Die 6 Säulen des Selbstwertgefühls - Nathaniel Branden - E-Book
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Die 6 Säulen des Selbstwertgefühls E-Book

Branden Nathaniel

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Beschreibung

Machen Sie SICH SELBST zur Priorität. Sie sind es wert. Kein Urteil ist wichtiger, als das über uns selbst. Für persönliches Glück und berufliche Karriere gilt ein einfaches Grundprinzip: Sich selbst zu fördern. Nathaniel Branden offenbart anhand der sechs Säulen des Selbstwertgefühls, wie sich das Leben einfach erfolgreicher gestalten lässt. Er zeigt, dass der Weg zum Erfolg ganz maßgeblich davon abhängt, wie wir zu uns selbst stehen.  Dabei beantwortet er folgende Fragen:  Was ist Selbstwertgefühl?    Warum ist das Selbstwertgefühl wichtig?  Was können wir tun, um unser Selbstwertgefühl zu erhöhen? Inwieweit haben andere Einfluß auf unser Selbstwertgefühl? Die Basis erfolgreicher und glücklicher Menschen ist vor allem die gute Beziehung zum eigenen Selbst. Entwickeln sie ihr Selbstvertrauen mit der Hilfe des renommierten Psychologen. Mit vielen praktischen Übungen und Reflektionstechniken zur Stärkung des Selbstwertes und einer positiven Lebensgestaltung.

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Für Devers Branden

ISBN 978-3-492-95946-9

© 1994 Nathaniel Branden Titel der amerikanischen Originalausgabe: »The Six Pillars of Self-Esteem«, Bantam Books, New York 1994 Deutschsprachige Ausgabe: © Piper Verlag GmbH, München 1995 Covergestaltung: semper smile, München Covermotiv: Art Valero/Corbis Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

Inhaltsverzeichnis

Cover & Impressum

Einleitung

Teil I – Das Selbstwertgefühl: Grundsätzliches

1. Das Selbstwertgefühl: Das Immunsystem des Bewußtseins

2. Die Bedeutung des Selbstwertgefühls

3. Das Gesicht des Selbstwertgefühls

4. Die Illusion eines Selbstwertgefühls

Teil II – Innere Quellen des Selbstwertgefühls

5. Unser Handeln

6. Bewußt leben

7. Sich selbst annehmen

8. Eigenverantwortlich leben

9. Sich selbstsicher behaupten

10. Zielgerichtet leben

11. Persönliche Integrität

12. Die Philosophie des Selbstwertgefühls

Teil III – Äußere Einflüsse: Das Selbst und Andere

13. Das Selbstwertgefühl des Kindes fördern

14. Selbstwertgefühl und Schule

15. Selbstwertgefühl und Beruf

16. Selbstwertgefühl und Psychotherapie

17. Selbstwertgefühl und Kultur

18. Fazit: Die siebte Säule des Selbstwertgefühls

Anhang: Eine Satzergänzungsübung zum Aufbau des Selbstwertgefühls

Anmerkungen

Danksagung

Guide

Einleitung

Ich möchte in diesem Buch die wichtigsten Faktoren aufzeigen, von denen das Selbstwertgefühl abhängt. Wenn es stimmt, daß das Selbstwertgefühl mit einer gesunden Psyche gleichzusetzen ist, so dürfte es wohl nur wenige Themen geben, die dringlicher sind.

Die Turbulenz unserer Zeit verlangt ein starkes Selbst. Ein Selbst mit einem klaren Gefühl für die eigene Identität, Kompetenz und Wertigkeit. Angesichts des geschwundenen kulturellen Konsenses, angesichts fehlender Rollenmodelle, die es wert sind, daß man ihnen nacheifert, angesichts der Tatsache, daß es in der öffentlichen Arena so weniges gibt, das uns beflügelt, uns dafür zu engagieren, und angesichts der so verwirrenden rapiden Veränderungen, die bezeichnend für unser heutiges Leben sind, ist es gefährlich, wenn wir nicht wissen, wer wir sind, oder uns nicht selbst vertrauen. Die Stabilität, die wir in der Welt nicht finden können, müssen wir in uns selbst schaffen. Wer mit einem geringen Selbstwertgefühl durchs Leben geht, ist von vornherein erheblich benachteiligt. Diese Überlegungen haben mich dazu motiviert, dieses Buch zu schreiben.

Im wesentlichen möchte ich mich hierbei auf die Beantwortung folgender vier Fragen konzentrieren: Was ist Selbstwertgefühl? Warum ist das Selbstwertgefühl wichtig? Was können wir tun, um unser Selbstwertgefühl zu erhöhen? Inwieweit haben andere Einfluß auf unser Selbstwertgefühl?

Das Selbstwertgefühl hängt von inneren und äußeren Faktoren ab. Mit »inneren« Faktoren meine ich jene, die in uns sind oder durch das Individuum erzeugt werden: unsere Ideen oder Überzeugungen, Praktiken oder Verhaltensweisen. Mit »äußeren« Faktoren meine ich jene, die umweltbedingt sind: verbal oder nonverbal übermittelte Botschaften sowie Erfahrungen, die durch Eltern, Lehrer, wichtige Personen in unserem Leben, durch Organisationen oder die Kultur hervorgerufen werden. Ich untersuche das Selbstwertgefühl von zwei Seiten: ausgehend von den inneren Faktoren und ausgehend von den äußeren Faktoren. Und ausgehend von der Frage: Welcher Beitrag leistet das Individuum zu seinem Selbstwertgefühl, und welchen Beitrag leisten andere Personen? Nach bestem Wissen glaube ich, sagen zu können, daß dies die erste so umfassende Untersuchung dieses Themas ist.

Was vor vielen, vielen Jahren aus Interesse oder aus einer Faszination heraus begonnen hatte, ist für mich inzwischen zu einer Mission geworden.

Die Wurzeln dieser Leidenschaft gehen bis in meine Teenagerjahre zurück, bis in jene Zeit, in der das Autonomiebedürfnis, das sich zunehmend bei mir durchsetzte, mit dem von außen auf mich einwirkenden Druck kollidierte, mich konform zu verhalten. Es ist nicht leicht, objektiv über diese Zeit zu schreiben, und ich möchte nicht überheblich erscheinen, was ich nie war und nicht bin. Die Wahrheit ist, daß ich als Jugendlicher ein vages, aber nichtsdestotrotz mir heiliges Gefühl hatte, ich sei in meinem Leben zu einer Mission berufen. Ich war überzeugt, es gebe nichts Wichtigeres, als mir die Fähigkeit zu bewahren, die Welt mit eigenen Augen zu sehen. Und ich war überzeugt, daß das jeder so sehen sollte. Diese Einstellung hat sich nie geändert. Gleichwohl war ich mir des Druckes bewußt, mich »anzupassen« und die Werte des »Stammes« zu übernehmen – die Werte, die in der Familie, Gemeinschaft und Kultur hochgehalten wurden. Ich hatte den Eindruck, man verlangte von mir, daß ich mein eigenes Urteilsvermögen aus dem Spiel lassen sollte und ebenso meine Überzeugung fallenlasse, daß mein Leben und was ich daraus mache, den denkbar höchsten Wert darstellen. Ich sah, wie meine Freunde und Bekannten sich anpaßten und ihr Feuer verloren. Eine mitunter schmerzliche Erfahrung, die dazu führte, daß ich mich oft fremd und allein fühlte. Ich wollte verstehen, warum das der Gang der Dinge war. Warum war Erwachsenwerden gleichbedeutend mit Aufgeben? Dieses Verstehenwollen war seit meiner Kindheit die alles überragende treibende Kraft in meinem Leben. Daneben setzte sich jedoch inzwischen zunehmend eine kaum minder intensive Kraft durch: das Bestreben, mein Weltbild und vor allem mein Lebensverständnis anderen mitzuteilen. Jahre später wurde mir allerdings erst wirklich bewußt, daß ich mich in meinem Innersten als Lehrer verstand, als jemand, der Werte lehren wollte. Was ich im Rahmen meiner Arbeit im Kern lehren wollte, war: Dein Leben ist wichtig. Halte es in Ehren. Kämpfe darum, das Optimale daraus zu machen.

Auch ich hatte mit meinem Selbstwertgefühl zu kämpfen, und ich werde in diesem Buch auf einige Beispiele eingehen. Nicht alles, was ich über das Selbstwertgefühl weiß, habe ich von meinen Psychotherapieklienten gelernt. Einige der wichtigsten Dinge lernte ich, indem ich über meine eigenen Fehler nachdachte und feststellte, was mein Selbstwertgefühl jeweils beeinträchtigte oder steigerte. Ich schreibe zum Teil also als Autodidakt.

Es wäre wohl abwegig, davon auszugehen, hiermit sei das Thema der »Psychologie des Selbstwertgefühls« nun endgültig abgehandelt. Aber dennoch habe ich bei diesem Buch das Gefühl, daß es den Höhepunkt meiner ganzen bisherigen Arbeit darstellt.

Ende der Fünfziger hielt ich erstmals Vorträge über das Selbstwertgefühl und welche Rolle es in der Liebe, im Beruf und bei der Suche nach Glück spielt. In den Sechzigern veröffentlichte ich erste Artikel über dieses Thema. Die Herausforderung in jenen Jahren war, überhaupt ein öffentliches Bewußtsein für dieses Problem zu schaffen. Das »Selbstwertgefühl« war als Begriff noch nicht geläufig. Heute ist die Gefahr eher die, daß die Idee zum Modebegriff geworden ist. Jeder spricht davon. Was aber nicht heißt, daß man heute besser weiß, was darunter zu verstehen ist. Wenn jedoch unklar ist, was »Selbstwertgefühl« genau bedeutet, und von welchen Faktoren es im einzelnen abhängt, ein gesundes Selbstwertgefühl zu erreichen – wenn wir unkritisch die übermäßig simplifizierten und griffig verpackten Thesen der populärwissenschaftlichen Psychologie übernehmen –, dann halte ich das, was am Ende dabei herauskommt, jedoch für verhängnisvoller, als wenn das Thema insgesamt ignoriert würde. Dann wird es nämlich banalisiert. Und so möchte ich in Teil I dieses Buches zunächst die Quellen des Selbstwertgefühls und die Frage untersuchen, was das Selbstwertgefühl ist und was es nicht ist.

Als ich mich vor vierzig Jahren erstmals mit den Fragen des Selbstwertgefühls beschäftigte, erkannte ich, daß dieses Thema ein unschätzbar wertvoller Schlüssel zur menschlichen Motivation war. Das war 1954. Ich war vierundzwanzig Jahre alt, studierte Psychologie an der New York University und unterhielt eine kleine psychotherapeutische Praxis. Ich dachte über die Geschichten nach, die ich von meinen Klienten hörte, und versuchte, ihre Probleme auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Ich war verblüfft, als ich erkannte, daß es im Prinzip, ganz gleich, worüber jemand im einzelnen klagte, immer ein tieferliegendes Problem gab: das Gefühl von Unzulänglichkeit; das Gefühl, nicht »genug« zu sein; ein Schuld- oder Scham- oder Minderwertigkeitsgefühl; ein Gefühl, das klar mangelnde Selbstannahme, mangelndes Selbstvertrauen und mangelnde Selbstliebe zum Ausdruck brachte. Mit anderen Worten: ein Problem des Selbstwertgefühls.

Sigmund Freud behauptete in seinen frühen Schriften, neurotische Symptome seien entweder als direkter Ausdruck der Angst oder als Abwehr von Angst zu verstehen. Ich fand diese Hypothese sehr fundiert. Also fragte ich mich, ob die Beschwerden oder Symptome, denen ich begegnete, als direkter Ausdruck eines unzulänglichen Selbstwertgefühls (zum Beispiel: Gefühle der Wertlosigkeit oder extreme Passivität oder ein Gefühl der Nutzlosigkeit) oder als Abwehr gegen ein unzulängliches Selbstwertgefühl zu verstehen waren (zum Beispiel: großtuerisches Gehabe und Angeberei, zwanghaftes sexuelles Imponiergehabe oder übermäßig kontrollierendes soziales Verhalten). Diese Idee erscheint mir nach wie vor zwingend. Wo Freud von Abwehrmechanismen des Egos sprach, von Strategien, aus Angst heraus Gefahren zu meiden, die das Gleichgewicht des Egos stören könnten, spreche ich heute von Abwehrmechanismen des Selbstwertgefühls, von Strategien zur Abwehr jeder Form von Bedrohung – ob von innen oder von außen kommend – für das Selbstwertgefühl (oder was man dafür hält). Mit anderen Worten: Alle berühmten »Abwehrmechanismen«, die Freud identifizierte, können als Anstrengungen verstanden werden, das Selbstwertgefühl zu schützen.

Was ich in Bibliotheken auf der Suche nach Informationen über das Selbstwertgefühl fand, war kaum der Rede wert. In den Stichwortverzeichnissen von Psychologiebüchern tauchte der Begriff nicht einmal auf. In einigen wenigen Fällen wurde ich fündig. Insoweit zumindest, daß der Begriff erwähnt wurde, wie etwa bei William James. Ich fand aber nichts, was ausreichend fundiert erschien oder mir die Klarheit gebracht hätte, die ich suchte. Freud führte mangelnde »Selbstachtung« auf die Erkenntnis des Kindes zurück, daß es mit der Mutter oder dem Vater keinen Geschlechtsverkehr haben konnte. Eine Erkenntnis, die, so Freud, bei dem Kind ein Gefühl der Hilflosigkeit weckte – nach dem Motto: »Ich kann überhaupt nichts tun.« Eine Erklärung, die ich allerdings weder überzeugend noch einleuchtend fand. Alfred Adler behauptete, daß jeder zunächst mit Minderwertigkeitsgefühlen zu kämpfen hat, deren Ursachen zum einen in physischen Gegebenheiten oder der »Minderwertigkeit von Organen« und zum zweiten in der Tatsache zu suchen sind, daß aus der eigenen Sicht jeder andere (das heißt: die Erwachsenen oder ältere Geschwister) größer und stärker ist. Unser Unglück besteht demnach darin, daß wir nicht als perfekt ausgewachsene, reife Erwachsene geboren werden. Auch diese Auffassung erschien mir nicht hilfreich. Einige Psychoanalytiker schrieben über das Selbstwertgefühl, aber in einer Form, die sich so drastisch von meinem Verständnis unterschied, daß ich teilweise den Eindruck hatte, sie beschäftigten sich mit einem anderen Thema. (Gewisse Verbindungen zwischen diesen Arbeiten und meinen eigenen konnte ich erst wesentlich später sehen.) Ich versuchte mir also weiterhin im wesentlichen durch eigenes Nachdenken über das, was ich bei meiner Arbeit mit meinen Klienten beobachtete, Klarheit zu verschaffen und ein besseres Verständnis der Problematik zu gewinnen.

Je mehr ich mich mit der Frage des Selbstwertgefühls beschäftigte, desto klarer erkannte ich, daß es sich dabei um ein tiefgreifendes und starkes menschliches Bedürfnis handelt. Ein Bedürfnis, das wesentlich für eine gesunde Anpassungsfähigkeit und damit entscheidend ist, um optimal funktionieren und sich optimal selbstverwirklichen zu können. Was umgekehrt heißt, daß wir in dem Maße leiden und in unserer Entwicklung gehemmt werden, wie diesem Bedürfnis nicht Rechnung getragen wird.

Abgesehen von Störungen, deren Wurzeln biologischer Natur sind, fällt mir kein einziges psychologisches Problem ein, das sich nicht – und sei es teilweise zumindest – auf das Problem eines mangelhaften Selbstwertgefühls zurückführen läßt: angefangen bei Ängsten und Depressionen, über schulische oder berufliche Leistungsschwächen, über Intimitäts-, Glücks- oder Erfolgsängste, über Alkohol- oder Drogenmißbrauch, über Mißhandlungen in der Ehe oder Kindesmißbrauch, über Abhängigkeiten und sexuelle Störungen, über Passivität und chronische Ziellosigkeit bis hin zu Selbstmord und Gewaltverbrechen. Von allen Urteilen, die wir im Leben fällen, ist keines so wichtig wie das, das wir über uns selbst fällen.

Ich erinnere mich noch sehr gut an die Diskussionen, die ich in den sechziger Jahren mit Kollegen und Kolleginnen über dieses Thema führte. Niemand bestritt die Wichtigkeit des Themas. Niemand bestritt die positiven Konsequenzen, die sich ergäben, wenn Wege und Möglichkeiten gefunden werden könnten, das Wertgefühl einer Person zu steigern. Aber mehr als nur einmal wurde mir die Frage gestellt: »Aber wie erhöht man das Selbstwertgefühl eines Erwachsenen?« Und zwar mit einer Skepsis, die verdeutlichte, daß man dies kaum für möglich hielt. Im Prinzip wurde dieses Thema – und diese Herausforderung – jedoch weitestgehend ignoriert, wie die Veröffentlichungen in jener Zeit zeigen.

Virginia Satir, der als Familientherapeutin Pionierleistungen zugute zu halten sind, sprach zwar über die Bedeutung des Selbstwertgefühls, sie war jedoch keine Theoretikerin und sagte sehr wenig zu den grundsätzlichen Dynamiken, die über den begrenzten Rahmen der Familie hinausgehen. Carl Rogers, ein weiterer namhafter Pionier der Psychotherapie, konzentrierte sich im wesentlichen nur auf einen Aspekt des Selbstwertgefühls: die Selbstannahme. Beides ist zwar eng miteinander verknüpft, aber nicht identisch.

Dennoch: Allmählich wuchs das Bewußtsein für die Bedeutung des Themas. So daß in den Siebzigern und Achtzigern zunehmend Artikel in Fachzeitschriften erschienen, die im wesentlichen Zusammenhänge zwischen dem Selbstwertgefühl und einigen Aspekten des menschlichen Verhaltens aufzuzeigen versuchten.

Es gab jedoch weder eine allgemeine Theorie über das Selbstwertgefühl noch so etwas wie eine einvernehmliche Definition des Begriffes. Fast jeder Autor meinte mit »Selbstwertgefühl« etwas anderes. Was zur Folge hatte, daß oft unterschiedliche Phänomene untersucht und manche Erkenntnisse vermeintlich von anderen widerlegt wurden. Das Feld entwickelte sich zu einem babylonischen Turm. Und bis auf den heutigen Tag fehlt eine gemeinhin gültige Definition des Selbstwertgefühls.

In den Achtzigern hatte die Idee dann endgültig gezündet. Stetig wuchs die Zahl derer, die über die Bedeutung des Selbstwertgefühls für das menschliche Wohlbefinden sprachen. Insbesondere begannen Erzieher und Pädagogen über die Relevanz des Selbstwertgefühls vor dem Hintergrund schulischer Leistungen nachzudenken. In den Vereinigten Staaten wurde ein National Council for Self-Esteem gegründet, der mit seinen Ortsgruppen inzwischen in immer mehr Großstädten vertreten ist. Fast wöchentlich finden irgendwo Konferenzen statt, bei denen die Diskussionen über das Selbstwertgefühl eine zentrale Rolle spielen.

Das Interesse an diesem Thema ist jedoch nicht auf die Vereinigten Staaten beschränkt. Es gewinnt inzwischen weltweit an Beachtung. Im Sommer 1990 hatte ich das Privileg, bei der Ersten Internationalen Konferenz über das Selbstwertgefühl in der Nähe Oslos in Norwegen die Begrüßungsansprache zu halten. Erzieher, Pädagogen, Psychologen und Psychotherapeuten aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien, verschiedenen europäischen Ländern sowie der Sowjetunion waren in Norwegen zusammengekommen, um an Vorträgen, Seminaren und Workshops über die Relevanz der Psychologie des Selbstwertgefühls für die persönliche Entwicklung, für Schulen und Unternehmen sowie für gesellschaftliche Probleme teilzunehmen. Bei aller Unterschiedlichkeit der Teilnehmer, was ihren Hintergrund, ihre Kultur, ihren Interessenschwerpunkt und das Verständnis anging, was mit »Selbstwertgefühl« gemeint war, war die Atmosphäre erregend und von der Überzeugung getragen, daß der historische Augenblick der Idee des Selbstwertgefühls nunmehr gekommen sei. Ein Ergebnis der Osloer Konferenz ist, daß wir nunmehr einen Internationalen Rat zum Selbstwertgefühl haben, in dem zunehmend mehr Länder vertreten sind.

In der ehemaligen Sowjetunion ist sich eine kleine, aber wachsende Gruppe von Denkern sehr wohl der Bedeutung bewußt, die dem Selbstwertgefühl im Rahmen des gesellschaftlichen Wandels zukommt, der sich in ihren Ländern vollzieht. Um die Dringlichkeit einer Selbstwertgefühl-Erziehung zu verdeutlichen, erklärte mir ein russischer Wissenschaftler, der an der Konferenz teilnahm: »Unserem Volk fehlt nicht nur jede unternehmerische Tradition, unseren Managern fehlt auch jede Vorstellung, was persönliche Verantwortung und Zuverlässigkeit heißt, Dinge, die für jeden amerikanischen Durchschnittsmanager eine Selbstverständlichkeit sind. Und Ihnen brauche ich nicht zu sagen, welches gigantische Problem Passivität und Neid in diesem Zusammenhang darstellen. Die psychologischen Veränderungen, die bei uns notwendig sind, sind möglicherweise noch gewaltiger als die politischen oder wirtschaftlichen Veränderungen.«

Weltweit ist ein wachsendes Bewußtsein für die Tatsache festzustellen, daß, genau wie ein Mensch nicht darauf hoffen kann, ohne ein gesundes Selbstwertgefühl sein Potential zu verwirklichen, auch eine Gesellschaft nicht darauf hoffen kann, ihr Potential zu verwirklichen, deren Mitglieder sich nicht selbst achten, sich als Personen nicht wertschätzen und nicht auf ihren Verstand vertrauen.

Aber trotz dieser Entwicklungen sind die Fragen: Was ist das Selbstwertgefühl genau? Und wovon hängt im einzelnen seine Entwicklung ab? – die großen Fragen geblieben.

Als ich bei einer Konferenz erklärte, wesentlich für ein gesundes Selbstwertgefühl sei es, bewußt zu leben, konterte eine Frau aufgebracht: »Warum versuchen Sie, Ihre weißen Mittelschichtwerte dem Rest der Welt aufzudrücken?« (Was mich verwundert fragen ließ, wer die Schicht sein könnte, für deren psychisches Wohlbefinden es nicht wichtig sei, bewußt zu leben.) Als ich davon sprach, wie entscheidend die persönliche Integrität sei, um ein positives Selbst-Konzept zu schützen, meldete sich niemand, der mir zustimmen oder beantragen wollte, daß dieses Argument in unseren gemeinsamen Schlußbericht aufgenommen werden sollte. Man zog es vor, sich darauf zu konzentrieren, wie andere die eigenen Wertigkeitsgefühle verletzen, und nicht darauf, wie man sich diese Wunde selbst zufügt. Eine Einstellung, die typisch für all jene ist, die glauben, das eigene Selbstwertgefühl werde in erster Linie von anderen bestimmt. Ich bestreite nicht, daß solche Erfahrungen und die Gefühle, die sie wecken, meinen Wunsch verstärkten, dieses Buch zu schreiben.

In Zusammenhang mit dem Selbstwertgefühl müssen wir uns zwei Gefahren vor Augen halten: Zum einen die einer übertriebenen Simplifizierung – wonach das, was für ein gesundes Selbstwertgefühl erforderlich ist, allzu vereinfacht dargestellt wird, um den allgemeinen Plunger nach möglichst schnellen und problemlosen Lösungen zu stillen. Zum anderen die, daß man sich mit einer fatalistischen oder deterministischen Haltung der Annahme hingibt, »man hat ein gutes Selbstwertgefühl, oder man hat es nicht« – wonach das Schicksal eines jeden bereits in den ersten Lebensjahren (für immer?) grundgelegt wird und sich daran dann auch nicht mehr sonderlich viel ändern läßt (außer vielleicht mit einer jahrelangen oder jahrzehntelangen Psychotherapie). Beide Einstellungen ermutigen zur Passivität. Beide blockieren unser Vorstellungsvermögen, was wir denkbarerweise für möglich halten.

Nach meinen Erfahrungen unterschätzen die meisten Menschen ihr Potential, sich zu verändern und zu wachsen. Sie glauben, daß das Muster von gestern auch das von morgen sein muß. Sie sehen die Wahlmöglichkeiten nicht, die – objektiv – existieren. Sie erkennen nur selten, wie viel sie selbst tun können, wenn Wachstum und ein höheres Selbstwertgefühl ein Ziel und sie bereit sind, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen. Der Glaube, sie seien machtlos, wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung.

Dieses Buch ist letztendlich eine Aufforderung zum Handeln. Es untermauert, psychologisch begründet, meinen Schlachtruf: Ein Selbst ist dazu da, um verwirklicht und gefeiert zu werden – und nicht, um abgetrieben und verleugnet zu werden. Dieses Buch wendet sich an alle Männer und Frauen, die aktiv am Prozeß ihrer Entwicklung teilhaben möchten. Und es wendet sich ebenso an Psychologen, Eltern, Lehrer und all diejenigen, die für die Kultur innerhalb von Organisationen und Unternehmen verantwortlich sind. Es ist ein Buch über das, was möglich ist.

Teil I

Das Selbstwertgefühl: Grundsätzliches

1. Das Selbstwertgefühl: Das Immunsystem des Bewußtseins

Es gibt Tatsachen, an denen wir nicht vorbeikommen. Eine solche Tatsache ist die Bedeutung unseres Selbstwertgefühls.

Was wir uns auch eingestehen oder nicht eingestehen, wir können unserer Selbsteinschätzung nicht gleichgültig gegenüberstehen. Natürlich können wir davor weglaufen, wenn sie uns Unbehagen einflößt. Wir können sie abschütteln, davor fliehen, erklären, daß wir nur an »praktischen« Dingen interessiert sind und uns in Baseballspiele oder die Abendnachrichten oder den Wirtschaftsteil der Zeitung oder einen Einkaufsbummel oder ein sexuelles Abenteuer oder in einen Drink flüchten.

Das ändert nichts daran, daß das Selbstwertgefühl ein menschliches Grundbedürfnis ist. Die Tatsache, daß es unser Leben nachhaltig beeinflußt, setzt weder unser Verständnis noch unsere Zustimmung voraus. Es steht uns frei, ob wir uns bemühen, die Eigendynamik des Selbstwertgefühls zu verstehen, oder ob wir es vorziehen, dieses Thema in unserem Unbewußtsein zu lassen. Wobei letzteres allerdings zur Folge hat, daß wir uns selbst ein Geheimnis bleiben und die Konsequenzen zu tragen haben.

Welche Rolle spielt also das Selbstwertgefühl in unserem Leben?

Eine vorläufige Definition

Mit »Selbstwertgefühl« meine ich wesentlich mehr als das uns wohl von Natur aus innewohnende Gefühl von Selbst-Wertigkeit – von jenem Funken, den Psychologen und Lehrer bei denen zu entfachen versuchen, mit denen sie arbeiten. Dieser Funke ist, wenn man so will, nur das Vorzimmer zum Selbstwertgefühl.

Das Selbstwertgefühl ist – im umfassenden Sinne – die Erfahrung, daß wir uns dem Leben und all seinen Herausforderungen gewachsen fühlen. Konkreter: Das Selbstwertgefühl ist

1.das Vertrauen auf unsere Fähigkeit zu denken, das Vertrauen auf unsere Fähigkeit, mit den grundlegenden Herausforderungen des Lebens fertig zu werden,

und

2.das Vertrauen auf unser Recht, erfolgreich und glücklich zu sein, das Vertrauen auf das Gefühl, es wert zu sein, es zu verdienen und einen Anspruch darauf zu haben, unsere Bedürfnisse und Wünsche geltend zu machen, unsere Wertvorstellungen zu verwirklichen und die Früchte unserer Bemühungen zu genießen.

Diese Definition werde ich später noch weiter präzisieren und eingrenzen.

Ich teile nicht die Auffassung, wonach das Selbstwertgefühl ein Geschenk ist, daß wir nur einfordern müssen (etwa durch die Wiederholung von Affirmationen). Im Gegenteil: Hinter seinem Besitz steht eine Leistung. Und das Ziel dieses Buches ist, die Natur und Wurzeln ebendieser Leistung zu untersuchen.

Das Grundmuster

Das Vertrauen auf den eigenen Verstand und das Wissen, daß man es wert ist, glücklich zu sein, sind die Essenz des Selbstwertgefühls.

Die Macht, die diese Überzeugung ausübt, begründet sich mit der Tatsache, daß sie mehr als nur ein Urteil oder ein Gefühl ist. Sie ist eine treibende Kraft. Sie beflügelt das Verhalten.

Und sie wird umgekehrt unmittelbar dadurch beeinflußt, wie wir handeln. Es ist also ein wechselseitiger Effekt von Ursache und Wirkung. So daß wir es mit einem endlosen Rückkoppelungskreislauf zwischen unserem Handeln in der Welt und unserem Selbstwertgefühl zu tun haben: Das Niveau unseres Selbstwertgefühls hat Einfluß darauf, wie wir handeln; und wie wir handeln, hat Einfluß auf unser Selbstwertgefühl.

Wenn ich auf meinen Verstand und mein Urteilsvermögen vertraue, ist es wahrscheinlicher, daß ich als denkendes Wesen handele. Wenn ich von meinem Denkvermögen Gebrauch mache, meinen Beschäftigungen eine angemessene Bewußtheit entgegenbringe, komme ich in meinem Leben besser zurecht. Und das wiederum stärkt das Vertrauen in meinen Verstand. Wenn ich meinem Verstand mißtraue, ist es wahrscheinlicher, daß ich geistig passiv bleibe, meinen Beschäftigungen nicht die nötige Bewußtheit entgegenbringe und angesichts von Schwierigkeiten weniger Durchhaltevermögen zeige. Und wenn mein Handeln zu enttäuschenden oder schmerzlichen Ergebnissen führt, fühle ich mich in meinem Gefühl bestärkt, meinem Verstand zu Recht zu mißtrauen.

Mit einem hohen Selbstwertgefühl ist es wahrscheinlicher, daß ich Schwierigkeiten standhalte. Mit einem geringen Selbstwertgefühl ist es wahrscheinlicher, daß ich aufgebe oder mich nur fadenscheinig bemühe, ohne wirklich mein Bestes zu geben. Untersuchungen belegen, daß Personen mit einem hohen Selbstwertgefühl bei einer Aufgabe wesentlich länger durchhalten als Personen mit einem geringen Selbstwertgefühl.1 Wenn ich Durchhaltevermögen zeige, ist es wahrscheinlich, daß ich öfter erfolgreich bin, als daß ich scheitere. Und umgekehrt ist es wahrscheinlich, daß ich öfter scheitere, als daß ich Erfolg habe. So oder so, in jedem Fall wird mein Selbstbild verstärkt.

Wenn ich mich selbst achte und auch von anderen verlange, daß sie mir mit Respekt begegnen, wird automatisch durch die Signale, die ich aussende, und die Art meines Verhaltens die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß andere entsprechend angemessen reagieren. Und wenn dem so ist, werde ich in meinem ursprünglichen Glauben bestärkt und bestätigt. Wenn es mir demgegenüber an Selbstachtung mangelt und ich infolgedessen Unhöflichkeiten, Mißhandlungen oder Ausbeutung durch andere als natürlich hinnehme, vermittele ich diese Überzeugung unbewußt, so daß manche Personen mich denn auch gemäß meiner Selbsteinschätzung behandeln werden. Was natürlich, wenn dem so ist und ich mich dem füge, zur Folge hat, daß meine Selbstachtung noch weiter zerschlagen wird.

Der Wert des Selbstwertgefühls hegt nicht nur in der Tatsache, daß es uns ermöglicht, uns besser zu fühlen, sondern daß es uns auch ermöglicht, besser zu leben – daß es uns ermöglicht, geschickter und angemessener auf die Herausforderungen und Chancen des Lebens zu reagieren.

Die Folgewirkungen des Selbstwertgefühls: Allgemeine Beobachtungen

Das Niveau unseres Selbstwertgefühls hat weitreichende Konsequenzen für unser Dasein, und zwar in jeder Hinsicht: Es hat Einfluß darauf, wie wir am Arbeitsplatz zurechtkommen, wie wir mit Menschen umgehen, wie hoch unsere Aufstiegschancen sind, wie viel wir erreichen – und auf der persönlichen Ebene darauf, in wen wir uns verlieben, wie wir mit unserem Partner oder unserer Partnerin umgehen, mit unseren Kindern und unseren Freunden oder Freundinnen und wie glücklich wir werden.

Es gibt einen positiven Zusammenhang zwischen einem gesunden Selbstwertgefühl und einer Vielzahl von Eigenschaften, die einen direkten Einfluß auf unser Leistungsvermögen und darauf haben, ob wir glücklich werden. Ein gesundes Selbstwertgefühl korreliert mit der Vernunft, mit dem Realitätssinn, mit Intuition, Kreativität, Unabhängigkeit, Flexibilität, der Fähigkeit, mit Veränderungen umzugehen, der Bereitschaft, Fehler zuzugeben (und zu korrigieren), mit Wohlwollen und mit Kooperationsbereitschaft. Mangelndes Selbstwertgefühl korreliert mit Irrationalität, mit Blindheit gegenüber der Realität, mit Starre und verbissenem Festhalten an Altem, mit Furcht vor Neuem und Unvertrautem, einer unangemessenen Konformität oder unangemessenen Rebellion, mit einer Abwehrhaltung, mit übertrieben angepaßtem oder übertrieben kontrollierendem Verhalten sowie der Furcht vor anderen oder einer Feindseligkeit gegenüber anderen. Es sind logische Verbindungen, wie wir noch sehen werden. Die Folgen, die sich daraus für das Überleben, die Anpassungsfähigkeit sowie die Selbstverwirklichung ergeben, sind offensichtlich. Das Selbstwertgefühl hat eine lebenserhaltende und beflügelnde Funktion.

Ein hohes Selbstwertgefühl sucht die Herausforderung und Stimulation, die mit sinnvollen und anspruchsvollen Zielen verbunden sind. Und durch das Erreichen dieser Ziele wird das Selbstwertgefühl gefördert. Ein geringes Selbstwertgefühl sucht die Sicherheit des Vertrauten und Problemlosen. Und durch diese Beschränkung auf das Vertraute und Problemlose wird das Selbstwertgefühl geschwächt.

Je solider unser Selbstwertgefühl, desto besser sind wir gerüstet, mit den Schwierigkeiten fertig zu werden, mit denen wir im Privatleben und im Beruf konfrontiert werden; desto schneller kommen wir wieder auf die Beine, wenn wir auf die Nase gefallen sind; desto mehr Energie haben wir, um wieder neu anzufangen. (Außergewöhnlich viele erfolgreiche Unternehmer haben zwei oder mehr Bankrotterklärungen hinter sich; sie ließen sich durch ihr Scheitern nicht aufhalten.)

Je höher unser Selbstwertgefühl, desto ehrgeiziger sind wir im allgemeinen. Nicht unbedingt in beruflicher oder finanzieller Hinsicht, sondern im Rahmen dessen, was wir uns von unserem Leben erhoffen – in emotionaler, intellektueller, kreativer, spiritueller Hinsicht. Je geringer unser Selbstwertgefühl, desto geringer sind unsere Ambitionen und desto weniger werden wir erreichen. So oder so, in jedem Fall wird unser Selbst verstärkt und der Kreislauf zementiert.

Je höher unser Selbstwertgefühl, desto stärker ist der Drang, uns selbst zum Ausdruck zu bringen, der ein Spiegel des Gefühls inneren Reichtums ist. Je geringer unser Selbstwertgefühl, desto dringlicher ist das Bedürfnis, uns zu »beweisen« – oder uns zu vergessen, indem wir vorzugshalber mechanisch und unbewußt leben.

Je höher unser Selbstwertgefühl, desto offener, ehrlicher und angemessener sind unsere Kommunikationen, weil wir an den Wert unserer Gedanken glauben, und weil wir Klarheit schätzen, statt sie zu fürchten. Je geringer unser Selbstwertgefühl, desto verworrener, ausweichender und unangemessener sind unsere Kommunikationen, weil wir unsicher in unseren Gedanken und Gefühlen sind und/oder Angst vor der Reaktion unseres Gegenübers haben.

Je höher unser Selbstwertgefühl, desto disponierter sind wir, uns auf fruchtbare statt auf vergiftete Beziehungen einzulassen. Was sich damit erklärt, daß Gleiches Gleiches und Gesundes Gesundes anzieht. Vitalität und Aufgeschlossenheit bei anderen sind natürlich Kriterien, die für jemanden mit einem guten Selbstwertgefühl attraktiver als Leere und Abhängigkeit sind.

Ein wichtiger Grundsatz bei menschlichen Beziehungen ist, daß wir uns in der Regel bei Personen am wohlsten, am meisten »zu Hause« fühlen, deren Selbstwertgefühl dem unseren ähnelt. Möglich, daß Gegensätze sich bei manchen Dingen anziehen, aber nicht auf dieser Ebene. Personen mit einem hohen Selbstwertgefühl fühlen sich in der Regel hingezogen zu Personen mit einem hohen Selbstwertgefühl. Wir finden zum Beispiel keine leidenschaftliche Liebesaffäre zwischen Personen, die sich jeweils am entgegengesetzten Ende des Spektrums bewegen – ebenso wie es unwahrscheinlich ist, daß wir eine leidenschaftliche Romanze zwischen Intelligenz und Dummheit finden. (Ich spreche nicht von dem Intermezzo von einer Nacht; das ist eine völlig andere Frage. Ich spreche von leidenschaftlicher Liebe, nicht von einer kurzlebigen Betörung oder einer sexuellen Episode, wo völlig andere Dynamiken im Spiel sein können.) Personen mit einem mittelmäßigen Selbstwertgefühl fühlen sich in der Regel zu Personen mit einem mittelmäßigen Selbstwertgefühl hingezogen. Ein geringes Selbstwertgefühl sucht ein geringes Selbstwertgefühl bei anderen – nicht bewußt, sicher nicht, aber nach der Logik, die uns treibt und uns am Ende das Gefühl gibt, einen »Seelengefährten« gefunden zu haben. Am katastrophalsten sind die Beziehungen zwischen Personen, die beide schlecht von sich denken und sich selbst ein Armutszeugnis ausstellen. Aus der Verbindung zweier Schluchten kann keine Anhöhe entstehen.

Je gesünder unser Selbstwertgefühl, desto geneigter sind wir, andere mit Respekt, Wohlwollen, gutem Willen und Fairneß zu behandeln – da wir sie nicht als Bedrohung empfinden, und da Selbstachtung die Grundlage für die Achtung anderer ist. Mit einem gesunden Selbstwertgefühl interpretieren wir Beziehungen nicht so schnell als mißgünstig und abträglich. Wir gehen an Begegnungen nicht automatisch mit der Erwartungshaltung heran, daß wir auf Ablehnung stoßen, gedemütigt, verraten oder betrogen werden. Entgegen der herkömmlichen Überzeugung, daß eine individualistische Einstellung antisoziales Verhalten fördert, zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, daß ein gut entwickeltes Gefühl für den eigenen Wert und die eigene Autonomie deutlich mit Freundlichkeit, Großzügigkeit, sozialer Kooperationsbereitschaft und einem Geist gegenseitiger Hilfestellung korreliert. Erkenntnisse, die unter anderem in A. S. Watermans umfassender Untersuchung von Forschungsergebnissen, The Psychology of Individualism, bestätigt werden.

Und Forschungen enthüllen außerdem, daß ein hohes Selbstwertgefühl einer der besten Indikatoren für persönliches Glück ist. Was beispielsweise in dem Buch D. G. Meyers’, The Pursuit of Happiness, belegt wird. Und logischerweise den Schluß zuläßt, daß ein geringes Selbstwertgefühl mit Unglücklichsein korreliert.

Liebe

Die Bedeutung, die das Selbstwertgefühl für Erfolge in der Arena intimer Beziehungen hat, ist unschwer zu erkennen. Für das Glück in Liebesbeziehungen gibt es kein größeres Hindernis als die Furcht, daß ich Liebe nicht verdiene, und daß es mein Schicksal ist, verletzt zu werden. Solche Ängste sind der Nährboden von selbsterfüllenden Prophezeiungen.

Wenn ich in einem grundlegenden Sinne das Gefühl habe, daß ich selbstwirksam, etwas wert und liebenswert bin, so verfüge ich damit über die Grundlage, daß ich andere schätzen und lieben kann. So empfinde ich die Liebesbeziehung als natürlich. Ich empfinde das Wohlwollen und die Fürsorge anderer als natürlich. Ich habe etwas zu geben. Ich bin nicht in Gefühlen der Unzulänglichkeit gefangen. Ich habe einen gewissen emotionalen »Überschuß«, den ich in die Liebe kanalisieren kann. Glück macht mir keine Angst. Auch das Vertrauen auf meine Kompetenz und meinen Wert und die Fähigkeit, beides zu erkennen und zu schätzen, sind ein Nährboden für selbsterfüllende Prophezeiungen.

Wenn ich die Person, die ich bin, nicht genügend achten und mich nicht an ihr erfreuen kann, so habe ich nur sehr wenig zu geben – abgesehen von meinen unbefriedigten Bedürfnissen. In meiner emotionalen Verarmung sehe ich andere im wesentlichen als Quelle der Zustimmung oder Ablehnung. Ich schätze sie nicht als eigenständige Personen. Ich sehe in ihnen nur, was sie für mich tun können oder nicht tun können. Ich halte nicht nach Personen Ausschau, die ich bewundern und mit denen ich das Erregende am Leben und das Abenteuer des Lebens teilen kann. Ich halte Ausschau nach Personen, die mich nicht verurteilen – und vielleicht sogar von mir als Person beeindruckt sind, von dem Gesicht, das ich der Welt präsentiere. Meine Fähigkeit zu lieben, bleibt unterentwickelt. Was mit ein Grund dafür ist, daß Beziehungen so oft scheitern. Sie scheitern nicht, weil die Vision von einer leidenschaftlichen oder romantischen Liebe irrational ist; sie scheitern, weil das Selbstwertgefühl fehlt, das diese Vision unterstützen muß.

Wir kennen alle den Spruch: »Wer sich selbst nicht liebt, kann andere nicht lieben.« Weniger geläufig ist allerdings die Kehrseite der Medaille: Wenn ich mich selbst nicht für liebenswert halte, kann ich schwerlich glauben, daß eine andere Person mich liebt. Wenn ich mich selbst nicht annehme, wie kann ich dann deine Liebe zu mir annehmen? Deine Wärme und Hingabe irritieren mich: Sie bringen mein Selbstbild durcheinander; schließlich »weiß« ich, daß ich nicht liebenswert bin. Somit können deine Gefühle für mich nicht real, zuverlässig und dauerhaft sein. Wenn ich mich nicht für liebenswert halte, wird deine Liebe zu mir wie der Versuch sein, ein Sieb zu füllen, und das wird dir letztendlich und wahrscheinlich zu anstrengend sein.

Selbst wenn ich bewußt mein Gefühl, daß ich nicht liebenswert bin, ausklammere und beteuere, daß ich »wundervoll« bin, so bleibt dennoch das mangelhafte Selbstbild in meinem Innern, das meine Liebesbeziehungen untergräbt. Unabsichtlich werde ich selbst zum Saboteur der Liebe.

Ich bemühe mich um Liebe. Was mir aber fehlt, ist die Grundlage innerer Sicherheit. An deren Stelle steht insgeheim die Furcht, daß mein Schicksal nur Schmerzen für mich bereithält. Und ich greife mir jemanden, bei dem es vorprogrammiert ist, daß er mich zurückweisen oder am Ende fallenlassen wird. (Am Anfang tue ich so, als wüßte ich das nicht, so daß das Drama durchgespielt werden kann.) Oder: Wenn ich mir jemanden schnappe, bei dem es denkbar wäre, daß ich mit ihm glücklich werde, so lasse ich die Beziehung scheitern, indem ich übertriebene Beteuerungen verlange, irrationale Besitzansprüche stelle, kleine Meinungsverschiedenheiten zu Katastrophen hochspiele, durch Unterwürfigkeit oder Dominanz zu kontrollieren versuche und indem ich Wege und Möglichkeiten finde, meinen Partner zurückzuweisen, ehe er mich zurückweisen kann.

Einige Beispiele mögen zeigen, wie ein mangelhaftes Selbstwertgefühl in der Arena intimer Beziehungen zum Tragen kommt:

»Warum falle ich immer wieder auf den falschen Mann herein?« fragte eine Frau mich in der Therapie. Ihr Vater hatte die Familie im Stich gelassen, als sie sieben war. Und mehr als nur einmal hatte ihre Mutter sie angeschrien: »Wenn du nicht so viele Probleme machtest, hätte dein Vater uns vielleicht nicht verlassen!« Als Erwachsene »weiß« sie nunmehr, daß es ihr Schicksal ist, verlassen zu werden. Sie »weiß«, daß sie Liebe nicht verdient. Dennoch sehnt sie sich nach einer Beziehung mit einem Mann. Sie löst den Konflikt, indem sie Männer wählt – oft verheiratete bei denen von vornherein klar ist, daß sie sich nicht so um sie kümmern, daß sie davon oben gehalten würde. So beweist sie in der Konsequenz, daß ihr tragisches Lebensgefühl berechtigt ist.

Wenn wir »wissen«, daß wir zum Scheitern verurteilt sind, verhalten wir uns automatisch so, daß sichergestellt wird, daß die Realität am Ende unserem »Wissen« entspricht. Und Unstimmigkeiten zwischen unserem »Wissen« und den wahrnehmbaren Tatsachen machen uns nervös. Da aber unser »Wissen« nicht anzuzweifeln ist, bleiben die Tatsachen, die zu ändern sind: Also Selbstsabotage.

Ein Mann verliebt sich, die Frau erwidert seine Gefühle. Sie heiraten. Aber nichts, was sie tun kann, genügt, um ihm auch nur länger als einen Augenblick das Gefühl zu geben, daß er geliebt wird. Er ist unersättlich. Sie fühlt sich ihm jedoch so verbunden, daß sie es erträgt. Als sie ihn dann schließlich überzeugt, daß sie ihn wirklich liebt und er es nicht länger anzweifeln kann, fragt er sich, warum er seine Maßstäbe so niedrig setzte. Er fragt sich, ob sie in Wirklichkeit gut genug für ihn ist. Er verläßt sie schließlich, verliebt sich in eine andere Frau, und der Tanz beginnt von neuem.

Jeder kennt den berühmten Witz von Groucho Marx, daß er sich nie einem Club anschließen würde, dessen Mitglied er sei. Und das ist genau das Motto, nach dem manche Personen mit einem geringen Selbstwertgefühl in ihrem Liebesleben verfahren. Wenn du mich liebst, dann bist du offensichtlich nicht gut genug für mich. Nur jemand, der mich zurückweist, ist als Objekt meiner Hingabe akzeptabel.

Eine Frau hat das zwanghafte Bedürfnis, ihrem Mann, der sie bewundert, in allen Einzelheiten immer wieder aufzuzählen, inwieweit andere Frauen ihr überlegen sind. Wenn er ihr nicht zustimmt, spottet sie über ihn. Je leidenschaftlicher er sie anbetet, desto grausamer würdigt sie ihn herab. Schließlich hat sie es geschafft, er fühlt sich erschöpft und schert aus der Ehe aus. Sie ist verletzt und erstaunt. Wie konnte sie sich in ihm so geirrt haben? Und schon bald hat sie die Antwort: »Ich wußte ja schon immer, daß niemand mich jemals wirklich lieben würde.« Sie wußte seit jeher, daß sie nicht liebenswert war, und das hat sie jetzt bewiesen.

Das Tragische im Leben vieler Menschen ist, daß sie sich, vor die Wahl gestellt, »recht« zu haben oder die Chance, glücklich zu sein, unterschiedslos für das »Rechthaben« entscheiden. Das ist dann ultimativ die Befriedigung, die sie sich gönnen.

Ein Mann »weiß«, daß es nicht sein Schicksal ist, glücklich zu sein. Er glaubt, es nicht zu verdienen. (Und abgesehen davon könnte sein Glück seine Eltern verletzen, die Glück selbst nie kannten.) Wenn er aber eine Frau kennenlernt, die er bewundert und die er anziehend findet, und sie reagiert entsprechend, dann ist er glücklich. Eine Zeitlang vergißt er, daß erfüllte Liebesbeziehungen ja eigentlich nicht seine »Geschichte«, nicht Teil seines »Lebensskripts« sind. Er überläßt sich seiner Freude und vergißt vorübergehend, daß das Ganze seinem Selbst-Konzept zuwiderläuft und ihm das Gefühl gibt, nicht auf Spur mit der »Realität« zu sein. Am Ende löst diese Freude jedoch Angst aus, wie es gar nicht anders sein kann bei jemandem, der sich nicht auf Linie mit den Dingen wähnt, so wie sie wirklich sind. Um seine Angst zu reduzieren, muß er seine Freude reduzieren. Mit dem Ergebnis, daß er unbewußt, ganz auf Linie der ureigensten Logik seines Selbst-Konzeptes, die Beziehung allmählich zerstört.

Auch hier ist wiederum das klassische Muster der Selbstvernichtung zu erkennen: Wenn ich »weiß«, daß es mein Schicksal ist, unglücklich zu sein, so darf ich nicht zulassen, daß die Realität mich mit Glück verwirrt. Nicht ich muß mich der Realität anpassen, die Realität muß sich mir anpassen und meinem »Wissen«, wie die Dinge sind und sein werden.

Die Beziehung muß jedoch nicht immer, wie in den vorgenannten Beispielen, völlig zerstört werden. Akzeptabel mag auch die Fortsetzung der Beziehung sein, soweit die Voraussetzung erfüllt ist, daß ich nicht glücklich bin. Vielleicht lasse ich mich auf ein Projekt ein, nach dem Motto: Kämpfen, um glücklich zu sein oder An unserer Beziehung arbeiten. Möglich auch, daß ich entsprechende Bücher lese, an Seminaren teilnehme, mir Vorträge anhöre oder eine Psychotherapie mit dem erklärten Ziel beginne, in Zukunft glücklich zu sein. Aber nicht jetzt, nicht heute. Die Möglichkeit, in der Gegenwart glücklich zu sein, ist noch zu erschreckend.

»Glücksängste« sind weitverbreitet. Das Glück kann innere Stimmen wecken, die mir sagen, daß ich es nicht verdient habe, oder daß es nie und nimmer beständig sein wird, oder daß ich mal wieder auf bestem Wege bin, auf die Nase zu fallen, oder daß ich meine Mutter oder meinen Vater umbringe, wenn ich glücklicher bin, als sie es jemals waren, oder daß das Leben so nicht ist, oder daß die Menschen mich beneiden und hassen werden, oder daß das Glück nur eine Illusion ist, oder daß niemand glücklich ist, warum sollte ich es also sein?

Was die meisten von uns, so paradox das auch klingen mag, aufbringen müssen, ist der Mut, Glück ohne Selbstsabotage so lange zu tolerieren, bis wir die Furcht davor verlieren und merken, daß es uns nicht vernichtet (und auch nicht schwinden muß). Immer wieder sage ich meinen Klienten: Versuchen Sie einmal, diesen Tag zu überstehen, ohne daß Sie irgend etwas tun, was Ihre guten Gefühle untergräbt oder zerschlägt. Und wenn Sie tatsächlich »auf die Nase fallen«, verzweifeln Sie nicht, rappeln Sie sich wieder auf, und setzen Sie neuerlich auf das Glück. Beharrlichkeit baut das Selbstwertgefühl auf.

Wir müssen diesen destruktiven Stimmen die Stirn bieten und nicht vor ihnen weglaufen. Treten Sie in einen inneren Dialog mit diesen Stimmen. Fragen Sie sie nach ihren Beweggründen, warum sie das sagen, was sie sagen. Antworten Sie ihnen geduldig, und widerlegen Sie den Unsinn, den sie erzählen. Gehen Sie mit diesen Stimmen so um, als hätten Sie es mit realen Menschen zu tun – und trennen Sie klar zwischen ihnen und der Stimme Ihres Erwachsenenselbst.

Im Beruf

Als nächstes nun einige Beispiele, die zeigen, inwieweit ein mangelhaftes Selbstwertgefühl das Verhalten am Arbeitsplatz beeinflußt:

Ein Mann wird innerbetrieblich befördert und gerät in Panik. Ihn läßt der Gedanke nicht los, die neuen Herausforderungen und Verantwortlichkeiten könnten ihn überfordern. »Ich bin ein Hochstapler! Ich gehöre hier nicht hin!« hämmert es in ihm. Da er von vornherein das Gefühl hat, zum Scheitern verurteilt zu sein, ist er nicht motiviert, sein Bestes zu geben. Unbewußt beginnt er mit der Selbstsabotage: Er erscheint unvorbereitet bei Konferenzen; er offenbart ein absolut sprunghaftes Verhalten im Umgang mit seinen Mitarbeitern – ist in der einen Minute barsch und versöhnlich und beschwichtigend in der nächsten; in völlig unangebrachten Situationen läßt er sich zu Clownerien hinreißen; er ignoriert alles, was die Unzufriedenheit seiner Vorgesetzten signalisiert. Wie nicht anders zu erwarten, wird er gefeuert. Und er sagt sich: »Ich wußte, daß es zu schön war, um wahr zu sein.«

Wenn ich mich selbst umbringe, habe ich dabei zumindest die Kontrolle. Ich erspare mir die Angst, darauf zu warten, daß ich durch noch unbekannte Umstände vernichtet werde. Die Angst, die Kontrolle zu verlieren, ist unerträglich; und diesem Zustand muß ich in jedem Fall ein Ende machen.

Eine Abteilungsleiterin liest den ausgezeichneten Vorschlag, den ein Mitarbeiter unterbreitete. Sie fühlt sich gedemütigt, daß sie nicht selbst auf diese Idee kam, und sie fühlt sich von diesem Mitarbeiter überfahren und hintergangen – und intrigiert, um den Vorschlag zu begraben.

Ein solcher destruktiver Neid ist das Produkt eines minderwertigen Selbstwertgefühls. Deine Leistungen sind eine Gefahr – sie offenbaren meine Leere. Und so wird die Welt erkennen – schlimmer noch: ich erkenne –, wie unbedeutend ich bin. Großzügigkeit im Umgang mit den Leistungen anderer ist ein Zeichen eines gesunden Selbstwertgefühls.

Ein Mann lernt seinen neuen »Chef« kennen – und ist entsetzt und verärgert, daß es eine »Chefin« ist. Er fühlt sich in seiner Männlichkeit verletzt und herabgesetzt. Er fantasiert, wie er sie sexuell erniedrigen kann – er will »sie in ihre Schranken verweisen.« Die Tatsache, daß er sich bedroht fühlt, bewirkt, daß er sich mürrisch und in subtiler Weise unkooperativ verhält.

Es gibt wohl kaum ein sichereres Zeichen eines mangelnden Selbstwertgefühls als das Bedürfnis, irgendeine andere Gruppe als minderwertig zu betrachten. Ein Mann, dessen Vorstellung von »Macht« auf der Ebene »sexueller Dominanz« festgefahren ist, ist ein Mann, der Angst vor Frauen hat, der Angst vor Kompetenz und Selbstbewußtsein hat, der Angst vor dem Leben hat.

Der Leiter eines Forschungs- und Entwicklungslabors wird darüber informiert, daß das Unternehmen einen exzellenten neuen Wissenschaftler eingestellt hat. Was er sofort damit übersetzt, daß seine Vorgesetzten mit seiner Arbeit unzufrieden sind – obwohl jede Menge Beweise für das Gegenteil sprechen. Er hat das Gefühl, daß er damit seine Autorität und seinen Status verliert. Er unterstellt, daß der neue Mann am Ende zum Abteilungsleiter ernannt wird. In einem Anflug blindwütiger Rebellion läßt er zu, daß seine Leistungen sich verschlechtern. Als er freundlich auf diesen oder jenen Lapsus hingewiesen wird, rastet er aus – und kündigt.

Wenn unsere Illusion von einem Selbstwertgefühl sich nur auf die brüchige These stützt, daß es nie herausgefordert wird, wenn unsere Unsicherheit dazu führt, daß wir Beweise für Ablehnung finden, wo es keine Ablehnung gibt, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis unsere innere Bombe explodiert. Diese Explosion äußert sich in unserem selbstzerstörerischen Verhalten – und davor schützt auch eine außergewöhnliche Intelligenz nicht. Hervorragende Leute mit einem mangelnden Selbstwertgefühl handeln jeden Tag ihren eigenen Interessen zuwider.

Der Wirtschaftsprüfer einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist mit dem Geschäftsführer des gerade geprüften Unternehmens verabredet. Er weiß, daß er diesem Mann einiges sagen muß, was er nicht hören möchte. Unbewußt stellt er sich vor, sein Vater, von dem er sich stets eingeschüchtert fühlte, wäre zugegen – und prompt stottert und stammelt er und bringt nicht einmal ein Drittel dessen vor, was er sich vorgenommen hatte. Sein Hunger, diesem Geschäftsführer zu gefallen und seine Zustimmung zu finden bzw. der Wunsch, bei ihm nicht auf Ablehnung zu stoßen, ist größer als sein professionelles Urteilsvermögen. Später, nachdem er all die Dinge in seinem Prüfungsbericht festgehalten hat, die er dem Geschäftsführer eigentlich persönlich, vor Abfassung des Berichtes, hätte sagen sollen und entsprechende Korrekturmaßnahmen noch möglich gewesen wären, sitzt er in seinem Büro, zitternd vor Angst – in Erwartung dessen, wie der Geschäftsführer reagieren wird.

Wenn wir uns in erster Linie von Furcht leiten lassen, dann reiten wir uns früher oder später in die von uns so gefürchteten Kalamitäten. Wenn wir Mißbilligung fürchten, so wird die Art unseres Verhaltens dafür sorgen, daß wir am Ende Mißfallen wecken. Und wenn wir Wut fürchten, werden wir andere wütend machen.

Eine Frau, die neu in der Marketing-Abteilung ihres Betriebes ist, hat, wie sie glaubt, eine glänzende Idee. Sie möchte sie zu Papier bringen, sich schlagende Argumente überlegen, um sie zu untermauern und dann dafür sorgen, daß sie bei der Person landet, die die Handlungsvollmacht hat. Dann flüstert eine innere Stimme: »Wer bist du denn, daß du glaubst, gute Ideen zu haben? Spiel dich nicht auf. Oder möchtest du dich lächerlich machen?« Sie sieht das wütende Gesicht ihrer Mutter vor sich, die immer neidisch auf ihre Intelligenz war – und das verletzte Gesicht ihres Vaters, der sich dadurch bedroht fühlte. Und nach einigen Tagen kann sie sich kaum noch erinnern, welche Idee sie überhaupt hatte.

Wenn wir an unserem Verstand zweifeln, dann glauben wir nicht an seine Produkte. Wenn wir intellektuelles selbstsicheres Auftreten fürchten – weil wir es vielleicht mit Liebesverlust assoziieren –, so knebeln wir unsere Intelligenz. Wir fürchten es, sichtbar zu sein, also machen wir uns unsichtbar – um dann zu leiden, weil niemand uns sieht.

Er ist ein Boß, der immer recht haben muß. Er hat seine helle Freude daran, immer wieder seine Überlegenheit hervorzuheben. Es gibt keine Begegnung mit Mitarbeitern, wo jemand einen Vorschlag macht und er sich nicht gemüßigt sähe, darauf zu drängen, »daraus noch etwas Besseres zu machen«, etwas, dem man ansieht, daß »es meinen Stempel trägt«. »Warum sind meine Leute nicht innovativer«, ist einer seiner Lieblingssprüche. Oder: »Warum können sie nicht kreativer sein?« Was er aber auch ganz gerne sagt, ist: »In diesem Dschungel gibt’s nur einen König.« Oder – in etwas verhalteneren Momenten: »Aber jemand muß das Unternehmen führen.« Und in manchen Situationen läßt er sich dazu hinreißen, mit einem Unterton des Bedauerns zu erklären: »Ich kann auch nichts dafür – ich habe halt ein großes Ego.« Die Wahrheit ist, er hat ein kleines. Aber er setzt alles daran, um das vor sich und anderen zu verbergen.

Auch hier zeigt sich wiederum, daß ein mangelndes Selbstwertgefühl sich in Form mangelnder Großzügigkeit im Umgang mit den Leistungen anderer zeigt, aus Furcht vor ihren Fähigkeiten – und im Falle eines Leiters oder Managers dann sogar in Form der Unfähigkeit, das Beste aus seinen Leuten herauszuholen.

Was ich mit solchen Geschichten bezwecke, ist sicherlich nicht, daß ich diejenigen, die an einem mangelnden Selbstwertgefühl leiden, verurteilen oder lächerlich machen möchte, als vielmehr, daß ich anhand dieser Beispiele die Macht des Selbstwertgefühls verdeutlichen und aufzeigen möchte, wie es unsere Reaktionen beeinflußt. Die zuvor beschriebenen Probleme können alle zum Positiven gewendet werden. Der erste Schritt dafür ist jedoch, daß wir die Dynamiken verstehen, die hier im Spiel sind.

Selbsterfüllende Prophezeiungen

Das Selbstwertgefühl schafft eine Reihe stillschweigender Erwartungen, die in der Summe unsere Erwartungshaltung hinsichtlich der Dinge ergeben, die wir für uns für möglich und angemessen halten. Und diese Erwartungen erzeugen die Handlungen, die sie wiederum Wirklichkeit werden lassen. So daß diese Wirklichkeit unsere ursprünglichen Überzeugungen bestätigt und bekräftigt. Das Selbstwertgefühl – ob hoch oder gering – ist ein Generator selbsterfüllender Prophezeiungen.

Diese Erwartungen können als unterbewußte oder halbbewußte Vorstellungen von unserer Zukunft in unserem Geist existieren. Es ist wissenschaftlich belegt, daß unsere stillschweigenden Annahmen, wie unsere Zukunft aussieht, nachdrücklich die Motivation beeinflussen. »Das Bild, das eine Person von ihrer Zukunft hat«, schreibt der Erziehungspsychologe E. Paul Torrance, »kann ein besserer Indikator für ihre künftigen Leistungen als ihre Leistungen in der Vergangenheit sein.«2 Was wir lernen und was wir erreichen wollen, hängt zum Teil zumindest davon ab, was wir für möglich und angemessen halten.

Ein mangelhaftes Selbstwertgefühl kann den Ambitionen und Leistungen des einzelnen sehr enge Grenzen setzen. Die Konsequenzen dieses Problems müssen aber nicht so offensichtlich sein. Diese Konsequenzen zeigen sich mitunter eher indirekt. Die Zeitbombe eines mangelhaften Selbstwertgefühls kann unbemerkt jahrelang ticken, derweil der Betreffende von Erfolgsambitionen getrieben wahre Fähigkeiten zeigt und auf der Karriereleiter immer höher steigt. Dann, ohne wirklichen Grund, jedoch anfängt, auf der moralischen oder rechtlichen Ebene den kürzeren Weg zu nehmen, um seine Überlegenheit noch souveräner zu demonstrieren. Mit der Zeit werden seine Vergehen gravierender. Aber er sagt sich, jetzt sei er sowieso schon »jenseits von Gut und Böse«, als wollte er das Schicksal geradezu herausfordern. Erst am Schluß, als es zur Explosion kommt, sein Leben und seine Karriere ruiniert sind, erkennen wir, seit wie vielen Jahren er sich unermüdlich auf diesen Schlußakt zubewegte, analog eines unbewußten Lebensskripts, das er vielleicht schon im Alter von drei Jahren angefangen hatte zu schreiben. Es sind wohl nicht wenige öffentliche Figuren, über die hinlänglich geschrieben wurde, auf die diese Beschreibung passen dürfte.

Das Selbst-Konzept ist das Schicksal. Oder präziser: im allgemeinen zumindest. Das Selbst-Konzept ist das, was wir bewußt und unterbewußt glauben, was und wer wir sind – mit unseren physischen und psychologischen Eigenschaften, mit unseren Aktiva und Passiva, mit unseren Möglichkeiten und Grenzen, mit unseren Stärken und Schwächen. Das Selbst-Konzept beinhaltet oder schließt das Niveau unseres Selbstwertgefühls mit ein, geht jedoch darüber hinaus und ist globaler. Das Verhalten einer Person können wir nur verstehen, wenn wir auch das dahinterliegende Selbst-Konzept verstehen.

Es ist gang und gäbe, daß Personen sich auf der Höhe ihres Erfolgs selbst sabotieren, auf weniger spektakuläre Weise als in der zuvor beschriebenen Geschichte. Sie tun es, wenn ihr Erfolg mit ihren inneren Überzeugungen nicht vereinbar ist, die ihnen sagen, was für sie angemessen ist. Es ist erschreckend, wenn man über die Grenzen dessen, wer man nach seiner eigenen Vorstellung ist, hinausstößt. Wenn das Selbst-Konzept nicht zu dem real meßbaren Erfolg paßt und das Selbst-Konzept nicht geändert wird, ist absehbar, daß die betreffende Person Möglichkeiten findet, um sich selbst zu sabotieren.

Einige Beispiele aus meiner psychotherapeutischen Praxis mögen das Problem veranschaulichen:

»Ich war dabei, das höchste Honorar meiner ganzen Laufbahn einzustreichen«, sagt ein Architekt, »und meine Angst übermannte mich. Denn dieses Projekt hätte mir zu einer Berühmtheit verholten, die alles Denkbare überstieg. Ich hatte seit drei Jahren keinen Schluck Alkohol getrunken. Und ich sagte mir, zur Feier des Tages war es kein Problem, mir einen Drink zu genehmigen. Nur – am Ende war ich voll, beleidigte die Personen, die mir den Auftrag geben wollten. Den ich dann natürlich verlor, und dazu meinen Partner, der so wütend war, daß er sich von mir trennte. Ich war am Boden zerstört, war aber wieder auf ›sicherem Territorium‹, auf dem ich um den Aufstieg kämpfen konnte, ohne den Durchbruch bereits geschafft zu haben. Da fühle ich mich wohl.«

»Ich war entschlossen«, sagt eine Frau, Besitzerin einer kleinen Boutiquenkette, »mich weder von meinem Mann noch sonst jemandem aufhalten zu lassen. Ich machte es meinem Mann nicht zum Vorwurf, daß er weniger verdiente als ich; und ebensowenig war ich bereit zuzulassen, daß er mir vorwarf, daß ich mehr verdiente als er. Aber da war diese innere Stimme, die mir sagte, ich dürfte eigentlich gar nicht so erfolgreich sein – das steht keiner Frau zu. Ich verdiente es nicht – wie keine Frau es verdienen konnte. Ich schlampte. Vergaß wichtige Telefonanrufe. Reagierte gereizt gegenüber dem Personal – und den Kunden. Und wurde gegenüber meinem Mann immer ungehaltener und wütender, ohne jedoch jemals das wahre Problem beim Namen zu nennen. Nach einer besonders heftigen Auseinandersetzung mit ihm hatte ich eine Verabredung zum Mittagessen mit einer unserer Einkäuferinnen. Sie sagte etwas, was mich auf die Palme brachte. Und das Ganze endete damit, daß wir uns anschrien, im Restaurant. Ich verlor sie natürlich. Das war die Quittung. Aber nicht genug. Ich machte weitere unverzeihliche Fehler … Heute, drei Jahre und etliche Alpträume später, versuche ich, das Geschäft wieder aufzubauen.«

»Ich stand vor einer Beförderung, die ich mir seit langem gewünscht hatte«, sagte ein Prokurist. »Mein Leben war perfekt. Eine gute Ehe, gesunde Kinder, die in der Schule gut zurechtkamen. Und es lag Jahre zurück, daß ich Dummheiten mit einer Frau gemacht hatte. Wenn es ein Problem gab, dann nur das, daß ich mehr verdienen wollte, und der Wunsch schien sich ja nun bald auch zu erfüllen. Aber da war die Angst, die mir zum Verhängnis wurde. Ich wachte mitten in der Nacht auf und dachte, ich hätte eine Herzattacke. Aber der Arzt meinte, es sei nur Angst. Warum? Wer weiß? Manchmal habe ich das Gefühl, es soll einfach nicht so sein, daß ich zu glücklich bin. Es ist, als sei es nicht in Ordnung. Ich glaubte wohl schon immer, es nicht verdient zu haben. Was auch immer der Grund gewesen sein mag, die Angst baute sich jedenfalls weiter auf. Und eines Tages, bei einer Party im Büro machte ich mich an die Frau eines Vorgesetzten heran – dumm und taktlos. Es ist ein Wunder, daß ich nicht gefeuert wurde. Wenn sie ihrem Mann davon erzählte, hatte ich wohl nichts anderes zu erwarten. Ich wurde jedenfalls nicht befördert, und damit verschwand auch die Angst.«

Was ist diesen Geschichten gemeinsam? Glücksängste, Erfolgsängste. Jene entsetzliche Angst und Irritation, die Personen mit mangelndem Selbstwertgefühl packt, wenn das Leben in einer Weise zu glatt und damit ihrem innersten Selbstbild zuwiderläuft, wie sie sich sehen und was für sie angemessen ist.

Unabhängig von dem Rahmen, in dem das selbstzerstörerische Verhalten im einzelnen auftritt, und unabhängig von der Form, in der es sich äußert, der Motor dieser Verhaltensweisen ist immer der gleiche: mangelndes Selbstwertgefühl. Es ist mangelndes Selbstwertgefühl, das dafür sorgt, daß wir Stellungen beziehen, die unserem Wohlbefinden abträglich sind.

Das Selbstwertgefühl: Ein Grundbedürfnis

Wenn die Macht des Selbstwertgefühls auf der Tatsache beruht, daß es sich dabei um ein elementares Bedürfnis handelt, bleibt die Frage: Was ist ein Bedürfnis?

Ein Bedürfnis ist das, was als Grundvoraussetzung erfüllt sein muß, um wirksam funktionieren zu können. Wir möchten nicht nur Nahrung und Wasser; wir brauchen beides; Nahrung und Wasser sind ein elementares Bedürfnis; ohne – sterben wir. Aber damit sind unsere Ernährungsbedürfnisse nicht erschöpft. Wir brauchen beispielsweise auch Kalzium, dessen Wirkungen weniger direkt und sichtbar sind. Es gibt Regionen in Mexiko, wo die Erde kein Kalzium enthält. Die dortige Bevölkerung stirbt nicht sofort. Der Kalziummangel hat jedoch zur Folge, daß der einzelne in seinem Wachstum gehemmt wird; er wird allgemein in seiner körperlichen Verfassung geschwächt und ist anfällig für viele Krankheiten, die auf Kalziummangel zurückzuführen sind. Er wird in seiner Funktionsfähigkeit behindert.

Das Selbstwertgefühl ist als Grundbedürfnis mit dem Kalzium vergleichbar (während ein Vergleich mit direkter Nahrung oder Wasser etwas hinkt). Auch erhebliche Mangelerscheinungen bedeuten nicht in jedem Fall, daß wir sterben, aber wir werden in unserer Funktionsfähigkeit behindert.

Die Feststellung, daß das Selbstwertgefühl ein Grundbedürfnis ist, heißt:

Daß es einen wesentlichen Beitrag zum Verlauf des Lebens leistet.

Daß es für eine normale und gesunde Entwicklung unabdingbar ist.

Daß es zu den Dingen gehört, die für unser Überleben wichtig sind.

Nicht übersehen werden sollte in diesem Zusammenhang jedoch, daß mangelndes Selbstwertgefühl in Einzelfällen auch auf ziemlich direkte Weise zum Tode führt. Etwa: bei Drogenkonsum durch eine Überdosis; durch einen allzu draufgängerischen Fahrstil im Straßenverkehr; durch Festhalten an Beziehungen, in denen ich mörderisch mißhandelt werde; durch Beteiligung an Bandenkriegen oder durch Selbstmord. Bei den meisten von uns sind die Konsequenzen eines mangelhaften Selbstwertgefühls jedoch subtiler, weniger direkt, verborgener. Vielleicht ist sogar eine Menge Nachdenken und Selbsterforschung erforderlich, um einschätzen zu können, inwieweit unser innerstes Selbstbild bei den zehntausend Entscheidungen im Spiel war, die sich dann in der Summe zu unserem Schicksal addieren.

Ein unzureichendes Selbstwertgefühl kann sich in einer unglücklichen Partnerwahl zeigen, in der Entscheidung für eine Ehe, die nichts als Frustrationen bringt, in der Entscheidung für einen Beruf, der sich als Sackgasse erweist. Es kann sich in Ambitionen zeigen, die immer irgendwie sabotiert werden, in vielversprechenden Ideen, die von vornherein Totgeburten sind, in der mysteriösen Unfähigkeit, Erfolg zu genießen, in zerstörerischen Eß- und Lebensgewohnheiten, in Träumen, die sich nie erfüllen, in chronischen Ängsten oder Depressionen, in einer chronisch geminderten Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten, in Drogenabhängigkeiten, in einem unersättlichen Hunger nach Liebe und Beifall, in Kindern, die weder Selbstachtung lernen noch, Freude an ihrem Dasein zu haben. Kurz: In einem Leben, das wie eine endlose Kette von Niederlagen empfunden wird und der einzige Trost vielleicht in dem traurigen Mantra besteht: »Wer ist schon glücklich?«

Bei einem mangelhaften Selbstwertgefühl ist unsere Widerstandsfähigkeit im Umgang mit den Widrigkeiten des Lebens beeinträchtigt. Wir zerbrechen angesichts von Schicksalsschlägen, die ein gesünderes Selbstgefühl bewältigen würde. Es ist weitaus wahrscheinlicher, daß wir uns von Gefühlen überwältigen lassen, die uns sagen, daß wir unfähig sind, mit Dingen fertig zu werden und wie tragisch unser Dasein ist. In der Regel lassen wir uns von dem Wunsch leiten, Schmerzen zu vermeiden, statt von dem Wunsch, Freude zu erfahren. Das Negative hat mehr Macht über uns als das Positive. Wenn wir nicht an uns selbst glauben – weder an unsere Wirksamkeit noch an das Gute in uns –, dann ist das Universum ein erschreckender Ort.

Ich betrachte ein positives Selbstwertgefühl als das Immunsystem des Bewußtseins, das uns Widerstandsfähigkeit, Kraft und die Fähigkeit gibt, uns immer wieder zu erholen. Genau wie ein gesundes Immunsystem keine Garantie ist, daß man niemals krank wird, aber dafür sorgt, daß man weniger anfällig für Krankheiten ist und sie im Ernstfall besser überstehen kann, so ist auch ein gesundes Selbstwertgefühl keine Garantie, daß man angesichts der Schwierigkeiten des Lebens nie von Ängsten oder Depressionen heimgesucht wird. Es mindert aber die Anfälligkeit und sorgt dafür, daß wir besser damit umgehen, den Stoß auffangen und die Krise überwinden können. Natürlich können auch Menschen mit einem hohen Selbstwertgefühl von übermäßig vielen Problemen erschlagen werden, sie können sich aber schneller wieder fangen.

Betont werden muß, daß das Selbstwertgefühl mehr eine Frage der Widerstandsfähigkeit als der Unempfindlichkeit gegenüber Leid ist.

Zuviel Selbstwertgefühl?

Manchmal wird die Frage gestellt: »Kann man zuviel Selbstwertgefühl haben?« Nein, kann man nicht. Ebensowenig wie man zu gesund sein kann oder ein zu starkes Immunsystem haben kann. Das Selbstwertgefühl wird gelegentlich mit Angeben oder großtuerischem Gehabe oder Arroganz verwechselt. Das sind allerdings Eigenschaften, die nicht zuviel, sondern zu wenig Selbstwertgefühl reflektieren. Sie reflektieren ein mangelndes Selbstwertgefühl. Personen mit einem hohen Selbstwertgefühl haben nicht den Drang, sich anderen gegenüber als überlegen darzustellen. Sie müssen sich und anderen ihren Wert nicht beweisen, indem sie sich ständig mit irgendwem und irgend etwas messen. Sie haben Freude daran, wer sie sind, und müssen sie nicht daraus beziehen, daß sie besser als andere sind. Ich kann mich noch gut an einen Tag erinnern, als ich über dieses Thema nachdachte und dabei meinem Hund zuschaute, wie er im Garten spielte. Er tobte herum, schnupperte an den Blumen, jagte Eichhörnchen nach, machte Luftsprünge und zeigte eine große Lebenslust (aus meiner menschlichen Sicht). Er dachte dabei nicht (da bin ich mir sicher), daß er glücklicher war als der Nachbarhund. Er hatte einfach seine helle Freude an seinem eigenen Dasein. Und dieses Bild sagt etwas Wesentliches darüber aus, was ich unter einem gesunden Selbstwertgefühl verstehe.

Menschen, die Schwierigkeiten mit ihrem Selbstwertgefühl haben, fühlen sich oft unwohl in der Gegenwart anderer, die ein höheres Selbstwertgefühl haben. So daß vielleicht sogar Ressentiments in ihnen aufsteigen, und sie erklären: »Diese Leute haben zuviel Selbstwertgefühl.« In Wahrheit machen sie damit jedoch eine Aussage über sich selbst.

Typisch ist, daß unsichere Männer sich in der Gegenwart selbstbewußter Frauen oft noch unsicherer fühlen. Und daß Personen mit einem geringen Selbstwertgefühl oft gereizt in Gegenwart von Personen reagieren, die vor Lebensbegeisterung förmlich sprühen. Oder daß ein Ehepartner, dessen Selbstwertgefühl bröckelt, mit Angst reagiert, wenn er sieht, daß das Selbstwertgefühl seiner Partnerin wächst, und versucht, diesen Wachstumsprozeß zu sabotieren.

Die traurige Wahrheit ist: Jeder, der in dieser Welt erfolgreich ist, läuft Gefahr, zur Zielscheibe zu werden. Die eigene Leistungsschwäche weckt oft Neid und Ressentiments gegenüber leistungsstärkeren Personen. Und diejenigen, die unglücklich sind, empfinden oft Neid und Ablehnung gegenüber denjenigen, die glücklich sind.

Es sind Personen mit einem geringen Selbstwertgefühl, die gerne von der Gefahr von »zuviel Selbstwertgefühl« reden.

Wenn nichts »genug« ist

Ein geringes Selbstwertgefühl bedeutet, wie gesagt, nicht, daß es uns absolut unmöglich ist, tatsächlich etwas zu erreichen und Wertmaßstäben zu entsprechen. Manche von uns haben das Talent, die Energie und den Antrieb, sehr viel zu erreichen – obwohl sie sich unzulänglich fühlen oder glauben, nichts wert zu sein. Ein Beispiel ist der äußerst produktive Workaholic, der seinem Vater beweisen will, was er wert ist, da dieser ihm vorhergesagt hatte, er werde immer ein Versager sein. Ein geringes Selbstwertgefühl bedeutet aber, daß wir weniger effektiv und weniger kreativ sind, als wir es von unserem Potential her sein könnten. Und es bedeutet, daß wir in unserer Fähigkeit gelähmt sind, uns darüber zu freuen, was wir erreichen. Nichts, was wir tun, gibt uns das Gefühl, es sei »genug«.

Fest steht, daß mangelndes Selbstwertgefühl oftmals die Fähigkeit zu wirklichen Leistungen unterbindet, und zwar selbst bei den talentiertesten Personen. Das muß aber nicht unbedingt der Fall sein. Wesentlich sicherer ist, daß es die Fähigkeit unterbindet, Befriedigung zu finden.