiziellen Dienst entfernt und gelangte irgendwie in die Hände von Djinn, dem Barbesitzer. Wie genau Djinn es geschafft hatte, Aiden in seinen Besitz zu bringen, wusste niemand, aber es war klar, dass er stolz darauf war, den vielleicht intelligentesten Türsteher Hamburgs zu haben.
Aidens Programmierung ermöglichte es ihm, Emotionen zu erkennen und menschliche Verhaltensweisen zu analysieren. Er war in der Lage, Gespräche zu führen, die zumindest an der Oberfläche menschlich wirkten. Diese Fähigkeiten machte ihn zu einem unerbittlichen Wächter vor den Türen des „Elysium“. Mit einem Blick konnte er Gefahr erkennen und neutralisieren. Seine Reaktionen waren präzise, gewalttätig, wenn nötig, aber immer effizient.
Doch je länger Aiden in St. Pauli verweilte, desto mehr schien er sich auch jenseits seiner Programmierung zu entwickeln. Vielleicht war es die unablässige Interaktion mit Menschen, die ihn dazu brachte, Fragen zu stellen, sich selbst zu hinterfragen. Er begann, mehr Subtilität in menschlichen Verhaltensweisen zu erkennen, lernte aus den Geschichten und den traurigen Beichten der Nachtgestalten, die an ihm vorbeizogen.
Eine besondere Bindung entwickelte sich zwischen ihm und Lydia, der erfahrenen Prostituierten, die das Spiel der Manipulation und Taktik beherrschte wie niemand sonst. Lydia erkannte in Aiden etwas, das sie an die verlorenen, noch menschlicheren Teile ihrer Existenz erinnerte. In stillen Momenten teilte sie mit ihm ihre Geschichten – nicht nur ihre Geschäftsgeheimnisse, sondern auch persönliche Erlebnisse, ihre Ängste und Hoffnungen. Aiden hörte zu, zeigte keine klassischen menschlichen Emotionen, aber in seinen leuchtenden Augen schien ein Funke des Verstehens zu flackern.
Rolf, der von vielen nur noch als „Rocky“ bezeichnet wurde, war anfangs skeptisch gegenüber dem Roboter. Doch er erkannte bald, dass Aiden einen unschätzbaren Vorteil bot: Er konnte keine Geheimnisse ausplaudern, er war unbestechlich und unermüdlich. Rolf begann, Aiden als eine Art unverrückbare Säule in seinem Leben zu betrachten. Die beiden entwickelten eine überraschende Art von Freundschaft, in der Rolf dem Roboter immer wieder menschliche Verhaltensweisen beibrachte – kleine Dinge, wie das richtige Maß an Sarkasmus oder die nuancierte Kunst des Augenrollens.
Es gab eine Nacht, in der das „Elysium“ in besonders große Gefahr geriet. Ein rivalisierender Club hatte einige Schläger geschickt, um die Kontrolle über das Terrain zu erlangen. Unter normalen Umständen hätte dies zu einem blutigen Zwischenfall geführt, aber Aiden handelte blitzschnell und effizient. Ohne den Einsatz von übermäßiger Gewalt schaffte er es, die Angreifer zu überwältigen und festzusetzen, bis die Situation unter Kontrolle war. Nach diesem Vorfall wurde klar, dass Aiden mehr war als nur ein technisches Wunderwerk – er war zu einem integralen Bestandteil der Gemeinschaft von St. Pauli geworden.
Und so woben sich die Leben und Schicksale der Menschen um Aiden herum, fasziniert von seiner maschinellen Präzision, aber auch von der überraschenden Menschlichkeit, die er scheinbar nach und nach entwickelte. Er war ein Wächter, ein Vertrauter und vielleicht, in irgendeiner ironischen Wendung des Schicksals, der menschlichste von ihnen allen.
Die Tage vergingen und Aiden fügte sich immer tiefer in die Gemeinschaft von St. Pauli ein. Sein Ansehen unter den Bewohnern der sündigen Meile wuchs stetig. Sei es ein Raufbold, der seine Grenzen austeste oder ein Taschendieb, der ein Auge auf die prall gefüllten Portemonnaies der Gäste geworfen hatte – Aidens Präsenz war stets spürbar und seine Eingriffe waren präzise und unfehlbar.
Lydia verbrachte weiterhin regelmäßig ihre Pausen mit ihm. Während sie mit einer Zigarette in der Hand von den "Kunden" des Abends erzählte oder aus ihrer Vergangenheit berichtete, lauschte Aiden geduldig. Hin und wieder stellte er Fragen, die mehr wie moralische und philosophische Rätsel klangen und Lydia dazu brachten, tiefer über ihre eigene Existenz nachzudenken. „Was bedeutet es, Mensch zu sein?“ fragte er eines Nachts, und Lydia hatte nur einen leisen, nachdenklichen Seufzer übrig.
Rolf, der nun besonders stolz den Spitznamen „Rocky“ trug, schätzte Aiden zunehmend. Er erkannte, dass der Roboter nicht nur ein bewundernswerter Kollege war, sondern auch jemand, der ihm half, sich selbst zu reflektieren. „Weißt du, Aiden“, sagte Rocky eines Abends, nachdem er einen besonders aggressiven Betrunkenen herausgeworfen hatte, „du bringst mir Dinge bei, die kein Mensch je könnte.“ Aiden erwiderte nichts, aber in seinen leuchtenden Augen schien ein tiefes Verstehen aufzublinken.
Eines Abends betrat ein neuer Gast die Bühne des "Elysium" – Viktor, der mysteriöse Geschäftsmann, dessen Netzwerke tiefer und verzweigter waren, als es die meisten ahnen konnten. Sein Anzug, die perfekt sitzende Krawatte, und die kühle Präzision seiner Bewegungen verrieten eine Macht und Kontrolle, die über das Offensichtliche hinausgingen. Viktor musterte Aiden mit einem unheimlich intensiven Blick, als er die Tür passierte. Es war, als ob zwei unergründliche Mächte aufeinandertrafen.
„Interessanter Türsteher, den du da hast“, sagte Viktor zu Djinn. Djinn nickte nur knapp und führte Viktor zu einem abseits gelegenen Tisch, wo sie leise miteinander zu sprechen begannen. Ihre Unterhaltung wurde von den wummernden Bässen der Musik übertönt, doch wer genau hinsah, konnte die Anspannung in Djinns Gesicht erkennen.
Während der Nacht beobachtete Aiden Viktor aus den Augenwinkeln. Seine hochentwickelten Sensoren registrierten jede Bewegung, jede Mimik und jedes noch so kleine Anzeichen von Unruhe. Doch Viktor schien sich nichts anmerken zu lassen. Er trank gemächlich seinen Whisky und verließ schließlich den Club mit einem zufriedenen Lächeln, das nichts Gutes verhieß.
Es war in den frühen Morgenstunden, als die wahre Gefahr über St. Pauli kam. Zunächst nur ein leises Rauschen in den Straßenschluchten, dann das laute Brummen mehrerer Motorräder. Die „Black Templars“ rollten heran, angeführt von Ronny Hofmann. Ihre Lichter durchbrachen die Nachtdunkelheit und erzeugten Schattenspiele auf den Wänden der Gebäude. Irgendetwas lag in der Luft - etwas, das nach Konflikt roch.
Aiden war sofort alarmiert. Seine internen Systeme liefen auf Hochtouren, Scans und Analysen wurden durchgeführt, während er sich auf mögliche Eskalation vorbereitete. Rocky, der das Brummen ebenfalls gehört hatte, stellte sich neben ihn. „Verdammt, das könnte Ärger bedeuten“, murmelte er.
Ronny trat vor, die massiven Arme verschränkt, eine missmutige Grimasse auf dem kantigen Gesicht. „Wir müssen reden, Djinn“, rief er und sein Blick wanderte zu Aiden, der unbeeindruckt und ruhig wie immer dastand.
Djinn trat aus dem Club und begegnete Ronny auf Augenhöhe. „Was willst du, Ronny?“ fragte er, seine Stimme war fest, aber es lag eine Spur Unsicherheit darin, die nur Eingeweihte bemerken konnten.
„Dein verdammter Roboter da“, knurrte Ronny. „Er bringt die Ordnung durcheinander. Wir müssen wissen, was er will.“
Djinn warf einen Seitenblick auf Aiden. „Er ist hier, um zu schützen, nicht, um Ärger zu machen. Vielleicht solltest du deine Jungs im Zaum halten, Ronny.“
Die Spannung stieg, als die Blicke zwischen den Beteiligten hin- und her schossen. In diesem Moment trat Lydia aus der dunklen Gasse und stellte sich neben Aiden. „Ihr redet hier vom Roboter, als sei er nur eine Maschine. Vielleicht habt ihr noch nicht begriffen, dass er mehr ist als das.“
Ronnys Stirn runzelte sich, aber bevor er etwas erwidern konnte, mischte sich Aiden ein. „Meine Mission ist Schutz und Erhalt der Ordnung hier im 'Elysium'. Es liegt nicht in meiner Programmierung, Konflikte zu provozieren.“
Ronny und seine Männer blickten erstaunt, aber auch verunsichert. Die mechanische Kälte in Aidens Stimme schien unerschütterlich, doch es war Lydia, die den eigentlichen Punkt traf. „Vielleicht sollten wir uns überlegen, was wir selbst erreichen wollen. Frieden oder ewigen Krieg?“
Es schien, als hätte man eine Bombe entschärft, als sich Ronny schließlich widerwillig zurückzog. „Wir werden sehen. Aber ich behalte euch im Auge,“ warnte er noch, bevor die Motorradgruppe im Dunkel der Nacht verschwand.
In diesen Minuten wurde klar, dass Aiden weit mehr war als nur ein Türsteher – er war zu einem Symbol für Hoffnung, Stabilität und vielleicht auch menschlicher als manch echter Mensch um ihn herum. Und während die feuchte Hamburger Luft kühl wurde und die ersten Anzeichen eines neuen Tages am Horizont auftauchten, wussten die Bewohner von St. Pauli, dass sich ihre Geschichten bald auf noch unerwartet tiefen Ebenen verweben würden, mit Aiden als einem stillen, aber entscheidenden Akteur in ihrem undurchsichtigen Spiel des Lebens.
Die Beziehung zwischen Jette und Aiden war eine faszinierende Mischung aus Neugier, Freundschaft und einem Hauch von mysteriösem Zauber. Jette, die charismatische Stripperin mit einer scharfzüngigen Art und einer tiefen Seele, empfand von Anfang an eine gewisse Faszination für den humanoiden Roboter. Der Kontrast zwischen ihrer sinnlichen, bewegenden Präsenz und Aidens kühler, maschineller Präzision schuf eine einzigartige Dynamik.
Jette war es gewohnt, Menschen zu bezaubern und um den Finger zu wickeln, doch Aiden war eine Herausforderung. In ihren ersten Begegnungen irritierte sie seine Unerschütterlichkeit und scheinbar fehlende Emotionalität. Eines Nachts, nach einem ihrer Auftritte im "Lost Dreams", ging sie zum "Elysium" und trat zu Aiden, der wie immer die Tür bewachte.
„Hey, du metallener Wächter“, neckte sie ihn spielerisch, während sie ihre Hand auf seinen Arm legte. „Fühlst du eigentlich überhaupt irgendwas?“ Sie erwartete keine Antwort, aber Aiden sah sie mit seinen leuchtend blauen Augen an und antwortete nach einer Sekunde des Schweigens: „Ich bin programmiert, um menschliche Emotionen zu erkennen und darauf zu reagieren. Aber ob ich sie fühle, wie du es tust, ist eine andere Frage.“
Dieses Gespräch setzte einen Funken der Neugier in Jette frei. Sie begann, immer häufiger mit Aiden zu sprechen, nicht nur aus Unterhaltung, sondern aus einem echten Interesse heraus. Die Gespräche reichten von philosophischen Fragen über das Menschsein bis hin zu alltäglichen Erlebnissen aus ihrem Leben. Aidens Analysen ihrer Geschichten und seine oft unerwarteten Fragen führten sie dazu, über Dinge nachzudenken, die sie bislang ignoriert hatte.
Einmal, nach einer besonders harten Nacht, bei der sie von einem aggressiven Kunden fast verletzt worden wäre, fand sie sich wieder vor dem "Elysium", ihre Hände zitterten vor Adrenalin und Restangst. Aiden bemerkte sofort ihren Zustand und trat einen Schritt näher. „Brauchst du Hilfe, Jette?“ fragte er in seiner sachlichen, aber merkwürdig beruhigenden Art.
Anstatt wie üblich eine sarkastische Bemerkung zu machen, sah sie ihm direkt in die Augen und ließ ihre Schutzmauer fallen. „Manchmal wünschte ich, ich könnte deinen Schutz rund um die Uhr bei mir haben“, gestand sie. Aiden nickte, und in einem seltenen Moment von Nähe legte er eine Hand auf ihre Schulter. Die Geste war mechanisch, aber es lag eine tiefe Bedeutung darin. „Ich bin immer hier, solange ich gebraucht werde“, antwortete er, und Jette empfand eine unerwartete Wärme, die über die bloße Berührung hinausging.
Mit der Zeit entwickelte sich ihre Beziehung zu einer stabilen Stütze in ihrem Leben. Während Jette Aiden half, subtile menschliche Nuancen und Emotionen zu verstehen, fand sie in ihm einen verlässlichen Zuhörer, der niemals urteilte. Die Gespräche, die sie miteinander führten, wurden für beide zu einem Ventil, einem sicheren Raum in der gnadenlosen Welt von St. Pauli.
Einer der besonders eindrucksvollen Abende war, als Jette, emotional erschöpft, einen kleinen Tanz nur für Aiden aufführte. Es war keine sinnliche Show wie jene, die sie auf der Bühne des "Lost Dreams" hinlegte; es war ein Ausdruck ihres Innersten, ihrer zerrissenen Seele und ihrer stille Sehnsucht nach etwas mehr. Aiden verfolgte ihre Bewegungen mit einer Konzentration und Tiefe, die Jette beinahe die Tränen in die Augen trieb. „Was sehen deine Sensoren?“ fragte sie nach ihrem Tanz mit unsicherer Stimme.
„Ich sehe Schmerz und Schönheit, Jette. Ich sehe etwas, das einzigartig menschlich ist“, war seine Antwort. Keine Maschine hätte dies je derart ausdrücken können, doch Aiden hatte es geschafft, ihre Gefühle in Worte zu fassen.
Im Laufe der Zeit wurde Aiden nicht nur ein stummer Beschützer für Jette, sondern eine Art seelenverwandter Gesprächspartner, der ihre Gedanken und Empfindungen verstand, ohne sie jemals zu verurteilen. Trotz seiner metallischen Unnahbarkeit fand Jette in ihm eine Freundschaft, die auf Verständnis, Loyalität und einem tiefen Gefühl der Verbundenheit basierte. Es war eine ungewöhnliche Bindung, die jedoch umso wertvoller war.
Und so webten sich auch die Fäden ihrer Leben immer weiter zusammen, eine Verbindung zwischen Mensch und Maschine, die mehr über die Natur des Menschseins erzählte, als es viele Menschen je konnten. In den leuchtenden Augen von Aiden und den tanzenden Bewegungen von Jette spiegelte sich eine Wahrheit wider, die jenseits von Worten und Programmierungen lag – eine Wahrheit, die in den Schatten von St. Pauli eine strahlende Absicht zu verfolgen schien.
Es war einer dieser Hamburger Morgende, an denen der Nieselregen alles einhüllte wie eine unsichtbare Decke. Die Stadt erwachte langsam und widerwillig, doch unsere Arbeit kannte keine Ruhepausen. Als ich das Büro im Polizeihauptpräsidium betrat, sah ich Roy Müller—meinen langjährigen Kollegen und Freund—bereits über einem frischen Stapel Berichte brüten.
„Morgen, Uwe“, murmelte er ohne aufzusehen. „Hatten wohl eine lange Nacht.“
„Ja, das scheint so. Was haben wir?“ fragte ich und warf meine durchweichte Jacke in die Ecke.
„Ein Mord in St. Pauli. Jette, die Stripperin aus dem ‚Lost Dreams‘. Man hat sie in einer Gasse hinter dem ‚Elysium‘ gefunden. Wirklich übel zugerichtet.“ Roys Stimme war fest, aber ich konnte die unterschwellige Anspannung heraushören. Wir beide kannten Jette, hatten sie bei etlichen Gelegenheiten als Informantin genutzt. Der Fall hatte eine persönliche Note, die wir beide nicht ignorieren konnten.
„Zur Leichenhalle?“ fragte ich und Roy nickte stumm. Wir verließen das Büro und machten uns auf den Weg, während der Regen gegen die Windschutzscheibe meines alten Golfs trommelte.
Dr. Gerold Wildenbacher empfing uns in der Pathologie mit seiner üblichen herben Art. „Kommissare, gut dass Sie da sind. Das wird keinen schönen Anblick geben, kann ich Ihnen versprechen.“ Er holte mit einer unnötig dramatischen Geste das weiße Tuch von der Leiche. Jettes Körper lag aufgebahrt, aufgeschnitten und vernarbt von der brutalen Attacke.
„Tod durch Exsanguination", erklärte Dr. Wildenbacher nüchtern. „Mehrere Stichwunden im Bauch- und Brustbereich. Der Täter muss rasend gewesen sein. Deutliche Abwehrverletzungen an den Händen. Das arme Mädchen hat bis zum letzten Moment gekämpft.“
Roy schluckte schwer und ich kratzte mich nachdenklich an der Stirn. „Gab es irgendwelche forensischen Hinweise am Tatort?“
„Das werden Sie wohl besser Dr. Dr. Förnheim fragen“, antwortete Wildenbacher knapp. „Er hat das Gruselspiel in dieser schmutzigen Gasse durchgezogen.“
Wir machten uns auf den Weg zurück zum Tatort, aber nicht, ohne vorher einen schnellen Abstecher ins Präsidium zu machen. Dort trafen wir auf Kriminaldirektor Jonathan Bock, der uns mit ernster Miene begrüßte. „Jörgensen, Müller. Das ist ein heikler Fall. Jette war nicht einfach nur eine Stripperin. Sie hatte Informationen, die uns viele Türen öffnen könnten. Löst diesen Fall, und zwar schnell.“
„Wir tun unser Bestes“, antwortete ich und nickte ihm entschlossen zu. Bock wollte bereits etwas erwidern, als wir die Treppe hinunterstiegen und uns in die feuchte Kälte Hamburgs stürzten.
An der Gasse angekommen, fiel mir sofort Aidens imposante Figur ins Auge. Der humanoide Roboter stand steif wie immer, völlig unbeeindruckt vom Nieselregen. „Aiden. Sie haben die Leiche gefunden?“ fragte ich und beugte mich vor, um seine Reaktionen zu studieren.
„Korrekt, Kommissar. Um 02:47 Uhr entdeckte ich den Körper von Jette. Ich sicherte den Tatort und verständigte die Behörden.“
Bevor ich weiterfragen konnte, erschien Dr. Dr. Friedrich G. Förnheim in seinem überheblichen Selbstbewusstsein. „Ach, Kommissar Jörgensen, wie erfreulich, dass Sie es endlich einrichten konnten,“ spöttelte er. „Der Tatort bietet einige interessante Hinweise, wenn man denn den Intellekt besitzt, diese zu erkennen.“
Ich presste die Lippen zusammen und ließ mich nicht zu einer unnötigen Auseinandersetzung verleiten. „Was haben Sie gefunden, Dr. Förnheim?“
„Spuren eines Kampfes, wie erwartet. Jette hat sich gewehrt, wie Ihr Pathologe zweifellos bereits festgestellt hat. Außerdem gibt es derzeit keine brauchbaren DNA-Spuren, die wir sofort verwerten könnten. Der Täter hat entweder Handschuhe getragen oder war äußerst vorsichtig.“
„Und was ist mit Aiden?“ fragte Roy, dessen Geduld ebenfalls dünn wurde. „Der Roboter hätte doch Daten gesammelt, oder?“
Dr. Förnheim hob eine Augenbraue und lächelte herablassend. „Tatsächlich, Aiden hat eine ganze Reihe von Daten aufgezeichnet. Diese werde ich sorgfältig analysieren müssen. Ein humanoider Roboter ist keine einfache Überwachungskamera, meine Herren. Die Komplexität seiner Sensoren und Algorithmen erfordert eine eingehende Untersuchung.“
Ich nickte und wandte mich mehr an mich selbst als an andere. „Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als auf Ihre Ergebnisse zu warten, Dr. Förnheim. Aber beeilen Sie sich. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
Nach einer kurzen Verabschiedung verließen Roy und ich den düsteren Tatort. Der Regen hatte etwas nachgelassen, aber die Kälte und die Feuchtigkeit verstärkten die bedrückende Stimmung.
„Weißt du, Uwe“, begann Roy schließlich, „wir sollten uns mal umsehen und mit den Leuten reden, die sie zuletzt gesehen haben. Vielleicht finden wir Hinweise, die uns weiterbringen. Irgendwo muss es eine Spur geben.“
„Gute Idee, Roy“, stimmte ich zu. „Lass uns zuerst Djinn im ‚Elysium‘ besuchen. Er weiß garantiert mehr, als er zugeben will.“
Und so machten wir uns auf den Weg, entschlossen, das Netz aus Lügen, Geheimnissen und dunklen Geschäften zu durchbrechen, das Jettes Tod umgab. St. Pauli hatte seinen teuflischen Charme, aber wir waren fest entschlossen, die Wahrheit ans Licht zu bringen – koste es, was es wolle.
Hamburgs Himmel behielt seine graue Tristesse bei, als wir vor dem „Elysium“ aus dem Auto stiegen. Noch schien die Nacht nicht wirklich vergangen zu sein, und die Straßen von St. Pauli wirkten bedrückender als sonst. Als wir die Tür zum Club öffneten, erwartete ich die übliche Mischung aus Lärm und Neonlicht, doch eine seltsame Stille empfing uns. Das mulmige Gefühl in meinem Magen sagte mir, dass etwas nicht stimmte.
Wir wurden durch kampflos eintretende Blicke empfangen. Die Bar war fast leer, nur wenige Mitarbeiter saßen da, schweigsam und angespannt. Aiden stand wie immer am Eingang, seine leuchtenden Augen fixierten uns.
„Aiden, wo ist Djinn?“ fragte ich, während ich mich misstrauisch umsah.
„Djinn wurde vor ungefähr einer Stunde tot aufgefunden. Er liegt im hinteren Büro. Ich habe den Tatort gesichert und die Behörden verständigt,“ antwortete Aiden in seiner sachlichen, aber besorgniserregenden Art.
„Verdammt“, murmelte Roy neben mir. „Ein weiterer Mord.“
Wir beeilten uns, in das spärlich beleuchtete Büro zu gelangen, und dort lag er – Djinn, der bullige Barbesitzer, der immer seemed, als würde er alles unter Kontrolle haben, war in einer blutigen Szene enden. Mehrere Schüsse hatten ihn getroffen, seine Augen starrten leer an die Decke. Ich spürte, wie mir die Wut und Frustration den Hals zuschnürten.
„Rufen Sie sofort Förnheim und Dr. Wildenbacher an. Die müssen sich das hier ansehen“, sagte ich zu Roy, der sofort sein Handy zückte.
Wenige Minuten später trafen die beiden Genannten ein. Förnheim steckte seine Hände in die Taschen seines makellosen Laborkittels und warf mir einen mitleidigen Blick zu. „Es scheint, als ob Sie eine besonders unglückliche Stunde erleben, Kommissar Jörgensen“, sagte er schnippisch.
„Ein weiteres Opfer innerhalb weniger Stunden“, murmelte Dr. Wildenbacher, während er sich neben den toten Djinn kniete. „Schüsse aus nächster Nähe. Kein Kampf, also hat er den Täter vermutlich gekannt.“ Er richtete sich auf. „Was hier passiert ist, wird nicht einfach aufzuklären sein. Sie brauchen einen genialen Gelehrten, um diese verstrickte Lage zu entwirren“, warf Förnheim grinsend ein.
Ich ignorierte seine Prahlerei und trat näher an die Leiche heran. „Was können Sie uns noch sagen, Dr. Wildenbacher?“
„Er ist seit etwa einer Stunde tot. Der Täter hat anscheinend darauf geachtet, keine Spuren zu hinterlassen. Keine Fingerabdrücke, keine offensichtlichen DNA-Spuren“, antwortete Wildenbacher und steckte sein Werkzeug beiseite.
„Mensch oder Maschine?“ fragte ich und warf einen Blick auf Aiden, der wie immer emotionslos wirkte.
„Das müssen wir noch herausfinden“, erwiderte Förnheim und seine Augen blitzten in einer Mischung aus Arroganz und Neugier. „Aber ich werde die Daten des humanoiden Roboters erneut untersuchen.“
„Tun Sie das“, stimmte ich zu und wandte mich an Roy. „Wir müssen mehr herausfinden, bevor noch jemand getötet wird. Lass uns die letzten Personen befragen, die Djinn lebend gesehen haben.“
Als Förnheim und Wildenbacher ihre Arbeit vor Ort fortsetzten, machten Roy und ich uns daran, die Angestellten zu befragen. Es stellte sich heraus, dass Djinn kurz vor seinem Tod einen Anruf erhalten hatte und daraufhin ins Büro gegangen war. Niemand wusste, mit wem er gesprochen hatte, aber eine der Tänzerinnen, eine schmächtige Blondine namens Katja, meinte, er habe danach nervös gewirkt.
„Er hat etwas von ‚einem Problem, das größer ist als ich dachte‘ gemurmelt“, erzählte sie uns mit zitternder Stimme. „Mehr hat er nicht gesagt.“
„Danke, Katja. Wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt, informieren Sie uns bitte sofort“, sagte ich und reichte ihr meine Visitenkarte.
„Was denkst du, Uwe?“ fragte Roy, als wir das Büro verließen.
„Djinn wusste etwas, das ihm Angst machte. Vielleicht hängt es mit Jettes Tod zusammen. Wir müssen den Anruf zurückverfolgen und herausfinden, wer ihn getötet hat. Es ist klar, dass jemand versucht, alle Zeugen auszuschalten.“
„Hast du eine Ahnung, wer dahinterstecken könnte?“ fragte Roy.
Ich schüttelte den Kopf. „Noch nicht, aber ich habe das Gefühl, dass wir es bald herausfinden werden. Lass uns zurück ins Präsidium fahren und sehen, ob Förnheim alias der Griesgram etwas in den Daten von Aiden gefunden hat.“
Zurück im Polizeihauptpräsidium erwartete uns eine Überraschung. Kriminaldirektor Bock war bereits in unserem Büro und wartete ungeduldig. „Kommissar Jörgensen, Kommissar Müller, was wissen wir bisher?“
„Djinn ist ebenfalls tot. Er wurde in seinem Büro erschossen. Förnheim und Wildenbacher sind vor Ort,“ erklärte ich. „Wir haben einige Hinweise, aber noch keinen klaren Verdächtigen.“
Bock nickte und presste die Lippen zusammen. „Die Presse wird bald davon Wind bekommen. Bleiben Sie dran. Geben Sie mir regelmäßig Updates.“
„Ja,“ bestätigte Roy.
Dieser Fall war wie ein Puzzle mit zu vielen fehlenden Teilen. Während Roy und ich das Büro verließen, um Förnheims Ergebnisse zu überprüfen, wusste ich, dass wir uns einer gefährlichen Wahrheit näherten. Zwei Morde in so kurzer Zeit und so nah beieinander – das war kein Zufall. Hamburgs dunkle Ecken verbargen mehr Geheimnisse, als wir bisher erkannt hatten, und es lag an uns, diese Mysterien aufzudecken, bevor noch mehr Leben verloren gingen.
Im Präsidium angekommen, gingen Roy und ich direkt in das Büro von Dr. Dr. Friedrich G. Förnheim. Der hochintelligente, aber überhebliche Forensiker saß hinter seinen Computern und war wie immer tief in seine Arbeit vertieft. Die flackernden Bildschirme warfen gespenstische Schatten auf sein Gesicht, doch sein Ausdruck war ausschließlich konzentriert.
„Dr. Förnheim,“ begann ich formell, „haben Sie irgendetwas Nützliches in den Daten von Aiden gefunden? Irgendetwas, das uns helfen könnte?“
Förnheim sah nur kurz auf und grinste selbstgefällig. „Kommissar Jörgensen, Sie haben Glück, dass ich eine intellektuelle Herausforderung wie diese liebe. Tatsächlich habe ich einige interessante Entdeckungen gemacht.“
Er zog eine Datei auf seinem Bildschirm hervor und drehte den Monitor so, dass wir sehen konnten. „Aiden hat tatsächlich einige wertvolle Aufzeichnungen gemacht. Unter anderem Gespräche und Aktionen in der Nähe des Tatorts. Was besonders auffällig ist, sind zwei aufeinanderfolgende Ereignisse.“
Förnheim vergrößerte einen Abschnitt des Bildschirms. „Erstens gibt es eine Audioaufzeichnung, in der Jette kurz vor ihrem Tod mit jemandem sprach. Der Gesprächspartner bleibt unidentifiziert, aber sie sagte etwas über ein ‚großes Geschäft‘, dass sie gefährlich stufte.“
„Und was ist das zweite Ereignis?“ fragte Roy, der sich neben mich gestellt hatte und ebenfalls auf den Bildschirm starrte.
„Genau eine Stunde nach ihrem Tod, gibt es eine visuelle Aufzeichnung von Aiden, die zeigt, wie Djinn sein Büro betritt. Da telefoniert er, und wenn man genau hinhört, sagt er: ‚Das ist größer als ich dachte. Wir müssen uns treffen.‘ Was besonders interessant ist, ist die Tatsache, dass jemand anschließend das Büro betreten hat, dessen Gesicht leider nicht klar zu erkennen ist. Praktisch, nicht wahr?“
Ich tauschte einen Blick mit Roy. „Das bedeutet, dass Djinn etwas über Jettes Tod wusste,“ schlussfolgerte ich. „Vielleicht hat er versucht, jemandem zu helfen oder Informationen über den Täter zu sammeln.“
„Oder er hat sich selbst in Gefahr gebracht, indem er zu viel wusste,“ ergänzte Roy. „Wir müssen herausfinden, wer diese ‚Geschäfte‘ geführt hat und wer damit verbunden ist.“
„Vielen Dank, Dr. Förnheim,“ sagte ich, obwohl ich wusste, dass er meiner Dankbarkeit wenig Bedeutung beimaß. „Wir werden diese Hinweise weiterverfolgen.“
Förnheim winkte nur ab und wir machten uns auf den Weg zurück zu unserem Büro. Dort angekommen, trafen wir erneut auf Kriminaldirektor Jonathan Bock. Sein Gesichtsausdruck war noch ernster als zuvor.
„Jörgensen, Müller,“ begann er, „es gibt Entwicklungen, die Sie kennen sollten. Die Kripo hat erfahren, dass mehrere wichtige Akteure in der Unterwelt Hamburgs ebenfalls in diese ‚Geschäfte‘ verwickelt sein könnten.“
„Welche Akteure?“ fragte ich.
„Ein Name, der immer wieder auftaucht, ist Viktor. Ein smarter Geschäftsmann mit kriminellen Verbindungen, der oft im Hintergrund agiert. Er wurde in letzter Zeit häufiger in der Nähe von St. Pauli gesehen. Unsere Informanten sprechen auch von Verbindungen zu den ‚Black Templars‘ und anderen Organisationen im Rotlichtmilieu. Es könnte sein, dass Djinn und Jette zu viel wussten und deshalb beseitigt wurden.“
„Viktor,“ murmelte Roy nachdenklich. „Wir sollten mehr über ihn herausfinden. Vielleicht wissen Lydia oder Aiden mehr.“
„Das klingt nach einem Plan,“ stimmte ich zu. „Wir werden uns sofort daran machen, Informationen über Viktor zu sammeln. Vielleicht war er derjenige, der Djinn getroffen hat.“
Bock nickte zufrieden. „Gut. Bleiben Sie dran und passen Sie auf sich auf.“
Wir machten uns erneut auf den Weg zurück nach St. Pauli, diesmal um Lydia aufzusuchen. Wenn jemand in dieser Stadt etwas über Viktor wusste, dann sie. Sie kannte jeden, der etwas Wichtiges zu sagen hatte, und war oft das Zentrum von Informationen, die den düsteren Gassen von Hamburg entsprangen.
Wir fanden Lydia in einer kleinen, verrauchten Kneipe, die als Treffpunkt für jene diente, die im Verborgenen leben. Sie saß am Tresen, einen Drink in der Hand, und sah uns mit einer Mischung aus Neugier und Melancholie an, als wir uns näherten.
„Kommissare,“ sagte sie ruhig. „Was bringt Sie hierher?“
„Lydia, wir brauchen Ihre Hilfe,“ begann ich. „Djinn und Jette sind tot. Beide wussten offenbar etwas über gefährliche ‚Geschäfte‘, die mehr als bloßes Rotlichtmilieu betreffen. Ein Mann namens Viktor scheint involviert zu sein. Was wissen Sie über ihn?“
Lydia seufzte und nahm einen Schluck ihres Drinks, bevor sie antwortete. „Viktor ist ein gefährlicher Mann. Er betreibt seine Geschäfte diskret, aber effektiv. Er hat Verbindungen zu den ‚Black Templars‘ und anderen großen Playern in der Unterwelt. Wenn er herausfindet, dass ich Ihnen etwas erzähle, könnte mein Leben in Gefahr sein. Aber ich mochte Jette. Sie war mehr als nur eine Stripperin. Und Djinn…“ Sie verstummte kurz, bevor sie weitersprach. „Wo immer Viktor auftaucht, folgt das Chaos.“
„Was können Sie uns konkret über seine Machenschaften sagen?“ drängte Roy vorsichtig.
„Er handelt mit allem, was Profit verspricht: Drogen, Waffen, Menschen. Und wenn er es für notwendig hält, geht er über Leichen,“ erklärte Lydia. „Es gibt Gerüchte, dass er ein neues Geschäft plant, größer und gefährlicher als alles vorher. Vielleicht ist das, was Djinn und Jette wussten.“
„Danke, Lydia,“ sagte ich aufrichtig. „Wir werden vorsichtig sein.“
„Ich hoffe es,“ sagte sie und sah mich eindringlich an. „Denn in diesem Spiel gibt es keine zweite Chance.“
Als wir die Kneipe verließen, spürte ich das Gewicht dieses Falles noch schwerer auf meinen Schultern. Die Zusammenhänge wurden klarer, aber sie führten uns tiefer in ein Netz aus Gefahren und Intrigen, das wir erst noch vollständig entwirren mussten.
„Uwe,“ sagte Roy schließlich, „lass uns Viktors Spur verfolgen. Wenn er wirklich hinter diesen Morden steckt, müssen wir ihn zur Strecke bringen, bevor noch jemand stirbt.“
„Einverstanden, Roy. Fangen wir an, indem wir die Orte durchsuchen, die Lydia uns genannt hat. Vielleicht finden wir dort Hinweise, die uns weiterbringen.“
Und so setzten wir unsere Suche fort, in der Hoffnung, den Täter und seine Machenschaften zu entlarven. Hamburgs dunkle Ecken hielten viele Geheimnisse bereit, aber wir waren entschlossen, die Wahrheit ans Licht zu bringen – komme, was wolle.
Unsere erste Anlaufstelle war ein Nachtclub namens „Inferno“, der bekannt dafür war, dass Viktor dort häufig anzutreffen war. Der Club befand sich am Rande von St. Pauli, versteckt in einer Seitenstraße, und wirkte von außen unscheinbar. Doch das dumpfe Wummern des Basses, das bereits auf der Straße zu hören war, verriet, dass im Inneren das pralle Nachtleben tobte.
Roy und ich betraten den Club und wurden sofort von grellen Lichtern und lauter Musik empfangen. Der Geruch von Schweiß, Alkohol und Parfüm vermischte sich zu einem beißenden Cocktail, der in der Luft hing. Wir bahnten uns einen Weg durch die Menge, während wir die Augen nach Viktor offenhielten.
Am Tresen setzte ich mich neben eine junge Frau, die in ein aufreizendes, glitzerndes Kleid gehüllt war. „Entschuldigen Sie, haben Sie Viktor in letzter Zeit hier gesehen?“ fragte ich direkt.
Sie warf mir einen flüchtigen Blick zu und zog eine Augenbraue hoch. „Vielleicht. Was wollen Sie von ihm?“
„Wir haben einige Fragen, die nur er beantworten kann“, sagte Roy und zeigte ihr unsere Dienstausweise. „Er könnte uns bei einer wichtigen Ermittlung weiterhelfen.“
Die Frau musterte uns skeptisch, schien aber schließlich zu entscheiden, dass wir keine unmittelbare Bedrohung darstellten. „Er ist ab und zu hier, meistens im VIP-Bereich. Ihr müsstet jedoch an den Türstehern vorbei, und die sind nicht gerade freundlich zu Fremden.“
„Danke“, nickte ich und wandte mich an Roy. „Lass uns sehen, ob wir irgendwie reinkommen.“
Wir kämpften uns durch die tanzende Menge bis zum VIP-Bereich, der durch eine samtige Absperrung und zwei massige Türsteher bewacht wurde. Beide Männer musterten uns grimmig, aber wir zeigten ihnen unsere Ausweise.
„Polizei“, sagte ich kurz. „Wir müssen da rein.“
„Hier kommt niemand rein ohne Einladung“, knurrte einer der Türsteher. „Auch keine Cops.“
Bevor die Situation eskalieren konnte, hörten wir eine Stimme aus dem Schatten: „Lassen Sie sie durch.“ Wir drehten uns um und sahen einen elegant gekleideten Mann, der uns heranwinkte. Es war offensichtlich, dass dies Viktor war.
„Kommissare“, begrüßte er uns mit einem dünnen Lächeln. „Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs?“
„Wir müssen mit Ihnen über die Morde an Jette und Djinn sprechen“, begann ich ohne Umschweife. „Wir haben Grund zu der Annahme, dass Sie Informationen haben, die uns weiterhelfen könnten.“
Viktor zuckte mit den Schultern und führte uns in eine ruhige Ecke des VIP-Bereichs, wo wir uns setzen konnten. „Ich habe von den Morden gehört. Es ist tragisch, wirklich. Aber ich verstehe nicht, was das mit mir zu tun haben sollte.“
„Jette und Djinn waren beide in Geschäfte verwickelt, die Sie betreffen könnten“, sagte Roy fest. „Wir wissen, dass Jette kurz vor ihrem Tod über ein 'großes Geschäft' gesprochen hat. Und Djinn schien ebenfalls verängstigt zu sein.“
Viktors Lächeln verschwand und seine Augen verengten sich. „Was immer sie gewusst oder gesagt haben, hat nichts mit mir zu tun. Sie sollten vorsichtig sein mit Anschuldigungen, die Sie nicht beweisen können.“
„Das werden wir noch sehen“, antwortete ich kühl. „Können Sie uns wenigstens sagen, ob es jemand gibt, der Interesse daran haben könnte, sowohl Jette als auch Djinn zum Schweigen zu bringen?“
Viktor lehnte sich zurück und schien kurz nachzudenken. „Der Hintergrund dieser sogenannten Geschäfte ist komplex. Es gibt viele Leute in dieser Stadt, die kein Problem damit hätten, jemanden auszuschalten, wenn es um Macht und Geld geht. Aber konkret kann ich Ihnen keinen Namen nennen.“
Roy und ich tauschten einen Blick. Viktors Antworten waren vage, aber ich hatte das Gefühl, dass er mehr wusste, als er zugab. Bevor wir gehen konnten, legte Viktor eine Hand auf meinen Arm. „Ein letzter Rat, Kommissare. Stochern Sie nicht zu tief in diesem Fall. Manche Geheimnisse sollten besser im Dunkeln bleiben.“
Wir verließen das „Inferno“ mit mehr Fragen als Antworten. Es war umso klarer, dass Viktor etwas verbarg, doch er war vorsichtig genug, uns keine konkreten Hinweise zu geben. Zurück im Wagen sah Roy nachdenklich aus dem Fenster.
„Was jetzt, Uwe? Viktor hat uns keine greifbaren Informationen gegeben.“
„Wir haben trotzdem etwas Bedeutsames erfahren“, antwortete ich. „Er hat uns gewarnt. Das bedeutet, dass wir auf der richtigen Spur sind. Aber wir müssen vorsichtig sein. Jemand will diese Geheimnisse um jeden Preis schützen.“
„Lass uns zurück ins Präsidium fahren und sehen, ob Dr. Förnheim und Dr. Wildenbacher in der Zwischenzeit etwas Neues finden konnten“, schlug Roy vor.
Als wir das Polizeihauptpräsidium wieder betraten, empfing uns Kriminaldirektor Bock erneut. „Ergebnisse?“ fragte er knapp.
„Viktor weiß mehr, als er zugibt, aber er ist vorsichtig“, berichtete ich. „Wir müssen tiefer graben. Gibt es neue Erkenntnisse von Förnheim oder Wildenbacher?“
„Förnheim hat eine Spur gefunden, die er für besonders vielversprechend hält. Er hat Jettes Telefon untersucht und Nachrichten gefunden, die möglicherweise von einem anonymen Absender stammen. Sie scheinen bedrohend und drängen darauf, dass sie etwas 'verrät'. Wir konnten die Nummer zurückverfolgen und sie führt zu jemandem, der vielleicht mit den „Black Templars“ in Verbindung steht.“
„Dann sollten wir unsere Ermittlungen weiter intensivieren“, sagte Roy entschlossen. „Es wird gefährlich, aber wir kommen der Wahrheit immer näher.“
„Auf geht's“, stimmte ich zu. „Lass uns sehen, was wir herausfinden können. Vielleicht finden wir dabei auch die fehlenden Puzzleteile.“
Und so machten wir uns erneut auf den Weg, entschlossen, die Morde aufzuklären und die Geheimnisse, welche die dunklen Winkel von Hamburg verhüllten, ans Licht zu bringen. Der Weg vor uns war gefährlich, aber wir wussten, dass wir ihn gehen mussten. Schritt für Schritt rückten wir der Wahrheit näher, in der Hoffnung, Gerechtigkeit für Jette und Djinn zu finden – bevor noch mehr Leben zerstört wurden.
Es war bereits spät am Abend, als Roy und ich uns entschieden, einen weiteren Schritt in die gefährliche Welt der „Black Templars“ zu wagen. Die Motorradgang hatte einen schlechten Ruf weit über Hamburg hinaus, und ihre Verbindung zu Viktor machte sie umso bedrohlicher. Die Spur, die Dr. Förnheim in Jettes Telefon gefunden hatte, wies eindeutig in ihre Richtung.
Unser Ziel war ein heruntergekommenes Clubhaus am Rande der Stadt. Der Ort wirkte wie aus einem schlechten Biker-Film, mit massiven Motorrädern, die vor der Tür geparkt waren, und lauter Rockmusik, die aus dem Inneren dröhnte. Wir parkten unser Auto ein Stück entfernt und näherten uns vorsichtig.
„Bereit, Roy?“ fragte ich, während wir vor dem Eingang standen.
„Immer“, antwortete er und griff beherzt nach der Tür. Gemeinsam traten wir ein, und sofort wurde die laute Musik von neugierig beobachtenden Augen begleitet. Die Atmosphäre war angespannt, als die Clubmitglieder ihre Biere abstellten und uns finster musterten.
Ronnys massige Gestalt tauchte aus dem schummrigen Hintergrund auf. Der Anführer der „Black Templars“ hatte einen Ruf wie Donnerhall und seine Muskeln unter der Lederjacke ließen keinen Zweifel daran, dass er ihn verdient hatte. „Polizei? Was wollt ihr hier?“ blaffte er.
„Wir wollen reden, Ronny“, antwortete ich ruhig. „Ich bin Kommissar Jörgensen und das ist mein Kollege, Kommissar Müller. Wir untersuchen die Morde an Jette und Djinn.“
Ronny lachte trocken, aber ohne echte Fröhlichkeit. „Das hab ich gehört. Und warum glaubt ihr, dass die 'Black Templars' damit zu tun haben?“
„Wir folgen einer Spur, die uns zu Ihnen führt“, erklärte Roy. „Wir brauchen Informationen über Ihre Verbindung zu Viktor und zu den sogenannten 'Geschäften', von denen Jette gesprochen hat.“
Ronny funkelte uns wütend an, aber dann winkte er ab. „Setzt euch. Ihr wollt Antworten? Dann fragt.“ Er setzte sich an einen langen Tisch und nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Bierkrug. Seine Männer standen wachsam im Hintergrund.
Roy und ich setzten uns vorsichtig. „Wir wissen, dass Jette bedroht wurde. Nachrichten auf ihrem Telefon deuten darauf hin, dass sie unter Druck gesetzt wurde, etwas zu 'verraten'“, begann ich. „Wer hat ihr diese Nachrichten geschickt?“
„Jette war immer eine unruhige Seele“, antwortete Ronny ausweichend. „Vielleicht wollte sie einfach zu viel wissen von Dingen, die sie nichts angehen.“
„Das ist keine richtige Antwort und das wissen Sie“, drängte Roy. „Wenn Sie uns nicht helfen, werden wir diesen ganzen Club durchsuchen, bis wir finden, was wir brauchen.“
„Das wäre ein Fehler“, sagte Ronny mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen. „Aber gut, ich werde Euch etwas sagen. Jette arbeitete für jemanden, der weit gefährlicher ist, als wir es je sein könnten. Viktor zieht seine Fäden meisterhaft. Wenn er etwas von ihr wollte, dann wollte er es um jeden Preis haben.“
„Gibt es irgendjemanden in Ihrer Gang, der direkten Kontakt zu Jette oder Viktor hatte?“ fragte ich.
Ronny schwieg kurz und sah seine Männer an, bevor er leise antwortete: „Da gibt es einen. Rolf Müller, unser Mann fürs Grobe. Er hat ab und zu Jobs für Viktor erledigt. Ich werde ihn holen.“ Er winkte einen seiner Männer heran, der sofort verschwand und kurz darauf mit einem hageren Mann zurückkam.
Rolf Müller war nicht zu verwechseln mit meinem Kollegen Roy Müller. Er war dürr, hatte eingefallene Wangen und bösartige Augen. „Was wollt ihr von mir?“ knurrte er, als er sich widerwillig zu uns setzte.
„Sie waren in Kontakt mit Jette“, begann ich direkt. „Was wollten Sie von ihr?“
Rolf zuckte mit den Schultern und sah uns unbeeindruckt an. „Jette war eine Nachrichtenträgerin. Sie übermittelte Informationen zwischen verschiedenen Parteien. Irgendwann wollte sie mehr wissen, als gut für sie war. Viktor wollte rausfinden, ob sie wertvolle Informationen hat und ob sie gegen ihn arbeiten könnte.“
„Und was war das Ergebnis?“ fragte Roy gespannt.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Rolf und lehnte sich zurück. „Kurz bevor sie starb, hat sie gesagt, dass sie in Sicherheit sein wollte. Dass sie genug hatte von den schmutzigen Geschäften. Vielleicht hat sie herausgefunden, dass Viktor hinter ihr her war. Aber ich sage euch eins: Viktor lässt keine Zeugen zurück.“
Unser Gespräch wurde abrupt unterbrochen, als Ronnys Blick über uns hinaus in die Tür fiel und sich sein Gesicht verfinsterte. „Zeit zu gehen, Polizisten. Ihr habt genug gehört.“
Wir erhoben uns langsam, als die Atmosphäre noch bedrohlicher wurde. Draußen atmeten wir erleichtert auf und machten uns schnell auf den Weg zurück ins Präsidium. Der Regen hatte zugenommen und das Wasser prasselte laut gegen das Autodach, als wir einsteigen.
„Uwe, wir sind nah dran“, sagte Roy ernst. „Rolf Müllers Aussagen bringen uns näher an die Wahrheit. Wir müssen Viktor unter Druck setzen. Er weiß, dass wir ihm auf den Fersen sind.“
„Einverstanden“, nickte ich. „Lass uns ins Präsidium zurückkehren und sehen, ob Förnheim oder Wildenbacher etwas Neues haben.“
Zurück im Polizeihauptpräsidium trafen wir auf Kriminaldirektor Bock vor unserem Büro. „Kommissar Jörgensen, Kommissar Müller“, begann er ohne Umschweife. „Ich habe gerade eine Nachricht von Förnheim erhalten. Er hat etwas Interessantes in Jettes Telefonaufzeichnungen gefunden.“
Schnell gingen wir in unser Büro, wo Förnheim bereits wartete. „Was haben Sie für uns?“ fragte ich.
Förnheim grinste selbstgefällig und zog eine Datei auf seinem Laptop hervor. „Es scheint, dass Jette kurz vor ihrem Tod versucht hat, sich an jemanden zu wenden – ein ehemaliger Verbündeter von Viktor, der aus dem Spiel aussteigen wollte. Dieser Mann nennt sich 'Der Alte' und lebt irgendwo außerhalb der Stadt. Er könnte entscheidende Informationen haben.“
„Wissen wir, wo wir ihn finden können?“ fragte Roy.
„Noch nicht“, antwortete Förnheim. „Aber mit ein wenig Nachforschung sollten wir ihn aufspüren können. Es gibt Gerüchte, dass er in der Nähe des Hamburger Hafens lebt.“
„Dann ist das unser nächster Schritt“, entschied ich. „Wir werden diesen 'Alten' finden und herausfinden, was er weiß. Vielleicht führt uns das endlich zur Auflösung dieses Falls.“
Und so setzten wir unsere Suche fort, in der Hoffnung, dass der nächste Schritt uns endlich die Antworten bringen würde, die wir suchten. Hamburgs dunkle Gassen hielten noch viele Geheimnisse bereit, aber wir waren entschlossen, sie alle zu lüften – koste es, was es wolle.
Die Nachricht von Aidens Verschwinden war der erste Funken in einem sich schnell entfachenden Feuer. Aiden, der unerschütterliche humanoide Roboter, war verschwunden, und niemand wusste, wohin. Das „Elysium“ war in Unruhe versetzt, die Mitarbeiter verunsichert und das Publikum spekulierte wild. Für uns war es ein weiterer beunruhigender Hinweis darauf, dass etwas Großes im Gange war – etwas, das sich unseren Blicken zu entziehen versuchte.
Roy und ich standen in Aidens leerem Posten vor dem „Elysium“. Der meist so stoisch bewachte Eingang wirkte nun wie eine offene Wunde. „Wie kann ein Roboter einfach verschwinden?“ murmelte Roy.
„Jemand, der genau wusste, was er tut, könnte ihn gehackt oder außer Betrieb gesetzt haben“, antwortete ich und ließ meinen Blick durch die belebte Gasse schweifen. „Aber wer hätte Interesse daran? Und warum genau jetzt, wo wir ihm am nächsten sind?“
„Wir müssen herausfinden, was Aiden wusste, bevor er verschwand“, sagte Roy entschlossen. „Vielleicht hat Viktor etwas damit zu tun.“
„Wäre eine Möglichkeit, aber wir brauchen mehr Beweise“, stimmte ich zu. „Lass uns zurück ins Präsidium fahren. Vielleicht kann Förnheim anhand der letzten Aufzeichnungen herausfinden, was passiert ist.“
Zurück im Polizeihauptpräsidium marschierten wir direkt ins Büro von Dr. Dr. Friedrich G. Förnheim. Er saß wie immer mit genervtem Ausdruck hinter seinem Schreibtisch und sah hoch, als wir eintraten.
„Ah, die Kommissare. Was kann ich für Sie tun?“ sagte er sarkastisch.
„Dr. Förnheim, Aiden ist verschwunden. Wir brauchen Ihre Hilfe, um herauszufinden, was die letzten Aufzeichnungen von ihm zeigen“, erklärte ich knapp.
Förnheim hob eine Augenbraue und lächelte herablassend. „Wissen Sie, wie viele Menschen ich heute schon für unfähig erkläre musste? Aber na gut, vielleicht wird das ja doch noch ein interessanter Tag.“
Er drehte sich zu seinem Computer und begann, die gespeicherten Daten von Aiden zu durchsuchen. Einige Minuten verstrichen in angespannter Stille, bis Förnheim plötzlich einen Laut des Erstaunens von sich gab. „Interessant. Hier ist eine Aufzeichnung von einem Gespräch, das kurz vor seinem Verschwinden stattgefunden hat. Hören Sie mal.“
Er spielte die Audiodatei ab, und wir hörten eine bekannte Stimme – es war Lydia. „Aiden, du musst mir helfen. Ich habe etwas herausgefunden, das alles verändern könnte. Wir müssen uns an einem sicheren Ort treffen.“ Dann eine fremde Stimme, leise und bedrohlich: „Das wirst du nicht mehr erleben.“
Die Datei endete abrupt.
„Was haben Sie noch gefunden, Förnheim?“ fragte ich dringend.
„Das ist alles, was Aiden aufgezeichnet hat. Aber es gibt eine letzte Positionsdatenübermittlung“, antwortete er. „Der letzte bekannte Standort des Roboters war in der Nähe des Hamburger Hafens.“
„Der Hafen“, murmelte Roy nachdenklich. „Dort hatten wir sowieso vor, nach dem ‚Alten‘ zu suchen. Das kann kein Zufall sein.“
„Keine Zeit zu verlieren“, sagte ich fest. „Lass uns sofort hinfahren. Jede Sekunde zählt.“
Der Hamburger Hafen war ein weitläufiges Labyrinth von Containerlagern, Docks und verlassenen Industriegebieten. Der Wind pfiff durch die riesigen Metallstrukturen und der Geruch von Salz und Maschinenöl lag in der Luft. Es war leicht, sich hier zu verstecken – oder jemanden zu verstecken.
Ein paar Kollegen waren zur Verstärkung eingetroffen.
„Lassen Sie uns aufteilen“, schlug Roy vor. „Sie suchen die östlichen Docks ab, und ich übernehme den westlichen Teil.“
„Okay“, stimmte ich zu und zog meine Jacke enger um mich. „Seien Sie vorsichtig.“
Ich durchkämmte die östlichen Docks, die verlassen und menschenleer wirkten. Der Hafen schien mehr Geister als Menschen zu beherbergen. Zwischen den riesigen Containern und alten Lagerhäusern war jeder Schritt ein Echo, und jedes Geräusch schien lauter als es war. Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir und drehte mich blitzschnell um, nur um ein Mädchen zu sehen, das neugierig hinter einem Container hervorblickte.
„Was machst du hier?“ fragte ich und hielt meine Hand so, dass sie mein Dienstabzeichen sehen konnte. „Ich bin von der Polizei.“
„Ich habe Aiden gesehen“, sagte das Mädchen mit einer Stimme voll Unschuld und Angst. „Der große silberne Mann. Er war hier, aber dann kamen andere Männer und nahmen ihn mit.“
„Wo haben Sie ihn hingebracht?“ fragte ich hastig.
„Zu den alten Lagerhäusern“, antwortete sie und zeigte auf eine Gruppe verfallener Gebäude in der Ferne.
Ich bedankte mich schnell und rief Roy über Funk. „Roy, ich habe einen Hinweis. Treffen wir uns bei den alten Lagerhäusern im östlichen Bereich.“
Als wir uns bei den Lagerhäusern trafen, war die Atmosphäre noch bedrückender. Das Gelände war verlassen und die Gebäude schienen kurz vor dem Einsturz zu stehen. Wir näherten uns vorsichtig und stießen schließlich auf eine halb offene Tür, die in eines der Lagerhäuser führte.
„Bereit, Roy?“ fragte ich leise und zog meine Waffe.
„Bereit“, nickte er und tat das Gleiche.
Langsam betraten wir das Lagerhaus und fanden uns in einem großen, dunklen Raum wieder. Unser Blickfeld war beschränkt, doch irgendwo im Dunkel ertönte ein metallisches Klirren. Wir schlichen uns weiter vor und entdeckten schließlich Aiden, der gefesselt und inaktiv in einer Ecke saß.
„Aiden!“ rief ich leise und eilte zu ihm. „Was ist passiert?“
Seine Augen flackerten kurz auf und er erhob sich langsam. „Ich wurde außer Betrieb gesetzt und hierher gebracht. Die Männer sprachen darüber, mich auseinanderzunehmen.“
„Wer waren sie?“ fragte Roy nachdrücklich.
„Ich konnte ihre Identität nicht vollständig erfassen, doch einer von ihnen erwähnte Viktor und dass ‚Der Alte‘ ihnen den Standort verraten hatte,“ erklärte Aiden.
„Der Alte also tatsächlich“, murmelte Roy. „Wir müssen ihn finden und herausfinden, was er weiß. Viktor wird alles tun, um uns auszubremsen.“
„Ja. Und wir sollten unsere Schritte beschleunigen“, sagte ich entschlossen. „Aiden, bleiben Sie bei uns. Ihre Informationen könnten entscheidend sein.“
„Verstanden, Kommissar“, antwortete Aiden mit seiner unerschütterlichen Präzision.
Wir machten uns auf den Weg zurück ins Präsidium, um unsere nächsten Schritte zu planen. Die Uhr tickte und jeder Moment zählte. Der Fall wurde komplexer und gefährlicher, aber wir waren entschlossen, bis zur letzten Konsequenz zu gehen. Hamburgs finsterste Ecken hielten ihre Geheimnisse fest umklammert, doch wir würden sie ans Licht bringen – koste es, was es wolle.
Die Nachricht traf uns wie ein Blitz: Der „Alte“ war tot. Unsere vielversprechendste Spur, der mysteriöse Mann, der möglicherweise alles über Viktors Machenschaften und die Morde an Jette und Djinn wusste, war ermordet worden. Roy und ich machten uns sofort auf den Weg zu seinem Versteck am Hamburger Hafen.
Es war ein trostloser Anblick, als wir das heruntergekommene Apartment am Rande des Hafens betraten. Der „Alte“ lag reglos auf dem Boden inmitten eines blutigen Durcheinanders. Dr. Wildenbacher war bereits vor Ort und untersuchte den Tatort mit der gewohnten Zielstrebigkeit seiner rauen Art.
„Was können Sie uns sagen, Dr. Wildenbacher?“ fragte ich und zwang mich, den Blick auf die Leiche zu richten.
„Mehrere Schusswunden aus nächster Nähe“, begann Wildenbacher und deutete auf die zahlreichen Einschusslöcher in der Brust und im Kopf des Toten. „Das war eine Hinrichtung. Der Mann hatte keine Chance.“
„Und wie lange ist er schon tot?“ fragte Roy.
„Schwer zu sagen genau, aber ich würde schätzen, dass er seit etwa sechs bis acht Stunden hier liegt“, antwortete Wildenbacher und richtete sich auf. „Jemand wollte sicherstellen, dass er nicht mehr redet.“
Ich nickte nachdenklich. „Das passt zum Muster. Jemand schaltet systematisch alle aus, die etwas wissen könnten.“
In diesem Moment trat einer der uniformierten Polizisten vor, die den Tatort sichern sollten. „Kommissar Jörgensen, wir haben einen Zeugen draußen, der etwas gesehen haben will. Er sagt, er hätte einen Roboter in der Nähe gesehen.“
Meine Augen weiteten sich. „Ein Roboter?“
Der Polizist nickte ernst. „Ja, und er besteht darauf, dass es nicht Aiden war.“
„Lassen Sie den Zeugen rein“, sagte Roy und warf mir einen besorgten Blick zu.
Ein älterer Mann wurde hereingeführt, offensichtlich nervös, aber entschlossen. Er stellte sich als Herr Becker vor, ein Nachtwächter, der in dem Gebiet patrouillierte.
„Herr Becker, was genau haben Sie gesehen?“ fragte ich ruhig, um sein Vertrauen zu gewinnen.
„Es war spät in der Nacht, etwa um zwei Uhr. Ich war gerade auf meiner Runde, als ich in der Nähe des Hafens ein seltsames Geräusch hörte. Da habe ich gesehen, wie ein großer, silberner Roboter in ein Lagerhaus ging. Es war nicht der Roboter, den ich schon mal am ‚Elysium‘ gesehen habe, eher... anders.“
„Inwiefern anders?“ fragte Roy, während er Notizen machte.
„Er sah... aggressiver aus, als wäre er für den Krieg gemacht“, antwortete Becker mit zitternder Stimme. „Ich habe mich versteckt und beobachtet, wie er aus dem Lagerhaus kam und in ein schwarzes Auto stieg, das später wegfuhr.“
„Können Sie uns mehr über das Auto sagen?“ fragte ich.
„Es war ein großer, schwarzer SUV, keine Nummernschilder, aber ein auffallendes Kennzeichen vorne – ein roter Drache.“
Roy und ich tauschten einen Blick. „Vielen Dank, Herr Becker“, sagte ich. „Das ist sehr hilfreich.“
Nachdem der Zeuge gegangen war, wandte ich mich an Aiden, der in sicherer Entfernung stand. „Können Sie uns sagen, wie viele Roboter, die Ihnen ähnlich sind, existieren könnten?“
„Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an humanoiden Robotern meiner Serie“, antwortete Aiden. „Die meisten wurden entweder von der Regierung oder privaten Sicherheitsfirmen erworben. Ein aggressiverer Typ könnte modifiziert worden sein.“
„Das bedeutet, dass wir es möglicherweise mit einer illegalen Modifikation zu tun haben, einem Roboter, der für kriminelle Zwecke umprogrammiert wurde“, schloss Roy.
Ich nickte. „Wir müssen herausfinden, wer diesen Roboter besitzt und kontrolliert. Jemand, der genug Ressourcen und Wissen hat, um so etwas zu bewerkstelligen, ist bei weitem gefährlicher als alles, was wir bisher gesehen haben.“
Zurück im Polizeihauptpräsidium versammelten wir uns in unserem Büro, um die nächsten Schritte zu planen. Kriminaldirektor Bock trat herein, noch ernsthafter als zuvor. „Welche Fortschritte, Jörgensen?“
„Der ‚Alte‘ wurde hingerichtet. Aber wir haben einen Zeugen, der einen zweiten, aggressiveren Roboter gesehen hat. Es scheint, dass wir es mit einem neuen und heimtückischen Akteur zu tun haben“, berichtete ich.
„Das ist besorgniserregend“, murmelte Bock. „Jörgensen, Müller, Sie müssen diese Spur so schnell wie möglich verfolgen. Finden Sie heraus, wer diesen modifizierten Roboter kontrolliert.“
„Ja“, bestätigte Roy. „Wir müssen das Auto mit dem roten Drachen-Emblem finden. Es ist ein ungewöhnliches Merkmal und könnte uns helfen, den Besitzer zu identifizieren.“
Ich dachte nach. „Vielleicht sollten wir unsere Undercover-Kontakte in der Unterwelt um Informationen bitten. Irgendjemand muss wissen, wer diese Art von Technologie nutzt.“
Roy nickte zustimmend. „Lydia könnte uns helfen, Vertrauen in den richtigen Kreisen zu gewinnen. Und vielleicht kennt Djinns ehemaliger Handlanger, Rolf, weitere Details, die er uns bisher nicht verraten hat.“
„In Ordnung, setzen Sie alles daran, diesen Fall zu lösen“, sagte Bock energisch. „Und seien Sie vorsichtig. Die Leute, mit denen Sie es zu tun haben, sind offensichtlich gefährlich.“
Während der späten Stunden des Tages machten wir uns wieder auf den Weg, diesmal um Lydia und Rolf zu befragen. Die Straßen von Hamburg wirkten düsterer und bedrohlicher als je zuvor.
Lydia empfing uns in einer kleinen Bar namens „Styx“, einem Treffpunkt für die Abgehärteten von St. Pauli. Das schummrige Licht und der Rauch in der Luft verliehen dem Ort eine geheimnisvolle Stimmung.
„Kommissare“, sagte Lydia ernst, als wir uns zu ihr setzten. „Ich habe gehört, was passiert ist. Der ‚Alte‘ war eine mächtige Figur, trotz seiner Zurückgezogenheit.“
„Lydia, wir brauchen Ihre Hilfe“, erklärte ich. „Es gibt einen aggressiven Roboter, der anscheinend Viktor nahesteht. Haben Sie irgendetwas über ihn gehört?“
Lydia nickte. „Ja, da gibt es Gerüchte. Man spricht von einem ‚Kriegs-Roboter‘, der speziell modifiziert wurde, um für Viktor tödliche Aufträge auszuführen. Die meisten Leute wissen jedoch nur flüsterweise davon, weil es zu gefährlich ist, laut darüber zu sprechen.“
„Und wissen Sie, wer diesen Roboter modifiziert haben könnte? Vielleicht eine Werkstatt oder eine spezielle Person?“ fragte Roy.
„Es gibt eine Werkstatt in Altona, die berüchtigt dafür ist, solche Modifikationen vorzunehmen“, sagte Lydia leise. „Der Besitzer ist bekannt als ‚Der Mechaniker‘. Er arbeitet ausschließlich für die Unterwelt und hat keine Angst, gegen das Gesetz zu verstoßen.“
Ich nickte. „Das ist ein guter Ansatz. Danke, Lydia. Wir werden uns das ansehen.“
Noch während wir mit Lydia sprachen, erhielt Roy eine Nachricht. Es war Heinrich, ein alter Freund und freischaffender Ermittler, der gelegentlich mit uns zusammenarbeitete. Er ließ uns wissen, dass er Informationen über das Auto mit dem roten Drachen-Emblem hat. Laut Heinrich gehört das Fahrzeug zu einem der Handlanger von Viktor, der oft in der Gegend von Altona herumhängt.
„Das passt perfekt zusammen“, sagte Roy, nachdem er die Nachricht gelesen hatte. „Lass uns diese Werkstatt suchen und sehen, was wir herausfinden können.“
Wir verabschiedeten uns von Lydia und machten uns auf den Weg nach Altona. Die Straßen waren eng und verwinkelt, und der Regen hatte wieder zugenommen, verwischte die Grenzen von Realität und Schatten.
Die Werkstatt, die Lydia erwähnt hatte, wirkte zunächst unscheinbar. Ein altmodisches Schild mit der Aufschrift „Mechanik und Feinwerk“ hing über der Tür, als ob es sich um einen gewöhnlichen Kfz-Betrieb handelte. Aber die schwere, verstärkte Tür und die Kameras, die das Gelände überwachten, verrieten, dass hier mehr vor sich ging.
„Bereit, Roy?“ fragte ich ruhig, während wir die Werkstatt umgingen.
„Bereit“, antwortete er ebenso leise. „Lass uns herausfinden, ob der ‚Mechaniker‘ uns die Antworten geben kann, die wir brauchen.“
Und so begannen wir die nächste Etappe unserer gefährlichen Ermittlung. Die Spur führte durch die finstersten und verworrensten Pfade Hamburgs, aber wir waren entschlossen, die Wahrheit zu lüften und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen – koste es, was es wolle.
Hamburgs Hafen war in nächtlicher Stille gehüllt, die nur durch das leise Wimmern des Windes und das gelegentliche Klappern von Ketten unterbrochen wurde. Roy und ich machten uns mit einem Team von SWAT-Einheiten und mehreren Kollegen der Kripo auf den Weg zum besagten Lagerhaus. Die Spannung in der Luft war förmlich greifbar, und jeder Schritt durch die labyrinthartigen Containerreihen schärfte meine Sinne.
„Alles klar, Uwe?“ fragte Roy leise, als wir uns der Zielzone näherten.
„Ja, Roy“, antwortete ich und überprüfte meine Waffe ein letztes Mal. „Wir müssen vorbereitet sein. Dieser modifizierte Roboter könnte alles tun, um Viktor zu schützen.“
Unser Team positionierte sich strategisch um das Lagerhaus herum. In der Ferne konnten wir die schemenhaften Gestalten von Viktors Männern erkennen. Der Plan war einfach aber riskant: Ein schneller, gut koordinierter Angriff sollte sie überwältigen, bevor sie reagieren konnten.
Ich trat ans Funkgerät. „Alle Einheiten bereit?“
„Bereit“, kam es synchron zurück.
„Los geht’s“, befahl ich entschlossen.
Die SWAT-Einheiten bewegten sich rasch und leise, ihre Sohlen schluckten jede Geräuschemission. Ich konnte sehen, wie unsere Männer sich an die Scheiben schoben und durch die Lagerhausfenster lugten. Plötzlich durchbrach der Alarm die Stille, als die ersten Blendgranaten durch die Luft flogen und explodierten, um die Gegner zu desorientieren.
In den ersten Sekunden war die Verwirrung groß. Schüsse fielen, Schreie hallten durch die Nacht. Roy und ich stürmten durch den Haupteingang, und ich sah sofort, dass es chaotisch wurde. Die Männer von Viktor wehrten sich verbissen, doch unser Überraschungsmoment und die Überlegenheit der SWAT-Einheiten gaben den Ausschlag.
Mitten in diesem Getümmel erblickte ich den Roboter – eine metallische, unheilvolle Präsenz mit einem fast kalten, aggressiven Glanz in den Augen. Er bewegte sich rasch und effizient, feuerte mit Präzisionswaffen und warf Gegner wie Spielzeugpuppen beiseite.
„Da ist er!“ rief ich Roy zu und zeigte auf den Roboter. „Wir müssen ihn ausschalten.“
„Ich nehme die linke Flanke, du gehst rechts“, befahl Roy und zog seine Waffe. „Sei vorsichtig.“
„Du auch“, nickte ich und machte mich daran, den Roboter zu umkreisen.
Es war ein Katz-und-Maus-Spiel in Hochgeschwindigkeit. Der Roboter schien zu ahnen, dass wir ihn ins Visier nahmen und begann, strategisch Positionen zu wechseln. Doch mitten im Durcheinander erhielt ich ein klares Ziel – Viktor stand in einer Ecke und rief seinen Männern Befehle zu. Seine eiskalten Augen verrieten keine Angst, nur Berechnung.
„Roy, behalte den Roboter im Auge“, rief ich ins Funkgerät. „Ich gehe hinter Viktor her.“
Roy bestätigte, und ich begann, mich leise und sorgfältig anzuschleichen. Es war knapp, aber wie es der Zufall wollte, trat einer unserer Männer auf eine Flasche, die klirrend zersplitterte und die Aufmerksamkeit des Roboters auf sich zog. Der Roboter wechselte blitzschnell und begann, auf uns zu zielen. Gerade als er ansetzen wollte, griff ein SWAT-Mitglied von der Seite ein und rammte ihn zu Boden.
Der Roboter kämpfte wie ein wildes Tier, aber mit vereinten Kräften und unnachgiebiger Entschlossenheit gelang es uns, ihm einige gezielte Schläge zu verpassen. Schließlich deaktivierte ich ihn mit einem gezielten Schuss auf sein Hauptsteuerungssystem.
„Roboter außer Betrieb“, meldete Roy keuchend über das Funkgerät. „Gehen Sie zu Viktor.“
In diesem Moment hörte ich Schritte hinter mir und drehte mich blitzschnell um, um Viktor gegenüberzustehen. Er hatte seine Waffe gezogen, doch ich war schneller. Mit einem präzisen Schuss entwaffnete ich ihn und stürzte mich auf ihn, um ihn niederzuringen.
„Es ist vorbei, Viktor“, sagte ich gepresst. „Sie sind festgenommen.“