Die Abschaffung der Mutter - Alina Bronsky - E-Book

Die Abschaffung der Mutter E-Book

Alina Bronsky

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Beschreibung

Was ist das Muttersein unserer Gesellschaft wert?

Eine Schwangerschaftsvorsorge, die in Entmündigung gipfelt. Geburten, bei denen es vor allem um eines geht: (Kosten-)Effizienz. Ein Wochenbett, das seinen Namen nicht mehr verdient. Stillen nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit und keinesfalls zu lange. Väter, die versuchen, die bessere Mutter zu sein. Eine Politik, die alles dafür tut, Kinder so schnell wie möglich in die Krippe zu stecken. Die Verunsicherung von Müttern als Geschäftsmodell. Wertschätzung? Unterstützung? Fehlanzeige.

Wer sich heute als Frau für ein Kind entscheidet, der muss verrückt sein, so könnte man meinen. Denn Mütter werden in unserer Gesellschaft zunehmend bevormundet, kleingehalten und überwacht. Jegliche Kompetenz mit dem eigenen Kind wird ihnen abgesprochen. Wer im Beruf ernstgenommen und von seinem Umfeld anerkannt werden möchte, der lässt seine Bedürfnisse als Mutter unter den Tisch fallen. Denn eines will man auf gar keinen Fall sein: eine Glucke. Schritt für Schritt vollzieht sich so Die Abschaffung der Mutter. In ihrem Buch liefern Alina Bronsky und Denise Wilk eine schonungslose Analyse der Entwicklungen. Pointiert und zugespitzt schildern sie, wer die Nutznießer sind, und fragen, was sich ändern muss, damit Mütter wieder den Rückhalt bekommen, den sie verdienen.

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Seitenzahl: 256

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Das Buch

Eine Schwangerschaftsvorsorge, die in Entmündigung gipfelt. Geburten, bei denen es vor allem um (Kosten-)Effizienz geht. Väter, die versuchen, die bessere Mutter zu sein. Eine Politik, die alles dafür tut, Kinder so schnell wie möglich in die Krippe zu stecken. Die Verunsicherung von Müttern als Geschäftsmodell. Unterstützung? Fehlanzeige.

Eine Frau, die sich heutzutage für ein Kind entscheidet, muss verrückt sein, so könnte man meinen. Vermehrungsappelle aus Politik und Wirtschaft gibt es zwar reichlich. Doch in Wirklichkeit sind Familien eher lästig als ein Grund zur Freude. Das spüren vor allem die Mütter: Sie werden belächelt, bevormundet und als ahnungslose Helikopter-Glucken abgestempelt.

Alina Bronsky und Denise Wilk schildern in ihrem Buch die Abschaffung der Mutter. Pointiert und zugespitzt zeigen sie, wie Frauen mit Kindern an den Rand gedrängt werden, und fordern ein Ende des ständigen Reinredens und Bewertens. Sie stellen klar: Eine Mutter ist für ihr Kind nicht zu ersetzen – und verdient Anerkennung und Respekt.

Die Autorinnen

Alina Bronsky, geboren 1978 in Jekaterinburg, und Denise Wilk, geboren 1973 in Freiburg, wissen, wovon sie sprechen. Die beiden Frauen haben zusammengezählt zehn Kinder (Stiefkinder nicht mitgerechnet) und jahrelang erlebt, was im Umgang mit Müttern schiefläuft. Alina Bronsky ist erfolgreiche Bestsellerautorin (»Scherbenpark«, »Baba Dunjas letzte Liebe«); Denise Wilk begleitet als Doula Frauen vor, während und nach der Geburt und gibt Eltern-Kind-Kurse.

Alina BronskyDenise Wilk

Die Abschaffung der Mutter

Kontrolliert, manipuliert und abkassiert – warum es so nicht weitergehen darf

Deutsche Verlags-Anstalt

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Copyright © 2016 Deutsche Verlags-Anstalt, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Thierry Wijnberg, Berlin

Typografie und Satz: DVA/Andrea Mogwitz

Gesetzt aus der Palatino Nova

ISBN 978-3-641-18273-1V001

www.dva.de

Inhalt

Auf dem Weg zum Mutterersatz: Warum wir dieses Buch geschrieben haben

1. Kinderwunsch: »Habt ihr sonst keine Hobbys?«

Kindersegen nur mit Gütesiegel

Die Täterin mit dickem Bauch

Vorsicht, ansteckend

Man muss wahnsinnig sein

2. Die verkaufte Mutter und die neue Fortpflanzungstechnologie

Eine Frage von Aufwand und Kosten

Ist das nicht irgendwie toll?

»Künstliches Weißnichtwas«

Bindung als Störfall

Baby vertraglich zugesichert

»Deine Zwillinge gehören mir«

Social Freezing: Kinderwunsch auf Eis gelegt

3. Die Schwangere als größtes Risiko für ihr Kind

Krank wie noch nie

Das Märchen vom niedrigen Hämoglobin

Die bösen Streptokokken

Die letzten Hebammen

Die lukrative Schwangere

Heute im Programm: Babyfernsehen

Mangelware Fötus

4. Das Märchen von der unterstützten Geburt

Wer wird dich entbinden?

»Das ist aber mutig!«

Anästhesie statt Zuwendung

Gut und günstig

Von den Nachbarn lernen

Gondelfahrt Kaiserschnitt

Blutige Geschichte

Hände in die Hosentaschen

5. Das vergessene Wochenbett

Plötzlich allein

Eine Geburt ist nur ein Tag

Was heißt hier, nicht selbstgeboren?

Die Würde der Frau aus wissenschaftlicher Sicht

6. »Mach die Bluse zu!« Das hysterische Verhältnis zum Stillen

Exhibitionistinnen am Werk

Der Segen des Milchpulvers – für die Hersteller

Pulvermilch für die Mutter

Fanatiker der »Muttermilchreligion«

Besonders starke Nerven

Vom Wundercocktail zum weißen Zuckerwasser

7. Die Mutter in der Häschenschule

Du hast alles falsch gemacht

In der Falle der Anleitungshörigkeit

Jeder ist ein Experte für dein Kind

Je ein Kurs fürs Essen, Kacken und Sprechen

Mit »Green Proofing« zum »Green Baby«

Die neue Einsamkeit der Mütter

8. Der Vater als bessere Mutter

Papa kann auch stillen

Sind Muttergefühle von gestern?

Verdrehte Emanzipation

Zweikampf mit Anfeuern

Staatsfeind Nummer eins

Der Mangel ist die Regel

Kahlschlag für alle

Hobby: alleinerziehend

Sorgerecht ohne Sorgepflicht

»Lassen Sie ihm das Kind, Sie hatten es schon so lange!«

Die kleinen Pendler

Tote Mutter, guter Vater

9. Kitapflicht für alle: Familiäre Erziehung als Auslaufmodell

Habt ihr schon einen Platz?

Schreien gehört dazu

Schlammschlacht um das Betreuungsgeld

Krippenplätze auf niedrigstem Niveau multipliziert

Mother knows best

Familie ist von gestern

10. Die Lüge von der Vereinbarkeit: »Wann arbeitest du endlich wieder?«

Bloß kein Laternenfest erwähnen

Mütter dürfen sich gern totarbeiten

Minutiös ausgetüftelt und zum Nachahmen ungeeignet

Dafür haben wir nicht gekämpft

Und was ist mit mir?

Co-Working Toddler

Die Vereinbarungslüge

Anderswo ist alles besser

Unsere Utopie: Wie wir mit Kindern leben wollen

Dank

Literaturverzeichnis

Auf dem Weg zum Mutterersatz: Warum wir dieses Buch geschrieben haben

Während der Arbeit an diesem Buch sind wir immer wieder gewarnt worden. Mal waren die Reaktionen liebevoll und besorgt, mal ängstlich, gelegentlich auch gehässig. Eine kleine Auswahl der Fragen, die uns während des Schreibens begleitet haben: Ob wir es mit dem Thema wirklich ernst meinen. Ob uns klar sei, wie reaktionär unser Ansatz gesehen werden kann. Ob wir je wieder aus dieser Ecke herauskämen. Ob es nicht sicherer wäre, das Buch unter geschlossenen Pseudonymen herauszubringen.

Selbst die Sorge, ob jemand nach der Veröffentlichung überhaupt noch mit uns arbeiten wolle oder ob unsere Namen ab jetzt »beschädigt« seien, wurde nicht nur im Scherz diskutiert. So war uns von der ersten Sekunde an klar, dass wir an einem Hochrisikoprojekt arbeiteten. Doch was hatten wir vor? Waren wir etwa in einem Kriegsgebiet unterwegs oder dabei, eine Spionageaffäre aufzudecken? Gaben wir schreckliche, intime Geheimnisse öffentlich preis? Eigentlich waren wir der Meinung, dass wir über das Selbstverständliche, Alltägliche, jedem Vertraute schrieben: über Mütter und den Umgang unserer Gesellschaft mit ihnen.

Mütter. Jeder von uns hat eine. Manche sind mit einer verheiratet. Andere sind es selbst. Wir zum Beispiel: Mit unseren sechs beziehungsweise vier leiblichen Kindern, die Stiefkinder nicht mitgerechnet, haben wir die durchschnittliche Kinderzahl einer Frau in Deutschland (1,47) beide längst überschritten. Wir gehen nicht davon aus, dass uns das zu allwissenden oder auch nur besseren Müttern macht. Wohl aber sind wir der Meinung, dass wir Gelegenheit hatten, uns seit fast zwei Jahrzehnten ausgiebig mit der Mutterrolle zu beschäftigen. Wir zogen unsere Kinder groß und spürten nach, wie unser Umfeld uns beobachtete und sich dabei veränderte. Auch wir machten Entwicklungen durch. Ein Vorteil, wenn man gleichzeitig Kinder hat, die Abitur machen, und Kinder, die gerade laufen lernen – von den Altersstufen dazwischen gar nicht zu reden –, ist die Möglichkeit, zeitgeistbedingte Veränderungen zu vergleichen. Schließlich haben wir sie selbst erlebt.

Nicht zuletzt sind da auch die anderen Mütter. Jahrelang haben wir, privat und beruflich, unzählige Gespräche geführt und Beobachtungen festgehalten. Ein Kind in den neunziger Jahren zu bekommen war anders als heute. Eines auf dem Lande großzuziehen ist nicht das Gleiche wie in der Großstadt. Dennoch konnten wir Tendenzen erkennen, die uns Sorgen machen und über die wir in diesem Buch sprechen wollen.

Mütter kleiner Kinder sind in Deutschland trotz ihrer großen Zahl eine Randgruppe geworden, die dann am freundlichsten behandelt wird, wenn sie nicht weiter auffällt. Was absurd ist, schließlich hat immer noch die überwiegende Mehrheit der Frauen Kinder. Was uns besonders trifft, ist die Bereitschaft der Mütter, sich diesen Erwartungen anzupassen – als sollten Kinderkriegen und Erziehung still und heimlich in einem dafür vorgesehenen Reservat erledigt werden. Dort, wo das richtige Leben spielt, wo berufliche und kulturelle Höhepunkte locken, wo sich Erwachsene treffen, um bedeutende Dinge zu erreichen oder auch nur Spaß zu haben – dort haben Mütter nichts zu suchen. Und wenn sie sich daruntermischen, dann nach Möglichkeit getarnt.

Das allein ist schon schlimm genug. Was uns noch weniger gefällt: Selbst die trügerischen Schutzräume bröckeln immer mehr, denn Mütter sollen mal gewaltsam, mal mit Lockmitteln dort herausgeholt werden. Aber auf keinen Fall gemeinsam mit ihren Kindern. Meist bedeutet das: eine frühe Trennung der Mutter vom Kind zugunsten einer ausgedehnten Berufstätigkeit, die ein höheres Ansehen genießt als die Mutterschaft. In der jüngsten Zeit scheint es gewollt zu sein, die Mutter als entbehrlich und ersetzbar hinzustellen. Auf unterschiedlichen Ebenen arbeitet man am Mutterersatz. Zurück bleiben die Kinder – und die Frauen, von denen viele sich nicht eingestehen wollen, dass man ihnen etwas Lebenswichtiges raubt.

Mütter, die wiederum gern Mütter sind und das auch nicht verbergen, scheinen eine besondere Provokation zu sein. Sie werden noch mehr angefeindet als sogenannte »Rabenmütter«; selbst Vernachlässigung wird leichter verziehen als eine enge und liebevolle Beziehung, die vorschnell als ein lächerliches bis gefährliches Zuviel wahrgenommen wird – von Menschen, die sie eigentlich nichts angeht.

Mütter gelten grundsätzlich als verblendet, wenn es um ihren Nachwuchs geht. Nicht zuletzt heißt es in vielen Kindergärten und Schulen, dass die Eltern das Schlimmste an der Arbeit seien. Sie dürfen Kuchen backen, auf Festen Getränke verkaufen, zu Ausflügen begleiten und das Klassenzimmer renovieren. Mischen sie sich jedoch ein oder hinterfragen gar die Arbeit der Pädagogen, werden gerade Mütter schnell als überambitionierte, jedoch ahnungslose Helikopter-Glucken abgestempelt.

Ist das zugespitzt? Polemisch? Auf jeden Fall. Aber dadurch nicht weniger wahr. Dies wollen wir in unserem Buch begründen.

Zugegeben: Die Diskussionen um die Mutterrolle sind älter als die Buchbranche. Zu allen Zeiten und überall auf der Welt wurden Mütter gemaßregelt, unter Druck gesetzt und auch immer wieder grausam ihren Kindern entzogen. Das entschuldigt die Entwicklungen unserer heutigen Zeit aber keineswegs. Gerade in den vergangenen Jahren sind lesenswerte Bücher erschienen, die Teilaspekte dieses Themas aufgreifen. Vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird immer wieder kontrovers diskutiert.

Wir sind allerdings der Meinung, dass sich das Phänomen der abgeschafften Mutter nicht darauf beschränken lässt. Deswegen nehmen wir uns die einzelnen Phasen der Elternschaft kapitelweise und chronologisch vor. Die Auseinandersetzung mit dem Mutterwerden und Muttersein beginnt bereits mit dem Kinderwunsch. Schwangerschaft, Geburt und die erste Zeit danach geraten als zeitlich überschaubare, vergängliche Phasen zu schnell in Gefahr, im Diskurs vergessen zu werden – aber keineswegs von den Frauen, die sie erlebt haben.

Schon mit Beginn einer Schwangerschaft steht eine Frau heutzutage unter Generalverdacht. Die Zunahme der zum Teil nutzlosen, manchmal auch schädlichen pränatalen Tests legt den Schluss nahe, die Schwangere sei das größte Risiko für ihr Kind und müsse streng überwacht werden, bevor noch etwas Schlimmes passiert. Und aus der eigenen Entbindung soll sie sich am besten raushalten und sie den Medizinern überlassen. Die Bedingungen, unter denen eine Frau Mutter wird, prägen sie nachhaltig. Diese hochsensiblen Zeiten bilden die Basis der mütterlichen Selbstwahrnehmung und legen den Grundstein der weiteren Beziehung. Als intime körperliche Vorgänge sind sie selten Gegenstand der öffentlichen Diskussion, aber dennoch in hohem Maße politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zwängen unterworfen.

Alle Aussagen in diesem Buch, die nicht mit einer Quellenangabe versehen sind, basieren auf persönlichen Beobachtungen und Rückschlüssen und stellen unsere Meinung dar. Selbstverständlich können sie keinen ärztlichen Rat ersetzen. Da viele Bereiche rund um die Elternschaft im tagespolitischen Wandel sind, können einige der von uns geschilderten Rahmenbedingungen nicht mehr zu hundert Prozent zutreffend sein – auch wenn wir uns bemüht haben, unseren Text bis zum Druckschluss zu aktualisieren.

Wir sind von vielen Frauen bestärkt worden, über dieses Thema zu schreiben. Jedoch, wie bereits erwähnt, lange nicht von allen. Einige fühlten sich in ihrer Art, Mutter zu sein, in Frage gestellt, andere fürchteten, wir wollten das Rad der Geschichte zurückdrehen und sie wieder an den vielzitierten Herd schicken. Diese Furcht taucht jedes Mal auf, wenn die Frage gestellt wird, welchen Wert unsere Gesellschaft Müttern beimisst.

Es macht uns betroffen, welche Gräben das Thema Mutterschaft auch zwischen Frauen aufreißt, die sich in anderen Bereichen mit Sympathie und Respekt begegnen. Geht es aber ums Kinderkriegen, ist es mit jeglicher Toleranz vorbei. Allein die Konfrontation mit den von uns thematisierten Bedürfnissen rief häufig Empörung hervor und entlockte eine Reihe von Gegenargumenten, die keiner sachlichen Betrachtung standhalten. Der Grundtenor der Angriffe: Mütter seien mit ihren Wünschen nicht nur lächerlich, sondern auch potenziell gefährlich, machten sie doch manchmal mit einer einzigen Äußerung Jahrzehnte der Gleichstellungsarbeit zunichte. Die Definition der Gleichberechtigung wird dabei nicht hinterfragt. Stattdessen gilt ausgerechnet Müttern der Vorwurf, sich nicht für die Sache der Frauen einzusetzen.

So sorgte bereits die Ankündigung unserer Thesen für gehörige Nervosität. Manche versuchten, unsere Argumente zu zerpflücken, bevor wir sie überhaupt aufgeschrieben hatten. Wir sind jederzeit bereit, über jede unserer Behauptungen sachlich zu diskutieren. Doch was uns gerade aus der vermeintlich feministischen Ecke entgegenflog, erwies sich als eine haarsträubende Häufung von Vorurteilen, Pauschalurteilen und mangelnder Bereitschaft, sich auf unsere Beobachtungen überhaupt einzulassen. Nicht nur wurde behauptet, dass unsere Ansichten von gestern seien, sondern auch, dass es die von uns geschilderten Probleme gar nicht gebe. Bezeichnenderweise kam Letzteres gern von Frauen, die keine oder inzwischen erwachsene Kinder haben. Das Argument »Kenn ich nicht, also gibt es das nicht« wurde mit großer Selbstverständlichkeit vorgetragen.

Bar jeden Sachverstandes wurde über unseren Einsatz für außerklinische Geburtshilfe und gegen Diskriminierung stillender Mütter die Nase gerümpft. Es sei zudem albern, bei den körperlichen Aspekten von Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit von »weiblichen Kompetenzen« zu sprechen – als handele es sich um eher schweigend hingenommene physiologische Vorgänge wie Verdauung. Und überhaupt sollten wir andere Bücher lesen, zum Beispiel die der französischen Feministin Elisabeth Badinter. Das haben wir getan, hatten aber rasch Zweifel, ob die empfohlenen Autorinnen besondere Kompetenz in Fragen der Elternschaft aufweisen.

Warum fällt es so schwer, anzuerkennen, dass Mütter mit ihren körperlichen, psychischen, zeitlichen und ökonomischen Ressourcen Leben schenken und die Gesellschaft von morgen gestalten? Warum schlägt sich sogar das feministische Sprachrohr Emma auf die Seite eines Bloggers, der Frauen mit Kindern als »esoterische Muttertiere« und »fanatische Stillnazis« beschimpft? Warum gelten Mütter, die in bestimmten Lebensphasen andere Bedürfnisse als Männer anmelden, anderen Frauen automatisch als Klassenfeinde?

Zu keinem Zeitpunkt hatten wir vor, die Entscheidungen anderer Menschen für oder gegen eine Familie zu bewerten. Auch darüber, wie Mütter ihren Alltag gestalten, steht uns kein Urteil zu. Wir wären die Letzten, die einer Frau Steine in den Weg legen wollten. Grundsätzlich freuen wir uns für alle, die zufrieden sind – mit ihrer Arbeitszeit, der Unterstützung durch ihren Partner, ihrem Verhältnis zu den eigenen Kindern und dem Umfeld, das all dies möglich macht oder zumindest nicht verhindert. Glückwunsch jeder Mutter, die ihr Leben gut findet. Wir freuen uns aufrichtig mit.

In diesem Buch wollen wir aber für die anderen sprechen – für diejenigen, die sich unsichtbar oder lächerlich gemacht fühlen, die ausgebremst werden, die jeden Tag aufs Neue beweisen müssen, dass sie als die wichtigste Bezugsperson ihres Kindes weder entbehrlich noch ersetzbar sind. Die sich permanent rechtfertigen müssen, wenn sie die Bedürfnisse ihres Nachwuchses ernst nehmen. Die Freude daran haben, für ihre Kinder da zu sein, und das nicht nur nach Feierabend. Die von Politik und Justiz systematisch entrechtet werden und keine Zeit finden, sich lauthals zu beklagen – weil sie sich um ihre Familien kümmern müssen, anstatt auf die Barrikaden zu gehen.

Denn es sind, das steht außer Frage, wirklich verdammt viele.

1.

Kinderwunsch: »Habt ihr sonst keine Hobbys?«

In Filmen ist die Sache einfach. Die Frau macht einen Schwangerschaftstest und übergibt sich ins Waschbecken. Der werdende Vater schließt sie in seine Arme und kauft Multivitaminsaft, die Großeltern vergießen Freudentränen, die Kollegen gratulieren, und die Nachbarin strickt Babysöckchen, während der Freundeskreis sich darüber streitet, wer zuerst babysitten darf.

In der Realität sieht es, wie so oft, ein wenig anders aus.

Schwangerschaften waren schon immer äußerst faszinierend. Immer wieder sind sie Gegenstand spaßiger Unterstellungen. Frisch verheiratet und gerade aufgehört zu rauchen? Sehr verdächtig. Auf einer Party Mineralwasser getrunken? Alles klar. Auf der Straße beim Anblick eines Babys gelächelt? Schon hast du dich verraten. Am Arbeitsplatz werden Kolleginnen im gebärfähigen Alter auf verdächtige Anzeichen gescannt. Wer braucht demnächst Mutterschaftsvertretung? Von wem kann man sich bald verabschieden? Wenn im direkten Umfeld gerade mal niemand schwanger ist – was wahrscheinlich ist, denn in Deutschland werden nur wenige Kinder geboren –, müssen die prominenten Babybäuche herhalten. Geradezu archaisch mutet das öffentliche Interesse an den ungeborenen Prinzen oder sich ankündigendem Hollywood-Nachwuchs an. Das ist nicht erst so, seit es die Yellow Press gibt. Seit Jahrtausenden war es ein Politikum, wenn die Reichen und Mächtigen Kinder bekamen. Ein neues Mitglied in der Thronfolge konnte Krieg und Frieden, Ländergrenzen und Vermögensverhältnisse des einfachen Volkes beeinflussen.

Hinzu kommt der unverhohlene Voyeurismus. Die Art und Weise, wie die Klatschblätter die Fortpflanzung von Prominenten bejubeln, über verdächtige Figurveränderungen spekulieren und Kindersegen beschwören (»Wann gibt es endlich Nachwuchs im Hause Soundso? !«), könnte einen denken lassen, dass wir in einem Land leben, in dem es einfach nicht genug Kinder geben kann. Doch der Schein trügt. Prinzessinnen dürfen schwanger werden, je öfter, desto besser. Und alle anderen?

Immer wieder konstatieren Studien, und mit ihnen Journalisten, Autoren und Politiker: Der Kinderwunsch ist in Deutschland durchaus vorhanden. Bloß ausleben lässt er sich nicht. Wir bekommen also weniger Kinder, als wir eigentlich wollen. Im Juni 2015 sorgte die Nachricht, dass Deutschlands Geburtenrate auf dem letzten Platz weltweit angelangt ist, nur für müde Seufzer. Mit 8,3 Kindern je tausend Einwohner hat die Bundesrepublik das bisherige Schlusslicht Japan (8,4) von seinem Stammplatz verdrängt. Punktuelle Babybooms wie in München-Schwabing oder Berlin-Friedrichshain täuschen. Im europäischen Vergleich schneiden nur Portugal (8,9) und Italien (9,2) ähnlich schlecht ab. In Frankreich und Großbritannien sieht es dagegen schon deutlich besser aus. Kein Wunder also, dass die Boston Consulting Group mit Blick auf Deutschland für die nächsten Jahrzehnte von einer »halbierten Generation« spricht. Vor allem die Folgen für den Arbeitsmarkt und das Wirtschaftswachstum seien bedenklich.

Irgendetwas hindert Frauen hierzulande daran, Mutter zu werden. Als mögliche Gründe werden genannt: Kinder bedeuten fast immer materielle Einbußen, die von staatlichen Zuwendungen nicht mal annähernd ausgeglichen werden. Berufstätigkeit, Partnerschaft und Freizeit brechen unter der Last der Kindererziehung zusammen. Frauen finden nicht oder zu spät jene Männer, mit denen sie eine Familie gründen wollen. Irgendwann ist der Zug abgefahren. Keiner dieser Gründe klingt überraschend, alle sind längst Realität. Man könnte aber auch zwischendurch die Umfragen zuklappen und sich den Frauen zuwenden. Was sagen sie denn?

Einer jungen Frau wird vorgeworfen, sie wolle nur deswegen ein Kind, weil sie »jemanden zum Knuddeln« brauche. Eine andere steht im Verdacht, mit dem Baby ihre Ehekrise kitten zu wollen – wo doch jeder weiß, dass so etwas nicht funktioniert. Eine dritte freut sich angeblich über die Gelegenheit, endlich aus dem verhassten Beruf auszusteigen. Und dann sind da noch diejenigen, die einfach nur die Sozialleistungen abschöpfen wollen. Kinderwunsch aus niederen Beweggründen also, der so argwöhnisch hinterfragt wird, als gälte es, ein Verbrechen aufzuklären.

Die Omnipräsenz der Verhütungsmittel erhöht den Druck. Einst unbeherrschbare Vorgänge scheinen, korrekte Anwendung vorausgesetzt, mehr oder minder spielend leicht zu kontrollieren. Ungeplante Schwangerschaften sind was für schlecht aufgeklärte Teenager. Wenn erwartet wird, dass jeder seine Fruchtbarkeit im Griff hat, macht sich sofort die Rechtfertigungsnot breit. Warst du bei Sinnen, als du dieses Kind zugelassen hast? Hast du dir das gut überlegt? Ist es dir das wirklich wert?

Mit diesen Fragen sind sie alle konfrontiert: Mütter, die angeblich zu jung oder zu alt sind; Mütter, die bereits »zu viele« Kinder haben; Mütter, die ihren Partner »noch nicht lange genug« kennen; Mütter, die gar keinen Partner haben. Was uns zu der Überlegung führt, ob es ihn überhaupt gibt: den guten, lauteren, selbstlosen Grund dafür, ein Kind haben zu wollen. Wenn es »schlechten« und »falschen« Kinderwunsch gibt, muss ja irgendwo auch das richtige Gegenstück sein. Doch diese Frage führt in eine Sackgasse.

Keine Frau wird schwanger, weil sie die Welt verbessern oder dem Arbeitsmarkt in ein paar Jahrzehnten eine wertvolle Fachkraft schenken möchte. Und wenn das Jammern über niedrige Geburtenraten insbesondere von den Wirtschaftsverbänden kommt, fühlt sich manche trotz Kinderwunsch wie eine Zuchtstute. So mögen volkswirtschaftliche Gründe plausibel sein, doch mit dem Wohl einzelner Familien haben sie wenig zu tun. Heute veranlassen sie zweifelsohne keine Frau dazu, Körper und Lebenszeit einzusetzen. Der Nachwuchs erfordert gerade von Müttern derartige Kraft- und Zeitinvestitionen, dass die Sehnsucht nach ihm grundsätzlich irrational sein muss. Kinder sind keine kalkulierbaren Projekte, sie entziehen sich jeglicher Planung – zum Glück.

Kindersegen nur mit Gütesiegel

Es gibt sie natürlich auch: die allgemein willkommenen, die erwarteten Kinder. Gut stehen zum Beispiel die Chancen für eine freundliche Aufnahme der Schwangerschaft, wenn die Frau Ende zwanzig bis Mitte dreißig ist und die werdenden Eltern verheiratet sind oder zumindest auf eine Art und Weise zusammenleben, die als »geregelt« wahrgenommen wird. Und wenn es sich um das erste oder zweite Kind handelt. Diese Konstellation bekommt ein Gütesiegel: Kindersegen ist nicht nur akzeptiert, sondern ausdrücklich erwünscht. So sehr, dass ein Paar sich manchmal vor nervenden Fragen kaum retten kann, wenn es nicht wie bestellt liefert. Über Einzelkinder wird immer noch die Nase gerümpft, auch wenn inzwischen jedes dritte Kind ohne Geschwister aufwächst.

Verständnis für ein drittes oder viertes Kind kann es auch geben, wenn eine Familie mehrere Kinder gleichen Geschlechts hat. Da wird allseits auf das ersehnte Mädchen, den erhofften Jungen gewartet – und die Erwartung den Eltern ausgiebig mitgeteilt.

Doch wer in das Schema nicht passt, der wappne sich besser vorsorglich gegen Sprüche und Blicke. Aus gutem Grund: Laut einer Befragung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung aus dem Jahr 2014 gehen siebzig Prozent der Befragten davon aus, dass Kinderreichtum als asozial empfunden wird. Auch sonst ist das Korsett der erlaubten Fortpflanzung sehr eng geschnürt. Weder frühe noch späte Geburten werden akzeptiert, der Anspruch an materielle Voraussetzungen ist enorm.

Oft wird von Außenstehenden alles als unerträglich einsortiert, was von einem idyllischen, nur noch für wenige Menschen erreichbaren Modell abweicht. Ein fehlendes Kinderzimmer oder Einschränkungen beim Reisen gelten mitunter als unüberwindbare Hindernisse. Daher suchen Frauen, um so etwas wie Akzeptanz in ihrer Mutterrolle zu erfahren, nicht nur einen triftigen Grund für ihren Kinderwunsch, sondern auch perfekte Bedingungen: einen verlässlichen Partner, eine krisensichere Ausbildung und ein Konzept für den neuen Menschen, den sie da zur Welt bringen wollen. Improvisieren scheint deplatziert, Fühlen und Wollen gelten als unverantwortlich. Wie soll man seiner eigenen Motivation trauen, wenn man nicht in der Lage ist, sie druckreif zu formulieren? Eine unzulänglich begründete und schlecht geplante Schwangerschaft wird irgendwo zwischen Waghalsigkeit und Sozialschmarotzertum einsortiert.

So ist es kein Wunder, dass viele Frauen ihren Kinderwunsch geheim halten, manche sogar vor sich selbst. Ist ein Kind unterwegs, braucht eine nicht ganz der Norm entsprechende Mutter ein dickes Fell – als ob sie gerade keine anderen Sorgen hätte. Das ist keine Lappalie, sondern ein schlechter Start. Eine blöde Bemerkung wird kaum eine Frau je wieder vergessen. »Ist doch erst achte Woche, kann noch abgehen«, sagt eine Großmutter. Eine Schwiegermutter erkundigt sich nach der Möglichkeit eines Abbruchs. »Ich kenne im Gegensatz zu Ihnen meine Grenzen«, kommentiert die Lehrerin eines älteren Geschwisterkindes. »Danach ist aber genug, oder?«, lächeln die Nachbarn. All dies sind reale Beispiele.

»Nach dem dritten Kind hören die Leute auf zu gratulieren«, sagt der amerikanische Komiker Jim Gaffigan und trifft dabei den Nerv unzähliger Familien, weswegen die Aufzeichnung seines Programms »4 Kids« auch hierzulande in sozialen Netzen begeistert geteilt wird.

In der jüngsten Zeit sind wir erstaunlich vielen Schwangeren begegnet, die ungefragt berichteten, das dritte / vierte / späte / frühe Kind sei ihnen »einfach so passiert« und auf keinen Fall geplant – aber jetzt, nun ja, freuten sie sich doch. Die Häufung dieser vorauseilenden Entschuldigungen lässt sich gut nachvollziehen. Wo Kinder selten willkommen sind, tut es einfach gut, sich wieder mal auf die Macht des Schicksals zu berufen – wie früher, als es noch keine zuverlässigen Verhütungsmethoden gab. Das entlastet ein wenig von der Verantwortung und erspart manche blöde Frage.

Wir kennen Frauen, deren Kinder inzwischen zur Schule gehen und die sich immer noch voller Dankbarkeit an jene Menschen erinnern, die sie damals zur Schwangerschaft einfach nur beglückwünschten.

Die Täterin mit dickem Bauch

Wir beide haben unsere ersten Kinder mit Anfang zwanzig bekommen. In diesem Alter ist man im Freundeskreis meist die Erste – und für den, der vorangeht, ist der Weg steiniger. Als »totale Außenseiterin« beschreiben sich Frauen in dieser Situation, auch wir teilen diese Erfahrung. Die Reaktionen sind nicht originell. Nur wenige Neugierige können sich die Frage, ob es sich um einen Unfall handle, verkneifen. Oder die Irritation verbergen, wenn eine sehr junge Mutter sich dazu bekennt, sich bei vollem Bewusstsein für ihr Kind entschieden zu haben. Wenn wir für den Satz »Das ist aber mutig« jedes Mal fünf Euro kassiert hätten, wären wir inzwischen reich. Er sieht nur auf dem Papier freundlich aus.

»Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft«, heißt es in Artikel 6 des Grundgesetzes. Keine Statistik, keine Studie gibt zuverlässig Auskunft darüber, wie oft dieser Grundsatz im Alltag gebrochen wird. Kein Arbeitgeber kreuzt in einer Umfrage an, dass er eine schwangere Mitarbeiterin jederzeit aus dem Betrieb mobben würde. Kaum jemand bekennt sich dazu, dass eine Freundin im Falle einer Schwangerschaft im Adressbuch nach hinten rutscht. Kein Vermieter gibt offen zu, dass ihm drei Katzen in der Mietwohnung lieber sind als zwei Kinder.

Man kann auch einfach mit der Berliner U-Bahn fahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer Hochschwangeren oder einer Mutter mit Kleinkind ein Sitzplatz angeboten wird, geht gegen null. Zugegeben: Älteren und gebrechlichen Menschen geht es auch nicht besser.

In nahezu allen Kulturen standen werdende und junge Mütter – sofern sie nicht gerade einer benachteiligten Gruppe angehörten, deren Leben und Gesundheit per se wenig Wert hatten – unter dem besonderen Schutz der Gemeinschaft. Im Deutschland von heute wird dagegen der absurde Anspruch an die Schwangeren formuliert, sie sollen mit ihren dicken Bäuchen Rücksicht nehmen. Zum Beispiel auf die Gefühle jener, die sich den Kinderwunsch, aus welchen Gründen auch immer, nicht erfüllen können. Auf Ex-Partnerinnen ihres Mannes, auch wenn die Scheidung viele Jahre zurückliegt. Auf ältere Geschwister, die »ja auch klarkommen müssen«. Und natürlich auf die Kollegen, die nun Mehrarbeit zu schultern haben. Die Schwangere als Täterin, vor der ihre Mitmenschen geschützt werden müssen.

Für viele Frauen bedeutet die Schwangerschaft einen Abstieg: beruflich, wirtschaftlich, sozial. Jedes weitere Kind verstärkt diese Tendenz. Man muss es schon sehr wollen, um sich darauf einzulassen. Die Zeiten des grundsätzlichen Respekts vor der Mutterschaft sind vorbei. So erzählte uns eine junge Frau, wie sehr sie eine Trauerkarte zum Tod ihrer Großmutter berührt hatte. Darauf stand: »Eine Mutter war sie – was braucht es der Worte mehr?« Der Satz wirke lange nach, so habe sie das alles nie gesehen, sagt die (kinderlose) Enkelin.

Kann man sich eine solche Aussage unter jungen Müttern vorstellen? Eher würde es heutzutage doppelt abwertend heißen: »Sie war nur Mutter.« Hier schwingt nicht nur mit, dass das Muttersein weder erfüllen noch ausfüllen kann, sondern auch ein Vorwurf der Inkompetenz. Eine Mutter steht heute, wie wir noch sehen werden, vielen Experten gegenüber, die sie belehren oder ihr den Job gleich abnehmen wollen – warum sich also auf etwas einlassen, woran man sowieso scheitern wird?

Vorsicht, ansteckend

Wie die Menschen in unserem unmittelbaren Umfeld ihr Leben gestalten, hat enormen Einfluss auf uns selbst. So veröffentlichten die Gesundheitsforscher Nicholas Christakis und James Fowler im Jahr 2010 einen Artikel im New England Journal of Medicine, in dem sie erklärten, wie man sich im Freundeskreis mit Übergewicht anstecken kann. Sie analysierten die Beziehungen von über 12000 Bewohnern einer amerikanischen Kleinstadt über einen Zeitraum von 32 Jahren und fanden heraus, dass das Übergewicht von Freunden das Risiko steigen lässt, selbst zuzunehmen. Der Grund ist denkbar einfach: Wer viele Fettleibige im Freundeskreis hat, schätzt anders ein, welches Gewicht für ihn selbst gut ist.

Uns ist keine vergleichbare Untersuchung zum Kinderwunsch bekannt, aber es gibt immer wieder verblüffende Hinweise. Wir kennen Frauen, die sich entschieden, eine ungeplante Schwangerschaft entgegen dem ursprünglichen Plan nicht zu beenden – weil sie einer einzigen Mutter begegneten, die in einer vergleichbaren Situation war und ihnen Mut zusprach. Wir kennen auch Frauen, die sofort einen Termin für einen Abbruch ausmachten, als sie von einer ähnlichen Erfahrung im Bekanntenkreis hörten.

Wir haben Kindergartengruppen erlebt, in denen jedes dritte Kind innerhalb eines Jahres ein Geschwister bekam – zwei Drittel der Babys waren Drittgeborene. In einer mittelgroßen deutschen Stadt, deren Geburtenquote nicht nennenswert über den deutschen Durchschnittswert von 1,47 Kindern pro Frau herausragt, ist das eine erstaunliche Beobachtung. Nur in elf Prozent aller deutschen Familien leben drei oder mehr Kinder, doch hier wurden Drei-Kind-Familien zur Normalität. Diese Norm wurde sogar scherzhaft formuliert. Da ist es verständlich, dass das letzte Zünglein an der Waage leichter pro (drittes) Kind ausschlug.

Viertgeborene gab es dagegen auch in dieser Gruppe kaum. Als gäbe es ein unsichtbares, aber unerbittliches Warnschild, das alle wahrnahmen: Drei ist normal, aber vier, das ist definitiv zu viel.

Man muss wahnsinnig sein

Geradezu verhängnisvoll ist es, dass in Deutschland Eltern und Kinderlose in Parallelgesellschaften leben, die wenig Berührungspunkte haben. Der Wechsel ins feindliche Lager kann als Verrat empfunden und mit den üblichen Mutti-Floskeln verspottet werden. Die Kinderfrage friert Freundschaften ein oder verhindert, dass sie überhaupt entstehen. Wer ohne Kinder lebt, sieht Minderjährige höchstens mal als Störenfriede auf der Straße oder im Supermarkt. Eine gespenstische Situation. Aber auch eine logische: Wer in ähnlichen Konstellationen lebt, teilt in der Regel häufiger Interessen und Bedürfnisse – und findet eher zusammen.

Dennoch täte eine gesunde Durchmischung allen gut. Wer Kinder unterschiedlichen Alters regelmäßig im Alltag erlebt, neigt seltener dazu, die Elternschaft grundsätzlich zu verdammen oder zu glorifizieren. Angesichts der Mauern, die beide Lager zuweilen zwischen sich hochziehen, ist es kein Wunder, dass eine Schwangerschaft manchmal wie ein Schritt in den Abgrund anmutet und entsprechend kommentiert wird.

Dass es sich auch anders anfühlen kann, wurde uns während der Arbeit an diesem Buch klar, als wir mit unseren Familien in den Urlaub fuhren – die eine nach Skandinavien, die andere ans Mittelmeer. Von unterwegs schickten wir uns erstaunte Nachrichten. Fremde Menschen hatten uns auf unsere Kinder angesprochen, ihre Schönheit und ihr Wohlverhalten gelobt, ihre Anzahl mit hochgerecktem Daumen kommentiert. Das sind wir von zu Hause nicht gewohnt. In unserem Alltag freut es uns schon, wenn wir mit abschätzigen Bemerkungen verschont werden und keinen Hindernisparcours absolvieren müssen.

Auf deutschen Straßen lächeln Passanten lieber unsere Hunde als unsere Kleinkinder an. Wenn es eine wohlwollende Reaktion gibt, dann kommt sie meist mitleidig daher: »Wie schaffen Sie das alles, Sie Arme?« Die spontane Anerkennung durch Unbekannte während unserer Urlaube verblüffte uns, unterstrich sie doch: Kinder sind nicht per se eine schreckliche Bürde, sondern in erster Linie Glück. Familie zu leben ist nicht frustrierende Selbstaufopferung, sondern eine starke Leistung. Das tat gut.

In Deutschland dagegen fühlt sich die Sache anders an. »Alles, was ich über das Kinderhaben höre und lese, ist furchteinflößend«, schreibt die Autorin Antonia Baum in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. In ihrem Beitrag scheut sie sich nicht, die allgemeine Wehleidigkeit schonungslos auseinanderzunehmen. »Wenn man ein Kind bekommt, ist man gewissermaßen selbst schuld«, beklagt Baum die Überforderung mit neuen Rollenmodellen, wirtschaftl