Die Air Berlin Affäre - Anja Barbian-Stiller - E-Book

Die Air Berlin Affäre E-Book

Anja Barbian-Stiller

4,8

Beschreibung

15. August 2017 – Air Berlin ist insolvent. Hunderttausende Passagiere sitzen in ihren Urlaubsdomizilen im Ausland, ebenso viele sitzen auf gepackten Koffern, um in den nächsten Tagen den Sommerurlaub anzutreten. Und jetzt ist die Fluggesellschaft pleite. Die Bundesregierung reagiert; binnen Tagen wird ein Kredit von 150 Millionen Euro bereitgestellt. Air Berlin kann weiterfliegen, zunächst einmal. Das beruhigt nicht nur die Kunden der Air Berlin. Auch die mehr als 8.000 Mitarbeiter des Unternehmens, deren Existenz auf dem Spiel steht, atmen auf. Zu früh, wie sich in den nächsten Wochen zeigen sollte. Eine Stewardess erzählt, wie es weiterging und wie die Crews der Air Berlin das Ganze erleben. Keine Informationen vom Unternehmen, erschreckende Presseberichte, Gerüchte und Konflikte, die in den sozialen Medien ausgetragen werden und dort eskalieren. Permanente Ungewissheit, widersprüchliche Auskünfte. „Stay United“ wird zum Schlachtruf. Die Belegschaft der bankrotten Fluggesellschaft gibt nicht auf, sondern kämpft. Die Autorin schafft es, trotz des sehr unerfreulichen Anlasses, ein unterhaltsames Buch zu schreiben. Das Insolvenzverfahren hat die Züge eines Wirtschaftskrimis, die Sicht einer Betroffenen macht das sehr deutlich. Immer wieder fließen aber auch Ereignisse aus einem fast dreißigjährigen Fliegerleben ein. Von tragischen wie witzigen Erlebnisse an Bord und bei den Aufenthalten an vielen Orten auf dieser Welt kann sie berichten. Eines durchdringt die ganze Erzählung: Die tiefe Liebe der Autorin zu ihrem Beruf (eben kein „Job“) und ihre Begeisterung für den Umgang mit den Menschen, ihren Passagieren.

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Anja Barbian-Stiller, geb. 1966 in Düsseldorf, lebt mit ihrer Familie in Königswinter.

Durch ihr VWL Studium nach dem Abitur hat sie Grundkenntnisse u.a. in Rechtswissenschaften und Bilanzwesen erworben. Ferner hat Barbian-Stiller 6 Semester Psychologie an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Bonn studiert und einen Abschluss als Psychotherapeutin HPG. Ihre berufliche Laufbahn als Stewardess begann im Mai 1989 bei der LTU.

Seit 2011 ist sie als Flugbegleiterin mit der Air Berlin unterwegs, bereiste die ganze Welt und lernte Menschen in ihrer Vielfalt und Verschiedenartigkeit kennen. Dieses Buch hat sie aus Sicht einer Stewardess geschrieben.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 2018

Umschlaggestaltung: Birgit Kempke (www.birgit-kempke.de)

Layout: Birgit Kempke (www.birgit-kempke.de)

Herstellung: Patricia Knorr-Triebe

© Best-off-Verlag. Alle Rechte vorbehalten.

Postfach 12 03 47 · D-93025 Regensburg

Tel. +49 (0)9404 / 96 14 84 · Fax. +49 (0)9404 / 96 14 85

e-Mail: [email protected] · Homepage: www.bestoffverlag.de

ISBN 978-3-96133-094-2

dieairberlinaffäre

Anja Barbian-Stiller

Ich schreibe dieses Buch, weil ich fassungslos bin. Fassungslos darüber, was bei Air Berlin mit Unterstützung der Bundesregierung möglich wurde. Die Air Berlin bricht auseinander. Die Flugzeuge werden von anderen Airlines übernommen, die Strecken, die Start- und Landerechte (Slots), für alles ist gesorgt, für alles gibt es eine Lösung. Nur für uns, die Mitarbeiter, interessiert sich niemand. Wir sind kein Teil des Deals. Wir sind ganz einfach raus!

Es gibt Menschen, die singen und schreiben Songs, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Andere malen Bilder, in denen sich ihre Gefühle widerspiegeln. Ich kann weder singen noch malen, ich schreibe Tagebücher. Ich habe immer viel geschrieben.

Ich bin nicht gläubig, aber ich stelle mir schon die Frage, ob Menschen, die sich, wenn auch nicht immer rechtlich bestrafbar aber ohne Moral, auf Kosten der Allgemeinheit bereichern, nicht doch irgendwo zur Rechenschaft gezogen werden. Ich hoffe, dass es mehr gibt als das, was wir mit unseren Sinnesorganen wahrnehmen können. Verhalten hat immer Konsequenzen.

Ich vergleiche die Allgemeinheit gerne mit den Passagieren auf meinen Flügen. Auf dem Airbus A330 haben wir ca. 300 Passagiere. Von diesen 300 Passagieren sind 295 Personen nett, freundlich und höflich. Sie wissen, wie sie sich verhalten müssen, damit ein Flug fair und sicher für alle durchgeführt werden kann.

Es ist nicht möglich, jeden Fall, der eintreten kann, vorab zu regeln. Was wäre das für ein Leben? Es muss möglich sein, dass ungeschriebene Gesetze und moralische Regeln eingehalten werden. Es sind immer lediglich eine handvoll Passagiere, die der Meinung sind, dass für sie allgemeingültige Regeln nicht gelten. Sie kommen an Bord, nehmen sich auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz so viele Kissen mit wie sie tragen können, wobei es ihnen völlig egal ist, ob andere Passagiere dann keine Kissen haben. Meist folgt dann als Begründung noch »Ich brauche viele Kissen, Sie können ja mehr Kissen beladen …« Wenn man etwas tut, dann sollte sich jeder die Frage stellen: Was wäre, wenn das jeder macht? Wenn für jeden Passagier 10 Kissen geladen werden, dann sind das 3.000 Kissen. Wo soll denn dann noch das Gepäck hin? Denn auch da hat sich der eine oder andere meist nicht an Regeln gehalten und bringt das doppelte von dem, was an Gepäck zulässig ist, mit an Bord.

Worauf ich hinaus will ist: Es gibt immer diese paar Menschen, die ganze Gruppen in Verruf bringen. Die meisten Menschen wollen in Frieden leben. Das gilt für das Christentum, den muslimischen Glauben, aber auch für Flüchtlinge und Fußballfans. Das gilt auch für das deutsche Management.

Sind alle christlichen Amtsträger Kinderschänder? Sind alle Muslime Terroristen? Sind alle Flüchtlinge Kriminelle? Sind alle Fußballfans Hooligans? Sind alle Manager gewissenlos und rücksichtslos?

Nein. Das Schlimme ist, dass man durch die schlechten Ausnahmen das Vertrauen in die Menschen verliert. Wir dürfen nicht den Fehler machen zu verallgemeinern. Wir müssen uns die einzelnen Fälle anschauen. Es passiert leider viel zu oft, dass ganze Gruppen unter Generalverdacht kommen und dass die 295 Menschen, die die sich rechtschaffen an Regeln halten, mit bestraft werden. Denn diese Handvoll rücksichtsloser Egoisten ist meistens auch feige und versteckt sich in der großen Gruppe. Ich befürchte, dass sich diese Handvoll immer weiter ausbreitet und irgendwann nicht mehr nur eine Handvoll ist. Warum soll man rechtschaffen sein, wenn man dadurch benachteiligt ist? Ich hoffe, dass nicht weiter verallgemeinert wird und dass sich jeder bewusst ist, dass die 295 Passagiere viel mehr sind. Es liegt an diesen 295 Menschen, wie viel Raum diese Handvoll erhält. Wir sind die Allgemeinheit und es ist an uns, eben nicht wegzuschauen, sondern diese Handvoll zu enttarnen.

Eine Handvoll Manager bringen eine ganze Geschäftsführerebene in Verruf. Es kann nicht alles erlaubt sein, was nicht ausdrücklich verboten ist! Aus heutiger Sicht bin ich überzeugt, dass die Air Berlin Affäre ein langgeplanter Deal war. Aus heutiger Sicht macht vieles Sinn, was ich vorher überhaupt nicht verstehen konnten.

Herr Winkelmann, ehemaliger Angestellter im Lufthansa-Konzern, hatte, davon bin ich überzeugt, nie einen anderen Auftrag, als dafür Sorge zu tragen, dass Air Berlin von keinem Konkurrenten übernommen wird und daher zerschlagen werden soll. Es stellt sich natürlich die Frage, inwieweit die Regierung, die mit ihrem 150 Millionen Euro Kredit den Deal erst möglich gemacht hat, selbst getäuscht wurde oder Teil dieses Plans war. Ich sehe noch nicht, dass die 150 Millionen Euro Kredit zurückgezahlt werden. Das zahlen jetzt die Steuerzahler. Die Mitarbeiter stehen auf der Straße und der »Manager des Jahres«, Herr Spohr, hat den Lufthansa-Konzern tatsächlich zum »deutschen Champion im internationalen Luftverkehr« (Zitat Bundesverkehrsminister Dobrindt) gemacht.

Hat die Regierung den ganzen Sommer 2017 lang die Allgemeinheit in Sicherheit wiegen wollen, weil die Bundestagswahlen vor der Tür standen?

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Zurück zum Anfang …

Mein Besuch bei Sandra Maischberger

Das Ende von »Stay United«

Epilog

Zurück zum Anfang …

Heute ist der 15. August 2017. Ich bin gerade mit dem Auto auf dem Weg zur Beerdigung meines Schwiegervaters. Ich bin Stewardess von Beruf. Mein Arbeitgeber war lange Zeit die LTU, bis wir 2011 in die Air Berlin übergegangen sind. Mit der LTU ist die Langstrecke bei Air Berlin eingezogen. Wann immer ich auf einer Langstrecke war, haben meine Schwiegereltern meine Kinder betreut. Meine Schwiegereltern sind oft für mehrere Tage bei uns eingezogen, sodass meine Kinder ein sehr enges Verhältnis zu ihnen aufgebaut haben. Ich bin hauptsächlich Langstrecke geflogen. Der Tod meines Schwiegervaters ist für meine Kinder sehr schlimm.

Ich nutze Autofahren immer gerne, um die Nachrichten zu hören. Abends schaue ich zwar meistens auch die Tagesschau, wenn ich zu Hause bin, aber im Radio höre ich Nachrichten eigentlich am liebsten. Wenn man immer WDR 2 hört, dann kennt man die Moderatoren dort und die Nachrichten klingen vertraut. Plötzlich kommt die Meldung, dass Air Berlin heute einen Insolvenzantrag gestellt hat. In Eigenverwaltung? Was bedeutet das denn? Und wieso erfahren wir eigentlich immer alles aus der Presse? Insolvenz in Eigenverwaltung. Weiß das Insolvenzgericht denn genug über die Gesetze im Luftverkehr? Hier läuft vieles anders. Die Air Berlin bzw. das Management der Air Berlin hat es jahrelang nicht hinbekommen, die Air Berlin vernünftig zu führen. Und nun soll eine Insolvenz in Eigenverwaltung geführt werden? Von denselben Menschen, die seit Jahren beweisen, dass sie es nicht können. Ob so etwas funktionieren kann?

Die Regierung hat 150 Millionen Euro Kredit genehmigt, um den Flugbetrieb am Laufen zu halten und um all die Passagiere, die in den Sommerferien mit Air Berlin unterwegs sind, nach Hause fliegen zu lassen. Okay…das hört sich ja erstmal vernünftig an. Eine Insolvenz muss ja vielleicht gar nichts Schlechtes sein. Irgendwann musste das ja kommen, aber heute habe ich damit überhaupt nicht gerechnet. Hatte Etihad nicht dieses Frühjahr ihre Unterstützung bis Ende 2018 zugesagt?

Mein Fliegerleben hat 1989 bei der damaligen LTU begonnen. Ich habe damals Volkswirtschaftslehre in Bonn studiert und wollte ursprünglich nur eine Saison fliegen. Ich hatte damals sowohl von der Lufthansa als auch von LTU eine Zusage. Bei der Lufthansa wäre ich für die Cityline geflogen. Hätte ich dort angefangen, dann hätte ich keine Langstrecken fliegen können. So fiel meine Wahl auf die LTU und aus einer Saison wurden 28 Jahre.

Damals, in diesem ersten Jahr, war Joachim Hunold auf dem Weg, Geschäftsführer bei der LTU zu werden. Gleich in meinem ersten Jahr kam es zum Streik. Da wir »Neuen« damals nur Saisonverträge hatten, mussten wir fliegen. Der Streik dauerte drei Tage und nach jedem Flug kam Herr Hunold zu uns an Bord. Er bedankte sich bei jedem von uns persönlich, dass wir geflogen sind. Kurze Zeit später hat Joachim Hunold die LTU verlassen.

Joachim Hunold übernahm dann die Air Berlin, die in den darauffolgenden Jahren rasant gewachsen ist. Es ist jetzt ungefähr zehn Jahre her, als Joachim Hunold auf seiner Einkaufstour durch die Welt der Fluggesellschaften, nachdem er die DBA schon gekauft hatte, auch die LTU übernommen hat. Auf dem Einkaufszettel stand auch noch Condor. Wenn ich mich recht erinnere, reichte das Budget für die Condor dann doch nicht. Jedenfalls wurde die Air Berlin mit diesen neuen Zukäufen zur zweitgrößten Airline in Deutschland.

Damals hat Joachim Hunold einige Verträge für Air Berlin abgeschlossen, die bei Air Berlin monatlich hohe Kosten verursachten. Wenn man die Air Berlin mit einem Galgenmännchen vergleicht, dann wage ich zu behaupten, dass diese Verträge schon den Galgen inklusive Seil und Kopf bedeuteten. Herr Mehdorn hat dann, als Nachfolger von Herrn Hunold, die Etihad mit ins Boot geholt. Damit hat unser Galgenmännchen seinen Kopf wieder aus der Schlinge gezogen. Tja, die Manager fielen immer wieder weich. Ich weiß gar nicht, wie viele Manager ich in den 28 Jahren, seit ich Stewardess bin, habe kommen und gehen sehen. Jedenfalls sind sie alle weich gefallen.

Ein weiteres großes Problem der Air Berlin war, dass sie auf allen Hochzeiten getanzt hat. Von Charterflug über Linienflug, von Billigfliegerei bis Business Class, überall wollte Air Berlin mitspielen. Stefan Pichler, der letzte CEO vor Herrn Winkelmann, soll sogar noch ein neues Logo für Air Berlin in Auftrag gegeben haben. Das ist ja auch sehr wichtig, wenn eine Airline seit Jahren nur rote Zahlen schreibt …

Das Ende vom Lied ist nun, dass das Galgenmännchen komplett ist. Air Berlin ist insolvent.

Wir alle hatten uns von Herrn Winkelmann mehr versprochen. Er ist erst seit 6 Monaten im Amt und schon ist Air Berlin pleite. Thomas Winkelmann, der vorher lange in der Lufthansagruppe tätig war, hat im Februar diesen Jahres sein Amt als CEO bei Air Berlin übernommen. Ich weiß noch, wie ein Ruck durch die Belegschaft ging. Der Lufthansa-Konzern interessiert sich für uns. Wir haben uns seit Jahren bemüht die Air Berlin zu retten, aber wir sind die Mitarbeiter und keine Entscheidungsträger.

Die vielen Manager aus der Vergangenheit der Air Berlin und der LTU haben immer versucht mit neuen Ideen oder auch Aufrufen der Art »Man muss das Gold in den Köpfen der Mitarbeiter bergen« (Jack Welch, früherer CEO von General Electric) etwas zu erreichen oder mindestens so zu tun. So auch Stefan Pichler. Er hat dafür sogar eigens rote Postboxen aufstellen lassen, um die Mitarbeiter zu motivieren. Herr Pichler hat sich mit den Worten vorgestellt: »Ich bin der Stefan und ihr könnt Euch immer an mich wenden.« Er hat dafür sogar eine eigene Mailadresse eingerichtet. Ich habe gehört, dass er das in seinem neuen Unternehmen »World Air Jordanian«, in dem er jetzt untergekommen ist, genauso, inklusive der roten Postboxen, wiederholt.

Nun, Herr Winkelmann kommt von der Lufthansa. Auch wenn Air Berlin jetzt tatsächlich pleite ist, so hat die Lufthansa ja großes Interesse an Teilen der Air Berlin gezeigt. »Wir sind in Aufbruchstimmung … Auf geht’s, Herr Winkelmann!«

Als Herr Winkelmann die Air Berlin im Februar übernommen hat, haben wir noch mal eine Schippe drauf gepackt, wie man so sagt. Es hieß, dass die »New Air Berlin« kommen soll. 600 neue Mitarbeiter sollten alleine für die Kabine eingestellt werden. Castings wurden abgehalten. Wir waren voller Motivation, denn die Aussage war ja immer wieder, dass durch die neuen Mitarbeiter bald Entlastung kommt. Auch als Air Berlin es kaum noch geschafft hat, pünktlich die Flüge durchzuführen und binnen kürzester Zeit auf Platz 1 kletterte – leider nur was Unpünktlichkeit anbelangt – haben wir uns noch mehr eingebracht, um das zu kompensieren. Aus heutiger Sicht betrachtet: Eigentlich ging es mit Herrn Winkelmann erst richtig bergab. Eine Airline braucht Flugzeuge mit entsprechender Anzahl an Crews und eine Crew Operation, die diese Crews wirtschaftlich einsetzt. Viele Mitarbeiter der Abteilung Crew Operation, die in der Lage waren, wirtschaftlich und sinnvoll, nach Abwägung aller Faktoren, die Besatzungen einzusetzen, wurden entlassen. An dieser Schnittstelle braucht es intelligente Mitarbeiter. Mitarbeiter aus dem Billiglohnsektor verursachen in Summe, wenn sie an wichtigen organisatorischen Schaltstellen sitzen, hohe Kosten. Diese Kosten sind höher, als ein intelligenter und vernünftig bezahlter Crewplaner jemals an Gehalt kosten könnte.

Es hieß, dass wir nächstes Jahr auch wieder Toronto anfliegen. Wir waren wieder »auf Flughöhe« – so sagte es Herr Winkelmann, wobei uns dieser Satz doch sehr überrascht hat, denn davon waren wir weit entfernt.

Es verwundert niemanden, dass Air Berlin nun in der Insolvenz angekommen ist. Es war offensichtlich, dass das Management nicht in der Lage ist, vernünftig diese Airline zu führen. Wenn ich nur das Kommen und Gehen der vielen Geschäftsführer betrachte, dann ist es vielleicht gut, dass Air Berlin endlich auf neue Füße gestellt wird. Aber Insolvenz in Eigenverwaltung? Sie haben doch wirklich hinreichend bewiesen, dass sie es nicht können.

*

Am 7. April diesen Jahres hatte ich bereits zum zweiten Mal in meinem Leben ein Erlebnis der besonderen Art. Als ich an diesem Tag durch die Fußgängerzone von Stockholm ging, konnte ich noch nicht ahnen, dass kurze Zeit später ein Terrorist mit einem LKW durch die Fußgängerzone rast, um Menschen zu töten.

Ich war gerade mit zwei Kollegen an dem nahegelegenen Bahnhof unten an den Gleisen angekommen. Wir wollten zurück zum Crewhotel, als plötzlich keine Züge mehr ein- oder ausfuhren. Die ersten Fahrgäste eilten davon. Mein Kollege sagte noch »Hier stimmt was nicht!« als plötzlich mein Handy klingelte. »Anja, bist Du in Sicherheit?« am Telefon war mein Mann Klaus.

»Was ist denn los?« bevor er noch antworten konnte, tauchten plötzlich wie aus dem Nichts Soldaten in schwarzen Kampfanzügen auf und brüllten: »GO! GO! GO!« und drängen uns aus dem Bahnhof.

»Klaus, ich ruf Dich gleich wieder an!« Einige Menschen gerieten in Panik und wollten schnell über die enge Rolltreppe ins Freie. Wir erfuhren, dass es sich um ein Attentat handelt und dass man auf der Suche nach dem Attentäter war. Mehr wussten wir nicht.

Gut auf Notfälle geschult wie wir Flugbegleiter sind, war es uns wichtig, zusammenzubleiben und aufzupassen, dass wir nicht in das Gedränge der panischen Menschen geraten und erdrückt werden. Es ist immer faszinierend, wie unser Gehirn in brenzligen Situationen gestochen scharf funktioniert.

Wir wurden in das Radisson Hotel gegenüber von dem Bahnhof gebracht. Die Menschen aus dem nahgelegenen Einkaufszentrum kamen auch dorthin. Der erste Gedanke im Hotel war: »Puh, erstmal in Sicherheit«; doch weit gefehlt! Die schwedische »GSG 9« trieb uns weiter mit ihrem bedrohlichen »GO! GO! GO!« an. Menschen sprinteten weinend panisch an uns vorbei, es war die Rede von Schüssen und dass der Attentäter am Bahnhof wäre …

Ich persönlich empfand den Hubschrauber, der schwarz und laut über dem Bahnhof und über unseren Köpfen schwebte, als sehr bedrohlich. Ich kam mir vor wie in dem Film Apocalypse Now. Wir wurden in die untere Etage des Hotels gebracht. Dort saßen wir nun mit vielen anderen Menschen zusammen. Manche Menschen weinten leise und andere telefonierten laut gestikulierend. Mein Riesenkompliment an die Hotelangestellten. Sie haben die weinenden Kinder mit Spielzeug versorgt und uns Obst und Wasser gegeben. Selbst als das Akku meiner Kollegin leer war, konnten sie mit einem Ladekabel aushelfen. Zuerst habe ich meinen Mann zurückgerufen und ihm gesagt, dass es uns gut geht. Erst jetzt habe ich erfahren, was in der Einkaufsstraße in Stockholm passiert ist. Es ist unglaublich, was es für kranke Menschen gibt. Wie krank muss man sein, dass man gezielt mit einem Lkw losfährt, nur um Menschen mit dem Lkw zu erfassen und zu töten. Unfassbar …

Da wir am nächsten Morgen sehr früh den Rückflug nach Düsseldorf antreten mussten, rief ich den Crewkontakt von Air Berlin an. Wir sprachen über unsere Möglichkeiten, zurück zum Crewhotel zu kommen. Es fuhren weder Züge noch Busse noch Taxen. Alles war abgeriegelt. Also hieß es erstmal abwarten.

Irgendwann meldete sich auch unser CISM Team, das ist ein Care Team, das sich um unsere seelische Verfassung nach ungewöhnlichen Ereignissen kümmert. Ich konnte ihnen versichern, dass es uns gut geht und dass wir eigentlich nur eine Transportmöglichkeit zurück zum Crewhotel brauchen.

So weit, so gut. Nach einem erneuten Anruf mit dem Crewkontakt kam die Information, dass eine Ersatzcrew nach Stockholm geschickt wird und dass wir den Rückflug nicht machen würden. Als ich dann versicherte, dass wir uns aber in der Lage sehen, diesen Flug nach Düsseldorf anzutreten, kam die Info, dass das von unserer Personalabteilung, dem Department Cabin Crew, DCC, entschieden wurde. Wir hätten das nicht mehr zu entscheiden–okay …

Inzwischen konnten wir die unteren Räume verlassen und uns im Hotel frei bewegen. Was soll ich sagen? Wir drei sahen uns an und waren uns sofort einig: »Ab an die Bar und erst mal ein Bier!«

Es kamen noch weitere Anrufe. Das CISM Team meldete sich noch mal und auch jemand aus der Abteilung vom DCC, alle waren um unser Seelenheil bemüht, aber das Einzige, was wir brauchten, war eine Transportmöglichkeit. Um es kurz zu machen, das Ende vom Lied war, dass wir nach Stunden selbst ein Taxi ergattern konnten und im Endeffekt den Flug am nächsten Morgen doch selber durchführen mussten.

In diesem Moment hätte ich mir gewünscht, dass unsere Personalabteilung sich einfach nur herausgehalten hätte. Wir hätten das wunderbar auch ohne diese Verwirrungen und den teuren Telefonaten, die ich Air Berlin nicht mal in Rechnung gestellt habe, hinbekommen. Dieses unnötige Einmischen hat das Ganze nur unnötig verkompliziert.

Das ist das Air Berlin-Management: Immer mitreden wollen und nichts hin bekommen …

Die Air Berliner sind die Airline mit Herz, mit sehr großem Herz. Der Wille ist da, aber das Management und deren Arbeit und das ständige Kommen und schnell wieder mit guter Abfindung Gehen – wie soll eine Airline da erfolgreich sein. An dieser Stelle aber noch mal vielen Dank für die Bemühungen des CISM Teams.

Ich weiß nicht, wie das bei den anderen beiden Kollegen ist, aber ich hatte mit Attentaten schon meine Erfahrung. Ich war vor einigen Jahren schon einmal in einer solchen Situation. In New York, in einer Einkaufsmall, stand ich mit einigen anderen Kollegen gerade an der Kasse bei Hollister, als das Licht anging, alle Türen verschlossen und sogar verriegelt wurden. Wir waren zu diesem Zeitpunkt mit drei Crews in New York im La Quinta Hotel in Garden City, Long Island. Das ist unser Crewhotel. Dementsprechend viele Kollegen waren an diesem Abflugtag noch mal schnell in der Rosefield Mall nebenan.

Wir erfuhren, dass draußen ein Amokläufer herumläuft, der zwei Menschen erschossen hat. Wir konnten unsere Einkäufe noch an der Kasse bezahlen und mussten dann warten, welche Anweisungen vom New York Police Department kamen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Auch hier wurden wir stundenlang festgehalten, bis wir dann auf eigene Verantwortung die Einkaufsmall verlassen haben, da schließlich der Rückflug angetreten werden musste. Auf dem Weg zum Hotel mussten wir über den menschenleeren Parkplatz gehen, außerhalb der Absperrung standen Kamerateams.

Wir wurden dann gefragt, ob es drinnen in der Mall eine Panik gegeben hätte oder ob sonst irgendwas in der Mall passiert sei. Wir sahen uns an und waren uns einig. Ich glaube, fliegendes Personal gerät nicht so schnell in Panik. Im Gegenteil, ich bin überzeugt, wir reagieren immer besonnen und überlegt. Darauf werden wir schließlich laufend geschult. Unsere Aufgabe an Bord eines Flugzeuges ist es, in Notfallsituationen Leben zu retten und die Piloten sind dafür da, gerade in Notfallsituationen das Flugzeug sicher zu landen. Wir sind die, die eben nicht in Panik geraten.

Zum Glück passiert in der Luftfahrt äußerst selten ein Unglück, aber wenn, dann haben Piloten wie Chesley »Sully« Sullenberger bei der Landung am 15. Januar 2009 auf dem Hudson River doch schon bewiesen, wozu Piloten fähig sind.

Ja, es gibt auch andere Beispiele wie Andreas Lubitz. Er war Pilot bei der Germanwings, bei der damals unser neuer CEO, Herr Winkelmann, Geschäftsführer war. Er ist am 24. März 2015 in Frankreich gegen einen Berg geflogen. Für mich ist es immer noch unbegreiflich, wie jemand morgens mit der Besatzung ein Briefing abhält, alle Kollegen begrüßt, den Flug bespricht und gleichzeitig geplant haben soll, alle diese Menschen, diese Kollegen, ohne dass es aufgefallen wäre, am selben Tag mit in den Tod zu nehmen …

Ich möchte den Hinterbliebenen mein aufrichtiges Beileid aussprechen und hoffe, dass ich sie nicht verunsichere, wenn ich schreibe, dass darüber auch bei Air Berlin Besatzungen viel diskutiert wurde. Die Meinungen waren sehr unterschiedlich.

Ich habe nicht mitbekommen, ob auch in die Richtung eines sogenannten Fume Event ermittelt wurde. Die Kabinenluft, die während des Fluges ins Flugzeug gelangt, wird bei fast allen Flugzeugen an den Triebwerken abgezapft. Es gibt zu diesem Thema einen Film mit dem Titel »Ungefiltert eingeatmet«, von Tim van Beveren. Er recherchiert seit 2008 das Thema kontaminierte Kabinenluft in Verkehrsflugzeugen.

Hier ist ein Auszug aus Wikipedia:

Besondere Aufmerksamkeit erhielt van Beveren im Rahmen einer Pressekonferenz im März 2017, in der er als »Gutachter« die Verantwortlichkeit von Andreas Lubitz am Unglück des Germanwings-Flug 9525 in Zweifel zog. Auf Initiative des Vaters von Lubitz präsentierte van Beveren die Ergebnisse eigener Ermittlungen in einem Gutachten, das mehrere Schlussfolgerungen der offiziellen Untersuchungen in Frage stellt.

Das Thema kontaminierte Kabinenluft ist auf jeden Fall ein heikles Thema. Viele Mitarbeiter klagen über immer die gleichen Symptome, für die es aber auch andere Erklärungen gibt.

Die Dichtungen an den Triebwerken können gar nicht so dicht sein, dass die giftigen Dämpfe nicht an Bord kommen. Ein Fume Event ist nur die Spitze vom Eisberg.

Zu Fume Events kommt es, wenn die Dichtungen bereits geschädigt sind. Wir, das fliegende Personal, sind diesen Nervengiften auf jedem Flug ausgesetzt. Mancher Körper kann gut entgiften und andere Körper eben nicht. Inzwischen ist sogar schon ein Todesfall eines Piloten dokumentiert:

Auszug aus der Welt N24 am 30.07.2014 …

Der Pilot Richard Westgate starb mit 43 Jahren. Forscher entdeckten bei der Obduktion Erschreckendes: Kabinenluft hatte sein Nervensystem schwer geschädigt. Auch Passagiere sind womöglich gefährdet.

Sollte es jemals gelingen, die Erkrankungen, das sogenannte »Aerotoxische Syndrom«, als Berufskrankheit anerkennen zu lassen, dann haben Fluggesellschaften ein großes Problem.

Hier geht es um sehr viel Geld, denn die Fluggesellschaften müssten dementsprechend ihre Beitragszahlungen in die Berufsgenossenschaft erhöhen und Flugzeuge müssten umgerüstet werden.

Auf jeden Fall sind wir, die Besatzungen, alle angewiesen, dass sämtliche Regeln eingehalten werden und Sicherheit Priorität hat. Auch wenn dadurch Verspätungen entstehen. Leider gibt es auch hier die Handvoll Passagiere, die regelrecht ausflippen, wenn es zu Verspätungen kommt.

Was die Fliegerei anbelangt, hier stellt sich die Frage: Was können eine Handvoll Manager aus Profitgier alles verursachen? Flugzeuge wissentlich länger fliegen lassen, obwohl die Dichtungen schon längst hätten ausgetauscht werden müssen? Die Verantwortung liegt letztendlich immer bei anderen Personen, nicht bei diesen Managern. Die Bodenzeiten werden immer knapper bemessen. Die Piloten müssen die Flugzeuge schnell wieder in die Luft bringen, denn nur in der Luft sind Flugzeuge gewinnbringend und gleichzeitig müssen sie für die Sicherheit des Flugzeuges garantieren. Ich glaube nicht, dass Stress und Zeitdruck gut mit Sicherheit vereinbar sind.

Ich war damals an dem Abend, als Andreas Lubitz gegen den Berg geflogen ist, gemeinsam mit einer Kollegin in Köln am Hauptsitz der Germanwings um unsere Solidarität zu bekunden. Uns lagen wildfremde Kollegen in den Armen. Es war schrecklich. Zwischen all den Kerzen und Blumen lag Fassungslosigkeit und Entsetzen.

Die Geschichte Andreas Lubitz wäre Stoff für ein eigenes Buch. Vielleicht wage ich mich da irgendwann auch mal heran.

*

Ich möchte hier jetzt nicht aufzählen, wie viele Menschenleben durch Piloten und Kabinencrews schon gerettet wurden, denn die Kabinencrew ist nicht an Bord nur um Kaffee und Tee auszuschenken. Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wenn Turbulenzen auftreten, dass sich dann die Passagiere darauf besinnen, dass die Crews für die Sicherheit da sind und bei Turbulenzen als erstes schauen, was denn die Crew so macht. Welchen Gesichtsausdruck wir haben.

Wir haben uns mal überlegt, ob wir uns den Spaß erlauben sollen, einen panischen Gesichtsausdruck an den Tag zu legen und anfangen wie wild angsterfüllt an den Fingernägeln zu kauen … aber das wäre gemein. Nein, wir lächeln und zeigen den Passagieren, dass die Turbulenzen absolut ungefährlich sind.

Gefährlich sind nur die Handvoll Passagiere, die sich nicht anschnallen wollen. Denn sie können, wenn sie das Gleichgewicht verlieren, nicht nur sich, sondern auch andere verletzten. Diese Handvoll haben wir natürlich auch bei Turbulenzen. Eines kann ich garantieren: Sowohl die Piloten als auch die Flugbegleiter können viel mehr als einfach nur ein Flugzeug von A nach B zu befördern.

Wir haben damals bei dem Attentat in der Einkaufsmall viel und lange mit dem New York Police Department die Situation eruiert, aber Panik? Nein. Abgesehen davon, mal ganz ehrlich, ich glaube, dass die Mitarbeiter vom New York Police Department nicht lange fackeln. Wenn der Attentäter irgendwo nur gezuckt hätte, wäre er wahrscheinlich schneller tot gewesen als alles andere.

Tage später haben wir erfahren, dass der Attentäter tot im Hudson River gefunden wurde und dass es sich um einen Racheakt gehandelt haben soll. Der Attentäter hat ganz gezielt auf diese Personen geschossen.

*

Als wir am nächsten Tag nach dem Stockholm-Erlebnis wieder zu Hause angekommen sind, habe ich erst mal sehr lange geschlafen. Für den frühen Rückflug hatte ich noch mehr als genug Adrenalin im Körper. Das musste erst wieder abgebaut werden. Danach brauchte mein Körper viel Schlaf.

Ich habe in den folgenden Tagen sehr viel über die Ereignisse in Stockholm gesprochen und mir ist aufgefallen, wie alltäglich solche Nachrichten inzwischen geworden sind. Ich habe den Eindruck, dass die Gruppe der 295 Menschen das alles nicht mehr auffassen können und wollen. Es kommen inzwischen zu viele solcher Horrorinformationen in der Presse. Vielleicht hat man sich auch daran gewöhnt. Jeden Tag kommt irgendeine andere Meldung über Terror und Verbrechen in dieser Welt. Um sich selber zu schützen, lebt man sein Leben und nimmt nur das auf, was man selber noch verkraften kann.

Diese Entwicklung ist gefährlich, denn dadurch haben diese Handvoll Menschen, die sich nicht an Regeln und Gesetze halten, zu viel Spielraum.

*

Ich bin inzwischen auf der Beerdigung meines Schwiegervaters angekommen. Es bricht mir das Herz, meine Schwiegermutter weinen zu sehen. Ich habe dieser Frau unendlich viel zu verdanken. Sie war immer für meine Kinder und mich da. Selbst als ihr Sohn und ich uns haben scheiden lassen, war sie weiterhin die weltbeste Großmutter, die Kinder sich wünschen können. Sie war Kinderkrankenschwester und hat unendlich viel Liebe und Geduld für meine Kinder aufgebracht.

Ich weiß nicht, ob ich meinen Beruf und die beiden Kinder ohne sie hätte meistern können. Ich liebe diese Frau und möchte mich auch an dieser Stelle sehr bei ihr bedanken. Vielen Dank für alles. Ich kann meine Tränen nicht zurückhalten, sie weinen sehen, das kann ich nicht.

Natürlich ist die Aufregung unter den Crews sehr groß. Das einzige Thema, das wir haben, ist die Insolvenz. Was bedeutet das für uns?

Diese beiden Briefe sind am 17. und am 18. August von Oliver I., das ist unser COO Chief Operations Officer, im Intranet veröffentlicht worden.

»Liebe Air Berliner,

Dank eures Engagements über alle operativen Bereiche hinweg haben wir, trotz der aktuellen Situation, eine sehr gute und stabile Performance. Euer Spirit und eure Leistung haben dazu beigetragen, dass uns unsere Gäste, nach wie vor, ihr Vertrauen aussprechen. Darum bedanke ich mich für eure kontinuierliche Bereitschaft, professionell und herzlich für unser Produkt und unsere Gäste dazu sein.

Um unsere Operationen weiterhin auf diesem Niveau zu halten, haben wir vorgestern den Krisenraum aktiviert. Hauptaufgabe des Krisenteams ist es, die Zahlungsflüsse an unsere wichtigsten Partner für zum Beispiel Kerosin, Hotels und Transporte zu sichern. Weiterhin koordiniert unser Team den ersten Support auf den Stationen. Eure Area Manager sowie Kolleginnen und Kollegen aus der Personalabteilung stehen euch auf euren Stationen zur Verfügung. Neben Safety und Security hat die Unterstützung für das Personal unsere höchste Priorität, das möchte ich euch im Namen des gesamten Teams versichern.

Aus diesem Grund haben wir im Intranet einen Bereich für eure Fragen und Antworten (FAQs) eingerichtet, die regelmäßig aktualisiert werden, gerne nehmen wir euer Feedback entgegen. Wir bitten jedoch um euer Verständnis, dass die Bearbeitung und Veröffentlichung der Fragen zum Teil etwas Zeit in Anspruch nehmen kann.

Wir haben jetzt, in dieser aktuellen Übergangszeit, die Chance, den Flugbetrieb mit neuen Partnern weiterzuführen. Eine weiterhin stabile operative Performance ist die unabdingbare Voraussetzung, die nächsten Phasen erfolgreich zu bewältigen. Ich bin mir sicher, dass wir das gemeinsam schaffen.

Anschließend möchte ich mich erneut bei euch für euren großartigen Einsatz bedanken.

Beste Grüße Oliver I.«

Dann schauen ich doch gleich mal in die FAQs.

Es wird versucht, so viele Jobs wie möglich zu erhalten. Gilt das auch für den Standort Berlin (HQ)?

Der Erhalt aller Arbeitsplätze wird bundesweit angestrebt. …

das hört sich erstmal gut an … einen Tag später kam noch dieser Brief …

»Update zur operativen Performance

Liebe Air Berliner, vor dem Wochenende gebe ich euch hier gerne ein kurzes Update über die operative Performance der vergangenen Tage. Dank einer hervorragenden Teamleistung am Boden und in der Luft läuft unser Flugbetrieb trotz der aktuellen Situation sehr stabil. Die Pünktlichkeit unserer Flüge liegt im Schnitt bei über 70%. Bei der Region Regularity (tatsächlich durchgeführte Flüge) erreichten wir einen sehr guten Wert von 99%. Eine wirklich tolle Leistung.

Auch bei unserer Air Berlin Technik, unserem Integrated Operations Control Center und in allen Bereichen unserer Flughäfen verzeichnen wir bis dato eine sehr hohe operative Stabilität. Vor allem die nahtlose Zusammenführung sämtlicher Informationen im eigens eingerichteten Krisenraum, hat erfolgreich zur Bewältigung unserer aktuellen Herausforderungen im Flugbetrieb beigetragen und unsere Reaktionszeit messbar erhöht.

Das ist das richtige Signal, welches wir in unserer aktuellen Situation an unsere Gäste, Partner und den gesamten Luftverkehrsmarkt senden müssen. Insbesondere schätze ich euren Einsatz, denn mir ist bewusst wie belastend diese Situation für jeden einzelnen von uns ist.

Auf die Air Berliner ist Verlass!

Beste Grüße

Oliver I. COO«

Auf die Air Berliner ist Verlass? Ehrlich gesagt, macht mich das schon ein wenig misstrauisch. Bei so viel Lob freut sich der Arbeitgeber, aber als Arbeitnehmer hat man alles falsch gemacht.

Wir müssen alle eine personalisierte Ankauferklärung unterschreiben, damit unsere Vergütung für die Monate August, September und Oktober 2017 über das sogenannte Insolvenzgeld getragen wird. Damit wäre ein individueller Antrag auf Insolvenzgeld bei der Agentur für Arbeit hinfällig.

Nun, mir bleibt nichts anderes übrig als zu vertrauen und zu hoffen, dass man sich wirklich Mühe geben wird, dass wir zu den Erwerbern übergehen können.

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Das Schöne an meinem Beruf ist, dass ich die Freude habe, die Unterschiedlichkeit unserer Welt zu sehen. Ich finde unsere Welt wunderschön und bin immer wieder beeindruckt, was Menschen für großartige Leistungen erbringen können und was die Natur für wunderschöne Landschaften erschaffen hat. Ich möchte meinen Beruf noch lange behalten. Ich kann mir gar nicht vorstellen, etwas anderes zu machen.

So unterschiedlich die Kulturen auf dieser Welt auch sind, jede ist für sich genommen beeindruckend. Die für mich fremdeste Kultur, die ich je gesehen habe, ist die Chinesische. Nirgendwo auf dieser Welt habe ich mich selbst als so fremd erlebt wie dort.

Normalerweise sieht man ja überall auch Europäer, aber in China scheint es nur Chinesen zu geben. Ich hatte die Freude, das Reich der Mitte kennenzulernen. Ich war in Peking auf der Chinesischen Mauer und ich habe die Verbotene Stadt gesehen. Die Stadt Shanghai ist eine Weltmetropole. Jedes Mal, wenn man dort war, ist sie wieder ein Stück in die Höhe und die Breite gewachsen. In den Städten leben unglaublich viele Menschen. Man hat das Gefühl, dass in den Höfen und hinter den Höfen und immer weiter im Inneren der Häuser, dass überall Menschen leben.

Auf den Flügen nach China musste ich mich erst mal daran gewöhnen, dass Chinesen häufig spucken. Ich glaube, dass ein Chinese nicht verstehen kann, warum wir Taschentücher benutzen. Ich glaube, er findet das eklig. Wir Europäer wiederum können nicht verstehen, warum Chinesen keine Taschentücher benutzen.

Wunderschön ist auch Kanada. Ich war in Toronto, Montreal und Vancouver. In Vancouver hatte ich das große Glück auf einer Walewatching Tour 13 Orcas zu sehen, die unter unserem Boot durchgetaucht sind und rechts und links daneben hergeschwommen sind. Unter Wasser sehen diese großen Tiere aus, als wären sie aus grünem Phosphor. Man fühlt sich wie in einer kleinen Nussschale mit der Mischung aus Furcht und Faszination. Die Orcas waren so viel größer als wir. Ich kann dieses Erlebnis nicht beschreiben, man muss es gesehen haben. An diesem Tag war glasklarer Himmel und in der Ferne konnte man die Berge Richtung Seattle in den USA sehen.

Toronto ist traumhaft schön: Die Natur, aber auch die Stadt und natürlich die Niagarafälle. Wir waren in einem Museum, in dem man bestaunen konnte, mit welch unvorstellbaren Behältnissen Menschen sich die Niagarafälle heruntergestürzt haben.

In den letzten Jahren waren wir sehr häufig in Abu Dhabi. Auch hier sind die Kulturen in vielen Punkten unterschiedlich. Wenn man sich alleine die Rechte der Frauen anschaut, dann unterscheidet sich das sehr zu den Rechten der Frauen in Europa.Was mir allerdings auffiel, ist die Liebe und Fürsorge, mit der arabische Männer mit ihren Frauen umgehen. Häufig habe ich beobachtet, dass die Söhne und der Mann die Einkaufstüten getragen haben. So etwas sieht man in Deutschland seltener.

Ich hatte die Freude, die Sheikh Zayed Moschee ein paar Mal besuchen zu können. Um diese wunderschöne weiße Moschee zu betreten, muss man sich traditionell kleiden. Die schwarzen Gewänder liegen dort für Touristen bereit. Besonders schön ist es, wenn man am Nachmittag eine der Führungen mitmacht. Es ist beeindruckend, mit wie viel Stolz und Hingabe die Araber ihren Glauben leben, es ist aber auch beeindruckend, dass sie bereit sind, uns ihre heiligen Stätten zu zeigen.

Ich habe Abu Dhabi als eine moderne Stadt im westlichen Stil wahrgenommen. In Sharjah und Dubai findet sich eher die arabische Kultur, wobei Dubai inzwischen auch sehr westlich geworden ist. Wenn man dort durch die Straßen geht, sieht man noch die alten orientalischen Märkte, die Souks, und man kann arabisch gekleidete Männer beim Shisha Rauchen beobachten. Ich habe in den Emiraten nie erlebt, dass ich als Frau nicht respektvoll behandelt worden wäre. Auch hier ist es immer nur eine Handvoll, die ihre eigene Kultur in Verruf bringt. Fremde Kulturen sind nichts, wovor man Angst haben muss.

Ich war auch in Saudi-Arabien. Hier sind die Rechte der Frauen wirklich extrem reformbedürftig. Ich habe dort erlebt, dass ich an der Hotelrezeption, mitten im Gespräch, einfach stehengelassen wurde, weil ein Mann an die Rezeption kam. Viele Männer werden jetzt vielleicht spaßeshalber denken: »Da ist die Welt noch in Ordnung.« Gell?

Vor einigen Jahren haben wir sogenannte Haddsch-Flüge gemacht. Wir haben gläubige Muslime zu ihrer Pilgerreise nach Mekka geflogen. Diese Flüge waren immer eine Herausforderung. Jeder Platz war ausgebucht und die in weißen Gewändern gekleideten Muslime haben auf den Flügen viel gebetet. Während des gesamten Fluges hörten wir über das Bordmikrofon den Muezzin Gesang. »Allah mehh laaahhh … Allah mehhh laaahhh …« Wir, die Flugbesatzung haben davon natürlich kein Wort verstanden.