Die Abendröte im Westen - Cormac McCarthy - E-Book
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Die Abendröte im Westen E-Book

Cormac McCarthy

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Beschreibung

Ein an historische Ereignisse angelehnter Roman über die Indianerkriege und die amerikanische Expansion nach Westen, voller Gewalt und Grausamkeit; ein mythisches Weltuntergangsepos mit Bildern wie von Hieronymus Bosch. Hauptfigur ist ein vierzehnjähriger Junge, der 1850 nach Texas kommt und sich einer Bande marodierender Exsoldaten, Desperados und Abenteurer anschließt, die Komantschen, Apachen und friedliche Siedler abschlachten. «Das ist der Autor, an dem sich alle amerikanischen Autoren messen lassen müssen.» (The Guardian) «Der Roman ist großartig in seiner Sprachkraft und seinem Bilderreichtum, er ist grandios in seinen Landschaftsbeschreibungen, verstörend in seiner Darstellung nackter Gewalt.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung) «McCarthy erzählt so spannend wie Joseph Conrad und so elegant wie William Faulkner.» (Der Spiegel) «Ich beneide alle Leser, die ihre erste Erfahrung mit der Prosa dieses Autors noch vor sich haben; es ist eine Erfahrung, als habe man die Welt bislang durch Milchglas betrachtet. McCarthys Sprache klärt den Blick.» (Klaus Modick, Süddeutsche Zeitung) «Das erinnert mich an das Beste von Thomas Pynchon. (…) Das größte Buch seit Faulkners ‹Als ich im Sterben lag›.» (Harold Bloom)

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Seitenzahl: 539

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Cormac McCarthy

Die Abendröte im Westen

Roman

 

 

Aus dem Englischen von Hans Wolf

 

Über dieses Buch

Ein an historische Ereignisse angelehnter Roman über die Indianerkriege und die amerikanische Expansion nach Westen, voller Gewalt und Grausamkeit; ein mythisches Weltuntergangsepos mit Bildern wie von Hieronymus Bosch. Hauptfigur ist ein vierzehnjähriger Junge, der 1850 nach Texas kommt und sich einer Bande marodierender Exsoldaten, Desperados und Abenteurer anschließt, die Komantschen, Apachen und friedliche Siedler abschlachten.

 

«Das ist der Autor, an dem sich alle amerikanischen Autoren messen lassen müssen.» (The Guardian)

 

«Der Roman ist großartig in seiner Sprachkraft und seinem Bilderreichtum, er ist grandios in seinen Landschaftsbeschreibungen, verstörend in seiner Darstellung nackter Gewalt.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

 

«McCarthy erzählt so spannend wie Joseph Conrad und so elegant wie William Faulkner.» (Der Spiegel)

 

«Ich beneide alle Leser, die ihre erste Erfahrung mit der Prosa dieses Autors noch vor sich haben; es ist eine Erfahrung, als habe man die Welt bislang durch Milchglas betrachtet. McCarthys Sprache klärt den Blick.» (Klaus Modick, Süddeutsche Zeitung)

 

«Das erinnert mich an das Beste von Thomas Pynchon. (…) Das größte Buch seit Faulkners ‹Als ich im Sterben lag›.» (Harold Bloom)

Vita

Cormac McCarthy wurde 1933 in Rhode Island geboren und wuchs in Knoxville, Tennessee auf. Für sein literarisches Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Pulitzerpreis und dem National Book Award. Die amerikanische Kritik feierte seinen Roman «Die Straße» als «das dem Alten Testament am nächsten kommende Buch der Literaturgeschichte» (Publishers Weekly). Das Buch gelangte auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste und verkaufte sich weltweit mehr als eine Million Mal. Mehrere von McCarthys Büchern wurden bereits aufsehenerregend verfilmt, «Kein Land für alte Männer» von den Coen-Brüdern, «Der Anwalt» von Ridley Scott und «Ein Kind Gottes» von James Franco. Cormac McCarthy starb im Juni 2023 in Santa Fe, New Mexico.

Impressum

Die Originalausgabe erschien im Jahr 1985 unter dem Titel «Blood Meridian or The Evening Redness in the West» bei Random House, Inc., New York.

 

Redaktion Thomas Überhoff

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, März 2016

Copyright © 2016 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

«Blood Meridian or The Evening Redness in the West» Copyright © 1985 by Cormac McCarthy

Veröffentlicht im Einvernehmen mit Alfred A. Knopf, Inc., New York

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

Umschlaggestaltung David Pearson

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

ISBN Printausgabe 978-3-499-27240-0 (Neuausgabe 2016)

ISBN E-Book 978-3-644-05561-4

www.rowohlt.de

Inhaltsübersicht

Dank

Mottos

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

XIII

XIV

XV

XVI

XVII

XVIII

XIX

XX

XXI

XXII

XXIII

Epilog

Der Autor dankt der Lyndhurst Foundation, der John Simon Guggenheim Memorial Foundation und der John D. and Catherine T. MacArthur Foundation. Albert Erskine, zwanzig Jahre lang sein Lektor, gebührt ebenfalls Dank.

Eure Ideen sind grauenerregend, eure Herzen schwach. Eure dem Mitleid und der Grausamkeit entsprungenen Taten sind absurd; eine Hast eignet ihnen; als wären sie unwiderstehlich. Zuletzt wird eure Angst vor dem Blut immer größer. Vor dem Blut und vor der Zeit.

Paul Valéry

 

Und ist doch nicht also zu dencken, dass das Leben der Finsternüß also in ein Elend sincke, da sichs vergäße, als traurete es: Es ist kein Trauren. Denn die Traurigkeit ist ein Ding, das im Tode ersincket. So ist aber der Tod und das Sterben der Finsternüß Leben.

Jakob Böhme

 

Clark, der letztes Jahr die Expedition ins Afargebiet Nordäthiopiens leitete, sowie Tim D. White von der Universität Berkeley erklärten zudem, die genauere Untersuchung des dort aufgefundenen, 300000 Jahre alten Schädels habe ergeben, dass dieser skalpiert worden sei.

The Yuma Daily Sun, 13. Juni 1982

I

Kindheit in Tennessee – Auf und davon – New Orleans – Kämpfe – Angeschossen – Nach Galveston – Nacogdoches – Reverend Green – Richter Holden – Tumult – Toadvine – Hotelbrand – Flucht

Seht das Kind. Der Junge ist blass und mager, trägt ein dünnes, zerschlissenes Leinenhemd. Er schürt das Feuer in der Spülküche. Draußen auf den dunklen, gepflügten Feldern liegen Schneebatzen, in den dunkleren Wäldern dahinter leben noch ein paar letzte Wölfe. Seine Angehörigen kennt man als Holzhauer und Wasserschöpfer, sein Vater ist in Wahrheit ein ehemaliger Lehrer. Ein Trinker, der längst vergessene Dichter zitiert. Der Junge kauert am Feuer und betrachtet ihn.

Nacht deiner Geburt. Dreiunddreißig. Leoniden wurden sie genannt. Gott, wie die Sternschnuppen fielen. Ich suchte nach Schwärze, nach Löchern im Firmament. Der Himmelswagen jagte dahin.

Die Mutter, seit vierzehn Jahren tot, trug damals das Wesen im Schoß, das sie hinwegraffen sollte. Der Vater sagt nie ihren Namen, das Kind kennt ihn nicht. Der Junge hat eine Schwester, die er nie wiedersehen wird. Er betrachtet den Vater, blass und ungewaschen. Er kann weder lesen noch schreiben; ein Hang zu sinnloser Gewalt brütet bereits in ihm. Alle Geschichte ist auf diesem Gesicht gegenwärtig, das Kind der Vater des Mannes.

Mit vierzehn läuft er auf und davon. Er sieht die eisige, im dunklen Vordämmer liegende Küche nie wieder. Das Brennholz, die Spülkübel. Er zieht westwärts bis Memphis, ein einsamer Wanderer in der flachen, pastoralen Landschaft. Schwarze auf den Feldern, mager und gebeugt, ihre Finger spinnengleich an den Baumwollkapseln. Eine düstere Agonie über allem. Im langsamen Dämmer bewegen sich Gestalten vor der sinkenden Sonne am papierdünnen Horizont entlang. Ein einsamer dunkler Landmann hinter Maultier und Egge strebt übers regengeblähte Schwemmland der Nacht entgegen.

Ein Jahr später ist er in Saint Louis. Ein Prahm nimmt ihn nach New Orleans mit. Zweiundvierzig Tage auf dem Fluss. Nachts stampfen die Flussdampfer heulend im schwarzen Wasser vorbei, hell erleuchtet, wie schwimmende Städte. Der Prahm wird abgewrackt, das Holz verkauft; der Junge geht durch die Straßen und hört Sprachen, die ihm völlig unbekannt sind. Er bezieht ein Zimmer über dem Hinterhof eines Gasthauses; nachts kommt er wie ein Fabeltier nach unten und kämpft mit den Matrosen. Er ist nicht groß, hat aber große Fäuste, große Hände. Seine Schultern sind schmal. Hinter den Schrammen wirkt das Kindergesicht noch merkwürdig heil, der Blick noch sonderbar arglos. Sie kämpfen mit Händen und Füßen, mit Flaschen und Messern. Alle möglichen Rassen, alle möglichen Nationalitäten. Männer, deren Sprache wie das Knurren von Affen klingt. Männer, die aus so entlegenen, fremden Ländern kommen, dass er, wenn sie blutend vor ihm im Staub liegen, das Gefühl hat, dass sich hier die ganze Menschheit gegen ihn wehrt.

Eines Nachts schießt ihn ein maltesischer Bootsmann in den Rücken. Als er herumschwenkt und auf den Mann losgehen will, trifft ihn ein zweiter Schuss, direkt unter dem Herzen. Der Mann flieht; der Junge stützt sich am Tresen ab, Blut strömt unter dem Hemd hervor. Die anderen blicken weg. Nach einer Weile setzt er sich auf den Boden.

Zwei Wochen lang liegt er in seinem Zimmer auf einer Koje; die Frau des Gastwirts pflegt ihn. Sie bringt ihm das Essen, trägt seine Exkremente hinaus. Eine barsch wirkende Person, drahtig gebaut wie ein Mann. Wieder auf den Beinen, hat er kein Geld, kann nicht bezahlen; nachts macht er sich davon und schläft am Flussufer, bis er irgendwann einen Kahn findet, der ihn mitnimmt. Der Kahn fährt nach Texas.

Erst jetzt hat der Junge endgültig alles abgestreift, was er einmal gewesen ist. Seine Herkunft liegt nun in ebenso weiter Ferne wie sein Geschick; solange die Welt sich dreht, wird es nie wieder so unzivilisierte, barbarische Landstriche geben, wo man herauszufinden versucht, ob der Mensch den Stoff der Schöpfung nach seinem Willen formen kann oder ob sein Herz nicht vielleicht doch aus einem anderen Stoff besteht. Die Passagiere sind zurückhaltend, ihre Mienen verschlossen. Keiner fragt den anderen, was ihn hergeführt hat. Er schläft an Deck; ein Pilger unter vielen. Er beobachtet, wie die trübe Küste sich hebt und senkt. Beobachtet die herüberäugenden grauen Seevögel. Die Pelikane, die am Ufer entlang über die graue Dünung fliegen.

Die Passagiere werden auf einen Prahm umgeschifft, Siedler mit ihrer Habe; sie betrachten die flache Küste, die schmale, sandige Bucht, die im Dunst schwimmenden Strauchkiefern.

Er geht durch die Hafengassen. Die Luft riecht nach Salz und frisch gesägtem Holz. Nachts rufen ihm die Huren aus der Dunkelheit nach, wie bedürftige Seelen. Eine Woche später ist er wieder unterwegs; ein paar selbstverdiente Dollar im Geldbeutel, die geballten Hände in den Taschen seiner schäbigen Baumwolljacke, zieht er einsam auf den Sandwegen durch die südliche Nacht. Auf Lehmdämmen durchs Sumpfland. Die Silberreiher an ihren Brutplätzen im Moos schimmern wie weiße Kerzen. Ein scharfer Wind geht; Laub wirbelt am Straßenrand auf und weht weiter über die nächtlichen Felder. Er zieht nordwärts durch kleine Siedlungen und Farmen, arbeitet im Tagelohn mit Unterkunft und Verpflegung. In einem Dorf sieht er, wie man einen Vatermörder an der Straßenkreuzung erhängt; die Freunde des Mannes eilen herbei und ziehen ihn an den Beinen, während der Harn seine Hose dunkel verfärbt.

Er arbeitet in einem Sägewerk, in einer Quarantänestation für Diphtheriekranke. Von einem Farmer lässt er sich statt des Lohns ein schon bejahrtes Maultier geben, auf dem er dann im Frühling des Jahres 1849 durch die neugegründete Republik Fredonia nach Nacogdoches reitet.

 

Solange es regnete, und es regnete zwei Wochen, hatte Reverend Green ein volles Haus. Als der Junge geduckt in das schäbige Leinwandzelt trat, waren an den Wänden noch ein paar Stehplätze frei; es stank so sehr nach Schweiß und ungewaschenen Menschen, dass diese selbst von Zeit zu Zeit nach draußen mussten, um frische Luft zu schnappen, bis der strömende Regen sie wieder hineintrieb. Er stand mit anderen Besuchern ganz hinten. Vom übrigen Publikum unterschied er sich eigentlich nur dadurch, dass er keine Waffe trug.

Freunde, sagte der Reverend, er hat von dieser Hölle, von diesem Höllenpfuhl hier in Nacogdoches einfach nicht lassen können. Ich sag zu ihm: Würdst du auch mit dem Sohn Gottes dorthin gehn? Darauf er: Aber nein. Da sag ich: Weißt du denn nicht, dass Er gesagt hat, Ich bin bei euch alle Tage bis an eurer Wege Ende?

Von mir aus, sagt er, ich hab noch nie einen drum gebeten, dass er mit mir irgendwohin geht. Darauf ich: Freund, du brauchst auch nicht darum zu bitten. Er begleitet jeden deiner Schritte, ob du Ihn darum bittest oder nicht. Und dann sag ich: Freund, du kannst Ihn nicht abschütteln. Also, willst du Ihn, Ihn, wirklich mitschleppen in diesen Höllenpfuhl da?

Schon mal erlebt, dass es derartig schüttet?

Der Junge hatte sich auf den Reverend konzentriert. Er wandte sich dem Sprecher zu. Der Mann hatte einen langen Fuhrmannsschnauzer und trug einen Hut mit breiter Krempe und flachem, rundem Kopf. Er sah den Jungen mit leicht schielenden Augen ernst an, als wolle er unbedingt seine Meinung über den Regen hören. Bin erst seit kurzem hier, sagte der Junge.

Also ich hab so was noch nicht erlebt.

Der Junge nickte. Ein Hüne im Ölmantel trat ins Zelt und nahm den Hut ab. Der Mann war kahl wie ein Stein: keine Spur von Bart, keine Augenbrauen, keine Wimpern. Über zwei Meter groß, stand er da und rauchte eine Zigarre, unbekümmert darum, dass er sich im Zelt eines Wanderpredigers befand; den Hut hatte er anscheinend nur abgenommen, um den Regen ablaufen zu lassen, denn er setzte ihn sofort wieder auf.

Der Reverend hatte seine Predigt unterbrochen. Es war völlig still im Zelt. Alles betrachtete den Kahlkopf. Er rückte den Hut zurecht, schob sich zu dem Bretterpult vor, hinter dem der Reverend stand, und drehte sich dann der Gemeinde zu. Sein Gesicht wirkte heiter und sonderbar kindlich. Seine Hände waren klein. Er streckte sie aus.

Meine Damen und Herren, ich fühle mich verpflichtet, Ihnen mitzuteilen, dass der Mann, der diese Erweckungsveranstaltung hier abhält, ein Hochstapler ist. Er besitzt weder von offizieller noch von nichtoffizieller Seite irgendwelche Papiere, die ihn als Gottesgelehrten ausweisen. Ihm fehlt jegliche Qualifikation für das Amt, das er sich widerrechtlich angemaßt hat; dass er ein paar Bibelstellen auswendig gelernt hat, dient einzig und allein dem Zweck, seinen betrügerischen Predigten den Anschein von Frömmigkeit zu geben, einer Frömmigkeit, die ihm eigentlich zuwider ist. In Wahrheit nämlich kann dieser Mann hier, der sich Ihnen als Diener des Herrn anpreist, nicht nur nicht lesen und schreiben, sondern wird außerdem in den Bundesstaaten Tennessee, Kentucky, Mississippi und Arkansas vom Gesetz gesucht.

O Gott, rief der Reverend. Lügen, Lügen! Er begann fieberhaft aus seiner aufgeschlagenen Bibel vorzulesen.

Die jüngste der vielerlei Anklagen, die man gegen ihn erhebt, betrifft ein elfjähriges – jawohl elfjähriges – Mädchen, das vertrauensvoll zu ihm gekommen ist und mit dem er ertappt wurde, als er es, noch im Priestergewand, zu schänden versucht hat.

Ein Stöhnen ging durch die Menge. Eine Lady sank auf die Knie.

Da, rief der Reverend schluchzend. Da ist er. Der Teufel persönlich. Da steht er.

Aufhängen, den Scheißkerl, rief ein hässlicher Schläger weiter hinten im Publikum.

Keine drei Wochen davor wurde er aus Fort Smith in Arkansas verjagt, weil er fleischlichen Umgang mit einer Ziege hatte. Ja, meine Dame, Sie haben richtig gehört. Mit einer Ziege.

Hol mich der Teufel, rief einer ganz hinten im Zelt, das Schwein leg ich um; er stand auf, zog einen Revolver aus dem Stiefel, zielte und drückte ab.

Der junge Fuhrmann holte blitzschnell ein Messer hervor, schnitt die Zeltwand auf und trat hinaus in den Regen. Der Junge folgte ihm. Tief geduckt liefen sie durch den Schlamm aufs Hotel zu. Wirres Geschieße ertönte im Zelt; ein Dutzend Ausgänge wurden in die Leinwand geritzt, Menschen strömten nach draußen, kreischende Frauen, stolperndes Volk, ein paar lagen niedergetrampelt im Schlamm. Der Junge und sein Freund hatten inzwischen den Hotelvorbau erreicht; sie wischten sich den Regen von den Augen, drehten sich um und sahen zurück. Im gleichen Moment begann das Zelt zu schwanken und sackte dann in sich zusammen; wie eine riesige verwundete Qualle sank es ganz langsam zu Boden, die Leinwandfetzen und zerschlissenen Leinen schleiften dabei über die Erde.

Als die beiden den Saloon betraten, stand der Kahlkopf bereits an der Bar. Vor ihm, auf der polierten Holztheke, lagen zwei Hüte und zwei Handvoll Münzen. Er hob sein Glas, prostete den beiden aber nicht zu. Sie stellten sich an die Bar und orderten Whiskey. Der Junge legte sein Geld hin; der Barkeeper schob es ihm mit dem Daumen wieder zu und nickte.

Geht auf den Richter, sagte er.

Sie tranken. Der Fuhrmann stellte sein Glas ab und blickte den Jungen an; jedenfalls sah es so aus, sein Blick war nicht ganz eindeutig. Der Junge spähte die Bar entlang zum Richter. Die Theke war sehr hoch, nicht jeder konnte die Ellbogen darauf aufstützen, aber dem Richter ging sie nur bis zur Hüfte; die Hände flach auf dem Holz, stand er ein wenig vorgebeugt da, wie kurz vor einer weiteren Ansprache. Männer drängten inzwischen zur Tür herein, blutend, voller Schlamm, fluchend. Sie scharten sich um den Richter. Der Sheriff hatte ein Aufgebot zur Verfolgung des Predigers zusammengestellt.

Sagen Sie mal, Richter, woher wissen Sie eigentlich über den Nixnutz so gut Bescheid?

Woher ich Bescheid weiß?

Wann waren Sie in Fort Smith?

In Fort Smith?

Woher kennen Sie denn den Kerl, dass Sie das alles von ihm wissen?

Ihr meint, den Reverend Green?

Ja, Sir. Sie waren doch wohl in Fort Smith, bevor Sie hierher sind.

Ich bin noch nie in Fort Smith gewesen. Und er mit Sicherheit auch nicht.

Die Männer blickten sich an.

Ja, was haben Sie dann überhaupt mit ihm zu schaffen?

Ich habe den Mann heute zum ersten Mal in meinem Leben gesehen. Er war mir bisher völlig unbekannt.

Der Richter hob sein Glas und trank.

Eine seltsame Stille setzte ein. Die Männer wirkten wie Schlammplastiken. Schließlich begann einer zu lachen. Dann der nächste. Kurz darauf lachten alle. Einer gab dem Richter einen Drink aus.

 

Als es zu dem Zusammenstoß mit Toadvine kam, regnete es schon seit sechzehn Tagen, und es regnete weiter. Der Junge hielt sich noch immer im Saloon auf und hatte inzwischen bis auf zwei Dollar sein ganzes Geld vertrunken. Der Fuhrmann war gegangen, die Bar beinahe leer. Die Tür stand offen; man sah den Regen in den verwaisten Hinterhof fallen. Der Junge leerte sein Glas und marschierte nach draußen. Holzplanken führten durch den Schlamm; er folgte dem verblassenden Lichtstreifen der Türlampe nach hinten zur Bretterlatrine. Einer kam gerade vom Abort; die beiden begegneten sich auf halbem Weg auf den schmalen Planken. Der Mann vor ihm schwankte ein wenig. Die nasse Hutkrempe hing ihm bis zu den Schultern, vorne war sie zurückgesteckt. Er hielt eine Flasche locker in der Hand. Aus dem Weg, sagte er.

Der Junge kam der Aufforderung nicht nach und sah auch keinen Sinn darin, sich auf eine Diskussion einzulassen. Er versetzte dem Mann einen Kinnhaken. Der Mann ging zu Boden; dann stand er wieder auf. Ich mach dich kalt, sagte er.

Er holte mit der Flasche zum Schlag aus; der Junge duckte sich. Der Mann schwang die Flasche noch mal. Der Junge wich zurück und landete dann einen Treffer; im gleichen Moment zerbarst die Flasche an seinem Schädel. Er schlitterte von den Planken in den Schlamm; der Mann stürzte sich auf ihn und versuchte ihm den gezackten Flaschenhals in die Augen zu rammen. Der Junge wehrte ihn mit den Händen ab; sie waren glitschig von Blut. Immer wieder bemühte er sich, an sein im Stiefel steckendes Messer zu kommen.

Ich reiß dir den Arsch auf, sagte der Mann. Sie trudelten durch den dunklen Hof, verloren dabei ihre Stiefel. Im Krebsgang umkreisten sie einander; der Junge hatte inzwischen sein Messer, und als der Mann nach vorne schnellte, schlitzte er ihm das Hemd auf. Der Mann warf den Flaschenhals weg und zog ein gewaltiges Bowiemesser hinter dem Nacken hervor. Der Hut war ihm vom Kopf gerutscht, seine schwarzen Lockensträhnen schwangen hin und her; seine Drohungen beschränkten sich, einer wirren Psalmodie gleich, nur auf vier Wörter: Ich mach dich kalt.

Sauberer Schnitt, sagte einer der Männer, die auf den Laufplanken standen und den beiden zusahen.

Ich mach dich kalt, geiferte der Mann und stapfte heran.

Aber inzwischen kam einer über den Hof, große, feste, schlürfende Schritte, wie die einer Kuh. Er hatte einen riesigen Knüppel dabei. Als Erstes war er bei dem Jungen; als er mit dem Prügel zuschlug, fiel der Junge mit dem Gesicht in den Schlamm. Hätte ihn nicht jemand umgedreht, wäre er wohl erstickt.

Bei Tageslicht wachte er auf, es regnete nicht mehr; sein Blick fiel auf das Gesicht eines langhaarigen Mannes, der völlig mit Schlamm bedeckt war. Der Mann sagte etwas.

Was?, sagte der Junge.

Ich hab gesagt, hast du genug?

Genug?

Ja. Wenn du nämlich noch mehr haben willst, dann kannst du’s kriegen, das steht mal fest.

Der Junge sah zum Himmel. Sehr hoch, sehr klein, ein Truthahngeier. Er warf einen Blick auf den Mann. Ist mein Genick gebrochen?, sagte er.

Der Mann lugte über den Hof, spuckte aus und wandte sich wieder dem Jungen zu. Kommst du nicht hoch?

Weiß nicht. Hab’s noch nicht probiert.

Wollt dir nicht’s Genick brechen.

Klar.

Wollt dich kaltmachen.

Hat noch keiner geschafft. Der Junge krallte sich in den Schlamm und stemmte sich hoch. Der Mann saß, die Stiefel neben sich, auf den Planken. Dir fehlt nix, sagte er.

Der Junge äugte steif in die Runde. Wo sind meine Stiefel?, sagte er.

Der Mann schielte herüber. Getrocknete Schlammflocken fielen ihm vom Gesicht.

Ich murks’n ab, wenn einer meine Stiefel geklaut hat.

Das da vorn sieht aus wie’n Stiefel.

Der Junge stapfte durch den Schlamm und hob den Schuh auf. Er trudelte im Hof umher und betastete ein paar weitere Schlammklumpen.

Ist das dein Messer?, sagte er.

Der Mann blinzelte herüber. Sieht so aus, sagte er.

Der Junge warf ihm das Messer zu; der Mann bückte sich, hob es auf und wischte die riesige Klinge am Hosenbein ab. Hab schon gedacht, dich hat einer stibitzt, sagte er zum Messer.

Der Junge machte den zweiten Stiefel ausfindig, kehrte zurück und setzte sich auf die Planken. Seine Hände waren völlig mit Schlamm verschmiert; er rieb die eine am Knie ab und ließ sie wieder sinken.

Nebeneinander hockten die beiden da und blickten über den verwaisten Hof. Ein Lattenzaun begrenzte die eine Seite; im Hof dahinter gab es Hühner, ein Junge war gerade dabei, Wasser aus einem Brunnen zu ziehen. Ein Mann kam aus der Kneipentür und schritt über die Laufplanken in Richtung Latrine. Er blieb vor den Sitzenden stehen, betrachtete sie und wich dann aus in den Schlamm. Nach einer Weile kehrte er zurück, trat wieder in den Schlamm, tappte um die beiden herum und ging den Brettersteg entlang weiter.

Der Junge musterte seinen Sitznachbar. Der Kopf des Mannes war merkwürdig schmal, der Schlamm hatte sein Haar zu einer bizarren, primitiven Frisur verklebt. Die Buchstaben H T waren ihm in die Stirn gebrannt, etwas tiefer, fast zwischen den Augen, ein F, die Lettern waren schartig und dick, als habe das Eisen zu lange eingewirkt. Als Toadvine sich herüberdrehte, stellte der Junge fest, dass er keine Ohren mehr hatte. Der Mann stand auf, steckte das Messer in die Scheide und marschierte, die Stiefel in der Hand, über den Brettersteg auf das Hotel zu; der Junge stand ebenfalls auf und ging ihm nach. Auf halbem Weg blieb der Mann stehen und warf einen Blick auf den Schlamm; dann hockte er sich auf die Planken und zog die völlig verschmutzten Stiefel an. Anschließend erhob er sich wieder, stapfte durch den Hof und klaubte etwas vom Boden.

Gottverflucht, sagte er. Nun sieh dir mal meinen Hut an.

Man konnte nicht erkennen, was es war, irgendein totes Wesen. Der Mann klopfte den Hut ab, zog ihn sich über den Kopf und marschierte weiter; der Junge folgte ihm.

Die Kneipe war ein langer, schmaler, mit lackierten Brettern getäfelter Saal. An der Wand standen Tische, auf dem Boden Spucknäpfe. Es waren keine Gäste da. Als die beiden hereinkamen, hob der Barkeeper den Blick; ein Nigger, der den Boden gefegt hatte, stellte den Besen an die Wand und ging nach draußen.

Wo iss Sidney?, sagte der Mann im verschlammten Anzug.

Im Bett, nehm ich an.

Sie gingen weiter.

Toadvine, rief der Barkeeper.

Der Junge drehte sich um.

Der Barkeeper war hinter der Theke hervorgekommen und blickte den beiden nach. Sie marschierten durch die Tür und die Hotellobby zur Treppe, ließen dabei etliche Schlammbatzen auf dem Böden zurück. Sie waren schon unterwegs nach oben, da beugte sich der Mann an der Rezeption vor und rief ihnen etwas nach.

Toadvine.

Toadvine blieb stehen und blickte zurück.

Er wird dich abknallen.

Der alte Sidney?

Der alte Sidney.

Sie stiegen nach oben.

Der Treppenabsatz mündete in einen langen Flur mit einem Fenster ganz hinten. In den Wänden lackierte Türen, so dicht nebeneinander, als bärgen sie Toiletten. Toadvine marschierte weiter, bis er das Ende des Flurs erreicht hatte. Er lauschte an der hintersten Tür und warf dann dem Jungen einen Blick zu.

Hast’n Streichholz?

Der Junge durchstöberte seine Taschen und zog eine abgewetzte, fleckige Holzschachtel hervor.

Der Mann nahm sie ihm ab. Dann wollen wir mal’n bisschen zündeln, sagte er. Er zerkleinerte die Schachtel und stapelte die Splitter vor der Tür. Dann riss er ein Streichholz an und entzündete die Späne. Schließlich schob er den kleinen Brennholzstapel unter die Tür und legte noch ein paar Streichhölzer dazu.

Ist er da drin?, sagte der Junge.

Werden wir gleich sehn.

Ein dunkler Rauchkringel stieg auf, eine blaue Flamme brennenden Lacks. Die beiden hockten sich in den Flur und sahen zu. Schmale Flämmchen begannen über die Türfüllung zu huschen und schnellten wieder zurück. Die beiden Zuschauer wirkten wie Moorleichen.

Klopf mal, sagte Toadvine.

Der Junge stand auf. Toadvine erhob sich ebenfalls und wartete. Sie hörten das Flammengeknister im Zimmer. Der Junge klopfte.

Bisschen lauter. Der Kerl trinkt gern einen über’n Durst.

Der Junge ballte die Faust und donnerte ungefähr fünfmal gegen die Tür.

Heilige Scheiße, sagte eine Stimme.

Na also.

Sie warteten.

Du elende Drecksau, sagte die Stimme. Kurz darauf drehte sich der Knauf; die Tür öffnete sich.

Ein Mann in Leibwäsche stand da, in der Hand das Handtuch, mit dem er den Türknauf gedreht hatte. Als er die beiden sah, drehte er ab und wollte zurück ins Zimmer, aber Toadvine schnappte ihn am Hals, drückte ihn zu Boden, hielt ihn an den Haaren fest und versuchte ihm mit dem Daumen den Augapfel herauszuquetschen. Der Mann packte sein Handgelenk und biss hinein.

Los, rief Toadvine. Tritt ihm die Fresse ein.

Der Junge schritt an den beiden vorbei ins Zimmer, drehte sich herüber und trat den Mann ins Gesicht. Toadvine zog ihm an den Haaren den Kopf zurück.

Jawoll, Kleiner, rief er. Gib’s ihm.

Der Junge trat noch einmal zu.

Toadvine riss den blutigen Schädel herum, begutachtete ihn und ließ ihn dann auf den Boden plumpsen; anschließend erhob er sich und begann ebenfalls auf den Mann einzutreten. Zwei Zuschauer standen im Flur. Die Tür brannte inzwischen lichterloh, ebenso ein Teil der Wand und der Decke. Die beiden gingen hinaus und durch den Flur. Der Empfangschef eilte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe herauf.

Toadvine, sagte er. Du Dreckskerl.

Toadvine war vier Stufen über ihm; er gab ihm einen Tritt und traf ihn voll an der Kehle. Der Empfangschef ging zu Boden. Als der Junge an ihm vorbeikam, versetzte er ihm einen Schlag an den Schädel; der Mann sackte zusammen und rutschte in Richtung Treppenfuß. Der Junge stieg über ihn hinweg die Treppe hinunter, marschierte durch die Lobby zum Eingang und nach draußen.

Toadvine lief lachend die Straße entlang und fuchtelte dabei wie ein Verrückter mit den Fäusten über dem Kopf herum. Er und der Junge wirkten wie zwei belebte Voodoopuppen. Hinter ihnen leckten die Flammen an der oberen Hotelecke empor, dunkle Rauchwolken stiegen in den warmen texanischen Morgen.

Der Junge hatte das Maultier am Stadtrand bei einer mexikanischen Familie untergebracht; derangiert und außer Atem kam er dort an. Die Frau öffnete die Tür und musterte ihn.

Brauch mein Maultier, japste er.

Sie warf ihm einen längeren Blick zu; dann rief sie etwas nach hinten. Er schritt ums Haus. Pferde waren im Hof angebunden; vor dem Zaun stand ein flacher Karren, auf dessen Pritschenkante ein paar Truthähne hockten und in die Runde spähten. Die Alte erschien in der Hintertür. Nito, rief sie. Venga. Hay un caballero aquí. Venga.

Er ging durch den Stall zur Sattelkammer, griff sich seinen schäbigen Sattel und die Schlafrolle und marschierte damit zu seinem Muli. Er holte das Tier aus der Box, legte ihm das Rohlederhalfter an und führte es zum Zaun. Mit der Schulter ans Maultier gelehnt, sattelte er es und zog den Gurt fest; das Tier zuckte zusammen, scheute und fuhr mit dem Kopf über den Zaun. Er führte es durch den Hof. Es schüttelte andauernd den Kopf, als hätte es etwas im Ohr.

Er lenkte das Maultier hinaus auf die Straße. Kaum hatte er das Haus passiert, kam die Frau nach draußen und tappte ihm hinterher. Als sie ihn den Fuß in den Steigbügel setzen sah, begann sie zu laufen. Er schwang sich in den lädierten Sattel und trieb das Tier durch einen Zuruf an. Die Frau blieb am Tor stehen und blickte ihm nach. Er drehte sich nicht um.

Als er wieder zurück durch die Stadt ritt, brannte das Hotel lichterloh; Zuschauer standen herum, einige mit leeren Eimern. Ein paar Männer zu Pferd schauten dem Flammengeloder zu, darunter der Richter. Als der Junge vorbeiritt, drehte er sich herüber und blickte ihm nach. Dann wendete er sein Pferd, als solle es den Jungen ebenfalls sehen. Der Junge wandte sich um; der Richter lächelte. Der Junge trieb das Maultier an, worauf es mit schlürfenden Schritten am alten steinernen Fort vorbei in Richtung Westen zog.

II

Durch die Prärie – Ein Klausner – Niggerherz – Stürmische Nacht – Wieder nach Westen – Viehtreiber – Ihre Freundlichkeit – Wieder unterwegs – Der Leichenwagen – San Antonio de Bexar – Eine mexikanische Cantina – Noch ein Kampf – Die verlassene Kirche – Die Toten in der Sakristei – An der Furt – Bad im Fluss

Jetzt kommen Tage, an denen er bettelt, Tage, an denen er stiehlt. Tage, an denen außer ihm keine Menschenseele unterwegs ist. Er hat die Kiefernwald-Landschaft hinter sich gelassen; vor ihm sinkt die Abendsonne hinter eine endlose Senke, die Dunkelheit bricht hier herein wie ein Donnerschlag, der kalte Wind lässt das Strauchwerk rauschen. Der Nachthimmel ist derartig mit Sternen besprengt, dass kaum noch Raum für Schwärze bleibt; die Sterne stürzen die ganze Nacht über in scharfen Bögen dahin, ihre Zahl wird dadurch nicht kleiner.

Er hält sich abseits der Landstraße, aus Furcht vor der Bürgerschaft. Die kleinen Präriewölfe heulen die ganze Nacht; als der Morgen graut, befindet er sich in einer grasigen Talmulde, in die er sich vor dem Wind zurückgezogen hat. Das Maultier steht in Fußfesseln vor ihm und sucht den Osten nach Licht ab.

Die aufgehende Sonne hat die Farbe von Stahl. Sein Reiterschatten zieht über Meilen hinweg vor ihm her. Er trägt einen aus Blättern zurechtgeflochtenen Hut, das längst getrocknete Laub raschelt unter der Sonne; er wirkt wie ein verirrter Lumpenmann, der sonst immer in einem Garten die Vögel verscheucht hat.

Am Abend folgt er einer schräg zwischen den flachen Hügeln aufsteigenden Rauchsäule; noch vor Einbruch der Dunkelheit hält er am Eingang eines alten Klausners, der sich wie ein Riesenfaultier hier im Grasland niedergelassen hat. Einsam, halb wirr, die Augen rot gerändert, als wären sie mit glühendem Draht an den Höhlen befestigt. Aber der Körper trotzdem noch kräftig. Der Einsiedler beobachtete wortlos, wie der Junge steif aus dem Sattel stieg. Ein scharfer Wind wehte, die Lumpen flatterten um ihn herum.

Hab den Rauch gesehn, sagte der Junge. Hab gedacht, hier gibt’s vielleicht’n Schlückchen Wasser für mich.

Der alte Klausner kratzte sich das verfilzte Haar und blickte zu Boden. Dann ging er in die Hütte; der Junge folgte ihm.

Drinnen Dunkelheit, Geruch nach Erde. Auf dem schmutzigen Boden brannte ein kleines Feuer; die einzige Einrichtung war ein Stapel Felle in der Ecke. Der Alte schlurfte durch den Schummer, den Kopf gesenkt, um nicht an die niedrige Decke aus Reisig und Lehm zu stoßen. Er zeigte auf einen im Schmutz stehenden Eimer. Der Junge bückte sich, griff sich die darin schwimmende Gurde, tunkte sie ein und trank. Das Wasser schmeckte salzig, schweflig. Er nahm einen weiteren Schluck.

Was dagegen, wenn ich mein altes Muli da draußen tränk?

Der Alte begann mit der Faust auf die Handfläche zu schlagen; seine Augen huschten umher.

Hol auch gern frisches Wasser. Müssen mir bloß sagen, wo.

Aus was willst du das Vieh denn tränken?

Der Junge betrachtete den Eimer und warf dann einen Blick durch die düstere Hütte.

Ich will keinen Eimer, aus dem’n Muli gesoffen hat, sagte der Klausner.

Haben Sie nicht irgendwo noch’n andern?

Nein; rief der Einsiedler. Nein, hab ich nich. Er trommelte sich mit den geballten Fäusten auf die Brust.

Der Junge stand auf und spähte zum Eingang. Ich geh mal suchen, sagte er. Wo ist der Brunnen?

Den Buckel rauf, immer dem Weg nach.

Ist aber schon fast keine Sicht mehr da draußen.

Der Weg liegt vertieft. Geh einfach deinen Füßen nach. Oder dem Muli. Ich kann nich mit.

Der Junge trat hinaus in den Wind und hielt Ausschau nach seinem Maultier; es war nicht mehr da. Fern im Süden zuckten lautlose Blitze. Zwischen wedelnden Sträuchern ging er den Weg hinauf; das Maultier stand bereits vor dem Brunnen.

Ein Sandloch mit ringsum gestapelten Felsbrocken. Ein Stück Leder als Abdeckung, ein Stein, der es beschwerte. Ein Rohledergefäß mit Rohlederhenkel, ein schmieriger Lederstrick. Am Henkel war ein Stein festgebunden, der dafür sorgte, dass der Eimer sich neigte und füllte; der Junge ließ das Gefäß hinunter, bis sich der Strick entspannte; das Maultier äugte ihm über die Schulter.

Er zog drei Eimer voll herauf und hielt sie dem Muli so hin, dass nichts überlief; anschließend deckte er den Brunnen wieder ab und führte das Maultier über den Pfad zur Hütte zurück.

Dankschön fürs Wasser, rief er.

Der Klausner erschien dunkel im Eingang. Bleib doch noch, sagte er.

Lieber nicht.

Wär aber besser. Gibt nämlich Sturm.

Meinen Sie?

Ja, ganz bestimmt.

Na gut.

Hol mal dein Schlafzeug und deine Sachen.

Der Junge schnallte den Gurt auf, zog den Sattel ab, legte dem Maultier Fußfesseln an und ging mit der Schlafrolle nach drinnen. Es gab kein Licht außer dem Feuer; der Alte hockte im Schneidersitz davor.

Irgendwo, sagte der Klausner, völlig egal. Wo iss’n dein Sattel?

Der Junge wies mit dem Kinn.

Hol’n lieber rein, sonst wird er noch aufgefressen. Gibt’ne Menge hungriges Viehzeug da draußen.

Der Junge marschierte hinaus und stieß im Dunkeln gegen das Maultier. Es hatte vor dem Eingang gestanden und das Feuer beäugt.

Hau ab, du Hutsimpel, sagte er. Er schnappte sich den Sattel und ging wieder hinein.

Mach mal die Tür zu, sagte der Alte, sonst bläst’s uns noch weg.

Die Tür war ein Brettergewirr mit Angeln aus Leder. Er zog sie durch den Schmutz hindurch zu und verschloss sie mit dem ledernen Riegel.

Bist wohl vom rechten Weg abgekommen, sagte der Eremit.

Nein, überhaupt nicht.

Der Alte hob rasch die Hand. Neinein, sagte er. Ich mein, hast dich wohl verirrt, dass du hier gelandet bist. Gab’s’n Sandsturm? Hast in der Nacht die Orientierung verloren? Oder bist vielleicht überfallen worden?

Der Junge überlegte. Na ja, sagte er schließlich. Bin halt irgendwie von der Straße ab.

Hab ich mir gedacht.

Wie lang sind Sie schon hier draußen?

Wo draußen?

Der Junge saß dem Einsiedler gegenüber auf der Schlafrolle vor dem Feuer. Na hier, sagte er. An dem Platz hier.

Der Alte gab keine Antwort. Dann drehte er plötzlich den Kopf zur Seite, fasste sich mit Daumen und Zeigefinger an die Nase, schnäuzte einen doppelten Rotzstrahl auf den Boden und wischte sich die Finger am Saum seiner Jeans ab. Ich komm aus Mississippi. War mal Sklavenhändler, kann ich ja ruhig sagen. Hab gutes Geld gemacht. Bin nie erwischt worden. Irgendwann hing’s mir zum Hals raus. Hingen mir die Nigger zum Hals raus. Moment, ich zeig dir mal was.

Er wandte sich um, durchstöberte seine Felle und reichte dann einen kleinen dunklen Gegenstand durch die Flammen. Der Junge drehte das Ding hin und her. Ein vertrocknetes, schwärzlich verfärbtes Menschenherz. Er gab es wieder zurück; der Alte legte es sich auf die Hand, wie um es zu wiegen.

Vier Dinge können die Erde zerstören, sagte er. Weiber, Whiskey, Geld und Nigger.

Sie saßen schweigend da. Der Wind stöhnte in dem Stück Ofenrohr, das als Rauchabzug durchs Dach führte. Nach einer Weile legte der Alte das Herz wieder weg.

Das Ding hat mich zweihundert Dollar gekostet, sagte er.

Sie haben zweihundert Dollar dafür bezahlt?

Ja; so viel wollten sie nämlich haben für den schwarzen Strolch, in dem’s gebaumelt hat.

Der Alte kramte in der Ecke, holte einen alten dunklen Messingkessel hervor, hob den Deckel und stocherte mit dem Finger darin herum. Die Überreste eines mageren, in kaltem Fett liegenden und mit hellblauem Schimmel bepelzten Präriehasen. Er ließ den Deckel wieder herunter und stellte den Kessel in die Flammen. Iss nich viel, aber wir teilen’s uns, sagte er.

Dankschön.

Bist also im Dunkeln vom rechten Weg abgekommen, sagte der Alte. Er schürte die Glut; schmale Knochenspitzen tauchten in der Asche auf.

Der Junge gab keine Antwort.

Der Klausner begann heftig zu nicken. Jaja, Sünder haben’s schwer. Gott hat die Welt erschaffen, aber nich so, dass alle sich drin zurechtfinden, stimmt’s?

An mich hat er dabei jedenfalls nicht groß gedacht.

Richtig, sagte der Alte. Aber wohin kommt man, wenn man drüber nachdenkt? Kann man sich das überhaupt vorstellen, ’ne bessre Welt?

Also ich schon.

Und, kannst du sie auch verwirklichen?

Nein.

Eben. Iss einfach’n Rätsel. Man schafft’s nie, hinter die eignen Gedanken zu kommen, denn die sind’s ja grad, die man dazu braucht. Mit’m Herz iss es was andres, aber das will ja keiner kennen. Nein, da guckt man lieber nich rein. Iss nämlich nich das Herz von’m Geschöpf, das auf dem Weg bleibt, den Gott ihm bestimmt hat. Gemeinheit findst du noch beim Geringsten; als Gott den Menschen erschaffen hat, hat der Teufel direkt neben ihm gestanden. Der Mensch iss’n Geschöpf, das alles kann. Maschinen bauen. Und Maschinen, mit denen er noch mehr Maschinen baut. Und Böses, das sich tausend Jahre lang ganz allein aufrechterhält. Glaubst du nich?

Keine Ahnung.

Kannst du mir ruhig glauben.

Als das Gericht warm war, teilte der Klausner es mit dem Jungen; stumm aßen die zwei vor sich hin. Ein Gewitter zog nordwärts; wenig später donnerte es, Rostblättchen sickerten als schmales Rinnsal über das Ofenrohr. Die beiden kauerten über ihren Tellern, wischten das Fett mit den Fingern ab und tranken dann aus der Gurde.

Der Junge marschierte hinaus ins Dunkel, säuberte Tasse und Teller mit Sand, kehrte wieder zurück und klapperte dabei mit dem Blechgeschirr, als wolle er einen bösen Dämon verscheuchen. Ferne Gewitterwolken türmten sich flackernd unter dem irisierenden Himmel, bis die Schwärze sie wieder verschluckte. Der Alte saß da und lauschte hinaus in die heulende Wüste. Der Junge machte die Tür zu.

Du hast nich zufällig’n bisschen Tabak, oder?

Nein, sagte der Junge.

Hab ich mir fast gedacht.

Ob’s wohl noch regnet?

Wahrscheinlich nich. Sonst hätt’s schon längst angefangen.

Der Junge betrachtete das Feuer. Er war bereits am Einnicken. Schließlich stand er auf und schüttelte den Kopf. Der Eremit musterte ihn über die erlöschenden Flammen hinweg. Na los, sagte er, dann mach dir mal dein Bett.

Der Junge kam der Aufforderung nach. Er breitete seine Decken über den festgetretenen Lehm und zog die stinkenden Stiefel aus. Das Abzugsrohr stöhnte; draußen hörte er das Maultier stampfen und schnauben; im Schlaf zuckte und grummelte er wie ein träumender Hund.

Irgendwann nachts wachte er auf; in der Hütte war es beinahe vollständig dunkel, der Eremit beugte sich, fast schon auf dem Schlaflager des Jungen, über ihn.

Was wollen Sie?, sagte der Junge. Aber der Einsiedler kroch davon, und als der Junge am nächsten Morgen erwachte, war die Hütte leer; er nahm seine Sachen und machte sich auf den Weg.

Den ganzen Tag über beobachtete er eine dünne Staubwolke im Norden. Sie schien sich überhaupt nicht zu bewegen; erst am späten Abend stellte er fest, dass sie in seine Richtung zog. Er ritt durch einen Wald immergrüner Eichen, versorgte sich und das Maultier an einem Fluss mit Wasser, ritt in der Dämmerung weiter und schlug dann, ohne Feuer zu machen, sein Lager auf. Vögel weckten ihn; er lag inmitten von trockenem, staubigem Gehölz.

Gegen Mittag war er wieder in der Prärie; die Staubwolke im Norden dehnte sich über den Rand der Erde. Abends kamen die ersten Rinder eines Viehtrecks in Sicht. Langgliedrige, ungebärdige Tiere mit ausladenden Hörnern. Nachts hockte er im Lager der Treiber, aß Schiffszwieback mit Bohnen und ließ sich vom Hirtenleben erzählen.

Die Männer, schon vierzig Tage unterwegs, kamen aus Abilene und wollten zu den Märkten in Louisiana. Gefolgt von Wolfsrudeln, Kojoten, Indianern. Meilenweit ringsum im Dunkel stöhnten die Rinder.

Zerlumpt wie er, stellten sie ihm keine Fragen. Mischlinge, freigelassene Neger, ein paar Indianer.

Mir sind meine Sachen geklaut worden, sagte der Junge.

Sie nickten im Feuerschein.

Mein ganzer Krempel. Hab nicht mal mehr’n Messer.

Dann komm doch einfach zu uns. Ha’m nämlich zwei Leute verloren. Sind wieder umgedreht; wollen nach Kalifornien.

Und ich will in die Richtung.

Na, vielleicht willst du ja auch nach Kalifornien.

Vielleicht. Bin mir noch nicht ganz sicher.

Die zwei Jungs ha’m sich’n paar Leuten aus Arkansas angeschlossen. Wollten runter nach Bexar. Und dann weiter über Mexiko nach Westen.

Wenn die Jungs in Bexar sind, dann saufen sie sich bestimmt erst mal die Hucke voll.

Der olle Lonnie besteigt dort bestimmt erst mal alle Huren.

Wie weit ist’s überhaupt nach Bexar?

Rund zwei Tage.

Neenee, weiter. Ich würd sagen, über vier Tage.

Und wenn einer dorthin will, wo muss er da lang?

Direkt nach Süden; ungefähr nach’nem halben Tag müsstst dann auf die Landstraße kommen.

Willst du etwa nach Bexar?

Vielleicht.

Wenn du den ollen Lonnie dort siehst, dann sag ihm, er soll’n Nümmerchen für mich mitschieben. Sag ihm, für’n ollen Oren. Gibt dir bestimmt einen aus, falls er nich schon alles verpulvert hat.

Am nächsten Morgen aßen sie Pfannkuchen mit Melasse; dann sattelten die Viehtreiber auf und zogen weiter. Der Junge holte sein Maultier; an dessen Strick hatten die Männer einen kleinen Faserbeutel befestigt, in dem sich ein Becher voll getrockneter Bohnen, etwas Pfeffer und ein altes Kentucky-Messer mit umschnürtem Griff befanden. Er sattelte ebenfalls auf; der wundgeriebene Rücken des Mulis wurde allmählich kahl, die Hufe waren bereits rissig. Die Rippen wie Fischgräten. Kurz darauf trotteten sie über die endlose Ebene.

Am Abend des vierten Tags erreichte er San Antonio de Bexar; er verhielt das mitgenommene Maultier auf einer Anhöhe und blickte hinab auf die Stadt, auf die friedlichen Lehmziegelhäuser, auf die den Fluss säumenden grünen Eichen und Pappeln, die Plaza mit den von Planen aus Osnabrücker Leinwand bedeckten Wagen, die weiß getünchten öffentlichen Gebäude, die zwischen den Bäumen emporragende maurische Kirchenkuppel, das Fort und den hohen, steinernen Pulverturm in der Ferne. Eine leichte Brise stöberte im Laubgeflecht seines Hutes, im verfilzten, fettigen Haar. Seine Augen lagen dunkel und tief im hohlwangigen, gehetzten Gesicht; ein fauliger Gestank stieg aus den Schächten der Stiefel. Die Sonne war gerade untergegangen; im Westen dehnten sich blutrote Wolkenriffe, aus denen kleine Nachtschwalben aufstoben, als wären sie auf der Flucht vor einer Feuersbrunst am Ende der Welt. Er spuckte einen trockenen weißen Speichelbatzen aus und hieb dem Muli die zerbrochenen hölzernen Steigbügel an die Rippen, worauf sich das Tier taumelnd wieder in Bewegung setzte.

Er ritt einen schmalen Sandweg hinunter; ein Leichenwagen, auf dem mehrere Tote festgeschnürt waren, kam ihm entgegen, ein Glöckchen läutete, an der Ladeklappe baumelte eine Laterne. Auf dem Kutschbock saßen drei Männer; sie waren ganz weiß von Kalk und schienen im Dämmer zu phosphoreszieren, sodass sie beinahe wie die Toten selbst oder wie Geister aussahen. Zwei Pferde waren vor den Wagen gespannt; in einem zarten Miasma aus Karbol bewegte sich das Fuhrwerk den Weg hinauf und zog an dem Jungen vorüber. Er drehte sich um und blickte dem Wagen nach. Die nackten Füße der Toten ruckten steif hin und her.

Es war schon dunkel, als er in der Stadt eintraf; bellende Hunde begleiteten ihn, Gesichter teilten die Vorhänge hinter den lampenerleuchteten Fenstern. Das helle Klappern der Mulihufe hallte durch die kleinen, leeren Straßen. Das Maultier nahm Witterung auf und trottete dann durch eine Gasse zu einem Platz, wo ein Brunnen, ein Trog und ein Anbindepfosten im Sternenlicht schimmerten. Der Junge stieg aus dem Sattel, klaubte den Eimer vom Brunnenrand und ließ ihn hinunter. Leises Platschen hallte herauf. Er zog den Eimer hoch, Wasser tropfte im Dunkeln. Er tunkte die Gurde ein und trank; das Maultier stupste ihn am Ellbogen. Als er seinen Durst gelöscht hatte, stellte er den Eimer auf die Straße, setzte sich auf den Brunnenrand und sah dem aus dem Eimer trinkenden Muli zu.

Kurz darauf marschierte er, das Maultier führend, durch die Stadt. Niemand war unterwegs. Als er sich der Plaza näherte, hörte er Gitarren und ein Blasinstrument. Auf der anderen Seite des Platzes konnte er die Lichter eines Cafés erkennen; Gelächter und schrille Rufe ertönten. Er führte das Maultier an einem langen Säulengang vorbei und schritt über den Platz auf die Lichter zu.

Tänzer tanzten auf der Straße; sie hatten knallige Kostüme an und riefen sich auf Spanisch etwas zu. Ein paar Alte saßen vor der Wand der Taberna, Kinder spielten im Staub. Alle waren bizarr kostümiert, die Männer trugen dunkle, flache Hüte, weiße Nachthemden und Hosen mit Knöpfen am Hosenbein, die Mädchen hatten grellgeschminkte Gesichter und Schildpattkämme im blauschwarzen Haar. Der Junge überquerte die Straße, band das Maultier fest und trat ins Café. Ein paar Männer standen an der Bar; als er hereinkam, unterbrachen sie ihr Gespräch. Er ging über den blanken Lehmboden, passierte dabei einen schlafenden Hund, der ein Auge öffnete und ihn ansah, stellte sich an die Bar und legte beide Hände auf die Thekenplatte. Der Barkeeper nickte ihm zu. Dígame, sagte er.

Ich brauch’n Drink, hab aber kein Geld. Bring dafür gern den Dreck raus oder mach den Boden sauber oder so.

Der Barkeeper spähte hinüber zu einem Tisch, an dem zwei Männer Domino spielten. Abuelito, sagte er.

Der ältere der beiden hob den Kopf.

Qué dice el muchacho.

Der Alte warf einen Blick auf den Jungen und widmete sich dann wieder seinen Dominosteinen.

Der Barkeeper zuckte die Achseln.

Der Junge wandte sich dem Alten zu. Sprechen Sie Englisch?, sagte er.

Der Alte hob den Blick vom Spiel und sah den Jungen ausdruckslos an.

Sagen Sie ihm, ich will den Drink abarbeiten. Ich hab kein Geld.

Der Alte reckte das Kinn und schnalzte mit der Zunge.

Der Junge musterte den Barkeeper.

Der Alte machte eine Faust, hielt den Daumen nach oben, den kleinen Finger nach unten, neigte den Kopf zurück und kippte sich einen imaginären Drink in die Kehle. Quiere hecharse una copa, sagte er. Pero no puede pagar.

Die Männer an der Bar lugten herüber.

Der Barkeeper sah den Jungen an.

Quiere trabajó, sagte der Alte. Quién sabe. Er wandte sich wieder den Dominosteinen zu und setzte sein Spiel ohne weiteren Kommentar fort.

Quieres trabajar, sagte einer der Männer an der Theke.

Sie brachen in Gelächter aus.

Was gibt’s da zu lachen?, sagte der Junge.

Das Gelächter verstummte. Ein paar blickten ihn an, die anderen schürzten die Lippen oder zuckten die Achseln. Der Junge drehte sich dem Barkeeper zu. Verdammt noch mal, ich weiß ganz genau, dass es hier was gibt, was ich für’n paar Drinks machen könnt.

Einer an der Theke sagte etwas auf Spanisch. Der Junge starrte die Männer wütend an. Sie zwinkerten sich zu und hoben ihre Gläser.

Der Junge wandte sich wieder an den Barkeeper. Seine Augen waren dunkel und schmale Schlitze. Könnt den Boden fegen, sagte er.

Der Barkeeper blinzelte.

Der Junge trat ein paar Schritte zurück und imitierte die Bewegungen eines Fegenden, eine Pantomime, die die Trinker in stumme Heiterkeit versetzte. Fegen, sagte er und deutete auf den Boden.

No está sucio, sagte der Barkeeper.

Der Junge fegte noch mal. Gottverdammt, sagte er, fegen.

Der Barkeeper zuckte die Achseln. Er schritt zum anderen Ende der Bar, holte einen Besen und kehrte damit zurück. Der Junge nahm ihm den Besen ab und ging nach hinten.

Das Lokal groß wie ein Saal. Er fegte die Ecken, wo eingetopfte Bäume stumm im Dunkel standen. Fegte um die Spucknäpfe, um die Spieler am Tisch, um den Hund herum. Dann fegte er vor der Bar; als er die Stelle erreicht hatte, wo die Trinker standen, richtete er sich auf, stützte sich auf den Besen und sah die Männer an. Sie berieten sich leise miteinander; schließlich nahm einer sein Glas von der Theke und machte Platz. Die Übrigen folgten ihm. Der Junge fegte an ihnen vorbei in Richtung Tür.

Die Tänzer und Musikanten waren fort. Auf der anderen Straßenseite saß ein Mann auf einer Bank, matt erleuchtet vom Türlicht des Cafés. Das Maultier stand noch dort, wo der Junge es angebunden hatte. Er klopfte den Besen an der Treppe ab, ging wieder hinein und stellte ihn in die Ecke, aus der der Barkeeper ihn geholt hatte. Dann trat er an die Theke und wartete.

Der Barkeeper achtete nicht auf ihn.

Der Junge pochte mit den Knöcheln.

Der Barkeeper drehte sich herüber, stemmte die Hand in die Hüfte und schürzte die Lippen.

Was ist jetzt mit dem Drink?, sagte der Junge.

Der Barkeeper rührte sich nicht vom Fleck.

Der Junge ahmte, wie der Alte zuvor, die Bewegungen eines Trinkenden nach; der Barkeeper wedelte träge mit seinem Tuch vor ihm herum.

Andale, sagte er. Er machte eine scheuchende Handbewegung.

Das Gesicht des Jungen verfinsterte sich. Du Scheißkerl, sagte er. Er schritt die Theke entlang. Der Barkeeper verzog keine Miene. Er holte eine altmodische Armeepistole mit Steinschloss unter der Theke hervor und spannte mit dem Handballen den Hahn. Ein lautes, hölzernes Klicken in der Stille. Gläsergeklirr an der Bar. Scharren von Stühlen, die die Spieler an der Wand zurückschoben.

Der Junge erstarrte. Alter, sagte er.

Der Alte schwieg. Es gab keinen Laut in dem Café. Der Junge drehte sich zu dem Alten hinüber.

Está borracho, sagte der Alte.

Der Junge fixierte die Augen des Barkeepers.

Der Barkeeper wies mit der Pistole zur Tür.

Der Alte begann auf Spanisch zu sprechen. Er sagte etwas zu dem Barkeeper. Dann setzte er den Hut auf und ging nach draußen.

Das Gesicht des Barkeepers entfärbte sich. Er legte die Pistole weg und kam, einen Spundaustreiber in der Hand, um die Theke.

Der Junge wich in die Mitte des Raums zurück; der Barkeeper stapfte auf ihn zu, als habe er eine lästige Pflicht zu erfüllen. Zweimal holte er aus, zweimal wich der Junge nach rechts. Dann wich er in Richtung Bar. Der Barkeeper erstarrte. Der Junge schwang sich behände über die Theke und ergriff die Pistole. Niemand regte sich. Er drückte den Pfanndeckel der Waffe an der Thekenplatte auf, kippte das Zündkraut heraus und legte die Pistole wieder hin. Dann klaubte er sich zwei volle Flaschen vom Büfett und kam, in jeder Hand eine, um die Bar.

Der Barkeeper stand mitten im Raum. Keuchend drehte er sich um die eigene Achse und folgte den Bewegungen des Jungen. Als der Junge heranrückte, hob er den Schlegel. Die Flaschen in beiden Händen, tauchte der Junge geschickt weg, fintierte und schmetterte dann dem Mann die rechte Flasche an den Kopf. Blut und Alkohol spritzten; der Barkeeper knickte in den Knien ein und verdrehte die Augen. Der Junge hatte den Flaschenhals bereits losgelassen; gewandt wie ein Straßenräuber ließ er die zweite Flasche von der Linken in die Rechte gleiten, knallte sie dem Mann mit der Rückhand an den Schädel und stieß dem zu Boden Gehenden den gezackten Flaschenrest ins Auge.

Der Junge warf einen Blick in die Runde. Ein paar der Männer hatten Pistolen hinter dem Gürtel, aber keiner rührte sich. Der Junge schwang sich über die Theke, nahm eine weitere Flasche, klemmte sie sich unter den Arm und marschierte zur Tür hinaus. Der Hund war verschwunden. Der Mann auf der Bank ebenfalls. Er band das Maultier los und führte es über den Platz.

 

Im Hauptschiff einer baufälligen Kirche wachte er auf und betrachtete blinzelnd das Deckengewölbe und die hohen, überhängenden Wände mit den verblichenen Fresken. Der Boden der Kirche war dunkel von getrocknetem Guano, von Rinder- und Schafdung. Tauben flatterten durch staubige Lichtpfeiler, drei Truthahngeier tappten auf dem zerhackten Skelett eines toten Tiers im Altarraum umher.

Er hatte rasende Kopfschmerzen, seine Zunge war vor Durst ganz geschwollen. Er richtete sich auf und sah in die Runde. Dann holte er die unter dem Sattel verstaute Flasche hervor, hielt sie hoch, schüttelte sie, zog den Korken heraus und trank. Mit geschlossenen Augen, Schweißperlen auf der Stirn, hockte er da. Schließlich öffnete er die Augen und trank noch mal. Die Truthahngeier hüpften hintereinander vom Skelett und trotteten in die Sakristei. Nach einer Weile stand er auf, ging nach draußen und hielt Ausschau nach seinem Maultier.

Es war nirgends zu sehen. Die Missionsstation umfasste acht bis zehn Ar eingefriedeten Landes, ein verwaistes Terrain mit ein paar Ziegen und Burros. In den Lehmmauern befanden sich Nischen, die von illegalen Ansiedlern bewohnt wurden; ein paar Kochfeuer rauchten schwach in der Sonne. Er marschierte um die Kirche herum und trat in die Sakristei. Truthahngeier stapften wie riesige Hofhühner durch Spreu und Tünche. Am Kuppelgewölbe klumpte sich eine dunkle, bepelzte Masse, die atmete und sich zwitschernd bewegte. Ein Holztisch mit ein paar Tontöpfen darauf stand in dem Raum; vor der Hinterwand lagen die sterblichen Überreste von Menschen, darunter die eines Kindes. Er ging durch die Sakristei zurück in die Kirche, holte seinen Sattel, trank die Flasche leer, nahm den Sattel auf die Schulter und marschierte nach draußen.

Die Gebäudefassade barg eine Reihe von Nischen mit Heiligenfiguren darin, an denen amerikanische Truppen ihre Büchsen erprobt hatten; den Plastiken fehlten Ohren und Nase, der Stein war besprenkelt mit dunklen, bereits oxydierten Einschusslöchern. Die riesige, geschnitzte und mit Paneelen versehene Flügeltür hing schief in den Angeln; eine Jungfrau Maria aus gemeißeltem Stein hielt ein kopfloses Kind in den Armen. Blinzelnd stand er in der Mittagshitze. Dann entdeckte er die Hufspuren des Maultiers. Gerade noch sichtbare Abdrücke im Staub, die aus der Kirchentür übers Gelände zum Tor an der Ostmauer führten. Er rückte den Sattel auf der Schulter zurecht und ging den Spuren nach.

Ein im Portalschatten liegender Hund stand auf und zottelte mürrisch hinaus in die Sonne; als der Junge an dem Tier vorbei war, tappte es wieder zurück. Völlig zerlumpt, schlug er den Feldweg hügelabwärts in Richtung Fluss ein. Kurz darauf umfing ihn tiefer Pekan- und Eichenwald; der Weg führte auf eine Anhöhe, weiter unten war schon der Fluss zu sehen. Ein paar Schwarze wuschen in der Furt eine Kutsche; er ging den Hügel hinunter und blieb am Flussufer stehen; nach einer Weile rief er den Schwarzen etwas zu.

Die Männer schütteten Wasser über den schwarzen Lack; einer von ihnen stand auf und spähte herüber. Die Pferde standen bis zu den Knien in der Strömung.

Was?, rief der Schwarze.

Habt ihr hier irgendwo’n Muli gesehn?

’n Muli?

Hab mein Muli verloren. Müsst eigentlich hier lang sein.

Der Schwarze wischte sich mit dem Arm übers Gesicht. Irgendsowas iss hier ungefähr vor’ner Stunde vorbeigekommen. Iss dann wohl da vorn den Fluss runter. Könnt’n Muli gewesen sein. Hat keinen richtigen Schwanz und kein richtiges Fell gehabt, aber dafür zwei lange Ohren.

Die beiden anderen Schwarzen grinsten. Der Junge spähte flussabwärts. Dann spuckte er aus und marschierte den Uferpfad entlang durch das Weidengestrüpp und die Grasmulden.

Er fand das Maultier einhundert Meter weiter flussab. Nass bis zum Bauch, blickte es ihn an und senkte den Kopf dann wieder ins saftige Ufergras. Er warf den Sattel zu Boden, nahm den Strick auf, band das Muli an einem Ast fest und gab ihm einen halbherzigen Tritt. Es wich ein Stück zur Seite und graste weiter. Er griff nach seinem Kopf, aber der verrückte Hut war ihm irgendwo verlorengegangen. Er tappte zwischen den Bäumen hindurch, blieb stehen und betrachtete das kalte, wirbelnde Wasser. Dann watete er wie ein völlig abgerissener Täufling in den Fluss.

III

Aufgespürt vom Truppenwerber – Gespräch mit Captain White – Dessen Ansichten – Das Lager – Das Maultier wird eingetauscht – Eine Cantina im Laredito – Ein Mennonit – Tod eines Gefährten

Die zerlumpte Kleidung über die Zweige gebreitet, lag er nackt unter den Bäumen; ein Reiter kam flussabwärts näher, zügelte sein Pferd und hielt an.

Der Junge spähte hinüber. Zwischen den Weiden sah er die Beine des Pferdes. Er drehte sich auf den Bauch.

Der Mann stieg aus dem Sattel und blieb neben dem Pferd stehen.

Der Junge griff nach dem Messer mit dem umschnürten Griff.

Hallo, sagte der Reiter.

Der Junge gab keine Antwort. Er drehte sich auf die Seite, um besser durchs Gestrüpp sehen zu können.

Hallo. Wo steckst du denn?

Was wollen Sie?

Mit dir sprechen.

Über was?

Heiliger Bimbam, jetz komm schon raus. Bin’n Weißer und Christ.

Der Junge langte durchs Weidengeäst und versuchte an seine Breeches zu kommen. Der Gürtel baumelte herunter; er zog daran, aber die Hose blieb an einem Zweig hängen.

Gottverdammich, sagte der Mann. Du bist doch nich etwa da oben in’n Bäumen, oder?

Wieso ziehn Sie nicht einfach weiter und lassen mich in Ruh?

Möcht bloß mal mit dir sprechen. Will dir ja nich ans Bein pinkeln.

Schafft bei mir eh keiner.

Bist du der Knabe, der dem Mexi gestern Abend’n Schädel eingeschlagen hat? Keine Angst, bin kein Gesetzeshüter.

Wer will das wissen?

Captain White. Er möcht den Knaben nämlich für die Truppe haben.

Die Truppe?

Ja, Sir.

Was denn für’ne Truppe?

Die von Captain White. Wir ha’m vor, die Mexis mal ordentlich aufs Haupt zu schlagen.

Der Krieg ist doch vorbei.

Für Captain White noch lang nich. Wo steckst du denn?

Der Junge stand auf, zerrte die Breeches aus dem Geäst und zog sie an. Dann stieg er in die Stiefel, verstaute das Messer im Schaft des rechten, streifte das Hemd über und kam hinter den Weiden hervor.

Der Mann saß mit gekreuzten Beinen im Gras. Er trug Wildlederkleidung, einen schwarzen, staubigen Zylinder und hatte einen mexikanischen Zigarillo im Mundwinkel. Als er sah, was sich da durchs Weidengestrüpp heranschob, schüttelte er den Kopf.

Wohl ganz schön schlimme Zeiten für dich, Junge, sagte er.

Jedenfalls keine guten.

Und? Willst du mit nach Mexiko?

Hab dort nichts verloren.

Wär aber’ne Chance, aus dem Schlamassel rauszukommen. Solltest lieber was für dich tun, sonst gehst nämlich unter.

Was kriegt man denn so bei der Truppe?

Jeder kriegt’n Gaul und Munition. Für dich finden wir bestimmt auch noch was zum Anziehn.

Hab doch gar keine Knarre.

Besorgen wir dir.

Und der Sold?

Heiliger Bimbam, Junge, was brauchst’n da noch’n Sold? Musst einfach behalten, was du auftreiben kannst. Wir gehn nach Mexiko. Iss alles unsre Kriegsbeute dort. Gibt keinen in der Truppe, der nich als großer Landbesitzer da wieder rauskommt. Wie viel Land hast’n im Moment?

Bin noch nie Soldat gewesen.

Der Mann begutachtete ihn. Er nahm den nicht angezündeten Zigarillo aus dem Mundwinkel, drehte den Kopf zur Seite, spuckte aus und steckte sich den Zigarillo wieder zwischen die Zähne. Wo bist’n her?, sagte er.

Aus Tennessee.

Aus Tennessee. Na, mit’ner Büchse wirst ja wohl umgehen können.

Der Junge hockte sich ins Gras. Er warf einen Blick auf das Pferd. Das Tier trug Zaumzeug aus gepunztem Leder mit eingearbeiteten Silberverzierungen. Es hatte eine weiße Blesse, weiße Füße und fraß große Büschel vom saftigen Gras. Und Sie?, sagte der Junge. Wo kommen Sie her?

Ich bin seit achtunddreißig in Texas. Hätt ich nich Captain White getroffen, dann wüsst ich nich, wo ich heut wär. War damals noch elender dran wie du; er iss gekommen und hat mich auferweckt wie Lazarus. Hat mich auf den Pfad der Gerechten gelenkt. Hätt sonst weitergesoffen und weitergehurt, bis ich in der Hölle gelandet wär. Irgendwas hat er in mir gesehn, was er retten wollt, und so was seh ich jetz auch in dir. Na, was meinst du?

Keine Ahnung.

Komm einfach mal mit und sprich mit dem Captain.

Der Junge zupfte an den Grashalmen. Er betrachtete noch einmal das Pferd. Na gut, sagte er. Schaden kann’s ja wohl nichts.

Kurz darauf ritten sie durch die Stadt, der Truppenwerber prächtig auf dem weißfüßigen Pferd, der Junge wie ein Gefangener hinter ihm auf dem Maultier. Sie zogen durch schmale Gassen; die Reisighütten dunsteten in der Hitze. Auf den Dächern wuchsen Gras und Feigenkakteen; Ziegen tappten darauf umher. Irgendwo in diesem erbärmlichen Reich aus Lehm war das leise Läuten der Totenglöckchen zu hören. Sie bogen in die Commerce Street ein, passierten das Wagengewirr auf dem Marktplatz und überquerten dann eine weitere Plaza, wo kleine Jungen Weintrauben und Feigen aus Handkarren feilboten. Ein paar knochendürre Hunde schlichen vor den beiden davon. Sie ritten über die Military Plaza und kamen an der kleinen Straße vorbei, wo der Junge und sein Maultier in der Nacht zuvor Wasser getrunken hatten; Frauen und Mädchen scharten sich um den Brunnen, allerlei mit Korbgeflecht umhüllte Tontöpfe standen herum. Sie passierten ein Häuschen mit schluchzenden Frauen darin; der kleine Totenkarren stand mit den geduldigen Pferden reglos inmitten der Hitze und Fliegen.

Der Captain hatte sich in einem Hotel auf einer mit Bäumen bewachsenen Plaza einquartiert; es gab dort eine kleine grüne Laube mit Bänken. Das Eisentor an der Fassade führte in einen Durchgang und weiter hinten in einen Hof. Die weiß getünchten Mauern waren mit kleinen bunten Kacheln geschmückt. Der Truppenwerber des Captain trug Zierlederstiefel mit hohen Absätzen, die klackend auf die Fliesen und die vom Hof nach oben führenden Stufen schlugen. Im Hof wuchsen grüne Pflanzen; sie waren frisch gegossen und dunsteten noch. Der Truppenwerber schritt über den langen Balkon und klopfte dann hinten laut an eine Tür. Eine Stimme bat herein.

Der Captain saß an einem Korbtisch und schrieb Briefe. Die beiden Besucher blieben abwartend stehen, der Truppenwerber mit dem schwarzen Hut in den Händen. Ohne den Blick zu heben, schrieb der Captain weiter. Draußen sagte eine Frau etwas auf Spanisch. Sonst war nur das Schaben der Feder zu hören.